So nah und doch so fern: San Juan de la Maguana und ein Ausflug zum haitianischen Markt nach Comendador

So nah und doch so fern – San Juan de la Maguana, eine Stadt, in der gleich sechs Freiwillige unserer Gruppe wohnen, und die in Luftlinie eigentlich nicht weit von Jarabacoa entfernt liegt, vielleicht 60 km. Da es jedoch keine gut ausgebaute direkte Straßenverbindung gibt (nur eine unbefestigte Straße zwischen Constanza und San Juan), zieht sich die Anreise doch mächtig in die Länge: 2,5 Stunden mit dem Bus von Jarabacoa in die Hauptstadt und von dort 3 Stunden mit dem Bus nach San Juan + Wartezeit in der Busstation. Am 18. und 19. Mai sollten wir in San Juan in den Räumlichkeiten der Partnerorganisation FECADESJ von unseren Mitfreiwilligen Sarah und Manuel einen GIS-Kurs erhalten und so machte ich mich auf den langen Weg.

Der Kurs bot natürlich gleichzeitig eine super Gelegenheit die Freiwilligen vor Ort zu besuchen und San Juan kennenzulernen, eine Stadt, die mich tatsächlich überraschte: Zum Einen ist sie sehr weitläufig und so muss man zu Fuß ziemlich weite Strecken zurücklegen. Zum Anderen weil San Juan wirklich eine sehenswerte, hübsche Stadt ist, die es sich wirklich als Stadt zu besichtigen lohnt, so wie es meiner Meinung nach eigentlich nur wenige in der DomRep gibt (wenn, dann die Kolonialzone in Santo Domingo und das Zentrum Puerto Platas). In dem Stadtviertel, in dem ich übernachtete, gab es zu meiner Freude zudem ziemlich viele, noch gut erhaltene traditionelle, farbenfrohe Holzhäuser wie ihr unten auf den Fotos sehen könnt. Und noch eine Sache überraschte mich positiv: In San Juan war angeblich im Zuge irgendwelcher Olympischen Spiele (wobei die DomRep meiner Recherche zufolge nie Austragungsort war) eine große parkähnliche Sportanlage gebaut worden, die intensiv von den San Juanern genutzt wird. Auch ich und ein paar weitere Freiwillige konnten es uns nicht nehmen lassen, an der abendlichen kostenlosen Zumbastunde in der Sportanlage teilzunehmen. Was jedoch auch auffiel war, dass es in der Stadt trotz ihrer doch beträchtlichen Größe an den sonst üblichen Supermarkt- oder Fastfoodketten fehlte – vermutlich, weil es sich um eine der ärmeren Provinzen des Landes handelt, die Kaufkraft gering und wenig bis kaum Tourismus vorhanden ist (außer, dass ab San Juan eine weitere Route zum Pico Duarte hinaufführt).

Die Stadt gilt aber auch als eine Art spirituelles Zentrum: Zur Zeit der Sklavenaufstände im 18. Jahrhundert waren viele (afrikanische) Sklaven in die um San Juan liegenden Berge der Cordillera Central entflohen und lebten dort organisiert als „cimarrones“ mit ihren Traditionen und religiösen Kulten weiter. Noch heute weist San Juan zahlreiche religiöse Festlichkeiten auf: Prozession zu Ehren Altagracias (21. Januar), Fiesta Patronal (Patronatsfeier) (Juni), Osterprozessionen mit Gagá-Bands und „Espíritu Santo“ (Heiliger Geist)-Prozessionen, die sieben Wochen nach Ostern stattfinden. Leider habe ich davon während meines Besuchs nichts mitbekommen, so wie ich generell im ganzen Land bisher sehr wenig von der volkstümlichen Religionsausübung mitbekommen habe.

Von San Juan aus nutzen ein paar Freiwillige und ich die Gelegenheit am Freitag zum haitianischen Grenzmarkt nach Comendador (von den Dominikanern meist „Elias Piña“ wie die gleichnamige Region genannt) zu fahren. Der Markt sah ähnlich wie der aus, den ich bereits zweimal in Constanza besucht hatte: stapelweise Schuhe, Klamottenberge, Kosmetikprodukte und Haushaltsgegenstände en masse, aber hier auch Obst und Gemüse und das haitianische Dosenbier „Prestige“ sorgfältig am Straßenrand aufeinandergestapelt. Ich lief mit Manuel Richtung Grenze, doch bis auf eine Militärfestung war nichts weiter zu sehen, zumal eine unsägliche Hitze herrschte, vor der wir uns erst einmal in den nächsten „Bon“-Eisladen retten mussten. Mittags fuhren wir in das östlich gelegene Las Matas de Farfán weiter, in der Hoffnung dort libanesisches Essen zu finden, von dem ich im Internet gelesen hatte. Das sollte es angeblich dort geben, da sich in dem Ort wie in vielen anderen der DomRep auch vor einiger Zeit Libanesen angesiedelt hatten. Auch in San Juan hatte ich z. B. ein „Hotel Líbano“ und eine „Tienda Libanesa“ gesehen und auch die Herkunft des Oppositionskandidaten Luis Abinader wurde in der Medienberichterstattung immer wieder als „libanesisch“ betont. Kurz und gut: Es gab kein libanesisches Essen in Las Matas wie wir von einem spanischen Restaurantbesitzer erfuhren und so landeten wir schließlich in einem Sandwichladen, in dem das Essen auch sehr lecker war. Auch der Parque Central entpuppte sich nicht als halb so schön wie er in meinem Reiseführer beschrieben worden war.

Comendador:

Las Matas de Farfan:

Beobachtungen aus dem dominikanischen Alltag I

The pain is temporary, the victory forever

Der Schmerz ist nur vorübergehend da, der Sieg für immer – das steht über der Tür zu den Umkleidekabinen in meinem Fitnessstudio, wo ich mangels Freizeitalternativen zwei bis drei Mal pro Woche hingehe. Für 1000 Pesos pro Monat (etwa 20 Euro) kann ich in diesem sehr gut ausgestatteten Fitnessstudio theoretisch Montag bis Samstag Maschinen und Sportkurse nutzen.

Doch zurück zum Anfang: Dass der Schmerz, also Muskelkater, nur zeitweise da ist, stimmt. Aber der „Sieg“ (über den inneren Schweinehund) für immer – das wage ich zu bezweifeln. Es ist an sich schon interessant zu sehen wie viele, nun ja, übergewichtige Frauen fast jeden Tag ins Fitnessstudio gehen und dort mit mir zusammen wahlweise einen Aerobic-, Zumba- oder Tanzkurs besuchen. Ehrlichgesagt  habe ich nicht den Eindruck, dass der Sport irgendetwas an der üppigen Körperform dieser Frauen ändert, auch wenn sie sich jede Sportstunde in einen „waist belt“ (eine Art elastisches Korsett) zwängen, der hier fleißig im Fernsehen beworben wird und angeblich beim Abnehmen helfen soll. In den Gesprächen dieser Frauen höre ich immer wieder das Wort „cintura“ (Spanisch für „Taille“) heraus, die wohl durch den Hüftgürtel schmaler werden soll. Allgemein gibt es in den Sportkursen entweder schlanke, durchtrainierte Frauen oder eben „Presswürste in Neonfarben“, wenn ich das jetzt mal ganz böse ausdrücke. Aussehen ist auch beim Sport extrem wichtig, und so muss der neueste Sportbody in Neonfarben oder ein raffiniertes Top mit Glitzer oder Spitze angezogen werden. Ich mit meinen neonorangefarbenen Schnürsenkeln bin somit zumindest halbwegs im Trend.

Der Trainer – ein durchtrainierter Strich in der Landschaft, der vermutlich schwul ist, wird von den Frauen angehimmelt und einige versuchen immer möglichst nahe bei ihm am Spiegel zu trainieren – nun ja, nicht anders als in einem Zumbakurs in Berlin. 😉 Er dreht die Musik immer so ohrenbetäubend laut auf, so dass ich trotz Ohropax in den Ohren, immer noch alles davon mitbekomme. Wir hopsen wie die Flummibälle durch den Raum, mixen ein paar Reggaeton-, Bachata-, Salsa- und Merengue-Schritte dazu und quälen uns mit Hanteln, Hüpfbällen und Stepper.

Eins steht fest: So viel Sport wie jetzt gerade habe ich jedenfalls lange schon nicht mehr gemacht. Naja, alles Training für den Pico Duarte, den höchsten Berg der Karibik, den ich über Neujahr besteigen werde!

Laut, lauter, Dominikanische Republik

Wie es gerade schon im Beitrag zum Fitnessstudio anklang, wird Musik hier sehr gerne SEHR LAUT aufgedreht. Es ist wirklich extrem und für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Autos mit extra auf dem Rücksitz eingebauten Lautsprecherboxen fahren am Haus vorbei, so dass die Fensterscheiben vibrieren – Reggaeton oder Bachata nicht nur vom Feinsten, sondern auch vom Lautesten. Auch wenn sich viele Dominikaner unterhalten, habe ich oft das Gefühl, sie würden sich anschreien oder sich zumindest streiten, da nicht nur die Gesprächslautstärke, sondern auch die Sprachmelodie recht „ausschlagend“ sind. Einen komplett stillen Ort sucht man oft leider vergeblich. Sind Leute da, ist immer auch Musik da. Habe ich schon erwähnt, dass neben meiner Wohnung gerade ein Colmado, ein kleiner Tante-Emma-Laden, aufgemacht hat? Gestern hatte uns der Betreiber versprochen abends keine Musik zu spielen – eine glatte Lüge, wie ich heute leider feststellen musste. Immerhin habe ich mein Zimmer hinten zum Hof raus. Aber auch da gibt es Nachbarn, die ganz gerne einmal die Boxen bis nachts um 2 Uhr aufdrehen. Eigene Musik brauche ich dann nicht mehr einlegen…

2015-10-31 17.34.29
Einmal Lautsprecher bitte!

Banco vs. Banca & weibliche Spielsucht

Anfangs dachte ich, dass es an jeder Ecke in der DomRep eine Bank gibt und freute mich schon, problemlos überall Geld abheben zu können. Aber irgendwie waren diese Banken komisch, es gab so eine Art Schalter und ständig hingen unsere Nachbarn vor einer solchen „Bank“ rum. Meine Gastmutter löste meine Verwirrung schließlich auf, in dem sie mir erklärte, dass es sich nicht um eine „banco“ (Bank), sondern um eine „banca“ handele, eine Art Spielbank, in der man Lottoscheine und auch Handyguthaben erwerben könne. Da viele Dominikaner, vor allem Frauen, lottosüchtig sind, gibt es diese bancas bis in den entlegensten Winkel jeden Dorfes.

Jeden Tag findet eine Lottoziehung statt, die zum einen auf manchen Radiosendern und immer im Fernsehen live übertragen wird. Es ist ein fast halbstündiges Spektakel, das sich unter der Leitung eines schauspielerprobten Moderators abspielt. Die Lottozahlen werden von immer anderen Personen gezogen, die mit Augenklappe und Handschuhen ausgestattet sind. Die Lottokugeln sind auf einer Kette aufgezogen, die dann über der Urne zerschnitten wird, so dass die Kugeln hineinfallen. Die für die entsprechende Urne zuständige Person mit Augenklappe präsentiert dann ihre leeren Hände ausdrucksschwer der Kamera, um vom Schummeln ausgeschlossen zu werden und zieht dann nach mehrmaligem schwungvollen „Umrühren“ die Lottozahlen des Tages. Der Moderator präsentiert die jeweilige Gewinnerkugel dann unter viel Geplapper in seinen mit Klarlack aufgehübschten Fingern der Kamera. Herrlich!

Auch wenn der Titel dieses Videos von der langweiligsten Lottoziehung der Welt spricht, ich finde es lustig! 🙂

Feliz Navidad (Fröhliche Weihnachten) – schon seit September!

Schon seit Ende September ist Weihnachten – zumindest wenn man dem Sortiment vieler Läden und der Hausdekoration vieler dominikanischer Familien folgt. Bereits Ende September konnte ich erste Fotos von Weihnachtsbäumen vor Geschäften machen! Jetzt Anfang November blinkert und glitzert es rot, blau, grün und lila bereits im ganzen Stadtviertel – Weihnachtsbäume und Glitzergirlanden liefern sich einen stromintensiven Wettbewerb und das obwohl der Strom in der DomRep der teuerste in Zentralamerika ist. Blinkende Rentiere und Weihnachtsmänner wirken auf einen Europäer so surreal und fehl am Platz wie die Weihnachtslieder, die in der Mittagspause in unser warmes, moskitogeplagtes Büro von einer Kindereinrichtung rüberschallen. Im größten Ramschladen der Stadt, La Cancha, hat die weihnachtliche Materialschlacht begonnen und so wird die vordere Geschäftshälfte bereits von stapelweise Glitzerdeko eingenommen. Schön ist was anderes…