Ostern in Budapest. Tag 1: Jüdisches Hipsterviertel, Heldenplatz und Stadtwäldchen

„Nie wieder Nachtzug im Sitzabteil!“ dachte ich mir nachdem ich nach fast zwölfstündiger Fahrt von Berlin nach Budapest angekommen war. Okay, dass eine Nacht auf dem Sitzplatz mit wenig komfortabler Schlafposition auf mich zukommt, hatte ich ja vorher gewusst. Aber dass  genau mir gegenüber ein quasselstrippiger ungarischer Herr Platz nehmen sollte, das konnte ich vorher leider nicht ahnen. Erst laberte er seine Sitznachbarin auf Deutsch zu, obwohl sie sich einfach nur in ihr Buch vertiefen wollte. Ich hatte das Gefühl, dass er sich nur mit ihr unterhielt, um sich wichtig zu machen und einen belehrenden, besserwisserischen Tonfall an den Tag zu legen.  Ein typischer Fall von „Mansplaining“ dachte ich noch, doch dann schwenkte der redselige Herr auf Ungarisch auf ein Gespräch mit meinem Sitznachbarn um. Sie unterhielten sich wirklich OHNE Pause bis etwa Mitternacht, dann war bis morgens gegen 7 Uhr endlich Ruhe im Abteil, doch direkt nach dem Aufwachen ging das Gequassel wie auf Knopfdruck ohne Punkt und Komma weiter. Unglaublich wie man so viel reden kann! Gottseidank verstand ich nichts und war froh gegen 8.30 Uhr endlich aussteigen und zu meinem Hostel fahren zu können. Auf dem Weg dorthin lernte ich gleich Budapests U-Bahn kennen, insbesondere die Linie M1, die, 1896 eröffnet, als älteste U-Bahnlinie des europäischen Festlandes gilt. Die kleinen Waggons und die kachel- und holzverzierten Ministationen sahen echt urig aus – ich fragte mich nur, wie es kapazitätsmäßig in Stoßzeiten unter der Woche aussehen muss… Am Osterwochenende waren gefühlt fast nur Touristen in der Stadt unterwegs und die Budapester wohl mehrheitlich auf’s Land gefahren.

Erster Anlaufpunkt meines ersten Tages in der ungarischen Hauptstadt war das jüdische Hipsterviertel. Hier steht die nach der Synagoge in New York weltweit zweitgrößte Synagoge. Ein beeindruckendes, schönes Ziegelbauwerk, dass mit seinen maurischen Stilelementen an die Synagoge in Berlin in der Oranienburgerstraße erinnert. Um die Synagoge herum: Typisches Hipsterviertel so wie es mittlerweile in jeder größeren europäischen Stadt existiert mit kleinen Cafés, Kneipen und Läden, von denen die meisten an diesem Karfreitag allerdings geschlossen waren. Die Dichte an hippen israelischen Falafelimbissen und weiterem „jüdischen“ Essen erinnerte mich sehr an das gentrifizierte jüdische Viertel in Krakau, das ich Anfang des Jahres besucht hatte. Irgendwie geht mir diese vereinheitliche Hipsterkultur schon echt auf die Nerven und auch auf dem Flohmarkt, über den ich durch einige Hinterhöfe hindurchschlenderte unterschied sich mit seinem Stoffbeutel- und Ohrringeangebot kaum von Berliner Flohmärkten.

Nach einem Zwischenstop im prunkvollen „Café New York“, einem der traditionellen Kaffeehäuser Budapests, das allerdings extrem überteuert war,  lief ich weiter Richtung Donau. Auf dem Weg dahin konnte ich mir die beeindruckenden und architektonisch sehr interessanten Häuserfassaden etwas genauer ansehen – in dieser Hinsicht erinnert mich Budapest sehr stark an Paris und einige der Jugendstilbauten sogar an Helsinki mit seinen Bauten im Stil der Nationalromantik. In Ungarn hatte sich mit dem „Szecesszió“ ein ganz eigener Stil des Jugendstils herausgebildet, der insbesondere historische Figuren und Szenen sowie orientalische Elemente in die Architektur einband. Fast an jeder Ecke konnte einen ein ungewöhnliches Bauwerk überraschen!

Am Nachmittag machte ich mich zum Stadtwäldchen auf, ein großer Park nordöstlich des Zentrums gelegen, dessen Eingang vom riesigen Heldenplatz flankiert wird, auf dem sich die Touristenmassen tummelten. Im Park selbst konnte man dem recht kalten und windigen Osterwetter trotzen und noch ein paar Sonnenstrahlen abbekommen. Ich lief einmal um Europas größte Therme (ja, Budapest hat schon viele Superlative zu bieten!), das Széchenyi-Bad, herum, entschied mich aber nicht hineinzugehen, sondern an einem der kommenden Tage eine der türkischen Therme der Stadt auszuprobieren. Türkische Therme? Ja, ganz richtig! Budapest war von 1541 bis 1686 von den Osmanen besetzt gewesen und diese wussten sich die Thermalquellen der Stadt zu Nutze zu machen, in dem sie öffentliche Bäder bauten, die teilweise bis heute in Betrieb sind.

Ich beschloss den Tag, in dem ich noch zwei im Reiseführer erwähnte Jugendstilbauten in der Nähe des Stadtwäldchens, die ehemalige staatliche Blindenanstalt und das Geologische Institut, abklapperte, und in einem günstigen Restaurant frittierte Champignons und Suppe mit Mehlklößen mampfte. Lecker!