Ein Couchsurfer kommt selten allein – Ausflug nach Erriadh und Ajim

Am zweiten Tag meines Djerba-Aufenthaltes fasste ich den kühnen Plan eine Radtour auf der Insel zu machen. Erste Herausforderung war es an ein Fahrrad zu kommen. Laut meinem Hotel und laut der Touristeninformation in Houmt-Souk gab es angeblich keine Leihfahrräder in der Stadt, sondern nur in der östlich gelegenen Zone Touristique, d. h. dem Küstenstreifen aus Betonburgen alias Pauschalhotels, Souvenirshops und Casinos. Der Taxifahrer hatte eine ungefähre Ahnung wo es Fahrräder auszuleihen gab und fuhr mich (wie ich erst später anhand einer Karte nachvollzog) bis fast ans östliche Ende de Zone Touristique, wo er mich bei einem Squad-Verleih absetzte, der auch Fahrräder verlieh. Der Verleih für zwei Tage war schnell geregelt und so saß ich schon kurze Zeit später auf einem vermutlich schon längere Zeit nicht mehr genutzten Rad und strampelte die Hauptstraße zurück Richtung Houmt Souk. Der schmale Sattel des Rads entpuppte sich als recht unbequem und auch die Lenkerhöhe musste ich bei zweimaligen Stopps in Fahrradwerkstätten noch einmal regulieren lassen. Aber nun gut, eine Auswahl hatte ich ohnehin nicht gehabt und ich war froh, dass es an diesem Tag nicht so heiß war und eine frische Brise wehte.

Mein Ziel sollte die südlich der Inselhauptstadt gelegene Kleinstadt Erriadh sein, in der noch heute viele der auf Djerba verbliebenen Juden leben und in der es eine Synagoge, La Ghriba („die Fremde“), gibt. Diese Synagoge erlangte 2002 traurige Berühmtheit als davor ein mit Flüssiggas beladener LKW explodierte, wobei 21 Menschen, darunter 14 Deutsche, starben. Als ich an der Synagoge ankam, war diese durch eine Polizeisperre abgesichert. Ich stellte mein Fahrrad auf den Parkplatz und lief bis zum Eingang der von außen unscheinbar wirkenden Synagoge. Drinnen zeigte sich ein ganz anderes Bild: bunte Kacheln, arkadenhafte türkis-weiß angestrichene Pfeiler, die mich an die Mezquita-Kathedrale von Córdoba erinnerten, bunt bemalte Holzdecken, ein mit rot-goldenen Stoffen verhängter Thoraschrein und Beschriftungen sowohl auf Hebräisch als auch Arabisch. Faszinierend! Viel Zeit zum Staunen hatten ich und die anderen Besucher nicht, denn es war bereits 13 Uhr und der mürrisch wirkende Synagogenwächter wollte gerne in die Mittagspause gehen. Immerhin konnte ich mir noch die danebenliegende Pilgerherberge ansehen, denn La Ghriba ist jedes Jahr 33 Tage nach Ostern Ziel der größten jüdischen Wallfahrt in ganz Nordafrika. Neben meiner Wenigkeit war auch noch eine Gruppe Reisender mit den in den Hof der Herberge hinübergelaufen, die mich fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. Wie sich im Gespräch herausstellte, waren es alles Couchsurfer: zwei aus Tunesien, ein Algerier, eine Iranerin und ein Vietnamese! Das passte ja mal wieder wie die Faust auf’s Auge, hatte ich doch diesmal im Vorfeld meiner Reise keine Couchsurfing-Leute kontaktiert, weil ich keine Lust und keine Zeit gehabt hatte. Aber so spielte mir der Zufall in die Hände und wir beschlossen gleich alle zusammen Mittagessen zu gehen.

Am Nachmittag drehten wir eine Runde im „Djerbahood“ genannten Ortsteil von Erriadh, in dem gerade ein Kulturfestival stattfand. Choukri, der selbst aus Djerba stammt, zeigte uns zudem noch zahlreiche Wandmalereien, die sich hinter jeder Ecke von Djerbahood verbargen – mal in mehr, mal in weniger gutem Zustand. Zwei Tage später sollte ich übrigens noch einmal nach Djerbahood kommen, um weitere Wandmalerein zu fotografieren, so dass an dieser Stelle Fotos von beiden Tagen zu sehen sind.

Für den Abend hatten wir uns zu einer Bootsfahrt vom südlich gelegenen Ajim aus verabredet, wo ein Cousin von Choukri ein Boot besaß und bereit war uns zum Sonnenuntergang zu einer unbewohnten Insel herüberzuschippern. Auf der Insel herrschte eine ganz eigene Stimmung: Über unseren Köpfen kreisten laut kreischende Möwen und im niedrigen Gestrüpp musste man aufpassen nicht in eines der Möwennester zu treten. Nach dem Bootsausflug und einem kleinen Umtrunk in der „Strandbar“ von Ajim kehrten wir per Auto Richtung Houmt Souk zurück und fuhren zum „Centre International Méditerranéen“, einem riesigen Haus, das einem gewissen Professor Yamoun gehört, und in dem alle Couchsurfer übernachteten. Mittlerweise war es bereits gegen 23 Uhr, was Salim, den Algerier, jedoch nicht davon abhielt, auf die Schnelle für uns alle zu kochen. Innerhalb von 30 Minuten hatte er ein riesiges Menü auf den Tisch gezaubert, von dem wir alle gar nicht mehr so viel essen konnten. Bevor ich zurück ins Hotel fuhr, musste ich mich von den meisten der Reisegruppe auch schon wieder verabschieden, da sie am nächsten Tag zurück nach Tunis fuhren. Es blieb eigentlich nur Salim noch da und mit ihm und Professor Yamoun sollte ich an einem der kommenden Tage noch eine spannende Tour durch Südtunesien unternehmen. Doch dazu mehr im übernächsten Blogeintrag!

P.S.: Danke an meine Co-Fotografen!

Lima, die facettenreiche peruanische Hauptstadt mitten in der Wüste

Mitten in der Wüste? Lima? Nun ja, nicht ganz. Die peruanische Hauptstadt wird natürlich zum Einen durch den Pazifik begrenzt. Den Rest der Stadt, der dem Landesinneren zugewandt ist, jedoch umgibt tatsächlich eine so genannte Küstenwüste, wie sie für den ganzen peruanischen Küstenstreifen typisch ist. Fährt man also z. B. südlich aus Lima hinaus, wähnt man sich in der Wüste in Marokko, nur, dass die ärmlichen Häuschen, in denen Menschen ohne Strom und fließend Wasser leben, etwas anders aussehen. In meinem „Lonely Planet“ steht zudem, dass Lima nach Ägypten die zweittrockenste Stadt der Welt ist, es also extrem selten regnet. Das merkt man in der Stadt selbst jedoch kaum: Alle Grünanlagen werden bewässert und jeden Morgen hängt ein grieselig-grauer Nebel über der Stadt, der eigentlich nur zu Regenwetter passt.

So verschleierte auch am Morgen des 28. August 2016 als ich in Lima eintraf ein grauer Nebel die ganze Stadt. Die Taxifahrt vom Flughafen ins schicke Viertel Miraflores nahm um Einiges weniger Zeit als unter der Woche in Anspruch, in der Lima regelmäßig einen Verkehrskollaps erleidet. Und: Alles kam mir unglaublich ruhig vor (wie noch sooft auf dieser Perureise), was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn man zuletzt in der lauten Karibik gewohnt hat. Den Nachmittag verbrachte ich in der herrlich kühlen „Wintersluft“ (Peru liegt ja auf der Südhalbkugel) draußen und spazierte in Miraflores herum, ein lebhaftes Geschäftsviertel mit vielen Hochhäusern, das recht westlich aussieht und in dem man stets sicher und anonym herumlaufen kann. Sehr angenehm! Abends musste ich mir natürlich gleich die erste archäologische Ausgrabungsstätte anschauen – und daran mangelt es nicht in Peru!: Huaca Pucllana, ein hügelförmiger Zeremonialort der Wari-Kultur (ca. 600-1100), der komplett aus Lehmziegeln erbaut worden war. Das Interessante daran: Die Lehmziegel sind hochkant wie Bücher in einem Bücherregal angeordnet, wobei die Schlitze zwischen ihnen den Mauern genügend Flexibilität geben, wenn ein Erdbeben die Stadt heimsucht. Davon gibt es leider nicht wenige – die bisher Schlimmsten haben sich in den Jahren 1746 und 1940 ereignet.

Bis Ly am Montagabend eintraf, mit der ich drei Wochen unterwegs sein sollte, nutzte ich den Tag noch, um die an Miraflores angrenzenden Stadtviertel kennenzulernen: das Bankenviertel San Isidro und La Victoria mit einigen Parks und Museen. Da ich nur zu Fuß unterwegs war, bekam ich langsam einen Eindruck der gigantischen Dimensionen dieser Stadt. Wie gut, dass auf dem grünen Mittelstreifen der Hauptader Avenida Arequipa, die Miraflores mit dem Zentrum Limas verbindet, bereits Radwege angelegt worden waren. Doch leider fahren noch viel zu wenige Leute Fahrrad als dass das einen positiven Effekt auf das allabendliche Verkehrschaos haben könnte. Als Ly angekommen war und wir am nächsten Tag Limas Zentrum besichtigt hatten, brauchten wir mit dem öffentlichen Bus zurück nach Miraflores über zwei Stunden und das, obwohl wir am Mittag für diese Strecke gerade einmal knappe 30 Minuten gebraucht hatten. Taxifahrer Gerardo, mit dem ich mich angefreundet hatte, erzählte mir von der „Metro Lima“, einer Art U-Bahn, die zur Lösung des Verkehrsproblems beitragen soll, bisher aber leider nur eine Linie aufweist und zudem immer noch aufgrund der hohen Kosten umstritten ist. Ist wahrscheinlich ein ähnlicher Tropfen auf den heißen Stein wie die in Casablanca und Rabat eingeführte Straßenbahn…

Limas Stadtzentrum präsentierte sich uns morgens in einer grauen Nebelsuppe und auch die Besichtigung der Kathedrale sowie später des San-Francisco-Klosters stimmte uns eher depressiv: Die Kirchbauten präsentierten sich dunkel mit vielen leidenden Heiligen- und Christusfiguren, die Katakomben des Klosters mit vielen Knochenüberresten. Lustiger wurde es erst beim Mittagessen als wir zum ersten Mal eines dieser kleinen, aber feinen peruanischen Restaurants aufsuchten und nun das Tagesmenü mit lauter unverständlichen Essensbezeichnungen vor uns hatten. Wir ließen uns alles vom Kellner erklären, doch bei vielen Sachen scheiterte ich mit meinen Spanischkenntnissen und wir mussten einfach auf gut Glück bestellen. Das erste Ceviche schmeckte sehr lecker; die komischen Innereienstückchen auf Lys Teller eher weniger. Aber, wer nicht wagt, der nicht gewinnt! 😉

Nach der ersten Kennenlernrunde mit Lima machten wir uns auf zu unserer dreiwöchigen Gringo-Trail-Tour in den Süden Perus, wie ich in meinen nächsten Blogeinträgen berichten werde. Nach gut drei Wochen waren wir zurück in Lima, da Ly von dort aus ihren Rückflug nach Deutschland antreten würde. Doch zuvor musste noch ein Highlight abgeklappert werden: Die MISTURA, Food Festival und Essensmesse, die zufälligerweise gerade stattfand. Lima gilt nämlich mittlerweile kulinarisch gesehen als DAS Ziel in ganz Südamerika und die peruanische Küche generell gilt als eine der abwechslungsreichsten auf dem ganzen Kontinent. Auf der MISTURA präsentierten sich sämtliche Regionen Perus mit einem Stand und natürlich den entsprechenden Spezialitäten. Kaffeeschlückchen, Schokoladenstückchen und andere Proben wurden einem nur so hinterher geworfen und die Aussteller konnten es gar nicht verstehen, wie wir gegen Ende unseres Besuchs ihre Häppchen ablehnen konnten. Wir brauchten dann erst einmal etwas Herzhaftes und kauften uns mit unseren Essensmarken zwei leckere Fischgerichte, bei denen natürlich auch Mais nicht fehlen durfte.

Am nächsten Tag schauten wir uns noch das wirklich sehr schön und ansprechend gestaltete Larco-Museum mit einer riesigen präkolumbianischen Keramik- (inklusive ziemlich expliziter Erotikkeramika) und Schmucksammlung an. Dann hieß es auch schon Abschied von Ly nehmen und so verbrachte ich noch ein paar Tage allein in Lima. Ich besuchte das kostenlose und hochinteressante Nationalmuseum u.a. mit einer Fotoausstellung zum Terror des „Leuchtenden Pfads„, sowie das Künstler- und Bohème-Viertel Barranco, in dem man meint nicht mehr in Lima zu sein, so kleinstädtisch, ja fast dörflich wirkt es. Dort gibt es übrigens ein tolles Museum des peruanischen Fotografen Mario Testino, „MATE“ genannt, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

Alles in allem: eine sehr facettenreiche Stadt mit vielen Gesichtern, die es sich auf jeden Fall zu besichtigen lohnt! Vor allem, wenn am Nachmittag wie auf Knopfdruck die Sonne angeschaltet wird. 🙂

Letzte Eindrücke von der Insel & Abschlussbericht

Ja, liebe Blogleser/innen, wie ihr seht, war mein Blog in den letzten Monaten ziemlich verweist und das aus gutem Grund: Ich war nach meinem Freiwilligenjahr in der Dominikanischen Republik noch gut sechs Wochen auf Reisen und habe mir Peru und New York angeschaut. Dazu werden in den nächsten Tagen auch Berichte und tausende von Fotos (nein, nein, keine Angst, ich werde eine Auswahl treffen!) folgen. Doch zunächst gibt es an dieser Stelle noch ein paar Impressionen meiner letzten Wochen in der DomRep, in denen ich mit meiner Gastfamilie Ausflüge unternommen, Freunde besucht, mich mit den anderen Freiwilligen getroffen und noch die ein oder andere neue Sehenswürdigkeit entdeckt habe. Zudem haben meine Mitfreiwillige Sarah und ich noch eine Abschlusspräsentation vor den Plan-Yaque-Kollegen gehalten. Also, Vorhang auf!

Und zu guter Letzt könnt ihr euch hier noch den Abschlussbericht zu meinem Freiwilligenjahr 2015-16 in der DomRep durchlesen:

Abschlussbericht

Havanna! – Start meiner Offline-Ferien in Kuba

… naja, zumindest Fast-Offline-Ferien! In den 17 Tagen, die ich in Kuba verbracht habe, war ich genau zweimal insgesamt 45 Minuten im Internet und das kann man in der heutigen Zeit ja schon als „offline“ bezeichnen. Aber gut, darauf war ich vorbereitet. Aber nachdem ich mit etwa zwei Stunden Flugverspätung in Havanna eingetroffen war und zusammen mit einer Dominikanerin, die ich auf dem Flug kennengelernt hatte, im Taxi Richtung Innenstadt saß, musste ich zudem feststellen, dass ich auch keinen Handyempfang hatte und meine dominikanische SIM-Card in Kuba nicht funktionierte. Darauf war ich weniger vorbereitet gewesen, musste im Laufe des Urlaubs aber feststellen wie herrlich entspannt es sich doch lebt, wenn man mal nicht jederzeit und überall erreichbar ist.

Den folgenden Tag in Havanna verbrachte ich dann trotzdem damit nach einer Möglichkeit zu suchen meine Familie zu informieren, dass ich gut angekommen bin. Zunächst ließ ich mir von zwei sehr netten und hilfsbereiten Mitarbeitern eines Telefonladens die Wirrwarren der kubanischen Telefonkarten und Vorwahlen für die Nutzung eines der überall präsenten öffentlichen Telefone erklären. Am Ende kaufte ich eine Telefonkarte, mit der ich internationale Anrufe und Anrufe auf kubanische Handys tätigen konnte, ohne, dass der Handyhalter etwas für die Entgegennahme des Anrufs bezahlen muss. Kauft man nämlich eine nationale Telefonkarte und ruft auf einem kubanischen Handy an, zahlt der Empfänger mit. Echt doof! Aber vermutlich kommt diese Regelung daher, dass die meisten Kubaner tatsächlich noch ein Festnetztelefon haben und auch nutzen und sich viele gar kein Handy leisten können. Bei uns war es am Anfang ja auch sehr teuer von Festnetz auf ein Handy anzurufen.

Okay, erste Hürde genommen! Nun wollte ich aber doch einmal versuchen ins Internet zu kommen und fand ziemlich schnell auch einen der öffentlichen, staatlich regulierten Wifi-Spots: Erkennbar an einer Riesen Menge Leute, die sich vor einem Universitätsgebäude in der Altstadt Havannas angesammelt hatten und alle wie gebannt auf ihre Smartphones starrten. Ein fast surreales Bild in Kuba; bei uns (leider) Gang und Gäbe. Ich hatte nun also die Hoffnung mich einfach so in das öffentliche WLAN einloggen zu können. Aber Pustekuchen! Es funktionierte nicht. Ich fragte eine kubanische Familie wie das System denn funktioniere ich sie sagten, ich müsse mir eine Internetkarte mit einem Code in einem Laden der staatlichen Telefongesellschaft Nauta kaufen. Zum Glück befand sich einer in der Nähe und so stellte ich mich vor dem Laden an wie noch so oft in diesem Urlaub. Von Schlangestehen kann keine Rede sein – man ruft „El último?“ (Der Letzte?) in die Menschentraube hinein, einer meldet sich, und auf diese Person muss man nun achten, denn nach ihr darf man reingehen. Eigentlich ein cleveres System! Im tiefgekühlten Telefonladen erstand ich schließlich eine Internetkarte, mit der ich an den Wifi-Hotspot zurückkehrte.

Aber bei Eingabe des Codes in mein Handy funktionierte es immer noch nicht und ich mutmaßte, dass es entweder an der US-amerikanischen Marke meines Handys liegen müsste oder daran, dass ich keine kubanische SIM-Card hatte. Ich suchte wieder Rat bei der kubanischen Familie, genauer gesagt bei Ernesto, der mir den Tipp gab, mich mit der Internetkarte an einem der Computer im Telefonladen einzuloggen. Bevor ich mich aber wieder am Telefonladen anstellte, kam ich mit Ernesto ins Gespräch und er erzählte einige sehr interessante Dinge über Kuba, fragte mich über Deutschland und Europa aus und war erstaunlich gut informiert. Das sollte mir in Kuba noch öfter passieren: Die Leute stecken einen nicht pauschal wie so oft in der DomRep in den „Americana“-Topf, sondern fragen aus welchem Land man kommt und wenn ich dann „Deutschland“ sagte, fragten sie immer „Aus welchem Teil von Deutschland?“. Wenn ich dann sagte „Aus dem Osten“ bekamen sie große Augen und fragten „Und aus welcher Stadt?“ – „Aus Dresden.“ – „Was, aus Dresden! Ach, das kenne ich, da war 1965 einmal zu Besuch gewesen!“ etc. So geschehen z. B. mit einem älteren Herren, mit dem ich in einem kleinen Park in der Altstadt Havannas ins Gespräch kam und der mir seine halbe Lebensgeschichte erzählte. Super interessant! So hatte er z. B. als Soldat für die angolanische Unabhängigkeit von Südafrika gekämpft und war einmal in allen portugiesischsprachigen Kolonien Afrikas stationiert worden. Als ich ihm von meinen Reisen und Auslandsaufenthalten, insbesondere von Tansania, erzählte, war er begeistert und lud mich auf einen Kaffee ein. „Für 1 Moneda Nacional!“ wie er schelmisch grinsend  sagte. In der touristenüberlaufenen Altstadt Havannas sind die meisten Preise nur in der Touristenwährung CUC angegeben, die an den US-Dollar gebunden ist, so dass 1 CUC = 1 USD entspricht. Die lokale Währung (Moneda Nacional oder CUP) wird nur von den Kubanern oder einigen schlauen Touristen (so wie ich, hehe) genutzt und ist extrem wenig wert: 1 CUC = 25 CUP. Wenn man bedenkt, dass das Durchschnittseinkommen eines Kubaners 20 USD = 500 CUP, fragt man sich wie die meisten Kubaner über die Runden kommen. Denn einige Produkte wie z. B. Kosmetik, Regenschirme (neben einem Fächer das Standardaccessoire jeder kubanischen Frau) und Haushaltskram erschienen selbst mir teuer. Aber ich vermute, dass es nachwievor einen florierenden Schwarzmarkt gibt. Auf einen Kaffee für 1 CUP konnte mich der ältere Herr also problemlos  einladen und ich muss sagen, es war ein richtig guter, starker Kaffee! Leider verlor ich die Spur des älteren Herren später als ich ins Stadtmuseum ging und er derweil in einem Kakaoladen auf mich warten wollte. Als ich dorthin kam, war er nicht da und Telefonnummern hatten wir nicht ausgetauscht. Auch das sollte mir auf dieser Reise noch öfter passieren, dass ich Leute nach einem ersten Kennenlernen einfach wieder „verlor“, weil sie nicht am späteren Treffpunkt auftauchten, ich aber auch nicht anrufen konnte. Aber irgendwie fand ich das gar nicht schlimm, sondern Teil des Nicht-Erreichbarseins und der zufälligen Treffen, die sich eben nur in diesem Moment ereigneten.

Aber genug der Parenthese und zurück zum Internet: Nach erneutem Anstellen am Nauta-Telefonladen, konnte ich endlich das Internet an einem der Computer nutzen und eine Gut-Angekommen-Nachricht an meine Familie schreiben. Mein Gewissen war beruhigt und nun konnte ich endlich richtig auf Stadttour gehen! Zunächst erkundete ich ausführlich Havannas Altstadt, La Habana Vieja, mit ihrer an Südspanien erinnernden Kolonialarchitektur, schön renovierten Plätzen, Galerien, Museen und Wohnhäusern, die zwischen „totrestauriert“ und völlig runtergekommen schwankten, in denen aber stets Menschen wohnten. Im Stadtteil Centro, in dem sich auch mein Hostel befand, musste ich manchmal an Fotos von deutschen Städten denken, die im Zweiten Weltkrieg zerbombt worden waren – so verfallen sahen die Häuser teilweise aus. Doch es gab auch schöne Ecken in diesem Stadtteil: das Chinaviertel mit einigen chinesischen Restaurants allerdings fast ohne Chinesen, da diese wohl nach der Revolution in den 1950ern fast alle aus Kuba geflohen waren; der Malecón, die Meerespromenade, an der v. a. abends ein Spaziergang lohnt, da dann die Jugendstil- und Art-Déco-Häuser in ein herrliches goldenes Licht getaucht werden, und einige Museen. Ich besichtigte das Museum der Revolution und wie der Name schon verrät, war hier einiges Geschichtliches zur kubanischen Revolution zu lernen – natürlich aber alles regimefreundlich präsentiert. Wie ich im Laufe meiner Reise in einigen weiteren mit der Revolution in Verbindung stehenden Museen feststellen musste, wiederholten sich Fotos, Texte und Darstellungsweisen der Geschichte: ein extremer Personenkult, v. a. um Che, Cienfuegos, die Castro-Brüder und die für die Revolution gestorbenen Mitstreiter herum, die als Märtyrer präsentiert wurden und mich an die Märtyrerverehrung im Iran erinnerte. Und es herrschte eine Obsession bezüglich persönlicher Gegenstände dieser Personen, die alle in Vitrinen ausgestellt waren: Ich weiß nicht wie viele Wanderschuhe, Trinkflaschen, Mützen, Messer, etc. diese Personen tatsächlich besessen hatten – wie dem auch sei, diese Gegenstände sagten einfach GAR NICHTS aus und dienten meiner Meinung nach nur dazu die Vitrinen zu füllen und Geschichte vorzugaukeln.

Ich besuchte aber auch noch ein außerordentlich gutes Museum in Havanna, das Museum der Schönen Künste (Museo Nacional de Bellas Artes). Allein in der Sektion für kubanische Kunst verbrachte ich vier Stunden und ich war froh nicht das Kombiticket gekaut zu haben, mit dem ich auch noch in die Abteilung „universaler Kunst“ Eintritt gehabt hätte. Es war interessant zu sehen wie viele verschieden Stilarten sich in dem über Jahrzehnte hinweg von der Außenwelt abgeschnittenen Insel entwickelt hatten.

Direkt um die Ecke meines Hostels lag das Callejón Hamel, ein Gässchen, das vor Street Art nur so strotzte und, wie mir gleich in einer übereifrigen geführten Tour des Gründers erklärt wurde, ein afrokubanisches Kulturzentrum beherbergte. Das Kulturzentrum führt viele Projekte mit den Anwohnern und der daneben liegenden Schule durch und soll die Menschen für ihr afrokubanisches Erbe sensibilisieren. Eine tolle Sache! In der DomRep wäre so ein Kulturzentrum (fast) unmöglich…

Westlich meines Hostels lag die Universität von Havanna mit einem sehr schönen grünen Campus, und der berühmte Plaza de la Revolución mit Turm, José-Martí-Denkmal, einigen hässlichen betonklotzartigen Ministeriumsgebäuden und, das darf natürlich nicht fehlen, den riesigen Wandbildern Che Guevaras und Camilo Cienfuegos‘, vor denen ein Foto einfach obligatorisch ist. Zum Glück hatte mich auf dem Weg dorthin ein Medizinstudent angesprochen – mit dem ich zudem noch kostenlos in die kleine Kunstgalerie der Unibibliothek reinkam – der mich bis zum Revolutionsplatz begleitete und dann netterweise ein paar Fotos von mir machte. Umso schneller war er dann allerdings auch wieder verschwunden, als ich meinte, dass ich zwar gerne seiner Einladung zu einer studentischen Verkaufsmesse folgen würde, aber keine Zigarren für 90 USD kaufen könne und wolle…

Vom Revolutionsplatz aus besichtigte ich noch den Villenstadtteil Vedado, der fast nordamerikanisch anmutete, wo ich mich aber wegen der starken Hitze nicht lange aufhielt und schnell die stadtbekannte Eisdiele Coppelia aufsuchte. Das Eis war nichts Besonderes und zudem ziemlich teuer (man durfte nur in CUC zahlen), aber immerhin erfrischend.

Die Hitze sollte mich meine ganze Reise lang begleiten und im Süden sogar noch schlimmer werden.  In Santiago de Cuba waren es an einem Tag 42°C!!! Es war definitiv um einiges heißer als in der Dominikanischen Republik und so gehörten auch bei mir bald Regenschirm und Fächer zur Standartausrüstung.

Nach drei Tagen Havanna fuhr ich per Bus weiter nach Süden nach Santa Clara, sollte aber noch einmal meine letzte Nacht (aus der zwei Nächste werden sollten) in der Hauptstadt verbringen. Aber dazu später mehr!

Ein Besuch im Casa de Africa, wo gerade eine beeindruckende Frauenkombo zu Gast war:

 

 

Mangos und Leguane – Entdeckungen in La Descubierta und am Lago Enriquillo

Freitagabend fuhren meine Mitfreiwilligen Manuel, Pauline und Hannah von San Juan aus südlich nach Barahona, wo wir eine Nacht verbringen sollten. Wir hatten Glück, dass uns ein Freund unserer Mitfreiwilligen Lennea mit dem Auto mitnahm und wir auf der Autobahn direkt bis Barahona durchfahren und nicht umständlich mit zwei verschiedenen Guaguas fahren mussten. Auf dem Weg durch die Berge war es leider schon zappenduster, aber als wir aus den Bergen heraus- und durch die Zuckerrohrfelder hindurchfuhren, wurde es auf einmal ziemlich hell: Ein Feuer loderte auf einem der Zuckerrohrfelder – ziemlich beeindruckend, aber auch ziemlich beängstigend und vor allem illegal gelegt wie uns Pablo, unser Fahrer, erzählte.

Nach einer stickigen, heißen Nacht im „Hotel Cacique“ in Barahona nahmen Pauline (danke an meine Co-Fotografin!) und ich am Samstagmorgen ein Guagua Richtung Nordwesten zunächst nach Neiba. Dort stiegen wir in ein weiteres Guagua Richtung Westen nach La Descubierta („die Entdeckung“), ein Örtchen nahe am Eingang zum Lago Enriquillo (Enriquillo-See) gelegen. Der See ist mit 46 m unter dem Meeresspiegel der tiefste Punkt der Karibik und war früher einmal mit dem Meer verbunden gewesen (deswegen führt er Salzwasser) bevor sich die Landmassen verschoben und das Land um ihn herum verschlossen hatten.

Leider kamen wir erst nach 12 Uhr in La Descubierta an, so dass eine Bootstour auf dem See hin zur Isla Cabritos nicht mehr möglich war. Wir aßen daher zunächst im im Ort gelegenen Balneario (Badestelle) zu Mittag, wobei uns die laut dröhnende Musik vom Badengehen abhielt und wir stattdessen zum Eingang des Lago Enriquillo fuhren. Wir konnten uns zumindest entspannt nahe des Wassers hinsetzen und die überall herumlaufenden Leguane beobachten. Am See gibt es übrigens auch Krokodile, so dass es strengstens verboten ist, baden zu gehen. Zu schade bei dieser Affenhitze! Wir fuhren zurück nach La Descubierta, da ein Besuch des weiter westlich gelegenen Grenzstädtchens Jimaní leider schon zu spät war. So spazierten wir am Kanal Las Barías entlang und wurden auf dem Rückweg von einer Anwohnerin zum Mangoessen in ihren Garten eingeladen. Sehr lecker! Die Frau zeigte uns den Abzweig der nach Norden bis fast nach Restauración führenden Straße Carretera 47, die direkt neben ihrem Haus losging. Sie wusste zudem Einiges zu den am Straßenrand wachsenden Pflanzen zu erzählen und gab uns schließlich zum Abschied eine weitere Tüte Mangos mit. 🙂 Zum Sonnenuntergang fuhren wir erneut östlich hinaus aus La Descubierta, diesmal bis zum Aussichtpunkt „Las Caritas“ (die Gesichtschen), an dem sich eine Höhle mit von den Tainos in den Feld geritzten Gesichtern befindet. Wir hatten einen herrlichen Rundumblick auf den See und konnten bald den leuchtenden Mond aufgehen sehen.

Sonntagmorgen trennten sich Paulines und mein Weg: Sie fuhr zurück nach Barahona und von dort aus südlich an der Küste entlang und ich begab mich auf den langen Rückweg nach Jarabacoa über Santo Domingo.

Neiba:

La Descubierta:

Lago Enriquillo:

Ostern im kaum bekannten Südwesten der DomRep – Start mit Pedernales und Cabo Rojo

Um in den Südwesten der DomRep, d.h. die Halbinsel Bahoruco, zu gelangen, muss man viel Zeit einplanen und so nahm ich mir diese Gegend für das verlängerte Osterwochenende vor. Bereits Mittwochabend machte ich mich von Jarabacoa aus per Bus auf den Weg nach Santo Domingo, wo ich eine Nacht bei der Kanadierin Jeanne übernachtete und ihrer Mädels-WG somit die erste Couchsurfing-Erfahrung brachte. Das Setting beim Betreten der schön großen, weitläufigen Wohnung war mal wieder herrlich international: Jeanne, die aus dem französischsprachigen Teil Kanadas stammt und durch ein Auslandsstudium in Argentinien perfekt Spanisch spricht, wohnt mit einer dominikanischen (war gerade nicht da) und einer puerto-ricanischen Medizinstudentin zusammen. Letztere saß gerade mit Oleg, einem Ukrainer, zusammen, um ihre erste Russischstunde bei ihm zu nehmen. Zum Essen gab es dann mexikanische Tacos und als Beilage super-interessante Gespräche v. a. über Puerto Rico, eine mit den USA assoziierte Karibikinsel, die trotz der räumlichen Nähe zur DomRep durch den US-amerikanischen Einfluss doch ganz anders zu sein scheint.

Nach einer kurzen Nacht auf der Couch und ewigem Warten auf das Taxi, das trotz Vorbestellung eine halbe Stunde zu spät kam, saß ich 6 Uhr im Bus nach Barahona und hatte 3,5 Stunden Fahr- und Schlafzeit vor mir. In Barahona musste ich mir vor der Weiterfahrt nach Pedernales noch schnell Sonnencreme kaufen, da ich meine dummerweise zu Hause vergessen hatte. Obwohl diese Lichtschutzfaktor 50 aufwies, schien sie keineswegs gegen die Sonne zu schützen; zumindest sah ich am letzten Tag meiner Reise aus wie als wäre ich im Sonnenstudio eingeschlafen. Ich sag jetzt mal böse: blödes dominikanisches Billig-Produkt!:-S

Sardinenmäßig eingequetscht hatte ich von Barahona nun noch einmal eine 2,5-stündige Guaguafahrt bis an den westlichsten Rand der DomRep, nach Pedernales, vor mir. Die Halbinsel Bahoruco, die ich auf einer gut ausgebauten Asphaltstraße entlangfuhr, bietet auf der einen Seite Blicke auf die Küste mit surreal erscheinendem türkisfarbenen Meer (Nationalpark Jaragua) und auf der anderen Seite auf die Berge der Sierra de Bahoruco im gleichnamigen Nationalpark. Eine beeindruckende Landschaft und Panoramastraße, die für die unbequeme Sitzposition im Guagua allemal entschädigte!

In Pedernales, einer kleinen, recht uninteressanten staubigen Grenzstadt zu Haiti, angekommen, begab ich mich erst einmal auf „Futtersuche“. Achtung, hier wird es wieder international: Ich landete aus Mangel an Alternativen in einem von Chinesen betriebenen Fast-Food-Restaurant mit dominikanischem Essen (frittierte Kochbananenscheiben (Tostones) und frittiertes Hühnchen mit viiiiiiiiiiiel Ketchup und Salz), wo ich hinter der Theke Gotteseidank auch gleich noch mein Handy aufladen konnte, da ich auf den Anruf meines Mitfreiwilligen Manuel wartete, den ich in Pedernales treffen sollte, um mit ihm dann die nächsten Tage zusammen rumzureisen. Während ich aß konnte ich einer Gruppe Haitianer lauschen, die sich lautstark auf Kreyol unterhielten. Ich verstehe da eigentlich gar nichts; ganz selten vielleicht mal ein „afrikanisch“ ausgesprochenes französisches Wort. Als die haitianische Angestellte des Restaurants dann meinen Tisch abräumte und saubermachte, fragte sie mich freudestrahlend (ich glaube sogar auf Englisch), ob ich denn Kreyol sprechen würde. „Ähm nein, nur Spanisch und ja, Französisch…“, sagte ich und fragte mich, wer denn dieses Gerücht in die Welt gesetzt haben könnte. Kurz darauf kam dann ein weiterer Haitianer zu mir, fragte mich ebenfalls ob ich denn Kreyol sprechen würde und setzte sich unverschämterweise einfach an meinen Tisch und hörte nicht auf mich zuzulabern, wobei ich nur die Hälfte verstand. Ich war einfach nur genervt von ihm und da er offensichtlich auch noch anderweitig an mir interessiert war, machte ich, dass ich aus dem Restaurant rauskam und mich in den einzigen kleinen Supermarkt des Ortes flüchtete.

Manuel traf ich schließlich nachmittags am Strand von Pedernales, eigentlich ein menschenleerer ruhiger Ort, aber an diesem Tag wegen des Osterwochenendes (Semana Santa, wörtlich „Heilige Woche“) voll mit Leuten und beschallt von lauter Musik. Wir fuhren auf seinem Motorrad nach Cabo Rojo (Rotes Kap), an der Küste vor Pedernales gelegen, wo ich eine Nacht im „Eco del Mar“ gebucht hatte, eine „Camping Deluxe“-Unterkunft, wie auf dem Schild stand, das wir nach ewiglanger Fahrt durch die wüstenartige Einöde endlich sahen. Und tatsächlich: Ich hatte ein Zelt direkt am Meer für mich, in dem sogar ein Bett drinstand – okay, das Bett war eine dieser riesigen aufblasbaren Luftmatratzen, aber dafür super-bequem. Das ganze „Hotel“ bestand also nur aus den Zelten am Strand und ein paar Holzhütten, in denen nur aus natürlichen Materialien z. B. eine Rezeption, ein Restaurant und Duschen gebaut worden waren. Echt genial! Das Frühstück direkt am Meer am nächsten Morgen war natürlich noch genialer!

Muralizando La Vega – Farbtupfer für die Karnevalsstadt

Auch in La Vega haben neue Wandmalereien (Murales) Einzug gehalten. „Schuld“ war die Malaktion „Muralizando La Vega“ im Rahmen der Künstlerinitiative „Muralizando RD“, die sich immer wieder eine Stadt der DomRep vornimmt, um sie farblich aufzuhübschen. Das Resultat von La Vega seht ihr hier:

SAJOMA und die „Spanferkel“ des Karnevals von Santiago

SAJOMA – das ist das Akronym für San José de las Matas. Zumindest in der Dominikanischen Republik: Wenn man die Abkürzung googelt, gibt es noch einen zweiten Ort, der dieses Akronym für sich beansprucht, nämlich das österreichische St. Josef zu Margareten. Aber zurück in die Karibik: SAJOMA liegt ca. 1 Stunde westlich von Santiago und ich habe dort letztes Wochenende meinen Mitfreiwilligen Manuel besucht. Übernachten konnte ich im Haus seiner sehr netten Gastmutter, denn Manuel selbst kommt dort immer nur zum Essen vorbei und wohnt in einer Parallelstrasse in einer WG mit Terasse, von der man einen herrlichen Blick in die hügelige Umgebung SAJOMAS und auf die eigenartige Kombi aus Baseballfeld und dahinterliegendem Friedhof der Stadt hat.  SAJOMA ist schon etwas kleiner als Jarabacoa, dafür um einiges ruhiger und kann sogar zwei Kulturzentren aufweisen! Am Samstagabend waren wir im Kulturzentrum San José zu einer Show der baldigen Schulabgänger vom Colegio (Schüler/innen  im Alter von 16 Jahren), zu der wir über Manuel Gastmutter, die Lehrerin ist, Karten bekommen hatten. Eine „Noche Latina“, also eine lateinamerikanische Nacht, stand auf dem Programm: Der geschniegelte Moderator erwies Improvisationstalent immer wenn die tanzenden, richtig singenden, playback-singenden oder Musikinstrumenten-spielenden Schüler bei seiner Anmoderation noch nicht ganz bühnenfertig waren. Videos mit Botschaften von nicht anwesenden Lehrern oder dominikanischen Promis wurden eingespielt und am Ende erhielten alle anwesenden Lehrer ein Geschenk. Es war fast wie ein deutscher Abistreich, nur dass die Lehrer nicht verarscht wurden. Man merkte, dass Musik und Tanz den Schülern extrem wichtig war, was soweit ging, dass sie einen professionellen Tanzlehrer angeheuert hatten, um sich unterrichten zu lassen und schließlich ein Musikvideo zu drehen. Wahnsinn dieser Aufwand!

Tagsüber waren wir auf Manuels Motorrad zu zwei Stauseen nahe bei Santiago gefahren, der Presa de Bao und der Presa de Tavera, wo wir im kleinen Ökotourismusgebiet Caimito Verde etwas herumwanderten, schließlich im Stausee badeten und danach lecker frisch zubereiteten Fisch im Fischrestaurant „Teo I“ aßen. Sonntags unternahmen wir einen Ausflug zum Wasserfall Salto de Anacaona, der sich bei unserer Ankunft jedoch leider nur noch als Saltito, also „Wasserfällchen“ mit kaum Wasser entpuppte. Naja, die Wanderung am Fluss entlang hatte sich allemal wegen der Landschaft und der Pflanzenwelt gelohnt!

 

Auf dem Rückweg von SAJOMA nach Jarabacoa legte ich einen kurzen Zwischenstop beim Karneval in Santiago ein. Hier sehen die typischen Verkleidungen anders aus als in La Vega und die „hinkenden Teufel“ nennen sich hier „Lechones“, also „Spanferkel“. Warum? Die Masken, die die Leute tragen, erinnern an ein Schweinegesicht, wenn auch mit einem schnabelförmig nach vorne gebogenen Mund. Neben den „vejigas“ (Blasen), die die Verkleideten auch beim Karneval in La Vega trugen, um eventuelle aufmüpfige Besucher zu hauen, hatten die Lechones noch ein geflochtenes langes Seil dabei, dass sie wie eine Peitsche über dem Kopf schwangen und dann mit einem lauten Knall auf den Boden schleuderten. Zum Glück war die Straße, auf der die Karnevalsvereine entlangdefilierten abgesperrt, denn schnell hätte jemand ein solches Peitschenseil ins Gesicht bekommen können. Die „vejigas“ übrigens waren nicht wie in La Vega mit einem bunten Stoff überzogen, sondern erinnerten mit ihrer pergamentfarbigen Oberfläche tatsächlich an mit Luft gefüllte Tierblasen. Leider konnte ich nicht sehr lange in Santiago verweilen, da es zum Einen anfing zu regnen und ich zum Anderen die Guagua-Fahrtzeiten im Auge behalten musste. Als ich am zeitigen Abend in Jarabacoa eintraf, kam ich auch – ihr dürft raten – ja, richtig, beim Karneval von Jarabacoa vorbei. Mir fiel auf, dass ich ein paar Kostüme sehen konnte, die ich so ähnlich in La Vega letzte Woche gesehen hatte. Und ja, wie mir später der Freund meiner Gastmutter erzählte, es werden alte Karnevalskostüme aus La Vega weiterverkauft (da man sie ja nur ein Jahr anzieht), was den Käufer im Extremfall bis zu 6.000 USD kosten kann!!! Manche Dominikaner stecken ihr sauer in den USA verdientes Geld dann komplett in ein neues Karnevalsoutfit!