Wandertour im zweittiefsten Canyon der Welt, dem Cañón del Colca

Am Morgen des 27. Augusts (Samstag) hieß es in aller Herrgottsfrühe aufstehen: Ein Minibus des Tourveranstalters „Pablo Tour“ sammelte uns direkt an unserer Couchsurfing-Unterkunft ein und los ging’s Richtung Colca-Canyon, dem übrigens zweittiefsten Canyon der Welt. Er ist, was vielen unbekannt ist, sogar um einiges tiefer (bis zu 3.269 m) als der berühmte Grand Canyon (bis zu 1.800 m tief) im US-Bundesstaat Arizona. Der tiefste Canyon der Welt liegt ebenfalls in Peru nicht weit entfernt vom Colca-Canyon, der Cotahuasi-Canyon, der sogar bis zu 3.500 m in die Tiefe geht. Diesen zu besuchen hätte uns allerdings zu viel Zeit gekostet und so hatten wir eine dreitägige „nicht-klassische“ Colca-Canyon-Tour gebucht. „Nicht-klassisch“ sollte heißen, dass wir am ersten Tag in einen Teil der Schlucht hinabsteigen sollten, in der wir kaum auf andere Touristen treffen würden. Nun ja, zunächst fing die Tour ziemlich touristisch an: Nach einem leckeren Frühstück in Chivay fuhren wir weiter zum Aussichtspunkt Cruz del Cóndor (Kondorkreuz). Vor lauter Leuten musste man die Kondore echt suchen, die über den Menschenmassen dahinglitten und sich wahrscheinlich im Inneren über die panisch in die Luft gestreckten Selfie-Sticks der Besucher lustig machten. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich viele Touris einfach nur selbst inszenieren wollten und sich überhaupt nicht für die atemberaubende Canyon-Landschaft interessierten. Wir hatten übrigens riesen Glück überhaupt ein paar Kondore zu Gesicht bekommen: Diese nämlich kommen immer seltener aufgrund zunehmender Luftverschmutzung im Canyon vor, was leider an den Tourbussen und von Touristen gemachten Lagerfeuern liegt. Aber ja, es sieht schon sehr majestätisch aus, wenn die Kondore über dem Canyon gleiten und ich musste unweigerlich an das Lied „El Cóndor pasa“ denken, was in den westlichen Gefilden durch Simon & Garfunkel 1970 berühmt geworden ist und auf einem peruanischen Volkslied aus dem 18. Jahrhundert basiert.

Nach einer letzten Packaktion in Cabanaconde ging es an den Abstieg in den Canyon. Es war schon ein etwas ungewöhnlicher Tourstart, da man ja sonst immer zuerst einmal irgendwo hochsteigen muss. Diesmal aber war der Canyon-Grund unser Ziel. Unsere kleine, sehr sympathische Reisegruppe bestand aus Ly und mir, einem Schweizer Pärchen, einem US-Amerikaner, unserem peruanischen Tour-Guide, dessen Namen ich peinlicherweise bereits vergessen habe, und wahlweise Karl-Heinz I, II oder III. Wer das war? Nun, bereits nach kurzer Zeit hatten wir, wie uns unser Tourguide bereits prophezeit hatte, einen vierbeinigen Begleiter, der während der Tour immer mal wieder wechselte, und den die Gäste wohl einmal Karl-Heinz getauft hatten.

Am Ende eines langen, anstrengenden Tages kamen wir in unserem ersten Hotel am Canyon-Grund in Llahuar an. Die Zimmer waren ziemlich rustikal, aber sauber und ordentlich eingerichtet und das Highlight des Tages wartete bereits auf uns: Heiße Quellen direkt am Colca-Fluss gelegen. HERRLICH!!! Leider gibt es davon, wie so oft von den besten Momenten des Lebens, keine Fotos. Am nächsten Morgen wanderten wir zumeist zu ebener Erde an der Canyon-Wand entlang bis ins Dörfchen Malata, wo wir ein leckeres Mittagessen zu uns nahmen und dann den Abstieg weiter in den Canyon bis zur Oase vor uns hatten. Man merkte sofort, dass wir nun im „klassischen“ Teil des Canyons angekommen waren: Hatten wir am Tag zuvor andere Touristen noch an einer Hand abzählen können, überholten uns nun laut lärmend riesige Wandergruppen. Gottseidank jedoch verteilten sich diese auf verschiedene Unterkünfte in der Oase, so dass wir bis auf herüberdudelnde Musik im Hotel weitgehend unsere Ruhe hatten. Die Highlights hier: Ein frischgeborenes Ziegenbaby und ein Swimming-Pool. der jedoch, sobald die Sonne hinter der Canyon-Wand verschwunden war, ziemlich kalt wurde.

Am Montagmorgen hieß es wieder sehr früh aufstehen: Wir stapften noch in der Dunkelheit und ohne Frühstück los, um den Canyon ohne allzu große Sonnenhitze wieder hinaufzusteigen. Wir waren nicht alleine: Große Touri-Massen schoben sich den schmalen Weg nach oben. Am Kraterrand oben angekommen war ich völlig fertig und musste mir ein Lächeln für das Gruppenfoto echt abquälen. Nun gut, so schlimm wie damals auf dem Kilimanjaro war es aber bei Weitem nicht. 😉 Immerhin erwartete uns in Cabanaconde ein reichhaltiges Frühstücksbuffet bevor es per Bus zu ein paar weiteren Ausflugszielen auf dem Rückweg nach Arequipa ging: „japanische Pause“ in Maca, wo wir im Schweinsgalopp einmal über die Touri-Einkaufsmeile und an der schönen weißen Kirche vorbeigehen durften, die völlig überlaufenen und somit null entspannenden Heißen Quellen von La Calera, der Aussichtspunkt über das Vulkanland (Mirador de los Andes auf 4.910 m Höhe) und zu guter Letzt Lamas-Gucken in den Pampas Cañahuas. Alles in allem: Eine sehr lohnenswerte Tour mit beeindruckender Landschaft!

Wasserreiches Wochenende in und rund um Constanza

Noch einmal „richtig“ Constanza besuchen – das hatte ich mir für meine noch verbleibende Zeit in der DomRep vorgenommen. Bisher hatte ich die höchstgelegene Stadt der Insel ja nur zweimal im Schnelldurchlauf besucht, das erste Mal zum Día de las Mercedes im September 2015 und ein zweites Mal für eine Familienfeier im November 2015. Nun also ein ganzes Wochenende in Constanza: Da Manuel samt seinem Motorrad auch wieder mit am Start war, konnte ich den unbequemen Transport im Pick-Up umgehen und mit ihm auf dem Motorrad die Berge rauf und runter von Jarabacoa bis ins Tal von Constanza kurven. Der Blick in die Berge ist dabei immer wieder beeindruckend und gigantisch!

Nach dem „Check-In“ in unserer AirBnB-Unterkunft nahe des kleinen Flughafens, die übrigens in der ehemaligen US-amerikanischen Siedlung „Colonia Kennedy“ lag, fuhren wir südlich aus Constanza hinaus Richtung Wasserfall „Aguas Blancas“ (Weiße Gewässer). Da der Weg zunehmends uneben wurde, ließen wir irgendwann das Motorrad stehen und setzten unseren Weg zu Fuß fort. Den Wasserfall konnten wir schon von Weitem sehen, stach doch das Weiß seines Wassers aus der grünen Landschaft geradezu hervor. Wir näherten uns zunächst auf einer mitleren Ebene dem Wasserfall, der in mehrern Kaskaden in die Tiefe rauscht und angeblich der höchstgelegene Wasserfall der Antillen sein soll (um mal wieder einen Superlativ zu bemühen), und hielten erst einmal ein Picknick ab. Die ganze Umgebung des Wasserfalls war für dominikanische Verhältnisse richtig gut mit touristischer Infrastruktur ausgestattet: an verschiedenen Höhen des Wasserfalls Sitzmöglichkeiten und kleine Aussichtsplattformen aus Holz, ein Pavillon am Fuße des Wasserfalls, Toiletten, Kassenhäuschen (zum Glück war niemand da!). Während ich im einsetzenden Regen im Pavillon ausharrte, sprang Manuel in den kleinen See am Fuße des Wasserfalls wobei er meinte, dass es sich angefühlt hatte, wie als hätte er in der Arktis gebadet so kalt war das Wasser. Brrrrrrr! Im Winter gefriert der Wasserfall wohl auch regelmäßig und heißt wegen der weißen Farbe des Eises eben „Aguas Blancas“.

Den Abend verbrachten wir in einem als Pizzeria bezeichneten Restaurant, das aber (natürlich gerade an diesem Abend) keine Pizza hatte, weil der Ofen kaputt war. Die karge, an ein Bahnhofsbistro erinnernde Inneneinrichtung erinnerte mich an die einfachen Restaurants, in denen Yasmin und ich manchmal auf unserer Portugalreise im November/Dezember 2014 gegessen hatten. Der Flachbildfernseher zeigte komische Videos von Welpen oder Jetski-fahrenden Erdhörnchen, an der langen Tafel neben uns feierte eine riesen Freundesrunde was auch immer und gab von Zeit zu Zeit merkwürdige „Miau“-Laute von sich und dazu dann der super höfliche und förmliche, sehr schick gekleidete Kellner. Echt skurril! Danach fanden wir wie durch Zauberhand „La Esquina“ (Die Ecke), die Kneipe Constanzas, die uns alle wegen der großen internationalen Bierauswahl empfohlen hatten und die sogar ihr eigenes Schwarzbier herstellt, „Ferringer“, das von der Familie Ferrer gebraut wird. Es schmeckte richtig gut und kam schon fast an deutsche Schwarzbiere heran. Zudem wurde hier Rockmusik gespielt, eine Wohltat für unsere Bachata- und Merengue-geschädigten Ohren!

Am nächsten Tag waren wir noch ein bisschen in der Stadt (es war mal wieder haitianischer Markt (Pulga)) und in der Umgebung unterwegs, bevor wir uns auf den Rückweg über die Panoramastraße bis zur Autopista machten, die Autobahn, die Santo Domingo und Santiago miteinander verbindet. Ein echter Geheimtipp wie sich herausstellte! Die Panoramastraße schlängelt sich durch die grünen Berge des Schutzgebiets Ebano Verde und gab immer wieder den Blick auf die Zentralkordilleren und auf der anderen Seite auf das Cibao-Tal und die Presa de Rincon (Rincon-Stausee) bei Bonao frei. Wahnsinn, wie weit man schauen konnte! Als wir dann auf der Autopista angekommen und Kurs auf La Vega genommen hatten, brauten sich schon die dunklen Wolken über uns zusammen. Kurze Zeit später fuhren wir durch strömenden Regen nach La Vega ein und konnten sehen, dass zahlreiche Straßen wegen des fehlenden oder überforderten Abwassersystems schon komplett unter Wasser standen. Manuel brachte mich zum Glück noch bis zur Guagua-Station für Jarabacoa, so dass ich zumindest erst einmal im Trockenden sitzen konnte. Als sich das Guagua die Straße nach Jarabacoa hochquälte, konnten wir nur sehen, wie ein Reisebus in einer Kurve nur kurz vor dem Abgrund zum Stehen gekommen war und alle Passagiere verängstigt unter einem naheliegenden Mariendenkmal Unterschlupf gesucht hatten. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Bremsen des Busses komplett versagt hätten…

Pico Diego de Ocampo bei Santiago + Abschiedsabend in der Umweltschule Jarabacoa

Ende April stand mal wieder ein Besuch in Santiago bzw. diesmal auch in der Umgebung von Santiago an. Ich hatte nämlich im Naturreiseführer meines Mitfreiwilligen Manuels gelesen, dass es nordwestlich von Santiago den Pico Diego de Ocampo, 1.249m hoch und der höchste Berg der Nordkordilleren, zu erwandern gibt. Manuel war ebenfalls schnell überzeugt für die Wanderung von SAJOMA nach Santiago zu kommen und so fuhren wir dank Carlos, ein Freund, bei dem ich in Santiago übernachtete, mit dem Auto bis Jacagua, von wo aus wir den steilen Anstieg in Angriff nahmen. An diesem Tag war eine Affenhitze und unser Wasservorrat reichte gerade so bis zum Gipfel. Oben hatte man einen herrlichen Rundumblick, zum Einen auf das ganze Stadtgebiet Santiagos und zum Anderen bis zur Nordküste. Man konnte den unverkennlichen Berg Montaña Isabel de Torres bei Puerto Plata von hinten sehen sowie bis ans Meer bei Sosúa schauen. Das war echt ein toller Ausblick und hat den anstrengenden Aufstieg allemal wettgemacht!

Der Weg nach unten führte uns zum Glück durch ein in den Bergen gelegenes Dorf, wo wir uns unter den neugierigen Fragen der Colmado-Besucher mit neuem Wasser eindecken konnten. Alle Menschen, denen wir auf dem Weg begegneten grüßten uns höflich und waren angenehm zurückhaltend, was den Ausflug sehr angenehm machte. Wieder unten angekommen nahmen wir ein Guagua nach Santiago, gönnten uns eine ordentliche Portion „Pica Pollo“ (Chicken Wings) und fuhren dann „nach Hause“, d. h. Manuel nach SAJOMA, wo er ja wirklich wohnt, und ich zu Carlos und seiner Frau, wo mich bereits ein leckerer gekühlter Tamarindensaft erwartete. 🙂

Auf dem ersten Foto unten sehr ihr übrigens den Recycle-Garten von Carlos. Und nicht nur zum Anbau von Kräutern und Gemüse recycelt er Materialien, auch die Möbel im Haus hat er selbst aus Holzpaletten zusammengebaut, so wie man es ja aus vielen Bars mittlerweile in Deutschland kennt. Zudem durfte ich bei ihm noch selbstgemachten Minzlikör kosten und deckte mich mit ein paar seiner selbstgemachten Seifen ein, so dass ich bald wie ein wandelnder Schokoriegel duften werde. 😉

Eine Woche nach meinem Santiago-Ausflug blieb ich für ein Event an der Umweltschule von Jarabacoa vor Ort: Meine Mitfreiwillige Sarah und ich hatten seit einigen Monaten deren Englischlehrer Antonio immer mal wieder bei Englischprüfungen und -präsentationen mit den Studenten geholfen und nun stand der Abschlussabend vor der Tür. Programm: Ein Mix aus Mini-Playback- und Karaoke-Show, kleinen Sketchen auf Englisch und danach natürlich Tanz und Musik mit Bachata, Merengue & Co. Neben mir waren auch zahlreiche Amis da, die auch immer mal wieder im Englischunterricht geholfen hatten – fast alles Zeugen Jehovas, die den Abend nutzten, um (mal wieder) unter den Studenten zu missionieren (das hatten sie bereits schon während des Englischunterrichts getan!). Aber irgendwie schien das gar niemanden außer mir zu stören und selbst die Studenten, die nicht an den Zeugen Jehovas interessiert waren, nahmen das alles mit großer Gelassenheit hin. Bei uns als Sekte verschrien, werden die Zeugen Jehovas hier ziemlich wohlwollend aufgenommen, denn sogar ein Kollege erzählte mir, dass er manchmal an deren Bibelstunden teilnehme. Kein Wunder, dass es hier bis ins letzte „Kuhkaff“ einen Zeugen-Jehova-Tempel gibt… Ob ich das gutheißen soll, weiß ich nicht…

2 Nächte in der Kakaoplantage – ein Ausflug in die Umgebung von San Francisco de Macorís

Nein, ich „ziehe euch nicht durch den Kakao“, wenn ich hier schreibe, dass ich tatsächlich ein Wochenende in einer Kakaoplantage übernachtet habe. Am zweiten Märzwochenende nämlich besuchte ich meine Mitfreiwillige Pauline in San Francisco de Macorís, die dort in der Stiftung „Loma Quita Espuela“ (loma = „Hügel“, quitar espuela = „Sporen abziehen“) arbeitet und mit der ich den 942m hohen Hügel des gleichnamigen Reservats erklimmen wollte. Ich hatte Glück, dass mich Freitagnachmittag Renata und Fernando mit dem Auto mit bis nach San Francisco nahmen, wo ich dann in einem gut sortierten und gut klimatisierten Supermarkt auf Pauline wartete. Mein erster Eindruck von der Stadt war eher negativ gewesen: extrem viel Verkehr, „Pssst pssst“-Rufe und Anlaberversuche an jeder Straßenecke, staubige Hitze, teilweise schäbige Häuser und Pauline erzählte mir auch, dass die Stadt wohl nicht ganz ungefährlich sei. Arm jedoch ist die drittgrößte Stadt der DomRep keinesfalls: Die Ackerflächen um die Stadt herum sind Anbaugebiet für Kakao, Reis, Obst und Gemüse.

Nach einem kurzen Rundgang im Stadtzentrum mit einer schummrigen Markthalle und nichtssagenden Geschäftsstraßen nahmen Pauline und ich einen brechend vollgeladenen Pick-Up aus der Stadt heraus bis zum Reservatseingang, wo ich in der „Rancho Don Lulú“ übernachtete. Eine sehr schöne, familiär geführte Hotelanlage mitten – ihr werdet es erahnen – in einer Kakaoplantage. Das war echt sehr schön zumal ich vorher noch nie Kakaopflanzen gesehen hatte und nicht gewusst hatte, dass die Kakaoschoten direkt am Stamm und den Ästen der Kakaobäume wachsen. Im Laufe der Zeit ändern die Schoten zudem ihre Farbe – von grün, über dunkelrot, orange bis hin zu gelb, wenn sie reif sind. Öffnet man eine Kakaoschote, sieht man die in eine weiße schleimige Flüssigkeit eingebetteten Kakaobohnen, die dann von der Flüssigkeit befreit und für die Weiterverarbeitung zu Kakao getrocknet und geröstet werden. Man kann die Kakaobohnen übrigens auch lutschen und kommt so in den Genuss der schleimigen, weißen Flüssigkeit, die leicht säuerlich schmeckt und aus der z. B. auch Marmelade hergestellt wird.

Nach der ersten Nacht 2″im Kakao“ und einem reichhaltigen rustikalen Campo-Frühstück (natürlich mit einer großen Kanne Kakao) nahmen Pauline und ich den Hügel des Reservats in Angriff. Wenn der Himmel zwischen den kurzen Regenschauern einmal aufklarte, konnte man am Anfang des Weges weit ins Cibao-Tal hineinsehen und San Francisco sowie Moca erspähen. Danach ging es weiter durch urwüchsigen Nebelwald. Oben angekommen konnten wir noch auf einen Aussichtsturm hinaufsteigen, konnten aber wegen des Nebels leider so gut wie gar nichts erkennen. Wieder unten in der Rancho angekommen erwartete uns ein großes Mittagessen, das uns für eine sonderbare Abendveranstaltung stärken sollte. Wir wurden von einem Typen im Auto abgeholt, der Pauline einmal im Büro besucht und ihr versprochen hatte, sie mit ein paar in San Francisco lebenden US-Amerikanern in Kontakt zu bringen. Wir hatten keine Ahnung wo wir hinfuhren. Zwischendurch dachte ich, dass er uns zu einer Wahlkampfveranstaltung schleppt, da er begeistert erzählte, dass er in der Regierungspartei aktiv sei. Aber nein: Wir landeten auf einer Veranstaltung – jetzt haltet euch fest – des Junior Lion’s Club von San Francisco! Da zu den Sitzungen auch Gäste mitgebracht werden können, kam es, dass sowohl Pauline und ich als auch die zwei US-Amerikaner dieser skurrilen Veranstaltung beiwohnen durften. Es begann (wie hier üblich) mit einem Gebet und dem Singen der Nationalhymne, diesmal allerdings mit obligatorischem Blick auf die „Bandera Dominicana“, die dominikanische Nationalflagge. Diese allerdings hing traurig und lieblos wie ein Putzlappen an einem Nagel, an dem normalerweise ein Bild an der Wand hing. Nach der Diskussion diverser Benefizveranstaltungen der teilweise extrem jung erscheinenden Mitglieder musste am Ende noch die Hymne des Clubs, wieder mit Blick auf die Nationalflagge, gesungen werden. Die anschließende Einladung zu Essen und Diskobesuch schlugen wir müde von der Wandertour aus und ließen uns zurückfahren.

Sonntag besuchte ich Paulines Dorf Los Brazitos („Die Ärmchen“) und lernte ihre Gastfamilie kennen. Wir gingen ein bisschen in der Umgebung spazieren bevor ich mich nachmittags nach ausführlicher Shoppingtour im Riesensupermarkt „La Sirena“ auf den Rückweg nach Jarabacoa machte.

 

Kilimanjaro – If you can’t climb it, drink it (or better: do both)!

„Wenn du nicht hinaufsteigen kannst, trink es einfach!“ – hä? So übersetzt lautet der Werbespruch von Kilimanjaro (das Kilimanjaro), einer weitverbreiteten tansanischen Biersorte. Da uns, Yasmin, Olga und mir, aber der in Aussicht gestellte Kilimanjaro-Konsum nicht reichte, wollten wir auch noch den Kilimanjaro in Angriff nehmen und das „roof of Africa“ (das Dach Afrikas) besteigen – immerhin 5895 m hoch gelegen! Nach wochenlanger Planung, Terminfindung, Suche nach Tourunternehmen, Medikamentenzusammenstellung und Impfmarathon war es dann am 21. Februar soweit: Unsere dreiwöchige Tansaniareise konnte starten! Was folgte war zunächst ein weiterer Marathon, ein Reisemarathon: Von Berlin nach Istanbul, von Istanbul nach Dar-es-Salaam und von dort aus zum Kilimanjaro-Airport. Ab dem Flughafen nahmen wir Busshuttle und Taxi bis zum Hotel (und zahlten statt der von unserem Reiseveranstalter angebotenen 35 USD gerade mal 7€…), das etwa 3 km außerhalb von Moshi lag. Dort hatten wir nun zwei Tage zum Entspannen bis es Dienstagmorgen auf zum Kilimanjaro gehen sollte. Wir hatten uns für die so genannte Machame-Route, auch „Whiskey-Route“, entschieden, da diese wohl im Gegensatz zur Marangu-Route, die auch als „Coca-Cola-Route“ bezeichnet wird, etwas „schärfer“ im Anspruch ist und landschaftlich angeblich mehr bietet. Zudem hatten wir uns bewusst gegen eine Übernachtung in Hütten, wie es nur auf der Marangu-Route möglich gewesen wäre, entschieden, da wir gelesen hatten, dass diese oft laut und überfüllt seien und man schlussendlich sowieso im Zelt übernachten müsse. Ihr könnt im Folgenden nun unsere einzelnen Bergetappen nachlesen und anhand der Bilder in die abwechslungsreiche, überwältigende Landschaft eintauchen. Vielen Dank an dieser Stelle an meine Co-Fotografin Olga, von der ich einige Fotos für meinen Blog verwenden durfte!

1. Etappe: Machame-Gate bis Machame-Camp

Am Dienstagmorgen also sammelte uns unser Guide Fortunatus (auch „42“, also „Four two“ auf Englisch ausgesprochen, genannt) mit einem Daladala-ähnlichem Minibus im Hotel ein. Auf dem Weg gabelten wir noch unseren Assistant Guide Ernest auf und fuhren dann zum Machame-Gate (1790 m hoch gelegen), von wo aus die siebentägige Bergtour starten sollte. Wir mussten noch einigen Papierkram regeln und sollten zudem 3 Liter Wasser in unsere mitgebrachten Thermosflaschen bzw. Camelbags umfüllen, denn da es sich beim Kilimanjarogebiet um einen Nationalpark handelt, durfte man keine Plastikflaschen mit hinein nehmen. Auch die Müllentsorgung in den Camps ist, wie wir in den nächsten Tagen feststellen sollten, genauestens reglementiert und sämtlicher Müll muss wieder mit nach unten genommen werden.

Das Stück bis zum ersten Camp, dem Machame-Camp (3010 m), war eine Wanderung mit leichtem Anstieg durch tropischen Regenwald und ja, der Regen tropfte wirklich bald auf uns herunter und wir merkten, wie wichtig ein guter Regenschutz war. Mittagessen gab’s in Form einer Lunchbox, das wir, halbwegs vom Regen geschützt, unter einem Baum mampften: kaltes Hühnchen, ein Ei, eine Banane, ein trockener Muffin, Kekse, Toastbrot. Angekommen im ersten Camp warteten bereits aufgebaute Zelte, eine Schüssel warmes Wasser (mehr gab’s nun eine Woche lang nicht zum Waschen), sowie ein leckeres Abendessen auf uns, das wir in einem extra aufgestellten „Restaurantzelt“ einnahmen. Jeden Abend sollte es energiereiche Nahrung geben: Eine leckere Suppe als Vorspeise (z. B. Gurkensuppe), Kohlenhydrate (Reis, Nudeln, Kochbanenen, etc.), Fleisch und Gemüse als Hauptspeise und Obst als Nachspeise. Wichtig war jedoch, dass wir weiterhin zusätzlich zu den täglich abgefüllten 3 Litern Wasser weiterhin gut Flüssigkeit zu uns nahmen. Das sollte uns, so unser Guide Fortu, beim Bewältigen der zunehmenden Höhe helfen. Bisher merkten wir davon noch nichts…

2. Tag: Machame-Camp bis Shira-Camp

Nach einem herrlich stärkenden Frühstück mit einer Art tansanischem Porridge („Uji“ genannt), Omelett, Würstchen und Toastbrot nahmen wir die zweite Tagesetappe bis zum Shira-Camp auf 3845 m Höhe gelegen in Angriff. Die Landschaft, durch die wir hindurch wanderten, sah durch den umher wabernden Nebel zeitweise recht mystisch aus. In der Mittagspause begegneten wir riesigen schwarzen Vögeln und auf dem weiteren Weg nach oben interessanten Pflanzen und Gesteinsformationen (siehe Fotos). Natürlich zählte unser Guide alle Namen der Flora und Fauna auf, doch merken konnte ich mir das alles leider nicht. Ich schiebe es einfach mal auf die zunehmende Höhe… Diese machte uns nämlich an diesem Tag tatsächlich allen dreien zu schaffen: erst Kopfschmerzen, dann Übelkeit, dann Übergeben 😦 Aber danach ging es einem auch gleich schon wieder besser und durch die Übernachtung auf dieser Höhe gewöhnte sich der Körper bereits daran und konnte neue rote Blutkörperchen bilden, so dass wir am nächsten Morgen wieder putzmunter waren und weitermarschieren konnten. Übrigens hatten wir pro Person ganze drei (!) Träger, ohne die wir die Tour natürlich niemals geschafft hätten. Sie nahmen nicht nur unseren Kram, den wir tagsüber nicht benötigten, auf ihren Rücken bzw. Kopf, sondern auch die Zelte, das gesamte Essen und auf einer der letzten Etappen sogar noch das Wasser. Es ist einfach nur purer Wahnsinn sie so schwerbepackt durch die Felslandschaft springen und klettern können!!! Ich möchte nicht wissen, welche gesundheitlichen Folgeschäden sie eines Tages haben, zumal sie auch schlecht bezahlt werden… Wir haben daher später bei der Trinkgeldvergabe extra noch mehr gegeben, um unser schlechtes Gewissen zumindest ein bisschen zu beruhigen…

3. Tag: Shira-Camp über den Lava-Tower bis Baranco-Camp

Am dritten Tag stiegen wir zunächst bis zum Rande des Lavakraters auf 4640m hinauf, wo wir zwischen süßen gestreiften Bergmäusen und den großen schwarzen Vögeln unsere Lunchbox plünderten. Von dort aus ging es jedoch wieder nach unten zum Baranco-Camp auf 3960 m Höhe. Wir hatten nämlich einen extra Akklimatisierungstag gebucht und konnten uns daher dieses Hoch und Runter „leisten“. Der Körper nämlich realisiert erst nach zwei Stunden, dass er schon so hoch oben gewesen ist, und bildet dann trotz des Wiederabstiegs weiterhin fleißig neue rote Blutkörperchen. Das Baranco-Camp lag landschaftlich sehr schön in die Bergmauern eingebettet und wir hatten den schneebedeckten Kili-Gipfel namens Kibo stets vor der Nase. Es gibt nämlich noch einen zweiten Gipfel, den gezackten Mawenzi, den wir v. a. am Gipfeltag bewundern konnten. Daher ist es eigentlich nicht korrekt davon zu sprechen, dass man den „Kilimanjaro“ besteigt, denn dieser bezeichnet das gesamte Bergmassiv. Korrekt müsste man von einer „Kibo-Besteigung“ sprechen.

4. Tag: Baranco-Campo über Breakfast-Wall bis Karanga-Camp

Am nächsten Morgen brauchten wir zunächst alle Energie des reichhaltigen Frühstücks, um die so genannte Breakfast Wall zu bezwingen. Hier war „climbing like a monkey“ angesagt, also der Einsatz von Händen und Füßen, um die Felswand hochzuklettern. Das Klettern an sich war gar nicht so schlimm eher die ganzen Leute, andere Touristen und die schwerbeladenen Träger, um einen herum. Ich hatte mich ohnehin schon gefragt wie viel wohl in der Hochsaison auf den Kilipfaden los sein müsse, wenn das hier gerade einmal die Nebensaison war… Ich war jedenfalls echt froh, dass keiner der Träger mit seinem Riesengepäck abgerutscht, oder schlimmer noch, gestürzt war, denn das hätte eine wahre Kettenreaktion unter allen Kletterern ausgelöst . Von Sicherheitsstandards konnte auf diesem Stück echt keine Rede sein… Naja, nach einer 3/4-Stunde war es geschafft und wir liefen weiter durch die mondlandschaftartige Landschaft bis zum Karanga-Camp (4035 m). Passend zum Campname, „Karanga“ heißt „Erdnuss“ auf Kiswahili, gab es zur ersten Stärkung frisch geröstete Erdnüsse. Mmh, lecker! Da es nur ein kurzer Tag mit etwa 4 Stunden wandern gewesen war, hatten wir ausreichend Zeit, uns abseits vom Camptrubel auf einen Fels zu setzen, die herrliche Lavalandschaft zu genießen und die vorbeiziehenden Nebelschwaden zu beobachten, die den Blick zum Kibo mal mehr, mal weniger freigaben.

5. Tag: Karanga-Camp bis Barafu-Camp

Am nächsten Tag wurde es langsam ernst, denn wir stiegen bis zum Base Camp, dem Barafu-Camp, auf 4640 m Höhe hinauf, von wo aus nachts zum Gipfelsturm geblasen werden sollte. Unser Team aus Guide Fortu und Assistant Guide Ernest erwies sich übrigens als gelungene Kombination! Während Fortu eher ernst und ruhig war und uns jeden Abend ein ausführliches Briefing zum nächsten Wandertag gab, war Ernest eine lebhafte Quasselstrippe. Er kannte wirklich jeden Träger, der uns auf dem Weg nach oben begegnete , brachte uns immer wieder mit seinen Sprüchen zum Lachen und sang auch noch bis ganz oben das berühmt-berüchtigte „Jambo“-Lied (in einer auf den Kilimanjaro angepassten Variante) das uns am Ende der Tour schon zu den Ohren rauskam 😉

6. Tag: Gipfeltag – Auf zum Kibo!

Die Spannung steigt: Nachdem wir vor unserem „Abendessen“ am späten Nachmittag ein Briefing für den Gipfelaufstieg bekommen hatten, hieß es bis Mitternacht „ab in die Schlafsäcke“. Für mich war kaum an Schlaf zu denken, da ich bereits nachmittags nach unserer Ankunft im Base Camp geschlafen hatte und nicht mehr recht einschlafen konnte. Irgendwann gegen Mitternacht ließ mich jedoch das drollig klingende „Hello hello“ von Zakayo, der immer Weckdienst hatte, aus meinem Halbschlaf-Delirium aufschrecken und ich wusste: Jetzt geht’s los! Wir hatten uns bereits vorher alle warmen Sachen, die wir im Gepäck hatten, zurechtgelegt und zogen diese nun Schicht für Schicht an, denn auf dem Weg nach oben sollten Temperaturen von bis zu -15°C plus eisiger Wind herrschen. Es gab noch eine Runde heißen Tee und ein paar Kekse für jeden und dann begannen wir Schritt für Schritt durch die Dunkelheit nach oben zu stapfen. Irgendwann fing ich an meine Schritte zu zählen, um mich wenigstens auf irgendetwas zu konzentrieren. Meine Zehen waren schon nach wenigen Minuten trotz Wollsocken und eigentlich gut isolierten Wanderschuhen tiefgefroren. Und auch das Trinken aus der Thermosflasche wurde zur Qual, da ich meine Handschuhe ausziehen und mit meinen blaugefrorenen Fingern die Flasche aufschrauben musste. Zwischendurch stopfte ich mir einen Nuss-Honig-Riegel rein, den wir Gottseidank in Moshi noch gekauft hatten und Olga schmiss eine Runde Dextroenergen. Wir schoben uns durch die immer dünner werdende eisige Luft in Minischritten nach oben und nach einer halben Ewigkeit sahen wir endlich das Morgengrauen am Horizont. Kurz nach 6 Uhr ging die Sonne auf und wir hatten einen fantastischen Ausblick auf den nahegelegenen Mawenzi-Gipfel, dessen Zacken von Wolken umhüllt waren. Irre! Aber es musste weitergehen. Mit ihren „Almost there“-Ansagen versuchten uns Fortu und Ernest immer weiter nach oben zu „schieben“, nur irgendwann glaubten wir den „Fast da“-Rufen nicht mehr, da sie dies bereits seit einer Stunde sagten 😉 Naja, immerhin kroch nun die Sonne ziemlich schnell hinter dem Horizont hervor und es wurde etwas wärmer. Wir erreichten schließlich gegen 7 Uhr den zweithöchsten Punkt, den Stella Point, auf 5739 m. Dort kurze Fotosession bevor wir weitere 40 Minuten bis zum höchsten Punkt, dem Uhuru Peak („Freiheitsspitze“) auf 5895 m Höhe, auf uns nehmen mussten. Dieser Berggipfel hieß übrigens während der deutschen Kolonialzeit Kaiser-Wilhelm-Gipfel und galt damals als der höchste Berg Deutschlands!

Am Stella Point hatten wir alle noch motiviert in die Kamera gelächelt , die letzten 40 Minuten erwiesen sich, zumindest für mich, als Hölle: Ich wanderte zwar mit offenen Augen zwischen den Steinen und Eiskristallen entlang, registrierte aber kaum noch etwas bewusst in meinem Kopf. Es war wie als würde ich mit offenen Augen schlafwandeln. Die Gletscherlandschaft um mich herum erschien so surreal, ich fühlte mich so müde und erschöpft aufgrund von Unterzuckerung und der extremen Höhe, dass ich mich auf dem Gipfelfoto nur noch zu einem Lächeln quälte. Yasmin und Olga ging es ähnlich. Fortu mahnte dann ziemlich rasch zum Abstieg, da bei so extremer Höhe z. B. die Gefahr eines Lungenödems droht, was lebensgefährlich sein kann.

Bis zurück ins Base Camp waren es über zwei Stunden und wir mussten im Prinzip genau denselben Weg nach unten laufen, den wir nachts sechs Stunden lang nach oben gekraxelt waren. Ich habe bis heute keine Ahnung wie ich diesen Abstieg auf dem rutschigen Kies- und Schotterweg geschafft und mich gleichzeitig auch noch auf Kiswahili mit einem der Träger unterhalten habe. Aber wahrscheinlich hat mich das einfach nur gut wach gehalten. Im Camp angekommen wurde ich mit einem frischgespressten Saft von unserer Crew begrüßt und zum Gipfelaufstieg beglückwünscht. Als Yasmin und Olga auch eingetroffen waren, gab es Mittagessen, dann kurze Siesta und dann mussten wir auch schon noch weiter absteigen. Wir übernachteten so unsere letzte Nacht am Fuße des Kili auf 3790 m Höhe im Millennium-Camp.

7. Tag: Millennium-Camp bis Mweka-Gate

Am nächsten Morgen zelebrierten wir die Trinkgeldübergabe und machten ein paar Gruppenfotos vor dem Kibo-Gipfel. Die Crew gab ein paar traditionelle tansanische Lieder (natürlich durfte auch hier das „Jambo“-Lied nicht fehlen) und Tänze zum Besten und dann hieß es auch schon Packen für den letzten Marsch bis zum Mweka-Gate (1630 m). Wir freuten uns nach der eher skandinavisch anmutenden Landschaft wieder in den tropischen Wald zu kommen und konnten sogar ein paar Affen sichten. An der Endstation angekommen wurden uns die offiziellen Kilimanjaro-Zertifikate ausgehändigt und wir bekamen ein letztes nahrhaftes Mittagessen bevor es per Minibus zurück nach Moshi ging. Dort luden wir Fortu und Ernest noch auf ein Bier im Hotel ein und hatten noch vor der ersten Dusche seit einer Woche unsere weitere Reiseplanung festgezurrt: vier Tage Safari! Aber dazu mehr im nächsten Blogeintrag!