Ein Couchsurfer kommt selten allein – Ausflug nach Erriadh und Ajim

Am zweiten Tag meines Djerba-Aufenthaltes fasste ich den kühnen Plan eine Radtour auf der Insel zu machen. Erste Herausforderung war es an ein Fahrrad zu kommen. Laut meinem Hotel und laut der Touristeninformation in Houmt-Souk gab es angeblich keine Leihfahrräder in der Stadt, sondern nur in der östlich gelegenen Zone Touristique, d. h. dem Küstenstreifen aus Betonburgen alias Pauschalhotels, Souvenirshops und Casinos. Der Taxifahrer hatte eine ungefähre Ahnung wo es Fahrräder auszuleihen gab und fuhr mich (wie ich erst später anhand einer Karte nachvollzog) bis fast ans östliche Ende de Zone Touristique, wo er mich bei einem Squad-Verleih absetzte, der auch Fahrräder verlieh. Der Verleih für zwei Tage war schnell geregelt und so saß ich schon kurze Zeit später auf einem vermutlich schon längere Zeit nicht mehr genutzten Rad und strampelte die Hauptstraße zurück Richtung Houmt Souk. Der schmale Sattel des Rads entpuppte sich als recht unbequem und auch die Lenkerhöhe musste ich bei zweimaligen Stopps in Fahrradwerkstätten noch einmal regulieren lassen. Aber nun gut, eine Auswahl hatte ich ohnehin nicht gehabt und ich war froh, dass es an diesem Tag nicht so heiß war und eine frische Brise wehte.

Mein Ziel sollte die südlich der Inselhauptstadt gelegene Kleinstadt Erriadh sein, in der noch heute viele der auf Djerba verbliebenen Juden leben und in der es eine Synagoge, La Ghriba („die Fremde“), gibt. Diese Synagoge erlangte 2002 traurige Berühmtheit als davor ein mit Flüssiggas beladener LKW explodierte, wobei 21 Menschen, darunter 14 Deutsche, starben. Als ich an der Synagoge ankam, war diese durch eine Polizeisperre abgesichert. Ich stellte mein Fahrrad auf den Parkplatz und lief bis zum Eingang der von außen unscheinbar wirkenden Synagoge. Drinnen zeigte sich ein ganz anderes Bild: bunte Kacheln, arkadenhafte türkis-weiß angestrichene Pfeiler, die mich an die Mezquita-Kathedrale von Córdoba erinnerten, bunt bemalte Holzdecken, ein mit rot-goldenen Stoffen verhängter Thoraschrein und Beschriftungen sowohl auf Hebräisch als auch Arabisch. Faszinierend! Viel Zeit zum Staunen hatten ich und die anderen Besucher nicht, denn es war bereits 13 Uhr und der mürrisch wirkende Synagogenwächter wollte gerne in die Mittagspause gehen. Immerhin konnte ich mir noch die danebenliegende Pilgerherberge ansehen, denn La Ghriba ist jedes Jahr 33 Tage nach Ostern Ziel der größten jüdischen Wallfahrt in ganz Nordafrika. Neben meiner Wenigkeit war auch noch eine Gruppe Reisender mit den in den Hof der Herberge hinübergelaufen, die mich fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. Wie sich im Gespräch herausstellte, waren es alles Couchsurfer: zwei aus Tunesien, ein Algerier, eine Iranerin und ein Vietnamese! Das passte ja mal wieder wie die Faust auf’s Auge, hatte ich doch diesmal im Vorfeld meiner Reise keine Couchsurfing-Leute kontaktiert, weil ich keine Lust und keine Zeit gehabt hatte. Aber so spielte mir der Zufall in die Hände und wir beschlossen gleich alle zusammen Mittagessen zu gehen.

Am Nachmittag drehten wir eine Runde im „Djerbahood“ genannten Ortsteil von Erriadh, in dem gerade ein Kulturfestival stattfand. Choukri, der selbst aus Djerba stammt, zeigte uns zudem noch zahlreiche Wandmalereien, die sich hinter jeder Ecke von Djerbahood verbargen – mal in mehr, mal in weniger gutem Zustand. Zwei Tage später sollte ich übrigens noch einmal nach Djerbahood kommen, um weitere Wandmalerein zu fotografieren, so dass an dieser Stelle Fotos von beiden Tagen zu sehen sind.

Für den Abend hatten wir uns zu einer Bootsfahrt vom südlich gelegenen Ajim aus verabredet, wo ein Cousin von Choukri ein Boot besaß und bereit war uns zum Sonnenuntergang zu einer unbewohnten Insel herüberzuschippern. Auf der Insel herrschte eine ganz eigene Stimmung: Über unseren Köpfen kreisten laut kreischende Möwen und im niedrigen Gestrüpp musste man aufpassen nicht in eines der Möwennester zu treten. Nach dem Bootsausflug und einem kleinen Umtrunk in der „Strandbar“ von Ajim kehrten wir per Auto Richtung Houmt Souk zurück und fuhren zum „Centre International Méditerranéen“, einem riesigen Haus, das einem gewissen Professor Yamoun gehört, und in dem alle Couchsurfer übernachteten. Mittlerweise war es bereits gegen 23 Uhr, was Salim, den Algerier, jedoch nicht davon abhielt, auf die Schnelle für uns alle zu kochen. Innerhalb von 30 Minuten hatte er ein riesiges Menü auf den Tisch gezaubert, von dem wir alle gar nicht mehr so viel essen konnten. Bevor ich zurück ins Hotel fuhr, musste ich mich von den meisten der Reisegruppe auch schon wieder verabschieden, da sie am nächsten Tag zurück nach Tunis fuhren. Es blieb eigentlich nur Salim noch da und mit ihm und Professor Yamoun sollte ich an einem der kommenden Tage noch eine spannende Tour durch Südtunesien unternehmen. Doch dazu mehr im übernächsten Blogeintrag!

P.S.: Danke an meine Co-Fotografen!

Santa Clara – Besuch der Che-Guevara-Pilgerstätte

Santa Clara, das klingt im ersten Moment wie ein christlicher Wallfahrtsort. Nun ja, „christlich“ ist der Ort eher weniger (und noch weniger im sozialistischen Kuba), „Wallfahrtsort“ auf jeden Fall: Hier befindet sich das Mausoleum Che Guevaras, des argentinischen Guerillahelden, der die kubanische Revolution entscheidend mitgeprägt und am Sturz des Diktators Batista (reg. 1952-1958) mitgewirkt hatte. Heute werden täglich Busladungen voll von Touristen zum Che-Mausoleum gekarrt, das 1988 eröffnet worden war. Am Ort der Gedenkstätte ist ein Ganzkörperdenkmal Che Guevaras aus Bronze nebst Steinblöcken aufgestellt, auf denen Zitate Che Guevaras geschrieben stehen, die aus seinem Abschiedsbrief stammten bevor er zu seiner letzten Mission nach Bolivien aufbrach. Dort wurde er 1967 im Kampf mit dem bolivianischen Militär gefangen genommen und später hingerichtet. Erst 1997 überführte man die Leiche Guevaras von Bolivien nach Kuba.

Gegenüber des Mausoleums befindet sich ein riesiger weitläufiger Platz, der Plaza de la Revolución, der am Tag meines Besuchs in der Hitze brütete, und wohl für festliche Paraden an Gedenktagen genutzt wird. Ans Mausoleum angeschlossen ist ein Museum mit Fotos und Alltagsgegenständen Che Guevaras. Das Mausoleum selbst besteht aus einer einer Grotte nachempfundenen Grabkammer mit einer ewigen Flamme und den Gräbern Ches und seiner Anhänger, in der man allerdings keine Fotos schießen durfte.

Nach der Besichtigung des Mausoleums begab ich mich auf weitere Spurensuche des Revolutionärs und lief am Stadtzentrum vorbei Richtung Osten. Ich gelangte bis zum Hauptbüro der Provinz Santa Clara, vor der sich ein lebensgroßes Che-Denkmal befindet, was irgendwie menschlicher und persönlicher wirkt als das Che-mit-Gewehr-Denkmal am Mausoleum, weil Che hier ein Kind auf dem Arm trägt (Estatua Che y Niño). Auf der Straße zurück Richtung Zentrum liegt das „Museo del Tren Blindado“ (Museum des gepanzerten Zugs), das die restaurierten Eisenbahnwaggons des Batista-Regimes zeigt, die Che und seine Anhänger am 29. Dezember 1958 angegriffen hatten. Die Waggons waren vollgeladen mit Waffen, Munition, Proviant und Soldaten, die im Kampf gegen die Revolutionäre eingesetzt werden sollten. So aber drehten Che und seine Gefolgsleute den Spieβ um, ermächtigten sich der Waffen und nahmen kurz darauf ganz Santa Clara ein, was dazu führte, dass der diktatorisch herrschende Staatspräsident Batista 1959 in die Dominikanische Republik floh und die „Bewegung des 26. Juli“ (Movimiento 26 de Julio; abgekürzt M-26-7) der Revolutionäre die Macht übernahm.  Aus dieser Bewegung unter Führung Fidel Castros sollte 1965 die Kommunistische Partei Kubas (PCC) hervorgehen.

Ich hatte allerdings ehrlichgesagt keine Lust erneut Eintrittsgeld für weiteres „Propagandagedöns“ zu bezahlen und so schlich ich mich mit einer Touristengruppe auf das Gelände und setzte mich einfach nur zum Ausruhen in den Schatten und beobachtete die Leute.

Nach einem kurzen Rundgang im Zentrum und einem stärkenden Mittagessen aus leicht zerkochten Spaghetti mit Käse und Tomatensoßenkonzentrat in einem „Paladar“ (staatliches Restaurant) machte ich mich auf den Weg zum Busbahnhof, von dem ich mit einiger Verspätung nach Trinidad weiterfuhr. Die meisten Fahrten während meiner Kubareise machte ich übrigens im Viazul-Touristenbus. Der war zwar um einiges teurer als die lokalen Busse und Camiones (Lastwagen, die für den Personentransport umgebaut worden waren aber nur einen Schlitz für die Luftzufuhr aufwiesen, wodurch sie immer wie Viehtransporter aussahen), aber dafür bequem, recht pünktlich und mit Klimaanlage ausgestattet – ein Segen bei den hohen Temperaturen! Kubaner traf man in diesen Bussen allerdings so gut wie nie und wenn dann welche, die meist durch Familie oder Arbeit in den USA an mehr Geld gekommen waren.