Cuzco – „Nabel der Welt“ in Pumaform

Cuzco ist die ehemalige Hauptstadt des Inkareiches. Der Name stammt vom Quechuawort Qosq’o, was so viel wie „Nabel der Welt“ bedeutet und die damalige Wichtigkeit der Stadt unterstreicht. Heute ist Cuzco die drittgrößte Stadt Perus, bildet ein Drehkreuz zwischen Anden und Regenwald und ist die größte Stadt im Dunstkreis des Machu Picchu, weswegen täglich hunderte von Touristen in sie einfallen. Stadtplaner Pachacutec, der neunte Herrscher über das Inkareich (1438-71), designte Cuzco in Form eines Pumas wie man unter diesem Link sehen kann. Warum in Form eines Pumas? Das Puma symbolisiert eine von drei in der Inka-Mythologie existierenden Welten. Die „obere Welt“ (Hanan Pacha) wird dabei durch den Kondor, die „diese Welt“ (Kay Pacha) durch das Puma und die „untere Welt“ (Ukhu Pacha) durch die Schlange symbolisiert. Im Prinzip gibt es also einen „Himmel“, eine Welt der Lebenden und eine Unterwelt der Toten vergleichbar mit dem griechischen Hades.

In ganz Cuzco konnte man den Hauch des Inkareiches noch an jeder Ecke spüren: Hausmauern oder Kirchen sind auf den Steinen ehemaliger Inkatempel errichtet, die Regenbogenfahne als Flagge des Inkareiches (Tahuantinsuyo) schmückt viele Gassen, wir wohnten einer Inka-Zeremonie auf dem Tempelgelände Qorikancha bei und besuchten drei außerhalb Cuzcos liegende ehemalige Inkabauten. Doch auch die Gegenwart hat bereits gut in Cuzco Einzug gehalten: An die Kolonialarchitektur angepasste Mc Donald’s und Starbucks-Läden, schicke Designershops mit der neuesten Alpakawollmode und schicke Designerhotels, israelische Kebabläden und israelische Touragenturen mit hebräischen Schildern, etc. Moment, israelisch? Ja, ganz richtig. Cuzco und das naheliegende Heilige Tal sind zwei von einigen Orten weltweit (wie z. B. auch Goa in Indien), die junge Israelis nach der Beendigung ihres Militärdienstes bereisen, um entweder die Sau raus zu lassen oder spirituelle Einkehr zu suchen. Witzigerweise trafen wir in Cuzco auch einen Israeli, Idan, wieder, den ich auf meiner Kubareise in Baracoa kennengelernt hatte. Aber nein, es war kein zufälliges Treffen gewesen, sondern wir hatten uns verabredet, da wir bereits in Kuba festgestellt hatten, dass wir später zur gleichen Zeit in Peru unterwegs sein würden. Idan erzählte uns, dass er auf der Straße tatsächlich oft direkt auf Hebräisch angesprochen wurde und man ihm wahlweise Drogen, Massage mit „Happy End“ oder einen Ausflug aufschwatzen wollte.

Mir gefiel Cuzco jedenfalls mit seinen schmalen Pflastersteingassen, den kleinen Läden und gemütlichen Cafés und Restaurants, sowie den zahlreichen festlichen Umzügen ausgesprochen gut. Wie mir die Familie unseres Gästehauses nämlich bestätigte, findet in Cuzco ständig irgendein Fest statt. Wir wurden Zeugen der Umzüge zu Ehren des Señor de Qoyllurity und der Virgen de la Natividad, bei denen sich andine und christliche Kultur mischen und verschiedene Gruppen, die an Karnevalsgruppen erinnern (comparsa), verkleiden, mit Blaskapellen durch die Gassen marschieren und Tänze aufführen. Die Kostüme übertrafen sich gegenseitig an Buntheit und Ausgefallenheit und ich war völlig überfordert mit den ganzen Eindrücken.

In Cuzco musste dann auch endlich einmal das probiert werden, was immer so stereotyp mit peruanischem Essen verbunden wird, nämlich Meerschweinchen. Ly bestellte ein halbes (naja, ist ja ohnehin nicht viel dran) und wir kosteten, waren aber beide nicht gerade begeistert davon. Irgendwie war es zu lasch im Geschmack… Auf jeden Fall konnte dieser kulinarische Punkt nun auch abgehakt werden.

An unserem zweiten Tag in Cuzco nahmen wir nach einem stärkenden Frühstück in der Plastiktüte (warmes, flüssiges Quinoa oder Maca mit Apfel) einen Minibus nördlich hinaus aus der Stadt bis zur Ausgrabungsstätte Tambomachay, einem ehemaligen zeremoniellen Inka-Bad. Von dort aus war es nur ein Katzensprung, um bis zur Festung Pukapukara zu laufen. Von dort aus wanderten wir weiter bergab bis zur größten Ausgrabungsstätte Sacsaywamán. Auf Quechua bedeutet das „zufriedener Falke“, da sich aber die meisten Touristen diesen Namen nicht merken, geschweige denn ihn aussprechen können, soll man meinem Reiseführer nach an „sexy woman“ als Eselsbrücke denken. 😉 Die Zickzack-Steinwände, die ihr unten auch auf den Fotos sehen könnt, sollen übrigens die Zähne des Puma darstellen, in dessen Form Cuzco ja, wie anfangs erwähnt, gebaut worden ist. Die ganze Ausgrabungsstätte ist echt weitläufig und schon beeindruckend, allerdings waren wir von unserer Wandertour schon etwas geschafft, so dass wir den Aussichtspunkt über Cuzco und die Lamas auf der Wiese vor Sacsaywamán weitaus spannender fanden. 😉

Die „Hinkenden Teufel“ sind los – Karneval in La Vega

Ende Januar bis Anfang März ist Karneval angesagt! In den größeren Städten des Landes steigt jeden Sonntagnachmittag und -abend eine große Karnevalsparty inklusive Umzug aller Karnevalsgruppen, die jedes Jahr auf’s Neue eine neue Kostümkreation präsentieren. Der berühmteste und angeblich schönste Karneval des Landes findet in La Vega statt – sehr praktisch für mich, liegt das doch nur 40 min. von Jarabacoa entfernt.

Ich hatte am ersten Karnevalswochenende Manuel, einen Mitfreiwilligen, der in San José de las Matas wohnt, zu Besuch und so statteten wir La Vega am Sonntag natürlich einen Besuch ab. Ab 14 Uhr war der Umzug der so genannten „Diablos cojuelos“, der hinkenden Teufel geplant, einer der typischen Verkleidungen des Veganer Karnevals, und so waren wir um diese Zeit vor Ort. Schon in einer kleinen Seitenstraße sahen wir die ersten verkleideten Leute und es war total surreal auf einmal irgendwelche Gespenster, Zauberer, Katzen, Teufel etc. zwischen den „normalen“ Leuten hin- und herhuschen zu sehen. Westlich vom Parque Central befand sich dann auf der Calle de la Independencie die Hauptmeile des Karnevals, wo die Karnevalsgruppen einige Zeit später entlangdefilieren sollten. Ich war total begeistert: So schöne und aufwendige Kostüme und Masken hatte ich noch nie gesehen! Wahnsinn! Wir mussten nur die ganze Zeit aufpassen nicht von einem der Verkleideten mit seiner „vejiga“ (eigentlich „Blase“, da früher mit Luft gefüllte Stierblasen genutzt wurden, heute sind es Blasen aus Stoff und Plastik) auf den Hintern gehauen zu werden, denn die Verkleideten haben während des Umzugs Narrenfreiheit und dürfen jeden schlagen, der es wagt, auf die Straße zu treten. Viele Zuschauer forderten die Schläge natürlich richtig heraus. Ich hingegen versuchte mit meinem Hintern immer irgendwie an einer Wand zu bleiben und konnte mich insofern schützen, als dass ich immer schön meine Kamera zückte und die Verkleideten daraufhin gerne für mich posten (was sie vom Hauen abhielt ;-)). Die ganze Zeit lief überall auf der Partymeile laute Musik und überall wurden Snacks und natürlich reichlich Alkohol verkauft. Es war jetzt aber auch nicht so voll, dass ich ständig Angst um meine Sachen haben musste. Im Gegenteil, ich fand die Atmosphäre echt angenehm und die Leute rücksichtsvoll. Jeder Karnevalsverein hat seine „cueva“ (eigentlich „Höhle“), ein überdachtes Zelt mit Sitzplätzen, in denen sich die Mitglieder immer wieder ausruhen und Wasser trinken können. Denn Tauschen hätte ich mit ihnen nicht wollen: Wenn sie die Masken einmal hochnahmen, sah man die fertigen, verschwitzten Gesichter, denn bei der schwülen Hitze rumrennen und tanzen ist nun wahrlich nicht angenehm. Aber nun gut, sie haben sich ja das ganze Jahr darauf vorbereitet!

Der Karneval von La Vega mit seinen Masken und Bräuchen erinnert übrigens laut Wikipedia an die alemannische Fastnacht, wie sie in Südwestdeutschland und einigen Regionen der Schweiz gefeiert wird und die sich stark von der rheinischen Fastnacht unterscheidet. Der Karneval ganz im Allgemeinen geht übrigens auf die aus der europäischen Antike stammende Feierlichkeit der „Saturnalien“ zurück, ein Tag, an dem Herren und ihre Sklaven gleichgestellt waren und diese sich teilweise als den jeweils Anderen verkleideten.

Den Samstag vor dem Karneval hatten Manuel und ich einen Ausflug zum Wasserfall Salto de Baiguate bei Jarabacoa unternommen, bei dem ich bereits einmal im September mit Sarah gewesen war. Der Wasserfall sah eigentlich genauso aus wie beim letzten Mal, führte diesmal aber etwas mehr Wasser. Sonntagmittag vor dem Karneval konnten wir noch drei Stippvisiten realisieren, da Manuel praktischerweise mit dem Motorrad da war und wir so sehr mobil waren: Zunächst La Confluencia in Jarabacoa, dann die Eco Aldea Verde in Bayacanes und schließlich der Santo Cerro („Heiliger Hügel“) nördlich von La Vega, was sich, wie beim letzten Mal, wegen der herrlichen Sicht immer wieder lohnt!

Übrigens gibt es auch in Jarabacoa Karnevalsfeierlichkeiten, die am letzten Sonntag im Januar mit einem Defilee aus Autos und Motorrädern gestartet wurden, das direkt an unserem Haus vorbeifuhr.

Santo Cerro