SAJOMA und die „Spanferkel“ des Karnevals von Santiago

SAJOMA – das ist das Akronym für San José de las Matas. Zumindest in der Dominikanischen Republik: Wenn man die Abkürzung googelt, gibt es noch einen zweiten Ort, der dieses Akronym für sich beansprucht, nämlich das österreichische St. Josef zu Margareten. Aber zurück in die Karibik: SAJOMA liegt ca. 1 Stunde westlich von Santiago und ich habe dort letztes Wochenende meinen Mitfreiwilligen Manuel besucht. Übernachten konnte ich im Haus seiner sehr netten Gastmutter, denn Manuel selbst kommt dort immer nur zum Essen vorbei und wohnt in einer Parallelstrasse in einer WG mit Terasse, von der man einen herrlichen Blick in die hügelige Umgebung SAJOMAS und auf die eigenartige Kombi aus Baseballfeld und dahinterliegendem Friedhof der Stadt hat.  SAJOMA ist schon etwas kleiner als Jarabacoa, dafür um einiges ruhiger und kann sogar zwei Kulturzentren aufweisen! Am Samstagabend waren wir im Kulturzentrum San José zu einer Show der baldigen Schulabgänger vom Colegio (Schüler/innen  im Alter von 16 Jahren), zu der wir über Manuel Gastmutter, die Lehrerin ist, Karten bekommen hatten. Eine „Noche Latina“, also eine lateinamerikanische Nacht, stand auf dem Programm: Der geschniegelte Moderator erwies Improvisationstalent immer wenn die tanzenden, richtig singenden, playback-singenden oder Musikinstrumenten-spielenden Schüler bei seiner Anmoderation noch nicht ganz bühnenfertig waren. Videos mit Botschaften von nicht anwesenden Lehrern oder dominikanischen Promis wurden eingespielt und am Ende erhielten alle anwesenden Lehrer ein Geschenk. Es war fast wie ein deutscher Abistreich, nur dass die Lehrer nicht verarscht wurden. Man merkte, dass Musik und Tanz den Schülern extrem wichtig war, was soweit ging, dass sie einen professionellen Tanzlehrer angeheuert hatten, um sich unterrichten zu lassen und schließlich ein Musikvideo zu drehen. Wahnsinn dieser Aufwand!

Tagsüber waren wir auf Manuels Motorrad zu zwei Stauseen nahe bei Santiago gefahren, der Presa de Bao und der Presa de Tavera, wo wir im kleinen Ökotourismusgebiet Caimito Verde etwas herumwanderten, schließlich im Stausee badeten und danach lecker frisch zubereiteten Fisch im Fischrestaurant „Teo I“ aßen. Sonntags unternahmen wir einen Ausflug zum Wasserfall Salto de Anacaona, der sich bei unserer Ankunft jedoch leider nur noch als Saltito, also „Wasserfällchen“ mit kaum Wasser entpuppte. Naja, die Wanderung am Fluss entlang hatte sich allemal wegen der Landschaft und der Pflanzenwelt gelohnt!

 

Auf dem Rückweg von SAJOMA nach Jarabacoa legte ich einen kurzen Zwischenstop beim Karneval in Santiago ein. Hier sehen die typischen Verkleidungen anders aus als in La Vega und die „hinkenden Teufel“ nennen sich hier „Lechones“, also „Spanferkel“. Warum? Die Masken, die die Leute tragen, erinnern an ein Schweinegesicht, wenn auch mit einem schnabelförmig nach vorne gebogenen Mund. Neben den „vejigas“ (Blasen), die die Verkleideten auch beim Karneval in La Vega trugen, um eventuelle aufmüpfige Besucher zu hauen, hatten die Lechones noch ein geflochtenes langes Seil dabei, dass sie wie eine Peitsche über dem Kopf schwangen und dann mit einem lauten Knall auf den Boden schleuderten. Zum Glück war die Straße, auf der die Karnevalsvereine entlangdefilierten abgesperrt, denn schnell hätte jemand ein solches Peitschenseil ins Gesicht bekommen können. Die „vejigas“ übrigens waren nicht wie in La Vega mit einem bunten Stoff überzogen, sondern erinnerten mit ihrer pergamentfarbigen Oberfläche tatsächlich an mit Luft gefüllte Tierblasen. Leider konnte ich nicht sehr lange in Santiago verweilen, da es zum Einen anfing zu regnen und ich zum Anderen die Guagua-Fahrtzeiten im Auge behalten musste. Als ich am zeitigen Abend in Jarabacoa eintraf, kam ich auch – ihr dürft raten – ja, richtig, beim Karneval von Jarabacoa vorbei. Mir fiel auf, dass ich ein paar Kostüme sehen konnte, die ich so ähnlich in La Vega letzte Woche gesehen hatte. Und ja, wie mir später der Freund meiner Gastmutter erzählte, es werden alte Karnevalskostüme aus La Vega weiterverkauft (da man sie ja nur ein Jahr anzieht), was den Käufer im Extremfall bis zu 6.000 USD kosten kann!!! Manche Dominikaner stecken ihr sauer in den USA verdientes Geld dann komplett in ein neues Karnevalsoutfit!

Die „Hinkenden Teufel“ sind los – Karneval in La Vega

Ende Januar bis Anfang März ist Karneval angesagt! In den größeren Städten des Landes steigt jeden Sonntagnachmittag und -abend eine große Karnevalsparty inklusive Umzug aller Karnevalsgruppen, die jedes Jahr auf’s Neue eine neue Kostümkreation präsentieren. Der berühmteste und angeblich schönste Karneval des Landes findet in La Vega statt – sehr praktisch für mich, liegt das doch nur 40 min. von Jarabacoa entfernt.

Ich hatte am ersten Karnevalswochenende Manuel, einen Mitfreiwilligen, der in San José de las Matas wohnt, zu Besuch und so statteten wir La Vega am Sonntag natürlich einen Besuch ab. Ab 14 Uhr war der Umzug der so genannten „Diablos cojuelos“, der hinkenden Teufel geplant, einer der typischen Verkleidungen des Veganer Karnevals, und so waren wir um diese Zeit vor Ort. Schon in einer kleinen Seitenstraße sahen wir die ersten verkleideten Leute und es war total surreal auf einmal irgendwelche Gespenster, Zauberer, Katzen, Teufel etc. zwischen den „normalen“ Leuten hin- und herhuschen zu sehen. Westlich vom Parque Central befand sich dann auf der Calle de la Independencie die Hauptmeile des Karnevals, wo die Karnevalsgruppen einige Zeit später entlangdefilieren sollten. Ich war total begeistert: So schöne und aufwendige Kostüme und Masken hatte ich noch nie gesehen! Wahnsinn! Wir mussten nur die ganze Zeit aufpassen nicht von einem der Verkleideten mit seiner „vejiga“ (eigentlich „Blase“, da früher mit Luft gefüllte Stierblasen genutzt wurden, heute sind es Blasen aus Stoff und Plastik) auf den Hintern gehauen zu werden, denn die Verkleideten haben während des Umzugs Narrenfreiheit und dürfen jeden schlagen, der es wagt, auf die Straße zu treten. Viele Zuschauer forderten die Schläge natürlich richtig heraus. Ich hingegen versuchte mit meinem Hintern immer irgendwie an einer Wand zu bleiben und konnte mich insofern schützen, als dass ich immer schön meine Kamera zückte und die Verkleideten daraufhin gerne für mich posten (was sie vom Hauen abhielt ;-)). Die ganze Zeit lief überall auf der Partymeile laute Musik und überall wurden Snacks und natürlich reichlich Alkohol verkauft. Es war jetzt aber auch nicht so voll, dass ich ständig Angst um meine Sachen haben musste. Im Gegenteil, ich fand die Atmosphäre echt angenehm und die Leute rücksichtsvoll. Jeder Karnevalsverein hat seine „cueva“ (eigentlich „Höhle“), ein überdachtes Zelt mit Sitzplätzen, in denen sich die Mitglieder immer wieder ausruhen und Wasser trinken können. Denn Tauschen hätte ich mit ihnen nicht wollen: Wenn sie die Masken einmal hochnahmen, sah man die fertigen, verschwitzten Gesichter, denn bei der schwülen Hitze rumrennen und tanzen ist nun wahrlich nicht angenehm. Aber nun gut, sie haben sich ja das ganze Jahr darauf vorbereitet!

Der Karneval von La Vega mit seinen Masken und Bräuchen erinnert übrigens laut Wikipedia an die alemannische Fastnacht, wie sie in Südwestdeutschland und einigen Regionen der Schweiz gefeiert wird und die sich stark von der rheinischen Fastnacht unterscheidet. Der Karneval ganz im Allgemeinen geht übrigens auf die aus der europäischen Antike stammende Feierlichkeit der „Saturnalien“ zurück, ein Tag, an dem Herren und ihre Sklaven gleichgestellt waren und diese sich teilweise als den jeweils Anderen verkleideten.

Den Samstag vor dem Karneval hatten Manuel und ich einen Ausflug zum Wasserfall Salto de Baiguate bei Jarabacoa unternommen, bei dem ich bereits einmal im September mit Sarah gewesen war. Der Wasserfall sah eigentlich genauso aus wie beim letzten Mal, führte diesmal aber etwas mehr Wasser. Sonntagmittag vor dem Karneval konnten wir noch drei Stippvisiten realisieren, da Manuel praktischerweise mit dem Motorrad da war und wir so sehr mobil waren: Zunächst La Confluencia in Jarabacoa, dann die Eco Aldea Verde in Bayacanes und schließlich der Santo Cerro („Heiliger Hügel“) nördlich von La Vega, was sich, wie beim letzten Mal, wegen der herrlichen Sicht immer wieder lohnt!

Übrigens gibt es auch in Jarabacoa Karnevalsfeierlichkeiten, die am letzten Sonntag im Januar mit einem Defilee aus Autos und Motorrädern gestartet wurden, das direkt an unserem Haus vorbeifuhr.

Santo Cerro