Weiterhin Spenden benötigt, 2. Bericht und mein Zwischenfazit zur dominikanischen Kultur

Nachdem ich im Dezember 2015 den ersten Bericht über mein Freiwilligenjahr für meine deutsche Entsendeorganisation ecoselva verfasst habe, ist nun auch der zweite Bericht fertig. Unter folgenden Links könnt ihr beide Berichte lesen:

Erster Bericht

Zweiter Bericht

An dieser Stelle möchte ich erneut auf die noch immer laufende Crowdfunding-Kampagne für meine Entsendeorganisation ecoselva hinweisen. Jede noch so kleine Spende ist willkommen!

betterplace-Seite mit Spende-Button „1 Kaffee weniger, 1 Spende mehr“

Facebook-Seite „1 Kaffee weniger, 1 Spende mehr“

Zudem möchte ich an dieser Stelle einen Auszug aus meinem zweiten Bericht, nämlich mein bisheriges Zwischenfazit zur dominikanischen Kultur, veröffentlichen:

Ich fühle mich nachwievor wohl in der DomRep und finde, dass ich in dem spezifischen Kontext, in dem ich mich gerade befinde (siehe erster Bericht), gut leben kann. Allerdings habe ich für mich feststellen müssen, dass die DomRep auf gar keinen Fall ein Land ist, in dem ich für immer leben wollen würde bzw. für das ich auch kein Jahr verlängert hätte.

Ich habe hier tolle Menschen kennengelernt, habe dominikanische Freunde gefunden und habe eine super Gastfamilie und super Arbeitskollegen. Auf der anderen Seite hat mich die dominikanische Kultur nie im gleichen Maße wie z. B. die tansanische Kultur fasziniert. Es ist keine Kultur, die ich in mein Herz schließen werde, es sind v. a. spezifische Menschen und die Natur die es mir hier angetan haben und die ich nie vergessen werde.

Es gibt in der dominikanischen Kultur einfach Seiten, die mir nicht gefallen:

* der gesellschaftlich akezeptierte hohe Alkoholkonsum

* weit verbreiteter Machismus

* hohe Lautstärke / Lärm (Motorräder; lautes Spielen von Musik ohne Rücksicht auf Nachbarn; ich habe das Gefühl, dass sich die Leute in normalen Gesprächen teilweise „anschreien“; lautes Telefonieren ohne Rücksicht auf andere; lauter, ständig eingeschalteter Fernseher)

* Ansprechen auf der Straße als „Americana“ / „Rubia“ / „Gringa“ und häufig Reduzierung des Weltbilds auf zwei Länder (Dominikanische Republik und USA)

* Fixierung auf Äußerlichkeiten (Haare, Kleidung)

* in meinen Augen übertriebener Nationalstolz

* „Scheinheiligkeit“ in Bezug auf Beziehungen und Sexualität

* ungesunde Ernährung (sehr fettiges und kohlenhydratlastiges Essen, extrem hoher Zuckerkonsum)

* kaum Umweltbewusstsein (Verschwendung von Strom und Wasser; Müll wird in einfach auf die Straße geworfen)

* Handy- und Foto-Obsession

* (politischer) Aktionismus, bei dem meiner Meinung nach oft nicht viel Konkretes rauskommt

Es ist nicht so, dass ich die Kultur schlecht reden möchte oder dass ich mich nicht für sie interessiere, denn ich lese viel über die Geschichte und Kultur und versuche viele Dominikaner dazu auszufragen. Ich weiß, dass die dominikanische Kultur nun einmal so ist wie sie ist und versuche durch Gespräche mit Leuten bzw. Lektüre Erklärungen für die oben genannten Ausprägungen zu finden. Ich will auch nicht sagen, dass die deutsche Kultur besser ist, in keinster Weise. Die oben genannten Aspekte sind einfach Aspekte der dominikanischen Kultur, mit denen ich hier schon leben kann, die mich aber immer auch stören werden solange ich hier lebe, ohne dass ich sie im großen Maße ändern kann.

In Gesprächen mit Dominikanern höre ich als Erklärung für bestimmte kulturelle Phänomene immer wieder eine Kluft zwischen gebildeten und ungebildeten Dominikanern heraus. Ansgesprochen auf das mangelnde Umweltbewusstsein ihrer Mitmenschen sagen meine dominikanischen Gesprächspartner dann meist „Ah, das sind Leute, die keine Bildung haben.“ oder auf die ungesunde Ernährung „Die Leute wissen nicht, was gut ist.“ Sich selbst nehmen meine Gesprächspartner dann (natürlich) als gebildet wahr und versuchen sich durch diese Äußerungen von den Ungebildeten abzugrenzen. Ich habe einmal etwas zum in Lateinamerika stark ausgeprägten Klassendenken gelesen, das sich womöglich in solchen Äußerungen widerspiegelt.

Manche kulturellen Phänomene, die ich hier in der DomRep vorfinde, gab es in Deutschland vor einigen Jahrzehnten auch (z. B. wenig Umweltbewusstsein, konservative Sexualmoral, weit verbreiteter Machismus). So mutet ein Aufenthalt in der DomRep oft, wie es Fernando, ein argentinischer Freund, der seit zehn Jahren auf der Insel lebt, formulierte, wie eine „Zeitreise“ an. Zeitreise ja, aber parallel dazu „moderne“ Phänomene wie der extremen Allpräsenz von Handys.

Für die überall herrschende Lautstärke gibt das Buch „Das Fest des Ziegenbocks“ von Mario Vargas Llosa eine interessante historische Begründung. Die Hauptfigur Urania kehrt Mitte der 90er Jahre nach 35 Jahren Exil in den USA in die Dominikanische Republik nach St. Domingo zurück und macht folgende Beobachtung:

„[…] Im Erdgeschoss des Hotels Jaragua überfällt sie der Lärm, dieses schon vertraute Ambiente aus Stimmen, Motorgeräuschen, voll aufgedrehten Radios, Merengues, Salsas, Danzones und Boleros oder Rock und Rap, die sich vermischen, sich gegenseitig attackieren, sie attackieren mit ihrem schrillen Getöse. Belebtes Chaos, tiefes Bedürfnis eines einstigen Volkes, Uranita, sich zu betäuben, um nicht zu denken und vielleicht nicht einmal zu fühlen. Aber auch Explosion wilden Lebens, das den Wellen der Modernisierung widersteht. Etwas in den Dominikanern klammert sich an diese vorrationale, magische Form: dieses Verlangen nach Lärm. („Nach Lärm, nicht nach Musik.“)

            Sie kann sich nicht erinnern, dass ein derartiger Lärm auf der Straße herrschte, als sie ein kleines Mädchen war und Santo Domingo noch Ciudad Trujillo hieß. Vielleicht gab es ihn nicht; vielleicht war die Stadt vor 35 Jahren stiller und weniger hektisch, als sie nur ein Drittel oder ein Viertel so groß war, als sie provinziell, isoliert, von Angst und Servilität betäubt war und ihre Seele darniederlag in panischer Ehrfurcht vor dem Chef, dem Generalissimus, dem Wohltäter, dem Vater des Neuen Vaterlandes, vor seiner Exzellenz Dr. Rafael Leónidas Trujillo Molina. Heute kommen sämtliche Geräusche des Lebens, Automotoren, Kassetten, CD’s, Radios, Hupen, bellende, knurrende Hunde, menschliche Stimmen in voller Lautstärke daher, auf der höchsten Stufe des stimmlichen, mechanischen, digitalen oder tierischen Lärmpegels (die Hunde bellen lauter, die Vögel piepsen heftiger). Und New York hat des Ruf, laut zu sein! Nie in ihren zehn Jahren in Manhattan haben ihre Ohren etwas gehört, dass sich mit dieser brutalen, misstönenden Symphonie vergleichen ließe, in die sie seit drei Tagen eingetaucht ist. […]“

Vielleicht hängt auch der hohe Alkoholkonsum der Dominikaner mit dem Bedürfnis nach „Betäubung“ zusammen?

Was ich des Weiteren merkwürdig-interessant an der dominikanischen Kultur finde, ist zum Einen das Geschichtsbild und zum Anderen die Medienberichterstattung. Ich überfliege ab und zu die Nachrichten der großen Zeitungen und höre jeden Morgen Nachrichten im Radio. Vor allem wenn man die Nachrichten aus den Zeitungen liest bzw. sich diejenigen anschaut, die bei Facebook verbreitet werden, so könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass die ganze Insel nur aus Gewalttaten, Schießereien und Unfällen besteht, was teilweise durch schonungslose, blutige Bilder der Opfer illustriert wird. Im Radio haben viele Nachrichten einen USA-Bezug und scheinen manchmal extrem willkürlich ausgewählt zu sein: Oder warum sollte es einen Dominikaner interessieren, wenn in Berlin-Kreuzberg wegen eines Bombenfunds sämtliche Wohnungen geräumt werden müssen? Warum die Berichterstattung so ist? Dafür habe ich noch keine Erklärung gefunden, könnte mir aber vorstellen, dass das In-den-Vordergrund-Rücken von Gewalttaten aus der US-amerikanischen Medienberichterstattung abgeschaut wurde.

Das dominikanische Geschichtsverständnis ist in meinen Augen widersprüchlich: Zum Einen wird die Nachfahrenschaft von den Spaniern mit dem verehrten Christoph Kolumbus (Oder warum hat er sonst ein Denkmal auf einem der großen Plätze in St. Domingo bekommen?) hervorgehoben, zum Anderen die Taino-Kultur wieder „ausgegraben“, obwohl doch die Ausrottung der Tainos auf Kolumbus‘ Konto geht. Von den Tainos sind nicht mehr allzu viele Fundstücke übrig geblieben und so wirkt vieles, was man in Museen und Souvenirshops im Zusammenhang mit den Tainos sieht, künstlich und irgendwie „konstruiert“. Einzig in vielen geographischen Bezeichnungen (z. B. Jarabacoa, río Guayubin), manchen Vokabeln (z. B. guanábana = Ochsenherzapfel, yagua = Palmenblatt), Esstraditionen (Casave-Brot) und in der Hauseinrichtung (hamaca = Hängematte) ist das Taino-Erbe noch sichtbar.

Was ich an der dominikanischen Mentalität schließlich sehr schätze sind folgende Punkte (auch dies sind wieder allgemeine Formulierungen, die nicht auf alle Dominikaner zutreffen):

* Herzlichkeit

* Offenheit & Zugänglichkeit

* große Hilfsbereitschaft

* Gelassenheit & Entspanntheit

* Gastfreundschaft und ständige Sorge um das Wohlergehen von Gästen

* Flexibilität und Improvisationsvermögen

* Kreativität

* hohe Fehlertoleranz

* Humor und Kommunikationsfreude

* persönliche Angelegenheiten sind wichtiger als Arbeit

* Geduld mit Leuten, die Spanisch lernen

Trujillo-Kitsch in San Cristóbal

Den Tag nach meiner odysseehaften Anreise nutzte ich, um mir ein paar Sehenswürdigkeiten San Cristobals anzuschauen, die mit dem Diktator Trujillo in Verbindung stehen, denn San Cristóbal war seine Heimatstadt gewesen. In der gelben, an Zuckerbäckerstil erinnernden Kirche Parroquía de Nuestra Señora de Consolación, die ich allerdings leider nicht von innen besichtigen konnte, befindet sich das Mausoleum Trujillos. Sein Grab befindet sich interessanterweise auf dem Père-Lachaise-Friedhof in Paris. Nach dem Rundgang einmal um die Kirche herum lief ich weiter Richtung Norden und musste am Ende einen steilen Hügel meistern, um zum „Castillo de Cerro“ (Schloss auf dem Hügel) zu gelangen, ein Schloss, das Trujillos Anhänger ihm geschenkt hatten, das er jedoch selbst nie bewohnt hatte; wohl aber seine Kinder. Es handelt sich um ein modernistisches, mehrstöckiges Haus, in dem sich heute eine Schule für Gefängnispersonal befindet. Dementsprechend musste ich den Dresscode einhalten, bedeckte Beine und hochgeschlossenes Oberteil. Mich führte ein junger Typ des Aufsichtspersonals herum, der leider überhaupt keine Ahnung hatte, da er auf meine etwas detaillierteren Nachfragen zur Geschichte der Trujillo-Diktatur nur Phrasen wiederholte, die er offensichtlich auswendig gelernt hatte. Man konnte verschiedene Räume besichtigen, die einmal Schlafgemächer und Esssäle gewesen sein mussten und mit scheußlich-kitschigem Stuck und Malereien verziert waren. In der obersten Etage befand sich ein kleines Museum mit Folterinstrumenten und Möbeln Trujillos und einigen Erklärtafeln. Leider boten auch diese keine tiefgründigen Erklärungen. Immerhin hatte ich dann von der Dachterrasse aus einen schönen Blick auf San Cristóbal und seine grüne Umgebung bis hin zu den Hochhäusern von Santo Domingo. Dorthin machte ich mich nachmittags auf, um am nächsten Morgen Olga und Yasmin einzusammeln, die mich für gut zwei Wochen besuchen sollten.

Wandmalereien und Erinnerungsorte an die Mirabal-Schwestern: Villa Tapia, Salcedo und Tenares

Das Oktoberfest bot einen guten Anlass, um die wichtigsten Städte der Provinz Hermanas Mirabal (Mirabal-Schwestern), Villa Tapia, Salcedo und Tenares, zu besichtigen. Über das Oficina Técnica Provincial (Technisches Büro der Provinz), für das die deutschen Freiwilligen, die auch das Oktoberfest organisierten, arbeiten, wurde am Samstagvormittag eine Tour im Guagua zu diesen drei Städten organisiert. Wir fuhren entlang der Ruta de los Murales (Route der Wandmalereien), die besonders typisch für diese drei Städte sind und sehr viel von der Kultur und Geschichte der DomRep zeigen. Leider konnten wir aus dem Guagua nie aussteigen, um Fotos zu machen, so dass ich entschloss, diese Städte an einem anderen Wochenende noch einmal allein zu besuchen, um Foto schießen zu können.

Die Wandmalerei-Tour wurde mit einem Besuch im Museum der Mirabal-Schwestern abgerundet. Diese drei Schwestern, Minerva, Patria und Maria Teresa Mirabal, quasi Nationalheldinnen und auch auf dem 200-Peso-Schein zu finden, gehörten einer Widerstandsbewegung gegen den Diktator Trujillo (1930-61) an und wurden in seinem Auftrag umgebracht. Die drei nannten sich „Las Mariposas“ (Die Schmetterlinge), weswegen der Schmetterling als Symbol in vielen Wandmalereien auftaucht und auch als Motiv für die Wanddekoration von privaten Wohnhäusern sehr beliebt ist.

Das Museum befindet sich im Wohnhaus der Mirabal-Schwestern, die dieses bis zu ihrer Ermordung 1960 bewohnt hatten. Und so findet man es auch noch vor: alle Räume sind vollständig eingerichtet, die Kleidung der Schwestern hängt noch im Schrank, die Küche ist voll ausgestattet. Die vierte überlebende Mirabal-Schwester, genannt Doña Dedé, hat dieses Museum eingerichtet und auch einige Bücher über ihre Schwestern geschrieben. Sie wird jedoch, obwohl sie z. B. alle Kinder ihrer Schwestern nach deren Tod großzog, kaum in die nationale Erinnerungssymbolik einbezogen. Zu den Hintergründen der Trujillo-Diktatur erfährt man im Museum nur wenig; es werden mehr einzelne Personen aus der Widerstandsbewegung vorgestellt. Eine Analyse der Hintergründe und des Verlaufs der Diktatur sucht man vergebens, vermutlich weil die Aufarbeitung der Geschichte des Landes noch nicht derart ausführlich stattgefunden hat wie ich das z. B. aus Deutschland und der Aufarbeitung der Naziherrschaft kenne. Nach Trujillos Ermordnung 1961 kam nach einer kurzen Interimsregierung des Politikers und Schriftstellers Juan Bosch 1966 Joaquín Balaguer an die Macht und blieb es bis 1996! Wenn man sich mit Dominikanern unterhält, so erhält man häufig die Aussage, dass die Diktatur nicht mit Trujillo endete, sondern quasi bis 1996 weiterging und die Bevölkerung militärisch auf Unterordnung getrimmt wurde, was man ihrer Meinung nach bis heute beobachten kann. Ich bin gespannt, denn nächstes Jahr im Mai finden hier Wahlen statt und schon jetzt hängen überall riesige, quietschbunte Wahlplakate. Es gibt sogar kurz vor den Wahlen Wahlgeschenke wie z. B. eine Waschmaschine für die Armen, damit diese ja zur Wahl gehen und das richtige Kreuzchen setzen…

Nach dem Oktoberfest Samstagabend nutzten wir den Sonntag noch zur Besichtigung des kleinen Örtchens Ojos de Agua („Wasseraugen“), in dem sich ein Denkmal für die Mirabal-Schwestern und ein Ecoparque, eine Art Botanischer Garten, befindet. Ein schönes, ruhiges Fleckchen Erde mit interessanten Pflanzen!

Aller guten Dinge sind 3 – 3 Geburtstagsrunden in Jarabacoa und Tenares

Im Oktober standen drei Geburtstagsfeiern an: Erst Sarahs Feier, dann meine Feier in Jarabacoa und schliesslich unsere gemeinsame Feier im Rahmen des Oktoberfestes in Tenares, das von den deutschen Freiwilligen vor Ort organisiert worden war. Kulinarisch waren die Feiern in jederlei Hinsicht interessant: Für Sarah hatten unsere Kollegen von Plan Yaque eine supersüsse, klebrige Sahnetorte gekauft, für mich einen schlichten Möhrenkuchen und auf dem Oktoberfest gab es Sauerkraut, Bratwurst und deutsches Bier (was sonst?). Und schliesslich probierten wir bei meiner kleinen Geburtstagsrunde in Jarabacoa noch Mofongo aus, eine Spezialität aus Moca, die aus Kochbananen, knusprig gebratenem Schweinespeck und geriebenem Käse besteht, deren Zutaten jedoch auch variieren können. Sehr lecker, liegt aber auch sehr schwer im Magen…

Diese Musik wurde noch am Anfang gespielt:

… bis von irgendwoher ein dominikanischer DJ ankam und dann diese (natürlich ohrenbetäubend laute) Musik gespielt wurde:

Und dann waren wir noch V.I.P.-Gäste auf dem Filmfestival Festival de Cine Global in Santiago!:

 

 

Hippie-Hostel im Grünen, Karnevalshauptstadt La Vega & vier Kirchen

La Vega, die Karnevalshauptstadt der DomRep, ist eigentlich ziemlich hässlich, nur in der Karnevalszeit im Februar interessant und einfach nur ein Umsteigeplatz für die Weiterfahrt an die nördlichen Strände. Trotzdem wollte ich der Stadt eine Chance geben und sie mir anschauen. Ich übernachtete in einem supernetten und total entspannten Hippie-Hostel, Eco Aldea Casa Verde, in Bayacanes, einige Kilometer vor La Vega gelegen. Das graffitiverzierte Hostel mit Garten, Kuhweide und Flusszugang liegt herrlich im Grünen, die laute Hauptstraße ist vergessen und man findet sich in einer Hängematte umgeben von herumwatschelnden Enten und Hühnern und herumwuselnden Katzen und Hunden wieder. Richtig cool! Auch die Betreiber, Selma (aus der DomRep) und Ricky (aus Peru) sind richtig cool und empfingen mich sehr herzlich.

Bevor ich mir Samstagnachmittag jedoch La Vega anschaute, machte ich zunächst einen Abstecher ins weiter nördlich gelegene Moca, eine Industriestadt mit zwei imposanten Kirchenbauten. Die Stadt ist ebenso wie Santiago durch umliegende Anbauflächen für Kaffee, Tabak und Kakao geprägt, gut zum Shoppen geeignet und weißt meiner Meinung nach überdurchschnittlich viele Denkmäler (wichtige Politiker, ein Papst, ein Pater, eine Eisenbahn auf (!) einem Viadukt, Märtyrer im Kampf gegen die Trujillo-Diktatur, etc.) auf.

In La Vega traf ich schließlich auf die dritte, nun ja, beeindruckende Kirche des Tages: Erst dachte ich, es handele sich um ein Raumschiff oder einen Bunker, so merkwürdig sieht die Beton-Kathedrale von La Vega aus, die sich am Parque Duarte wie ein Fremdkörper in die Höhe reckt. Im gegenüberliegenden Museum zur religiösen Geschichte der Stadt erfuhr ich, dass die ursprüngliche Kathedrale aus bautechnischen Gründen hatte abgerissen und wieder neu aufgebaut werden müssen. Über die Umsetzung lässt sich streiten! Aber beeindruckend ist es schon, wenn man durch eine der riesigen Türen ins Kircheninnere tritt und das schlichte Innere sieht, das eher an eine skandinavische als an eine typische dominikanische Kirche erinnert.

Sonntag hatte ich Glück, dass mich Ricky mit dem hosteleigenen Auto mitnahm und wir uns so zwei Stätten etwas nördlich außerhalb von La Vega anschauen konnten, die ich sonst mit Guagua oder Motoconcho nur schlecht erreicht hätte. Zuerst besichtigten wir die Überreste von La Vega Vieja, das „Alte La Vega“. Das Alte La Vega war nach seiner Gründung durch Kolumbus 1494 zu gleichen Teilen von Spaniern und Taínos, meist zwangschristianisiert, bewohnt gewesen. 1562 wurde die Stadt von einem Erdbeben komplett zerstört (die Auswirkungen waren übrigens auch bis Santiago zu spüren) und dann einige Jahre später weiter südlich an ihrem heutigen Standort wieder aufgebaut. Die Ruinen stammen von einer Kirche und einem Fort, in dem zu Kolumbus‘ Zeit Gold gelagert wurde, welches die Taínos vor Ort abbauen mussten. Einer der Gründe übrigens warum die Taínos so schnell von Hispañola (DomRep + Haiti) verschwanden, war, dass die spanischen Kolonisatoren sie zu viel zu harter Arbeit, z. B. dem Graben nach Gold, zwangen. Eingeschleppte europäische Krankheiten taten ihr Übriges und so waren die Taínos bereits nach drei Jahrzehnten spanischer Herrschaft auf Hispañola fast ausgerottet.

Die vierte und letzte Kirche meines Ausflugswochenendes befand sich auf dem auf einem Hügel gelegenen Pilgerörtchen Santo Cerro. Wir kurvten die steile Straße entlang eines Pilgerfahrts nach oben und konnten schon von Weitem die sonntägliche Messe hören. Ich möchte nicht wissen, was für Menschenmassen am 24. September in Santo Cerro präsent sind, wenn die Schutzpatronin des Ortes, die heilige Jungfrau Virgen de las Mercedes, gefeiert wird (siehe Blogeintrag zu Constanza). Denn bereits nur zur sonntäglichen Messe saßen die Leute bis draußen vor der Kirche.  Von der Rückseite der Kirche hat man einen weiten, sehr schönen Blick ins Cibao-Tal bis nach Santiago. In Santo Cerro fand übrigens, der historischen Vollständigkeit halber, 1495 eine entscheidende Schlacht zwischen den Taínos und den Spaniern statt. Kolumbus hatte nämlich an diesem Ort ein Holzkreuz aufstellen wollen, welches die Taínos verbrennen wollten. Durch eine Erscheinung der Virgen de las Mercedes jedoch wurde dies verhindert; die Taínos legten ihre Waffen nieder und ließen sich teilweise freiwillig taufen. Soweit die Legende…

P. S.: Meine Spendenaktion bei betterplace läuft weiter: Für die Finanzierung meiner Arbeit im November fehlen noch 110,05 Euro. Wer spendet als nächstes für meine Kampagne „1 Kaffee weniger, 1 Spende mehr. Euer Beitrag zum Regenwaldschutz (DomRep)“?

Santiago de los Caballeros – Kulturwochenende in der zweitgrößten Stadt der Dominikanischen Republik

Das erste Oktoberwochenende nutzten Sarah und ich um unser Jarabacoanisches Kulturdefizit auszugleichen und in die zweitgrößte Stadt der DomRep, nach Santiago de los Caballeros, zu fahren. Uns hatte ein argentinisch-brasilianisches Pärchen, Fernando und Renata, eingeladen, die wir über die Arbeit bei Plan Yaque kannten, die ein Haus in Santiago haben und die zudem genauso kulturbegeistert sind wie wir. Es traf sich somit gut, dass in Santiago gerade ein Filmfestival stattfand, auf das wir Samstagabend gingen. Der brasilianische Film, der gezeigt wurde, war auf Spanisch synchronisiert – zum Einen zu unserem Grauen, da manche Synchronstimmen einfach gar nicht passten, zum Anderen zu Sarahs und meinem Glück, da man das synchronisierte Spanisch ziemlich gut verstehen konnte. Das Einkaufszentrum, in dem sich das Kino befand, war Samstagabend keineswegs leer, denn halb Santiago schien entweder ins Kino zu pilgern oder sich im Foodcourt mit Fastfood vollzustopfen.

Doch nicht nur der Abend in Santiago war mit Kultur gefüllt, sondern bereits der Rest des Tages. Wir hatten Samstagmorgen zwei Guaguas von Jarabacoa über La Vega genommen und waren spontan ausgestiegen als wir das monumentale Denkmal Santiagos sahen, das Monumento a los Héroes de la Restauración de la República. Ursprünglich während der Trujillo-Ära (1930-61) erbaut, um den Diktator selbst zu feiern, wurde es nach seiner Ermordung umgewidmet und den Soldaten geweiht, die 1865 für die Unabhängigkeit der Republik von Spanien gekämpft hatten. Man hat vom Sockel und von der Aussichtsplattform des Denkmals einen herrlichen Blick ins Cibao-Tal, das von den Zentral- und den Nördlichen Kordilleren eingerahmt wird. Im Inneren des Denkmals wurde die Geschichte des dominikanischen Unabhängigkeitskriegs mit Wachsfiguren und sozialistisch anmutenden Gemälden nacherzählt. Zudem kam ich zum ersten Mal mit der dominikanischen Karnevalskultur in Berührung, da einige der farbenfrohen und echt abgefahren aussehenden Kostüme ausgestellt waren.

Nach der Monumento-Besichtigung sammelten uns Fernando und Renata ein und wir fuhren zum Kulturzentrum Centro Leon, in dem just an diesem Tag Geburtstag gefeiert wurde und Tag der offenen Tür war. 🙂 Neben einer Dauerausstellung zur indigenen Geschichte der DomRep (die indigene Bevölkerung der Taínos ist allerdings leider von den spanischen Kolonisatoren im 16. Jahrhundert komplett ausgerottet worden) gab es einer weitere Ausstellung zur neuzeitlichen Alltagsgeschichte. Dazu passend war im Garten eine Bierausstellung aufgebaut worden, da die lokale Biermarke „Presidente“ in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert. Eine sehr interessante Biergeschichte, auch wenn das Bier selbst für deutsche Verhältnisse fast wie Wasser schmeckt. Es könnte aber schlimmer sein, denn Renata erzählte uns, dass das brasilianische Bier im Gegensatz zu „Presidente“ wie Wasser sei… 😉 Die Marke „Presidente“ wurde übrigens von Diktatur Trujillo ins Leben gerufen und da es zu seiner Zeit nur einen „El Presidente“, nämlich ihn selbst, geben durfte, musste sich das Bier damals „Presidente Especial“ nennen.

Sonntag schauten wir uns noch Santiago Downtown, das historische Zentrum, an. Viele der traditionellen karibisch-bunten Holzhäuschen erinnerten mich an Häuser, die ich als Kind bei einem Familienurlaub in Südflorida, v. a. Key West, gesehen hatte. Oft wird Florida ja auch zur Karibik gezählt und Miami ist nach New York der Ort, in dem die meisten Auslandsdominikaner leben.

Feiertagsausflug nach Constanza, die höchstgelegene Stadt der Dominikanischen Republik

Diese Woche Donnerstag war Feiertag zu Ehren der Schutzpatronin der DomRep, der Día de las Mercedes. Eine der dominikanischen Städte, in denen sie besonders verehrt wird, ist Constanza, das etwa 50km südwestlich von Jarabacoa liegt. Mit ca. 1200 m Höhe ist sie die höchstgelegene Stadt der ganzen DomRep. Die Anfahrt im Público (Pick-Up) auf der gewundenen Cordilleren-Straße war herrlich, nur die Bequemlichkeit könnte noch verbessert werden! 😉 In den Pick-Up wurden drinnen sieben Leute gestopft (vorne: Fahrer + zwei Fahrgäste, hinten: vier Fahrgäste) und hinten auf der Ladefläche saßen noch einmal vier weitere. Ich musste nur an die Grands Taxis in Marokko denken, wo ich einmal 1,5 Stunden zu zweit auf dem Beifahrersitz gesessen hatte und mir der Hintern eingeschlafen war. Diesmal saß ich zusammen mit Sarah hinten auf die Rückbank gequetscht, wobei die beiden, nun ja, wohlbeleibten Frauen neben uns kaum Anstalten machten, mit den Beinen etwas zusammenzurücken. D. h. Sarah und ich nahmen 1/3 der Rückbank und die beiden anderen Ladies 2/3 ein. :-S Immerhin waren die beiden sehr nett und erzählten uns, wo wir in Constanza etwas vom Feiertag mitbekommen würden: Natürlich in der Kirche nahe des Parque Central. Nachdem wir uns mit einem Erdbeersaft gestärkt hatten, schlenderten wir auf den Kirchhof und konnten uns dort eine Essensmarke für die Festtagsspeise abholen, Paella Valenziana. Moment, werdet ihr jetzt stocken, das ist doch ein spanisches Gericht! Ja, ganz genau! In Constanza gab es Siedlungen von Spaniern (Colonia Española) und nicht nur das, auch von Ungarn, US-Amerikanern und Japanern (Colonia Húngara/Kennedy/Japonesa). Constanza ist nämlich aufgrund seiner Höhenlage durch ein sehr angenehmes, nachts kühles Klima geprägt und bietet sich daher für den Obst- und Gemüseanbau an. Daher gibt es hier für die Karibik so „exotische“ Früchte wie Erdbeeren und Äpfel zu kaufen. Während der Zeit der Trujillo-Diktatur wurden dann gezielt ausländische Fachkräfte angeworben, um zum Einen ihr landwirtschaftliches Wissen und neue Methoden mitzubringen und um sich zum Anderen in Constanza und Umgebung dauerhaft anzusiedeln. Trujillo hatte die perfide Idee die dominikanische Bevölkerung, die größtenteils aus Mesticios und einem kleineren Anteil schwarzer haitianischer Einwanderer bestand, „aufzuhellen“, in dem sie sich mit den weißen Einwanderen „vermischten“. Heute gibt es wohl nur noch einige Nachkommen der spanischen und der japanischen Einwanderer (einige sahen wir in der Kirche und auf der Straße) in Constanza und eben kulturelle Überbleibsel wie die spanische Paella oder das „Japanis Auto Service“-Unternehmen. Hier noch ein interessanter Wikipedia-Link zum Thema „weiße Dominikaner“.

Auf dem Rückweg nach Jarabacoa bekamen wir die Regenzeit im wahrsten Sinne des Wortes „volle Kanne“ zu spüren: Es schüttete wie aus Eimern, so dass man die Straße kaum noch sehen konnte und das Wasser sturzbachartig am Straßenrand herunterfloss. Wir kamen aber heil an und freuten uns eher über den wirklich dringend benötigten Regen für die Region.