Ein Couchsurfer kommt selten allein – Ausflug nach Erriadh und Ajim

Am zweiten Tag meines Djerba-Aufenthaltes fasste ich den kühnen Plan eine Radtour auf der Insel zu machen. Erste Herausforderung war es an ein Fahrrad zu kommen. Laut meinem Hotel und laut der Touristeninformation in Houmt-Souk gab es angeblich keine Leihfahrräder in der Stadt, sondern nur in der östlich gelegenen Zone Touristique, d. h. dem Küstenstreifen aus Betonburgen alias Pauschalhotels, Souvenirshops und Casinos. Der Taxifahrer hatte eine ungefähre Ahnung wo es Fahrräder auszuleihen gab und fuhr mich (wie ich erst später anhand einer Karte nachvollzog) bis fast ans östliche Ende de Zone Touristique, wo er mich bei einem Squad-Verleih absetzte, der auch Fahrräder verlieh. Der Verleih für zwei Tage war schnell geregelt und so saß ich schon kurze Zeit später auf einem vermutlich schon längere Zeit nicht mehr genutzten Rad und strampelte die Hauptstraße zurück Richtung Houmt Souk. Der schmale Sattel des Rads entpuppte sich als recht unbequem und auch die Lenkerhöhe musste ich bei zweimaligen Stopps in Fahrradwerkstätten noch einmal regulieren lassen. Aber nun gut, eine Auswahl hatte ich ohnehin nicht gehabt und ich war froh, dass es an diesem Tag nicht so heiß war und eine frische Brise wehte.

Mein Ziel sollte die südlich der Inselhauptstadt gelegene Kleinstadt Erriadh sein, in der noch heute viele der auf Djerba verbliebenen Juden leben und in der es eine Synagoge, La Ghriba („die Fremde“), gibt. Diese Synagoge erlangte 2002 traurige Berühmtheit als davor ein mit Flüssiggas beladener LKW explodierte, wobei 21 Menschen, darunter 14 Deutsche, starben. Als ich an der Synagoge ankam, war diese durch eine Polizeisperre abgesichert. Ich stellte mein Fahrrad auf den Parkplatz und lief bis zum Eingang der von außen unscheinbar wirkenden Synagoge. Drinnen zeigte sich ein ganz anderes Bild: bunte Kacheln, arkadenhafte türkis-weiß angestrichene Pfeiler, die mich an die Mezquita-Kathedrale von Córdoba erinnerten, bunt bemalte Holzdecken, ein mit rot-goldenen Stoffen verhängter Thoraschrein und Beschriftungen sowohl auf Hebräisch als auch Arabisch. Faszinierend! Viel Zeit zum Staunen hatten ich und die anderen Besucher nicht, denn es war bereits 13 Uhr und der mürrisch wirkende Synagogenwächter wollte gerne in die Mittagspause gehen. Immerhin konnte ich mir noch die danebenliegende Pilgerherberge ansehen, denn La Ghriba ist jedes Jahr 33 Tage nach Ostern Ziel der größten jüdischen Wallfahrt in ganz Nordafrika. Neben meiner Wenigkeit war auch noch eine Gruppe Reisender mit den in den Hof der Herberge hinübergelaufen, die mich fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. Wie sich im Gespräch herausstellte, waren es alles Couchsurfer: zwei aus Tunesien, ein Algerier, eine Iranerin und ein Vietnamese! Das passte ja mal wieder wie die Faust auf’s Auge, hatte ich doch diesmal im Vorfeld meiner Reise keine Couchsurfing-Leute kontaktiert, weil ich keine Lust und keine Zeit gehabt hatte. Aber so spielte mir der Zufall in die Hände und wir beschlossen gleich alle zusammen Mittagessen zu gehen.

Am Nachmittag drehten wir eine Runde im „Djerbahood“ genannten Ortsteil von Erriadh, in dem gerade ein Kulturfestival stattfand. Choukri, der selbst aus Djerba stammt, zeigte uns zudem noch zahlreiche Wandmalereien, die sich hinter jeder Ecke von Djerbahood verbargen – mal in mehr, mal in weniger gutem Zustand. Zwei Tage später sollte ich übrigens noch einmal nach Djerbahood kommen, um weitere Wandmalerein zu fotografieren, so dass an dieser Stelle Fotos von beiden Tagen zu sehen sind.

Für den Abend hatten wir uns zu einer Bootsfahrt vom südlich gelegenen Ajim aus verabredet, wo ein Cousin von Choukri ein Boot besaß und bereit war uns zum Sonnenuntergang zu einer unbewohnten Insel herüberzuschippern. Auf der Insel herrschte eine ganz eigene Stimmung: Über unseren Köpfen kreisten laut kreischende Möwen und im niedrigen Gestrüpp musste man aufpassen nicht in eines der Möwennester zu treten. Nach dem Bootsausflug und einem kleinen Umtrunk in der „Strandbar“ von Ajim kehrten wir per Auto Richtung Houmt Souk zurück und fuhren zum „Centre International Méditerranéen“, einem riesigen Haus, das einem gewissen Professor Yamoun gehört, und in dem alle Couchsurfer übernachteten. Mittlerweise war es bereits gegen 23 Uhr, was Salim, den Algerier, jedoch nicht davon abhielt, auf die Schnelle für uns alle zu kochen. Innerhalb von 30 Minuten hatte er ein riesiges Menü auf den Tisch gezaubert, von dem wir alle gar nicht mehr so viel essen konnten. Bevor ich zurück ins Hotel fuhr, musste ich mich von den meisten der Reisegruppe auch schon wieder verabschieden, da sie am nächsten Tag zurück nach Tunis fuhren. Es blieb eigentlich nur Salim noch da und mit ihm und Professor Yamoun sollte ich an einem der kommenden Tage noch eine spannende Tour durch Südtunesien unternehmen. Doch dazu mehr im übernächsten Blogeintrag!

P.S.: Danke an meine Co-Fotografen!

Das afro-peruanische Erbe in Chincha und El Carmen

Bevor ich von den Anden wieder zurück an die Küste nach Lima fuhr, legte ich noch einen Zwischenstopp in Chincha ein. Chincha ist eine relativ nichtssagende Küstenstadt mit etwa 194.000 Einwohnern, die nördlich von Nazca liegt, wo Ly und ich am Anfang unserer Perureise einen Rundflug über die Nazca-Linien unternommen hatten. Ja, fast nichtssagend, wenn da nicht dieses eine interessante Detail gewesen wäre: Chincha ist die Hochburg der afro-peruanischen Kultur. Afro-Peruaner, also Peruaner mit afrikanischen Wurzeln, deren Vorfahren als Sklaven nach Peru gekommen waren, machen zusammen mit asiatischstämmigen (z. B. japanischstämmigen) und anderen Immigranten nur etwa 3 % der Gesamtbevölkerung (30,4 Mio.) aus. In Chincha ist dieser afrikanische Einfluss an jeder Ecke zu sehen: Restaurantschilder mit Schwarzen drauf, die für kreolisches Essen (comida criolla) werben, schwarze Puppen, die als Souvenirs verkauft werden, ein Denkmal für eine afro-peruanische Musikband mit dem typischen Cajón-Spieler (cajón = eigentlich span. für Kiste, Schublade, hier: Kistentrommel), etc. Und natürlich sieht man auch mehr schwarze Peruaner in der Straße als sonst an den Orten, wo ich bisher in Peru gewesen war.

Vom Zentrum Chinchas nahm ich einen Minibus und fuhr in das etwas außerhalb liegende Dörfchen El Carmen, wo einen bereits am Eingangsbogen an der Abbiegung von der Hauptstraße Wandmalereien mit bekannten afro-peruanischen Persönlichkeiten begrüßten. Ich ließ mich an der Casa-Hacienda San José absetzten, eine ehemalige Sklavenplantage, deren Hazienda heute zu einem Hotel umgebaut worden ist. Dort konnte ich eine interessante, aber leider viel zu kurze Führung durch die ehemaligen Wohnräume der spanischen Hazienda-Besitzer, die barocke Kapelle und die Katakomben machen, in denen die Sklaven manchmal zur Bestrafung in völliger Dunkelheit eingesperrt worden waren. Die zwischenzeitlich bis zu 1.000 Sklaven hatten auf den Zuckerrohr- und später auch Baumwollplantagen schuften müssen. Obwohl 1854 die Sklaverei in Peru abgeschafft worden war, arbeiteten viele der Sklaven weiterhin auf den Plantagen, was mich an die Geschichte Sansibars erinnerte, wo auch weiterhin Handel mit Sklaven getrieben wurde, obwohl die Sklaverei offiziell 1875 abgeschafft worden war. Die meisten der Sklaven, die nach Peru gebracht worden, stammten übrigens aus Westafrika. Oftmals waren sie erst bis Kuba, Hispaniola, Mexiko (Veracruz) oder Kolumbien (Cartagena de Indias) transportiert worden bevor man sie weiter nach Panama oder Peru verteilte.

Nach dieser kurzen Stippvisite in Chincha fuhr ich schließlich mit dem Bus weiter nach Lima, wo ich meine Perureise, zumindest für dieses Mal, mit einem Weiterflug nach New York beenden würde. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen; bietet das Land in seinen immensen Dimensionen doch so viel, was man lernen und was man sich anschauen kann! In diesem Sinne: ¡Adiós, Perú!

Ayacucho. Peruanische Geschichte auf Schritt und Tritt

Den meisten Peruanern ist die Andenstadt Ayacucho vor allem wegen ihrer Feierlichkeiten zur Semana Santa (Ostern) bekannt, wenn in den Bergen rund um die Stadt das Leben Jesus Christus‘ aufwendig inszeniert und nachgespielt wird. Die religiöse Verankerung Ayacuchos lässt sich nicht verleugnen, findet sich doch an fast jeder Ecke der Stadt eine Kirche. Ich musste bei diesem Thema an einen peruanischen Film denken, den ich einmal bei der Berlinale 2014 gesehen hatte und der gut in einem Andendorf rund um Ayacucho spielen könnte: „Madeinusa“ von Claudia Llosa

In Ayacucho nahm jedoch auch die maoistische Terrororganisation „Leuchtender Pfad“ (Sendero Luminoso) ihren Anfang, denn ihr Begründer Abimael Guzmán war Professor für Philosophie an der hiesigen Universität gewesen und hatte dort erste Mitstreiter unter seinen Studenten rekrutieren können. Ich besuchte, um etwas mehr über diese Organisation zu erfahren, das Museo de la Memoria (Museum der Erinnerung), das sich den Opfern des „Leuchtenden Pfades“ widmet und vom Verein ANFASEP (Asociación Nacional de Familiares de Secuestrados, Detenidos y Desaparecidos del Perú – Nationalverband der Angehörigen von Entführten, Verhafteten und Verschwundenen Perus) betrieben wird. Schon in einigen Gesprächen mit Peruanern war ich immer wieder auf dieses Thema gestoßen und es gab keinen, der mir nicht erzählte, dass er oder jemand in der Familie aufgrund des Terrorismus‘ in den 80ern und 90ern und der dazukommenden Wirtschaftskrise das Land verlassen oder zumindest aus den Bergen fortgegangen sei. Wer sich mehr zu diesem Thema belesen will, dem kann ich den Artikel zum „Leuchtenden Pfad“ im „GEO Special Peru und Bolivien“ empfehlen. Der Artikel ist zwar schon etwas älter, das tut aber nichts zur Sache. Bis heute ist die Organisation aktiv, wie man z. B. in diesem FAZ-Artikel vom August letzten Jahres nachlesen kann: „Der Sklavenstaat von Genosse José„.

Am zweiten Tag in Ayacucho wollte ich eine weitere Reise in die Vergangenheit der Region unternehmen und raus in die Umgebung fahren: Zunächst besichtigte ich eine Ausgrabungsstätte der Wari, einer prä-inkaischen Kultur, deren Überreste mitten in einer trockenen, bizarren Kakteenlandschaft lagen.

Von der Wari-Ausgrabungsstätte aus schnappte ich einen weiteren Minibus, um ins Dörfchen Quinua zu fahren, von wo es nur ein 20-minütiger Fußmarsch bis zum Denkmal der Pampas de Ayacucho war. Das Denkmal, ein weißer Obelisk, war bereits von Weitem zu sehen und war umringt von einer großen peruanischen Touristengruppe, die alle, so wie ich, einmal hinaufsteigen und den Blick in die Umgebung genießen wollten. Der Obelisk erinnert an die Schlacht bei Ayacucho am 9. Dezember 1824, bei der die Spanier den Peruanern unterlagen und somit die Unabhängigkeit Perus besiegelt wurde. Auf dem Weg zurück nach Quinua schaute ich in einige kleine Läden und Künstlerhöfe hinein. Hier, in weißen Häuschen entlang einer gepflasterten Straße, werden Keramikarbeiten, wie z. B. Figuren oder Minikirchen, gefertigt, die man sich einer andinen Tradition zufolge als Glücksbringer auf’s Dach stellt. Aus Cuzco und Umgebung waren mir noch die Tonarbeiten der von zwei Stieren flankierten Kreuze (Torito de Pucará) in Erinnerung geblieben, die sich die Bevölkerung ebenso als Glücksbringer auf’s Dach stellte. Ayacucho selbst hatte übrigens auch eine typische Handarbeit aufzuweisen, so genannte retablos. Das sind bunt bemalte Flügelaltare aus Holz, in deren Inneren mit Schnitzereien Szenen des kirchlichen oder alltäglichen Lebens dargestellt sind. Davon konnte ich mir einige im kostenlosen Volkskunstmuseum (Museo de Arte Popular) anschauen.

Gringo-Quote (fast) Null – Unterwegs im Zentralen Hochland rund um Huancayo und Huancavelica

Noch eine Woche Peru hatte ich nach drei Wochen „Gringo-Trail“ vor mir. Ly reiste am Samstag, den 10. September, ab und so überlegte ich mir, wohin meine Reise gehen könnte. Der Regenwald, in Peru Selva genannt, reizte mich sehr, aber aufgrund der riesigen Entfernungen im Land wollte ich dies lieber einmal angehen, wenn ich mehr Zeit dazu haben würde. Die nördliche Küste fand ich auch interessant, doch dann stolperte ich über die Aussage in meinem „Lonely Planet“, dass sich das Zentrale Hochland durch eine „fast völlige Abwesenheit von anderen Reisenden“ auszeichne, und mein Interesse war geweckt. So nahm ich Sonntagmittag den Bus von Lima aus in die Anden hinein nach Huancayo. Aufgrund von Bauarbeiten und Stau kamen wir erst am späten Nachmittag in der etwa 400.000-Einwohner-Stadt an. Kurz Zeit, um noch über den Sonntagsmarkt zu schlendern und den Plaza de Armas im Zentrum abzuklappern. Naja, beeindruckt hat mich die Stadt nicht. Aber immerhin hatte ich auf dem Weg ins Zentrum schon eine gastronomisch interessante Straße nahe meines Hotels entdeckt, die sich witzigerweise „Calle de la MISTURA“, also entsprechend der Essmesse, die wir in Lima besucht hatten, nannte. Ich wollte nun endlich einmal eines dieser typischen China-Restaurants Perus, genannt „Chifa“, testen. Gesagt, getan. In der Straße gab es zahlreiche Chifas, deren Menüs sich nicht wesentlich voneinander unterschieden, und so wählte ich ein kleines Restaurant, wo ich mich, um mich etwas vor der nächtlichen Kälte zu schützen, in den hinteren Raum setzen konnte. Ich bestellte ein Gericht aus in roter süß-saurer Soße gedünstetem Obst mit Reis und Hühnerfleisch. Klingt ungewöhnlich, schmeckte aber gut. Direkt nach dem Essen machte ich mich jedoch auf zum Hotel, denn der laut plärrende Fernseher (der in Peru eigentlich fast in jedem Restaurant läuft) ließ nicht gerade eine gemütliche, entspannte Atmosphäre aufkommen. Außerdem musste ich am nächsten Morgen früh aufstehen. Ich wollte nämlich den Zug nach Huancavelica nehmen und der fuhr bereits 6:30 Uhr los.

Am nächsten Morgen war ich pünktlich am Bahnhof und reihte mich in eine lange Schlange ein, um das spottbillige Zugticket für den „Tren Macho“ zu kaufen: umgerechnet 2,60 € für mehr als fünf Stunden Zugfahrt bis Huancavelica. Außer mir sah ich tatsächlich auch nur einen einzigen weiteren Gringo. Der Zug war ziemlich rustikal, die Sitzbänke aus Holz hart und anfangs war es vor allem kalt, da alle die Fenster während der Fahrt offen ließen. Für manche, die Essen gebucht hatten, wurde ein voller Teller herzhaftes Frühstück mit Kartoffeln, Reis und Nudeln serviert, den sie, Chapeau Chapeau, während der ruckeligen Fahrt auf dem Schoß aßen. Wir fuhren die ganze Zeit in einem Tal und zeitweilig an einem Fluss entlang, so dass es immer etwas Interessantes zu gucken gab. Am zeitigen Nachmittag trafen wir in Huancavelica ein, ein 40.000-Einwohner-Städtchen mit schönen Kirchen in Kolonialarchitektur und mineralischen Quellen. Dort durfte man allerdings nur im Badeanzug und nicht im Bikini baden gehen und ausleihen wollte ich mir solch einen Badeanzug dann auch nicht. So schlenderte ich in der Stadt umher, kaufte ein paar Sachen auf den abends überall auftauchenden Straßen“ständen“ (Tücher auf dem Boden) und unterhielt mich ziemlich lange mit einem Tante-Emma-Ladenbesitzer, der mir über die Geschichte dieser ärmsten Gegend von Peru erzählte, in der besonders der Terror des „Leuchtenden Pfades“ (Sendero Luminoso) in den 80er und 90er-Jahren gewütet hatte.

Huancavelica ist noch wegen einer weiteren Sache bekannt, der Santa-Barbara-Mine, die sich hoch in den Bergen über der Stadt befindet. Ich machte mich am nächsten Tag auf den Weg dorthin und konnte nach einigem Suchen das verlassene Dorf finden, das damals als die Mine 1566 von den Spaniern eröffnet worden war, für die bis zu 3.000 indigenen Minenarbeiter gebaut worden war. Diese bauten Quecksilber in der Mine ab und starben in großer Zahl aufgrund der giftigen Gase, die das Schwermetall beim Abbau absonderte. Als die Mine 1786 einstürzte wurde sie komplett geschlossen und ist bis heute samt dazugehörigem Geisterdorf bestehen geblieben. Es gibt wohl Bestrebungen den Ort als UNESCO-Weltkulturerbe schützen zu lassen.

Von der Mine aus konnte ich in einem Schlenker durch ein weiteres Dorf und an vielen Lamas vorbei wieder zurück nach Huancavelica laufen. Von dort aus nahm ich gegen Mitternacht den Nachtbus, um nach Ayacucho weiterzufahren.

Cuzco – „Nabel der Welt“ in Pumaform

Cuzco ist die ehemalige Hauptstadt des Inkareiches. Der Name stammt vom Quechuawort Qosq’o, was so viel wie „Nabel der Welt“ bedeutet und die damalige Wichtigkeit der Stadt unterstreicht. Heute ist Cuzco die drittgrößte Stadt Perus, bildet ein Drehkreuz zwischen Anden und Regenwald und ist die größte Stadt im Dunstkreis des Machu Picchu, weswegen täglich hunderte von Touristen in sie einfallen. Stadtplaner Pachacutec, der neunte Herrscher über das Inkareich (1438-71), designte Cuzco in Form eines Pumas wie man unter diesem Link sehen kann. Warum in Form eines Pumas? Das Puma symbolisiert eine von drei in der Inka-Mythologie existierenden Welten. Die „obere Welt“ (Hanan Pacha) wird dabei durch den Kondor, die „diese Welt“ (Kay Pacha) durch das Puma und die „untere Welt“ (Ukhu Pacha) durch die Schlange symbolisiert. Im Prinzip gibt es also einen „Himmel“, eine Welt der Lebenden und eine Unterwelt der Toten vergleichbar mit dem griechischen Hades.

In ganz Cuzco konnte man den Hauch des Inkareiches noch an jeder Ecke spüren: Hausmauern oder Kirchen sind auf den Steinen ehemaliger Inkatempel errichtet, die Regenbogenfahne als Flagge des Inkareiches (Tahuantinsuyo) schmückt viele Gassen, wir wohnten einer Inka-Zeremonie auf dem Tempelgelände Qorikancha bei und besuchten drei außerhalb Cuzcos liegende ehemalige Inkabauten. Doch auch die Gegenwart hat bereits gut in Cuzco Einzug gehalten: An die Kolonialarchitektur angepasste Mc Donald’s und Starbucks-Läden, schicke Designershops mit der neuesten Alpakawollmode und schicke Designerhotels, israelische Kebabläden und israelische Touragenturen mit hebräischen Schildern, etc. Moment, israelisch? Ja, ganz richtig. Cuzco und das naheliegende Heilige Tal sind zwei von einigen Orten weltweit (wie z. B. auch Goa in Indien), die junge Israelis nach der Beendigung ihres Militärdienstes bereisen, um entweder die Sau raus zu lassen oder spirituelle Einkehr zu suchen. Witzigerweise trafen wir in Cuzco auch einen Israeli, Idan, wieder, den ich auf meiner Kubareise in Baracoa kennengelernt hatte. Aber nein, es war kein zufälliges Treffen gewesen, sondern wir hatten uns verabredet, da wir bereits in Kuba festgestellt hatten, dass wir später zur gleichen Zeit in Peru unterwegs sein würden. Idan erzählte uns, dass er auf der Straße tatsächlich oft direkt auf Hebräisch angesprochen wurde und man ihm wahlweise Drogen, Massage mit „Happy End“ oder einen Ausflug aufschwatzen wollte.

Mir gefiel Cuzco jedenfalls mit seinen schmalen Pflastersteingassen, den kleinen Läden und gemütlichen Cafés und Restaurants, sowie den zahlreichen festlichen Umzügen ausgesprochen gut. Wie mir die Familie unseres Gästehauses nämlich bestätigte, findet in Cuzco ständig irgendein Fest statt. Wir wurden Zeugen der Umzüge zu Ehren des Señor de Qoyllurity und der Virgen de la Natividad, bei denen sich andine und christliche Kultur mischen und verschiedene Gruppen, die an Karnevalsgruppen erinnern (comparsa), verkleiden, mit Blaskapellen durch die Gassen marschieren und Tänze aufführen. Die Kostüme übertrafen sich gegenseitig an Buntheit und Ausgefallenheit und ich war völlig überfordert mit den ganzen Eindrücken.

In Cuzco musste dann auch endlich einmal das probiert werden, was immer so stereotyp mit peruanischem Essen verbunden wird, nämlich Meerschweinchen. Ly bestellte ein halbes (naja, ist ja ohnehin nicht viel dran) und wir kosteten, waren aber beide nicht gerade begeistert davon. Irgendwie war es zu lasch im Geschmack… Auf jeden Fall konnte dieser kulinarische Punkt nun auch abgehakt werden.

An unserem zweiten Tag in Cuzco nahmen wir nach einem stärkenden Frühstück in der Plastiktüte (warmes, flüssiges Quinoa oder Maca mit Apfel) einen Minibus nördlich hinaus aus der Stadt bis zur Ausgrabungsstätte Tambomachay, einem ehemaligen zeremoniellen Inka-Bad. Von dort aus war es nur ein Katzensprung, um bis zur Festung Pukapukara zu laufen. Von dort aus wanderten wir weiter bergab bis zur größten Ausgrabungsstätte Sacsaywamán. Auf Quechua bedeutet das „zufriedener Falke“, da sich aber die meisten Touristen diesen Namen nicht merken, geschweige denn ihn aussprechen können, soll man meinem Reiseführer nach an „sexy woman“ als Eselsbrücke denken. 😉 Die Zickzack-Steinwände, die ihr unten auch auf den Fotos sehen könnt, sollen übrigens die Zähne des Puma darstellen, in dessen Form Cuzco ja, wie anfangs erwähnt, gebaut worden ist. Die ganze Ausgrabungsstätte ist echt weitläufig und schon beeindruckend, allerdings waren wir von unserer Wandertour schon etwas geschafft, so dass wir den Aussichtspunkt über Cuzco und die Lamas auf der Wiese vor Sacsaywamán weitaus spannender fanden. 😉

Die besten Blogartikel nun als Buch erhältlich!

Buchveröffentlichung_Cover

2007 bis 2016 – neun Jahre – eine lange Zeit! Die Zeitspanne, die ich nun schon meinen Reiseblog schreibe, dem ich vor Kurzem nun auch die eigene URL, „Andarina vom Dienst“, gegönnt habe. Die besten Blogartikel habe ich nun zusammengestellt und in einem Buch veröffentlicht. Es ist zum Einen bei epubli erschienen und kann im Shop dieses Verlags für 24,99 € bestellt werden. Zum Anderen ist es im Verlag bloggingbooks erhältlich und kann für satte 54,80 € in dessen Shop erworben werden (leider ist das Buch aufgrund der Layoutvorgaben sehr dick und somit sehr teuer geworden).

Es war hochinteressant und teilweise überraschend für mich meine alten Blogeinträge noch einmal zu lesen. An manchen Stellen fragte ich mich „Habe das wirklich ich geschrieben?“ oder „Habe ich das wirklich erlebt?“. Aber gerade diese Fragen zeigen auch, wie wichtig es für meine Erinnerung ist, diesen Reiseblog zu schreiben, denn sonst wären viele Erlebnisse einfach in Vergessenheit geraten. In diesem Sinne wünsche ich eine angenehme und inspirierende Lektüre und freue mich auf euer Feedback zu meiner ersten Buchveröffentlichung!