Ja, liebe Blogleser/innen, wie ihr seht, war mein Blog in den letzten Monaten ziemlich verweist und das aus gutem Grund: Ich war nach meinem Freiwilligenjahr in der Dominikanischen Republik noch gut sechs Wochen auf Reisen und habe mir Peru und New York angeschaut. Dazu werden in den nächsten Tagen auch Berichte und tausende von Fotos (nein, nein, keine Angst, ich werde eine Auswahl treffen!) folgen. Doch zunächst gibt es an dieser Stelle noch ein paar Impressionen meiner letzten Wochen in der DomRep, in denen ich mit meiner Gastfamilie Ausflüge unternommen, Freunde besucht, mich mit den anderen Freiwilligen getroffen und noch die ein oder andere neue Sehenswürdigkeit entdeckt habe. Zudem haben meine Mitfreiwillige Sarah und ich noch eine Abschlusspräsentation vor den Plan-Yaque-Kollegen gehalten. Also, Vorhang auf!
Und zu guter Letzt könnt ihr euch hier noch den Abschlussbericht zu meinem Freiwilligenjahr 2015-16 in der DomRep durchlesen:
Fast vier Wochen sind sie nun schon her, die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen, und noch immer hängen die meisten kunterbunten und schlecht designten Wahlplakate. Gewinner der Präsidentschaftswahl war die Regierungspartei PLD mit Präsident Danilo Medina, der weiterhin an der Macht bleiben wird. Er kam auf etwa 62 % aller Stimmen; sein Herausforderer von der Oppositionspartei PRM, Luis Abinader, auf etwa 35% aller Wählerstimmen bei einer allgemeinen Wahlbeteiligung von etwas über 60%. Immerhin eine höhere Wahlbeteiligung als bei der letzten Wahl, aber trotzdem so niedrig, dass sie in der Fernsehberichterstattung kaum erwähnt wurde.
Es war sehr interessant aber auch furchtbar nervig den Wahlkampf vorab mit anzusehen oder besser mit anzuhören. Je näher die Wahlen am 15. Mai 2016 rückten, umso häufiger fuhren die Parteien laut hupende und dröhnende Musik spielende Auto- und Motorradkonvois auf, auf denen Party machende, Parteifahnen schwingende Anhänger saßen. Teilweise wurden ganze Straßen von diesen Konvois oder von Bühnen für Wahlkampfveranstaltungen gesperrt – ziemlich nervig, wenn man gerade im Bus oder Auto sitzt und warten oder einen Umweg auf sich nehmen muss um vorbeizukommen. Mir kam der Wahlkampf wie ein einziges großes Theaterspektakel vor, bei dem es nicht um politische Programme, sondern um Personen und Unterhaltung der Wählerschaft ging.
Auf den Wahlplakaten waren meist nur der Kopf eines Abgeordneten oder eines Präsidentschaftskandidaten, der Parteiname und ein sehr allgemeiner Slogan à la „Siempre con la gente“ (Immer mit den Leuten) abgedruckt und das alles in der Regel in einer, nun ja, interessanten Farbkombination (z. B. lila-gelb, rot-grün) oder mit einem schlecht gephotoshoppten Hintergrund. Keine Ahnung, welche Agentur hinter diesen Plakaten steckt…
Bei den Wahlkampfkonvois ging es eigentlich nur darum Party zu machen, teilweise Mitbringsel wie T-Shirts, Basecaps oder gar Bier an die Leute zu verteilen und alles mit einer ohrenbetäubenden Musik zu beschallen – eigentlich wie beim Karneval. Auch hier: Politische Botschaften fehl am Platz!
Am Wahltag selbst fuhr ich mit meiner Gastmutter Lourdes, ihrem Freund Graviel und meiner Gastschwester Eliana zunächst zu der Schule, in der Lourdes wählen gehen würde. Vor den Mauern des Schulgrundstücks hatten sich viele Leute angesammelt, diskutierten und tranken Bier. Von Zeit zu Zeit konnte man sehen, wie sich kleinere Grüppchen hinter einer Person hinterher zu bewegen schienen und dann konspirativ zusammen stehenblieben. Wie mir meine Gastfamilie später erklärte, gab es vor den Wahllokalen immer Parteivertreter, die versuchten den Wählern Geld anzudrehen, damit diese für die „richtige“ Partei wählten. Als wir später noch auf’s Land zu Lourdes‘ Eltern fuhren, so waren die Wahlen natürlich Gesprächsthema Nummer Eins und in den Gesprächen machten sich alle lustig, dass man das Geld dieser Parteivertreter doch annehmen solle. Denn schließlich waren es genau diese Steuergelder, die der Staat seinen Bürgern abgezwackt und für den pompösen Wahlkampf verschwendet hatte und das man nun zurückbekommen würde. Am Abend des Wahltages selbst blieb es in Jarabacoa und generell im ganzen Land recht ruhig – bereits vorsorglich war es Bars verboten worden zu öffnen und auch die Colmados und Supermärkte durften keinen Alkohol verkaufen. Aber auch am Montag blieb es bis auf einen weiteren Konvoi sehr ruhig in Jarabacoa, was wohl auch daran gelegen haben mochte, dass das Wahlergebnis mehr als eindeutig war. Zumindest scheinbar, denn derzeit wird immer noch jeden Morgen (und das vier Wochen nach den Wahlen!) von erneuten Auszählungen in bestimmten Wahlbezirken im Radio berichtet und die Opposition fechtet das Wahlergebnis wegen Irregularitäten an. Mal sehen, wann es dann ein wirklich endgültiges Wahlergebnis gibt. Und mal sehen, wann endlich die „Sichtverschmutzung“ ein Ende hat und die hässlichen Wahlplakate verschwinden.
Wahlkampfveranstaltung in der „Don Bosco“-Schule in meinem Wohngebiet
Zugeparkt
„Sichtverschmutzung“ mit hässlichen Wahlplakaten
Wahltag
Eine Woche vor dem Wahlwochenende war ich übrigens mal wieder in Santiago – diesmal zusammen mit Jeanne, einer Kanadierin, die ich über Couchsurfing in Santo Domingo kennengelernt hatte. Wir besuchten einen weiteren Couchsurfer, Renzo, den ich jedoch nicht über Couchsurfing, sondern durch Zufall bei meinem letzten Santiago-Besuch kennengelernt hatte. Den Samstagabend verbrachten wir für dominikanische Verhältnisse sehr untypisch auf einem Rockkonzert. Hauptact war die seit 1989 bestehende dominikanische Rockband „Toque Profundo“ – wer hätte das gedacht, lange, offene Haare (bei Männern), tätowierte Arme, Headbanging und super Rockmusik made in Dominican Republic! Nur das Ambiente wollte nicht so ganz zum Konzert passen: Im Hof der schon recht alternativ wirkenden Bar „Mercato“ war eine Bühne aufgebaut. Davor waren Plastikstühle um kleine Plastiktische herum gruppiert worden, auf denen ein exklusives Menü mit sehr teuren Getränken lag. Bier und Cocktails von der Bar waren bereits am zeitigen Abend ausverkauft und kein Nachschub in Sicht und von draußen durfte man nichts mit hineinbringen. Einer von Renzos Freunden kaufte immerhin eine Flasche Rum, die wir unter allen aufteilten, aber da ich echt kein Rumfan bin, war es für mich eher ein Rockkonzert auf dem Trockenen. Bei den Vorbands blieben noch alle Leute sitzen (schrecklich!) und erst als „Toque Profundo“ gegen 1 Uhr anfingen zu spielen, bequemten sich ein paar, einschließlich uns dreien, vor an die Bühne um zu tanzen. Für die meisten Frauen, die zum Konzert gekommen waren, war es in ihren megahohen High Heels ohnehin bequemer zu sitzen und mit ihrem restlichen aufgedonnerten Outfit wollten sie ebenso nicht richtig zur Musik passen.
Den Sonntag gingen wir auf Sightseeing-Tour in Santiago und Renzo zeigte uns seine beeindruckende Sammlung an Marathon-Urkunden in seiner Wohnung. Er macht nämlich im Gegensatz zu den meisten Dominikanern, die ich bisher so kennengelernt habe, extrem viel Sport (Marathon, Triathlon, Wandern) und hat sich zum Ziel gesetzt, alle sechs großen Marathons dieser Welt zu laufen (Berlin, Tokio, New York, Boston, Chicago, London). Berlin hat er bereits abgehakt, da seine Schwester witzigerweise mit ihrem deutschen Mann in Berlin lebt und er sie dort bereits einmal besucht hatte.
Ende April stand mal wieder ein Besuch in Santiago bzw. diesmal auch in der Umgebung von Santiago an. Ich hatte nämlich im Naturreiseführer meines Mitfreiwilligen Manuels gelesen, dass es nordwestlich von Santiago den Pico Diego de Ocampo, 1.249m hoch und der höchste Berg der Nordkordilleren, zu erwandern gibt. Manuel war ebenfalls schnell überzeugt für die Wanderung von SAJOMA nach Santiago zu kommen und so fuhren wir dank Carlos, ein Freund, bei dem ich in Santiago übernachtete, mit dem Auto bis Jacagua, von wo aus wir den steilen Anstieg in Angriff nahmen. An diesem Tag war eine Affenhitze und unser Wasservorrat reichte gerade so bis zum Gipfel. Oben hatte man einen herrlichen Rundumblick, zum Einen auf das ganze Stadtgebiet Santiagos und zum Anderen bis zur Nordküste. Man konnte den unverkennlichen Berg Montaña Isabel de Torres bei Puerto Plata von hinten sehen sowie bis ans Meer bei Sosúa schauen. Das war echt ein toller Ausblick und hat den anstrengenden Aufstieg allemal wettgemacht!
Der Weg nach unten führte uns zum Glück durch ein in den Bergen gelegenes Dorf, wo wir uns unter den neugierigen Fragen der Colmado-Besucher mit neuem Wasser eindecken konnten. Alle Menschen, denen wir auf dem Weg begegneten grüßten uns höflich und waren angenehm zurückhaltend, was den Ausflug sehr angenehm machte. Wieder unten angekommen nahmen wir ein Guagua nach Santiago, gönnten uns eine ordentliche Portion „Pica Pollo“ (Chicken Wings) und fuhren dann „nach Hause“, d. h. Manuel nach SAJOMA, wo er ja wirklich wohnt, und ich zu Carlos und seiner Frau, wo mich bereits ein leckerer gekühlter Tamarindensaft erwartete. 🙂
Auf dem ersten Foto unten sehr ihr übrigens den Recycle-Garten von Carlos. Und nicht nur zum Anbau von Kräutern und Gemüse recycelt er Materialien, auch die Möbel im Haus hat er selbst aus Holzpaletten zusammengebaut, so wie man es ja aus vielen Bars mittlerweile in Deutschland kennt. Zudem durfte ich bei ihm noch selbstgemachten Minzlikör kosten und deckte mich mit ein paar seiner selbstgemachten Seifen ein, so dass ich bald wie ein wandelnder Schokoriegel duften werde. 😉
Recycling-Garten in Carlos‘ Haus
Aufstieg zum Pico Diego de Ocampo
Santiago von oben
Bambus
Blick vom Gipfel ins Umland
Theoretisch kann man im Hintergrund bis zum Meer bei Sosúa schauen
Santiago
Und noch einmal Santiago
Eine Woche nach meinem Santiago-Ausflug blieb ich für ein Event an der Umweltschule von Jarabacoa vor Ort: Meine Mitfreiwillige Sarah und ich hatten seit einigen Monaten deren Englischlehrer Antonio immer mal wieder bei Englischprüfungen und -präsentationen mit den Studenten geholfen und nun stand der Abschlussabend vor der Tür. Programm: Ein Mix aus Mini-Playback- und Karaoke-Show, kleinen Sketchen auf Englisch und danach natürlich Tanz und Musik mit Bachata, Merengue & Co. Neben mir waren auch zahlreiche Amis da, die auch immer mal wieder im Englischunterricht geholfen hatten – fast alles Zeugen Jehovas, die den Abend nutzten, um (mal wieder) unter den Studenten zu missionieren (das hatten sie bereits schon während des Englischunterrichts getan!). Aber irgendwie schien das gar niemanden außer mir zu stören und selbst die Studenten, die nicht an den Zeugen Jehovas interessiert waren, nahmen das alles mit großer Gelassenheit hin. Bei uns als Sekte verschrien, werden die Zeugen Jehovas hier ziemlich wohlwollend aufgenommen, denn sogar ein Kollege erzählte mir, dass er manchmal an deren Bibelstunden teilnehme. Kein Wunder, dass es hier bis ins letzte „Kuhkaff“ einen Zeugen-Jehova-Tempel gibt… Ob ich das gutheißen soll, weiß ich nicht…
Neben der Büroarbeit bei Plan Yaque versuche ich jede Woche mindestens einmal rauszukommen und entweder die Kollegen des Wasser- oder des Wiederaufforstungsprogramms nach draussen, auf’s „Campo“, zu begleiten. Das Gute ist, dass ich so z. B. etwas über Wasserqualitätsmessungen, die Situation der Wälder und Landwirtschaft lerne und zum anderen an Orte komme, an die ein Tourist wohl nie kommen wird, da sie in der Regel recht abgelegen sind. Wir sind meist in der Umgebung von Jarabacoa, Santiago, Constanza und Manabao unterwegs. V. a. die Berglandschaft rund um Constanza , wo Landwirtschaft sogar an den steilsten Hängen betrieben wird, hat es mir echt angetan. Aber seht selbst:
Datum & Wassermenge für das Fotoarchiv
Abmessungen zur Bestimmung der Wassermenge
Auf dem Weg nach La Ciénaga
Was man nicht so alles im Wasser findet…
Messung am Basislager für die Pico-Duarte-Tour in La Ciénaga
SAJOMA – das ist das Akronym für San José de las Matas. Zumindest in der Dominikanischen Republik: Wenn man die Abkürzung googelt, gibt es noch einen zweiten Ort, der dieses Akronym für sich beansprucht, nämlich das österreichische St. Josef zu Margareten. Aber zurück in die Karibik: SAJOMA liegt ca. 1 Stunde westlich von Santiago und ich habe dort letztes Wochenende meinen Mitfreiwilligen Manuel besucht. Übernachten konnte ich im Haus seiner sehr netten Gastmutter, denn Manuel selbst kommt dort immer nur zum Essen vorbei und wohnt in einer Parallelstrasse in einer WG mit Terasse, von der man einen herrlichen Blick in die hügelige Umgebung SAJOMAS und auf die eigenartige Kombi aus Baseballfeld und dahinterliegendem Friedhof der Stadt hat. SAJOMA ist schon etwas kleiner als Jarabacoa, dafür um einiges ruhiger und kann sogar zwei Kulturzentren aufweisen! Am Samstagabend waren wir im Kulturzentrum San José zu einer Show der baldigen Schulabgänger vom Colegio (Schüler/innen im Alter von 16 Jahren), zu der wir über Manuel Gastmutter, die Lehrerin ist, Karten bekommen hatten. Eine „Noche Latina“, also eine lateinamerikanische Nacht, stand auf dem Programm: Der geschniegelte Moderator erwies Improvisationstalent immer wenn die tanzenden, richtig singenden, playback-singenden oder Musikinstrumenten-spielenden Schüler bei seiner Anmoderation noch nicht ganz bühnenfertig waren. Videos mit Botschaften von nicht anwesenden Lehrern oder dominikanischen Promis wurden eingespielt und am Ende erhielten alle anwesenden Lehrer ein Geschenk. Es war fast wie ein deutscher Abistreich, nur dass die Lehrer nicht verarscht wurden. Man merkte, dass Musik und Tanz den Schülern extrem wichtig war, was soweit ging, dass sie einen professionellen Tanzlehrer angeheuert hatten, um sich unterrichten zu lassen und schließlich ein Musikvideo zu drehen. Wahnsinn dieser Aufwand!
Tagsüber waren wir auf Manuels Motorrad zu zwei Stauseen nahe bei Santiago gefahren, der Presa de Bao und der Presa de Tavera, wo wir im kleinen Ökotourismusgebiet Caimito Verde etwas herumwanderten, schließlich im Stausee badeten und danach lecker frisch zubereiteten Fisch im Fischrestaurant „Teo I“ aßen. Sonntags unternahmen wir einen Ausflug zum Wasserfall Salto de Anacaona, der sich bei unserer Ankunft jedoch leider nur noch als Saltito, also „Wasserfällchen“ mit kaum Wasser entpuppte. Naja, die Wanderung am Fluss entlang hatte sich allemal wegen der Landschaft und der Pflanzenwelt gelohnt!
Blick ins Umland von SAJOMA
Presa de Bao
Kleines Wandergebiet Caimito Verde
Fischrestaurant „Teo I“
Lecker Fisch bei „Teo I“
Der Hund von Manuels Gastfamilie – Liebe auf den ersten Blick!
Lateinamerikanische Nacht im Kulturzentrum
Wasserfall Anacaona – bzw. was gerade davon übrig war
Baseballfeld & Friedhof
SAJOMA Downtown
Parque Central
Auf dem Rückweg von SAJOMA nach Jarabacoa legte ich einen kurzen Zwischenstop beim Karneval in Santiago ein. Hier sehen die typischen Verkleidungen anders aus als in La Vega und die „hinkenden Teufel“ nennen sich hier „Lechones“, also „Spanferkel“. Warum? Die Masken, die die Leute tragen, erinnern an ein Schweinegesicht, wenn auch mit einem schnabelförmig nach vorne gebogenen Mund. Neben den „vejigas“ (Blasen), die die Verkleideten auch beim Karneval in La Vega trugen, um eventuelle aufmüpfige Besucher zu hauen, hatten die Lechones noch ein geflochtenes langes Seil dabei, dass sie wie eine Peitsche über dem Kopf schwangen und dann mit einem lauten Knall auf den Boden schleuderten. Zum Glück war die Straße, auf der die Karnevalsvereine entlangdefilierten abgesperrt, denn schnell hätte jemand ein solches Peitschenseil ins Gesicht bekommen können. Die „vejigas“ übrigens waren nicht wie in La Vega mit einem bunten Stoff überzogen, sondern erinnerten mit ihrer pergamentfarbigen Oberfläche tatsächlich an mit Luft gefüllte Tierblasen. Leider konnte ich nicht sehr lange in Santiago verweilen, da es zum Einen anfing zu regnen und ich zum Anderen die Guagua-Fahrtzeiten im Auge behalten musste. Als ich am zeitigen Abend in Jarabacoa eintraf, kam ich auch – ihr dürft raten – ja, richtig, beim Karneval von Jarabacoa vorbei. Mir fiel auf, dass ich ein paar Kostüme sehen konnte, die ich so ähnlich in La Vega letzte Woche gesehen hatte. Und ja, wie mir später der Freund meiner Gastmutter erzählte, es werden alte Karnevalskostüme aus La Vega weiterverkauft (da man sie ja nur ein Jahr anzieht), was den Käufer im Extremfall bis zu 6.000 USD kosten kann!!! Manche Dominikaner stecken ihr sauer in den USA verdientes Geld dann komplett in ein neues Karnevalsoutfit!
Obwohl ich nun schon bereits einige Male in Santiago gewesen war, lohnt sich ein Besuch der Stadt immer wieder und wenn es „nur“ für’s Kino ist! Dies war nämlich Sarahs und meine ursprüngliche Intention gewesen Santiago Anfang Dezember erneut zu besuchen: Wir wollten uns den neuesten „James Bond“-Film anschauen und verbanden dies mit einer Sightseeingtour im Stadtzentrum. Das letzte Mal hatten wir das Zentrum Santiagos an einem Sonntag besucht, wobei die Straßen ziemlich ruhig und alle Geschäfte geschlossen gewesen waren. Diesmal fanden wir das komplette Gegenteil vor: Alle Geschäfte geöffnet, demzufolge ein wuseliges Straßentreiben mit vielen Straßenverkäufern und einkaufswütigen Menschen aber außer uns keinen Touristen weit und breit. Nun nicht ganz, denn wir landeten durch Zufall im so genannten „Mercado Modelo“, eine sich über eine ganze Straßenlänge hinziehende Markthalle, die mich sehr an arabische Märkte (Suq) erinnerte. Kleidung und Schuhe waren bergeweise in kleine Verkaufsstände gestapelt, die sich am engen Durchgang hintereinanderreihten. Am Ende des Durchgangs gelangten wir in eine Halle, die von oben bis unten mit Souvenirkitsch und Schmuckständen gefüllt war, die um einen merkwürdigen Springbrunnen in der Hallenmitte herum gruppiert lagen. Dort trafen wir tatsächlich ein paar (wenige) andere Touristen an. Generell jedoch verirren sich von dieser Spezies recht wenig nach Santiago. 😉
Wir besichtigten noch das Kulturzentrum im Palacio Consistorial (Rathaus) mit einer Gemälde- und Karnevalsausstellung sowie die dazugehörige Bildungseinrichtung, eine Art Kunstschule mit Theater- und Balletgruppe, Maleratelier und einem guten Ausblick über die Stadt und die umliegenden Berge der Cordillera Central. Weiter ging’s in Casa de Arte, das mit einer riesigen Wandmalerei schon von außen als solches zu erkennen war. Las but not least schafften wir es auch die Kathedrale Santiagos von innen zu besichtigen. Als wir eintraten kam uns erst eine große Hochzeitsgesellschaft entgegen, dann tauchte auf einmal eine Gruppe jugendlicher Pfadfinder auf – was für ein Stilmix! Wir blieben bis zum Gottesdienst und erfuhren, das just an diesem 5. Dezember der „Internationale Tag der Freiwilligen“ gefeiert wurde und die Kirche alle möglichen, in der Freiwilligenarbeit aktive Gruppe eingeladen hatte. Zu uns passte das ja letztendlich auch! Nach dem Gottesdienst wartete nun noch „James Bond“ in einem tiefgekühlten Kinosaal in einer der zahlreichen Einkaufsmalls Santiagos auf uns. Platte Story, aber tolle Drehorte! Sonntag verschlug es mich erneut ins Kulturzentrum „Centro Leon“, das diesmal eine tolle temporäre Ausstellung des haitianischen Künstlers Sacha Tebó beherbergte.
Parque Duarte
Palacio Consistorial (Rathaus)
Karnevalsmasken
Trommel, Hut und Güira (Art Küchenreibe, die das Erzeugen des Merengue-Rhythmus verwendet wird)
Das erste Oktoberwochenende nutzten Sarah und ich um unser Jarabacoanisches Kulturdefizit auszugleichen und in die zweitgrößte Stadt der DomRep, nach Santiago de los Caballeros, zu fahren. Uns hatte ein argentinisch-brasilianisches Pärchen, Fernando und Renata, eingeladen, die wir über die Arbeit bei Plan Yaque kannten, die ein Haus in Santiago haben und die zudem genauso kulturbegeistert sind wie wir. Es traf sich somit gut, dass in Santiago gerade ein Filmfestival stattfand, auf das wir Samstagabend gingen. Der brasilianische Film, der gezeigt wurde, war auf Spanisch synchronisiert – zum Einen zu unserem Grauen, da manche Synchronstimmen einfach gar nicht passten, zum Anderen zu Sarahs und meinem Glück, da man das synchronisierte Spanisch ziemlich gut verstehen konnte. Das Einkaufszentrum, in dem sich das Kino befand, war Samstagabend keineswegs leer, denn halb Santiago schien entweder ins Kino zu pilgern oder sich im Foodcourt mit Fastfood vollzustopfen.
Doch nicht nur der Abend in Santiago war mit Kultur gefüllt, sondern bereits der Rest des Tages. Wir hatten Samstagmorgen zwei Guaguas von Jarabacoa über La Vega genommen und waren spontan ausgestiegen als wir das monumentale Denkmal Santiagos sahen, das Monumento a los Héroes de la Restauración de la República. Ursprünglich während der Trujillo-Ära (1930-61) erbaut, um den Diktator selbst zu feiern, wurde es nach seiner Ermordung umgewidmet und den Soldaten geweiht, die 1865 für die Unabhängigkeit der Republik von Spanien gekämpft hatten. Man hat vom Sockel und von der Aussichtsplattform des Denkmals einen herrlichen Blick ins Cibao-Tal, das von den Zentral- und den Nördlichen Kordilleren eingerahmt wird. Im Inneren des Denkmals wurde die Geschichte des dominikanischen Unabhängigkeitskriegs mit Wachsfiguren und sozialistisch anmutenden Gemälden nacherzählt. Zudem kam ich zum ersten Mal mit der dominikanischen Karnevalskultur in Berührung, da einige der farbenfrohen und echt abgefahren aussehenden Kostüme ausgestellt waren.
Nach der Monumento-Besichtigung sammelten uns Fernando und Renata ein und wir fuhren zum Kulturzentrum Centro Leon, in dem just an diesem Tag Geburtstag gefeiert wurde und Tag der offenen Tür war. 🙂 Neben einer Dauerausstellung zur indigenen Geschichte der DomRep (die indigene Bevölkerung der Taínos ist allerdings leider von den spanischen Kolonisatoren im 16. Jahrhundert komplett ausgerottet worden) gab es einer weitere Ausstellung zur neuzeitlichen Alltagsgeschichte. Dazu passend war im Garten eine Bierausstellung aufgebaut worden, da die lokale Biermarke „Presidente“ in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert. Eine sehr interessante Biergeschichte, auch wenn das Bier selbst für deutsche Verhältnisse fast wie Wasser schmeckt. Es könnte aber schlimmer sein, denn Renata erzählte uns, dass das brasilianische Bier im Gegensatz zu „Presidente“ wie Wasser sei… 😉 Die Marke „Presidente“ wurde übrigens von Diktatur Trujillo ins Leben gerufen und da es zu seiner Zeit nur einen „El Presidente“, nämlich ihn selbst, geben durfte, musste sich das Bier damals „Presidente Especial“ nennen.
Sonntag schauten wir uns noch Santiago Downtown, das historische Zentrum, an. Viele der traditionellen karibisch-bunten Holzhäuschen erinnerten mich an Häuser, die ich als Kind bei einem Familienurlaub in Südflorida, v. a. Key West, gesehen hatte. Oft wird Florida ja auch zur Karibik gezählt und Miami ist nach New York der Ort, in dem die meisten Auslandsdominikaner leben.