Restauración und Río Limpio – gefühlt bis ans Ende der Dominikanischen Republik

Ab dem 18. Dezember bis zum 4. Januar hatten wir in unsere NGO Plan Yaque Betriebs-, also kollektive Zwangsferien, was insofern gut passte, dass ich über Neujahr ohnehin Besuch von Olga und Yasmin, zwei Freundinnen aus Berlin, mit denen ich auch schon den Kilimanjaro bestiegen hatte, bekommen sollte. Aber zunächst war ich vom 18.12. an für die Tage bis Weihnachten mit Sarah im Nordwesten des Landes nahe der haitianischen Grenze unterwegs. Nach einer Nacht in Monte Cristi fuhren wir zunächst mit dem Bus bis in die Grenzstadt Dajabón, von dort aus mit dem Guagua nach Loma de Cabrera und von dort aus hinten auf dem Pickup bis nach Restauración. Was es dort gibt, werdet ihr euch vielleicht fragen. Auf jeden Fall sehr schöne Natur und grüne Berge so ähnlich wie hier in Jarabacoa. Und des Weiteren ist dort ein weiterer Freiwilliger unserer Gruppe, Lukas, „stationiert“, den wir einmal besuchen wollten. An sich werden sich wohl sonst nur wenige Touristen in diese Kleinstadt verirren. Durch das GIZ-Büro gibt es jedoch einige Ausländer, hauptsächlich Deutsche, die in Restauración arbeiten; mal abgesehen von den Haitianern, die etwa die Hälfte der Ortseinwohner ausmachen. „Restauración“ erhielt seinen Namen übrigens 1865 als die DomRep nach erneuter spanischer Besetzung endlich ihre staatliche Eigenstaatlichkeit wiederherstellen, „restaurieren“, konnte (Einen knackig-kurzen geschichtlichen Überblick liefert Wikipedia).

Nachmittags unternahmen wir einen kleinen Ausflug zu einer nahegelegenen Badestelle und abends erlebten wir das ziemlich lustige Nachtleben Restauracions: Es fing damit an, dass ein neuer Cocktailstand mit bunter Diskobeleuchtung im Ort aufgemacht hatte, der Cocktails mit merkwürdigen Namen wie „Bin Laden“ und „Facebook“ verkaufte. Ich probierte „Bin Laden“: Ironischerweise enthielt dieser Cocktail extrem viel Alkohol und, nun ja, schmeckte nicht wirklich gut. Wir zogen weiter in eine typisch dominikanische Stätte der Abendunterhaltung: Ein Colmado (Tante-Emma-Laden) mit kleiner Tanzfläche, darauf Plastiktische und -stühle und natürlich laut dröhnender Bachata- und Merengue-Musik, zu der ein paar Leute tanzten. Danach ging’s weiter in den größten Club des Ortes, in dem für die Nacht eine Stripshow auf dem Programm stand. Hoho, naja, da wird sich schon keiner richtig ausziehen, dachte ich, da man hier dann doch recht konservativ ist. Aber nein, die Stripperin tanzte irgendwann tatsächlich „oben ohne“ und die Männer im Publikum hatten natürlich nichts gegen ihre Annäherungsversuche einzuwenden. Ganz anders als dann der (offensichtlich schwule) Stripper auf die Tanzfläche kam und versuchte sich an ein paar Frauen zu schmeißen: Diese schoben zumeist ängstlich-schüchtern-belustigt ihren Freund vor und wollten am liebsten verschwinden. Er zog sich allerdings nicht komplett aus, sondern behielt sowohl Unterhose als auch String-Tanga an. Von wegen „Stripshow“! 😉

Am nächsten Tag machten wir uns mittags zusammen mit Lukas und Marian, einem Praktikanten der GIZ, per Auto auf nach Río Limpio („Sauberer Fluss“), gefühlt dem Ende der Dominikanischen Republik. Für den staubigen, huckeligen, eigentlich nur etwa 30 km langen Feldweg brauchten wir geschlagene 1,5 Stunden! Aus unserer Freiwilligengruppe wohnen Freddy und Charlie in diesem Ort und ich muss sagen, die beiden sind deswegen echt nicht zu beneiden! Obwohl es an sich echt erstaunlich ist, wie groß Río Limpio doch ist, da man mit einem Ort solcher Größe am Ende des Feldwegs gar nicht mehr rechnet. Als wir dort waren, hatte der Ort gerade mal seit einer Woche Anschluss ans Stromnetz – keine Ahnung, wie dort alles vorher funktioniert hat! An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass die ganze Region nahe der Grenze mit Haiti zu einer der ärmsten Regionen in der ganzen DomRep zählt und man dies z. B. anhand der einfachen Holzhütten, in denen die meisten Menschen leben, sieht, an denen wir auf der Reise vorbeifuhren.

In Río Limpio angekommen fuhren wir am Haus von Charlies Gastfamilie vorbei, nur um zu erfahren, dass sie und Freddy leider ausgeflogen waren, wir aber gerne zum Essen vorbeikommen könnten. Gesagt, getan: Wir setzten unseren Ausflug zunächst in Richtung eines Wasserfalls fort, mussten an einer Stelle des schlammigen Weges das Auto stehen lassen und mit dem Motorrad eines örtlichen GIZ-Mitarbeiters weiterfahren. SEHR abenteuerlich, da wir zu dritt auf dem Motorrad saßen, ich ganz hinten, und sich das Motorrad einen steilen, schlammigen Weg nach oben quälte. Der Motor brüllte (und ich auch), ich verbrannte mir fast die Hand beim Festhalten und fiel hinten fast vom Motorrad runter. Der dominikanische GIZ-Kollege lachte nur und konnte meine Aufregung und Angst gar nicht verstehen. Nach diesem Schreck jedoch entschädigte der herrlich-grüne, dichte Wald und der Wasserfall für alles!

Den Rückweg zum Auto legten wir (Gracias a Dios! – Gottseidank!) zu Fuß zurück. In Río Limpio erwartete uns dann bei Charlies Gastfamilie ein leckeres Essen bevor wir uns auf den ruckeligen Rückweg nach Restauración machten.

Santiago de los Caballeros – Kulturwochenende in der zweitgrößten Stadt der Dominikanischen Republik

Das erste Oktoberwochenende nutzten Sarah und ich um unser Jarabacoanisches Kulturdefizit auszugleichen und in die zweitgrößte Stadt der DomRep, nach Santiago de los Caballeros, zu fahren. Uns hatte ein argentinisch-brasilianisches Pärchen, Fernando und Renata, eingeladen, die wir über die Arbeit bei Plan Yaque kannten, die ein Haus in Santiago haben und die zudem genauso kulturbegeistert sind wie wir. Es traf sich somit gut, dass in Santiago gerade ein Filmfestival stattfand, auf das wir Samstagabend gingen. Der brasilianische Film, der gezeigt wurde, war auf Spanisch synchronisiert – zum Einen zu unserem Grauen, da manche Synchronstimmen einfach gar nicht passten, zum Anderen zu Sarahs und meinem Glück, da man das synchronisierte Spanisch ziemlich gut verstehen konnte. Das Einkaufszentrum, in dem sich das Kino befand, war Samstagabend keineswegs leer, denn halb Santiago schien entweder ins Kino zu pilgern oder sich im Foodcourt mit Fastfood vollzustopfen.

Doch nicht nur der Abend in Santiago war mit Kultur gefüllt, sondern bereits der Rest des Tages. Wir hatten Samstagmorgen zwei Guaguas von Jarabacoa über La Vega genommen und waren spontan ausgestiegen als wir das monumentale Denkmal Santiagos sahen, das Monumento a los Héroes de la Restauración de la República. Ursprünglich während der Trujillo-Ära (1930-61) erbaut, um den Diktator selbst zu feiern, wurde es nach seiner Ermordung umgewidmet und den Soldaten geweiht, die 1865 für die Unabhängigkeit der Republik von Spanien gekämpft hatten. Man hat vom Sockel und von der Aussichtsplattform des Denkmals einen herrlichen Blick ins Cibao-Tal, das von den Zentral- und den Nördlichen Kordilleren eingerahmt wird. Im Inneren des Denkmals wurde die Geschichte des dominikanischen Unabhängigkeitskriegs mit Wachsfiguren und sozialistisch anmutenden Gemälden nacherzählt. Zudem kam ich zum ersten Mal mit der dominikanischen Karnevalskultur in Berührung, da einige der farbenfrohen und echt abgefahren aussehenden Kostüme ausgestellt waren.

Nach der Monumento-Besichtigung sammelten uns Fernando und Renata ein und wir fuhren zum Kulturzentrum Centro Leon, in dem just an diesem Tag Geburtstag gefeiert wurde und Tag der offenen Tür war. 🙂 Neben einer Dauerausstellung zur indigenen Geschichte der DomRep (die indigene Bevölkerung der Taínos ist allerdings leider von den spanischen Kolonisatoren im 16. Jahrhundert komplett ausgerottet worden) gab es einer weitere Ausstellung zur neuzeitlichen Alltagsgeschichte. Dazu passend war im Garten eine Bierausstellung aufgebaut worden, da die lokale Biermarke „Presidente“ in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert. Eine sehr interessante Biergeschichte, auch wenn das Bier selbst für deutsche Verhältnisse fast wie Wasser schmeckt. Es könnte aber schlimmer sein, denn Renata erzählte uns, dass das brasilianische Bier im Gegensatz zu „Presidente“ wie Wasser sei… 😉 Die Marke „Presidente“ wurde übrigens von Diktatur Trujillo ins Leben gerufen und da es zu seiner Zeit nur einen „El Presidente“, nämlich ihn selbst, geben durfte, musste sich das Bier damals „Presidente Especial“ nennen.

Sonntag schauten wir uns noch Santiago Downtown, das historische Zentrum, an. Viele der traditionellen karibisch-bunten Holzhäuschen erinnerten mich an Häuser, die ich als Kind bei einem Familienurlaub in Südflorida, v. a. Key West, gesehen hatte. Oft wird Florida ja auch zur Karibik gezählt und Miami ist nach New York der Ort, in dem die meisten Auslandsdominikaner leben.