Gringo-Quote (fast) Null – Unterwegs im Zentralen Hochland rund um Huancayo und Huancavelica

Noch eine Woche Peru hatte ich nach drei Wochen „Gringo-Trail“ vor mir. Ly reiste am Samstag, den 10. September, ab und so überlegte ich mir, wohin meine Reise gehen könnte. Der Regenwald, in Peru Selva genannt, reizte mich sehr, aber aufgrund der riesigen Entfernungen im Land wollte ich dies lieber einmal angehen, wenn ich mehr Zeit dazu haben würde. Die nördliche Küste fand ich auch interessant, doch dann stolperte ich über die Aussage in meinem „Lonely Planet“, dass sich das Zentrale Hochland durch eine „fast völlige Abwesenheit von anderen Reisenden“ auszeichne, und mein Interesse war geweckt. So nahm ich Sonntagmittag den Bus von Lima aus in die Anden hinein nach Huancayo. Aufgrund von Bauarbeiten und Stau kamen wir erst am späten Nachmittag in der etwa 400.000-Einwohner-Stadt an. Kurz Zeit, um noch über den Sonntagsmarkt zu schlendern und den Plaza de Armas im Zentrum abzuklappern. Naja, beeindruckt hat mich die Stadt nicht. Aber immerhin hatte ich auf dem Weg ins Zentrum schon eine gastronomisch interessante Straße nahe meines Hotels entdeckt, die sich witzigerweise „Calle de la MISTURA“, also entsprechend der Essmesse, die wir in Lima besucht hatten, nannte. Ich wollte nun endlich einmal eines dieser typischen China-Restaurants Perus, genannt „Chifa“, testen. Gesagt, getan. In der Straße gab es zahlreiche Chifas, deren Menüs sich nicht wesentlich voneinander unterschieden, und so wählte ich ein kleines Restaurant, wo ich mich, um mich etwas vor der nächtlichen Kälte zu schützen, in den hinteren Raum setzen konnte. Ich bestellte ein Gericht aus in roter süß-saurer Soße gedünstetem Obst mit Reis und Hühnerfleisch. Klingt ungewöhnlich, schmeckte aber gut. Direkt nach dem Essen machte ich mich jedoch auf zum Hotel, denn der laut plärrende Fernseher (der in Peru eigentlich fast in jedem Restaurant läuft) ließ nicht gerade eine gemütliche, entspannte Atmosphäre aufkommen. Außerdem musste ich am nächsten Morgen früh aufstehen. Ich wollte nämlich den Zug nach Huancavelica nehmen und der fuhr bereits 6:30 Uhr los.

Am nächsten Morgen war ich pünktlich am Bahnhof und reihte mich in eine lange Schlange ein, um das spottbillige Zugticket für den „Tren Macho“ zu kaufen: umgerechnet 2,60 € für mehr als fünf Stunden Zugfahrt bis Huancavelica. Außer mir sah ich tatsächlich auch nur einen einzigen weiteren Gringo. Der Zug war ziemlich rustikal, die Sitzbänke aus Holz hart und anfangs war es vor allem kalt, da alle die Fenster während der Fahrt offen ließen. Für manche, die Essen gebucht hatten, wurde ein voller Teller herzhaftes Frühstück mit Kartoffeln, Reis und Nudeln serviert, den sie, Chapeau Chapeau, während der ruckeligen Fahrt auf dem Schoß aßen. Wir fuhren die ganze Zeit in einem Tal und zeitweilig an einem Fluss entlang, so dass es immer etwas Interessantes zu gucken gab. Am zeitigen Nachmittag trafen wir in Huancavelica ein, ein 40.000-Einwohner-Städtchen mit schönen Kirchen in Kolonialarchitektur und mineralischen Quellen. Dort durfte man allerdings nur im Badeanzug und nicht im Bikini baden gehen und ausleihen wollte ich mir solch einen Badeanzug dann auch nicht. So schlenderte ich in der Stadt umher, kaufte ein paar Sachen auf den abends überall auftauchenden Straßen“ständen“ (Tücher auf dem Boden) und unterhielt mich ziemlich lange mit einem Tante-Emma-Ladenbesitzer, der mir über die Geschichte dieser ärmsten Gegend von Peru erzählte, in der besonders der Terror des „Leuchtenden Pfades“ (Sendero Luminoso) in den 80er und 90er-Jahren gewütet hatte.

Huancavelica ist noch wegen einer weiteren Sache bekannt, der Santa-Barbara-Mine, die sich hoch in den Bergen über der Stadt befindet. Ich machte mich am nächsten Tag auf den Weg dorthin und konnte nach einigem Suchen das verlassene Dorf finden, das damals als die Mine 1566 von den Spaniern eröffnet worden war, für die bis zu 3.000 indigenen Minenarbeiter gebaut worden war. Diese bauten Quecksilber in der Mine ab und starben in großer Zahl aufgrund der giftigen Gase, die das Schwermetall beim Abbau absonderte. Als die Mine 1786 einstürzte wurde sie komplett geschlossen und ist bis heute samt dazugehörigem Geisterdorf bestehen geblieben. Es gibt wohl Bestrebungen den Ort als UNESCO-Weltkulturerbe schützen zu lassen.

Von der Mine aus konnte ich in einem Schlenker durch ein weiteres Dorf und an vielen Lamas vorbei wieder zurück nach Huancavelica laufen. Von dort aus nahm ich gegen Mitternacht den Nachtbus, um nach Ayacucho weiterzufahren.

Cuzco – „Nabel der Welt“ in Pumaform

Cuzco ist die ehemalige Hauptstadt des Inkareiches. Der Name stammt vom Quechuawort Qosq’o, was so viel wie „Nabel der Welt“ bedeutet und die damalige Wichtigkeit der Stadt unterstreicht. Heute ist Cuzco die drittgrößte Stadt Perus, bildet ein Drehkreuz zwischen Anden und Regenwald und ist die größte Stadt im Dunstkreis des Machu Picchu, weswegen täglich hunderte von Touristen in sie einfallen. Stadtplaner Pachacutec, der neunte Herrscher über das Inkareich (1438-71), designte Cuzco in Form eines Pumas wie man unter diesem Link sehen kann. Warum in Form eines Pumas? Das Puma symbolisiert eine von drei in der Inka-Mythologie existierenden Welten. Die „obere Welt“ (Hanan Pacha) wird dabei durch den Kondor, die „diese Welt“ (Kay Pacha) durch das Puma und die „untere Welt“ (Ukhu Pacha) durch die Schlange symbolisiert. Im Prinzip gibt es also einen „Himmel“, eine Welt der Lebenden und eine Unterwelt der Toten vergleichbar mit dem griechischen Hades.

In ganz Cuzco konnte man den Hauch des Inkareiches noch an jeder Ecke spüren: Hausmauern oder Kirchen sind auf den Steinen ehemaliger Inkatempel errichtet, die Regenbogenfahne als Flagge des Inkareiches (Tahuantinsuyo) schmückt viele Gassen, wir wohnten einer Inka-Zeremonie auf dem Tempelgelände Qorikancha bei und besuchten drei außerhalb Cuzcos liegende ehemalige Inkabauten. Doch auch die Gegenwart hat bereits gut in Cuzco Einzug gehalten: An die Kolonialarchitektur angepasste Mc Donald’s und Starbucks-Läden, schicke Designershops mit der neuesten Alpakawollmode und schicke Designerhotels, israelische Kebabläden und israelische Touragenturen mit hebräischen Schildern, etc. Moment, israelisch? Ja, ganz richtig. Cuzco und das naheliegende Heilige Tal sind zwei von einigen Orten weltweit (wie z. B. auch Goa in Indien), die junge Israelis nach der Beendigung ihres Militärdienstes bereisen, um entweder die Sau raus zu lassen oder spirituelle Einkehr zu suchen. Witzigerweise trafen wir in Cuzco auch einen Israeli, Idan, wieder, den ich auf meiner Kubareise in Baracoa kennengelernt hatte. Aber nein, es war kein zufälliges Treffen gewesen, sondern wir hatten uns verabredet, da wir bereits in Kuba festgestellt hatten, dass wir später zur gleichen Zeit in Peru unterwegs sein würden. Idan erzählte uns, dass er auf der Straße tatsächlich oft direkt auf Hebräisch angesprochen wurde und man ihm wahlweise Drogen, Massage mit „Happy End“ oder einen Ausflug aufschwatzen wollte.

Mir gefiel Cuzco jedenfalls mit seinen schmalen Pflastersteingassen, den kleinen Läden und gemütlichen Cafés und Restaurants, sowie den zahlreichen festlichen Umzügen ausgesprochen gut. Wie mir die Familie unseres Gästehauses nämlich bestätigte, findet in Cuzco ständig irgendein Fest statt. Wir wurden Zeugen der Umzüge zu Ehren des Señor de Qoyllurity und der Virgen de la Natividad, bei denen sich andine und christliche Kultur mischen und verschiedene Gruppen, die an Karnevalsgruppen erinnern (comparsa), verkleiden, mit Blaskapellen durch die Gassen marschieren und Tänze aufführen. Die Kostüme übertrafen sich gegenseitig an Buntheit und Ausgefallenheit und ich war völlig überfordert mit den ganzen Eindrücken.

In Cuzco musste dann auch endlich einmal das probiert werden, was immer so stereotyp mit peruanischem Essen verbunden wird, nämlich Meerschweinchen. Ly bestellte ein halbes (naja, ist ja ohnehin nicht viel dran) und wir kosteten, waren aber beide nicht gerade begeistert davon. Irgendwie war es zu lasch im Geschmack… Auf jeden Fall konnte dieser kulinarische Punkt nun auch abgehakt werden.

An unserem zweiten Tag in Cuzco nahmen wir nach einem stärkenden Frühstück in der Plastiktüte (warmes, flüssiges Quinoa oder Maca mit Apfel) einen Minibus nördlich hinaus aus der Stadt bis zur Ausgrabungsstätte Tambomachay, einem ehemaligen zeremoniellen Inka-Bad. Von dort aus war es nur ein Katzensprung, um bis zur Festung Pukapukara zu laufen. Von dort aus wanderten wir weiter bergab bis zur größten Ausgrabungsstätte Sacsaywamán. Auf Quechua bedeutet das „zufriedener Falke“, da sich aber die meisten Touristen diesen Namen nicht merken, geschweige denn ihn aussprechen können, soll man meinem Reiseführer nach an „sexy woman“ als Eselsbrücke denken. 😉 Die Zickzack-Steinwände, die ihr unten auch auf den Fotos sehen könnt, sollen übrigens die Zähne des Puma darstellen, in dessen Form Cuzco ja, wie anfangs erwähnt, gebaut worden ist. Die ganze Ausgrabungsstätte ist echt weitläufig und schon beeindruckend, allerdings waren wir von unserer Wandertour schon etwas geschafft, so dass wir den Aussichtspunkt über Cuzco und die Lamas auf der Wiese vor Sacsaywamán weitaus spannender fanden. 😉

Islas Uros & Isla Taquile: Schwimmende Inseln und die „Insel der strickenden Männer“ auf dem Titicacasee

Titicacasee, den Namen kennt irgendwie jeder. Doch warum eigentlich? In meinem tiefsten Unterbewusstsein stellte mein Gehirn irgendwie eine Verbindung zwischen Pippi Langstrumpf und dem Titicacasee her. Und tatsächlich: Nach etwas Internetrecherche stieß ich darauf, dass der Vater Pippis wohl vom Titicacasee stammen soll. Falls jemand die Buchpassage parat hat, kann er/sie sie mir gerne schicken!

Der Titicacasee ist auf jeden Fall fester Bestandteil der typischen Gringo-Trail-Tour, die wohl so ziemlich jeder Perutourist abklappert. So auch wir. Von Arequipa aus fuhren wir mit dem Nachtbus ins 3.830 m hochgelegene Puno, kamen dort gegen 4 Uhr morgens an und torkelten erst einmal frierend für ein paar weitere Stunden ins Hotelbett. Eine Weile später standen wir auf und erkundeten die recht grau wirkende Stadt. Ziemlich auffällig war die in Anbetracht der geringen Größe der Stadt (ca. 141.000 Einwohner) doch recht große Einkaufsstraße. Und ganz richtig, Puno ist ein wichtiges Handels- und Schmuggeldrehkreuz (v.a. Drogen) zwischen dem benachbarten Bolivien und Peru. Auch wir konnten den zahlreichen Verkaufsständen am Hafen nicht widerstehen und deckten uns mit bunten Wollstoffen und anderen Souvenirs ein. Hier in Peru hatte ich nämlich im Gegensatz zur DomRep richtig Lust Souvenirs und Klamotten shoppen zu gehen. In der DomRep hatte es ja in der Regel nur künstlichen Karibikkitsch und nervige Verkäufer gegeben; in Peru hingegen saß in jedem Verkaufsstand eine meist ältere Frau in der Ecke, winkte einen kurz mit einem „Señorita, entra!“ herein und widmete sich dann wieder ihrer Strickarbeit. So sieht entspanntes Einkaufen aus! Abends landeten wir nach unserer Beutetour in einem der zahlreichen für Puno wohl typischen Pizza-Restaurants: Es gab dort eigentlich jegliche Art peruanischer Speisen, aber eben auch Pizza, die direkt vor den Augen der Gäste zubereitet und in einem im Restaurant stehenden Steinofen gebacken wurde. Der Pizzabeleg, den ich bekam, war etwas gewöhnungsbedürftig: Wiener Würstchen, Kartoffeln, Brokkoli und Käse. Ly probierte Alpaka-Fleisch, was uns beiden allerdings nicht wirklich gut schmeckte.

Für den nächsten Tag hatten wir eine Übernachtung auf den schwimmenden Uros-Inseln auf dem Titicacasee gebucht. Genauer gesagt sollten wir auf der Isla Khantati in einer der Reet-Hütten von Cristina Suaña, quasi der Vorreiterin des Titicacasee-Übernachtungstourismus‘, die Nacht verbringen. Wir wurden am Hotel abgeholt, fuhren etwas um den See herum, der übrigens den größten See Südamerikas und das höchstgelegene befahrbare Gewässer der Welt bildet, und schipperten schließlich per Motorboot zu den berühmten Reet-Inseln herüber. Aus Reet (span. totora) stellen die Uros, also die Bewohner der Uros-Inseln, alles her: die Inseln selbst, Häuser, Boote, Gefäße, etc. Bei einem nachmittäglichen Bootsausflug lernten wir, dass man einen Teil der Reet-Schilfe sogar essen kann und sie wohl wie unsüßes Zuckerrohr schmecken sollen. Gegen Abend erhielten wir eine weitere Landeskundeeinheit, in der uns einer der Uros etwas zur Geschichte und Bauweise der Inseln erzählte (sie waren ursprünglich schwimmend gebaut worden, um sich vor Feinden (Inkas, Collas) in Sicherheit bringen zu können), wie traditionellerweise gekocht wird und wie die typische Kleidung der Uros aussieht. Letzteres durften wir selbst testen und bekamen die kunterbunten Röcke, Jacken und Wollmützen angezogen. Schon eine etwas peinliche Touri-Veranstaltung, aber letztendlich hat es sogar richtig Spaß gemacht! Natürlich durfte auch die Verkaufsveranstaltung danach nicht fehlen, wobei wir uns zum Glück zurückgehalten hatten, denn später, zurück auf dem Festland, stellten wir fest, was für überteuerte Preise die Inselbewohner genannt hatten.

Wovon uns jedoch gar nichts erzählt wurde, war die sehr heikle ökologische Situation des Titicacasees. Als ich nämlich einen unserer Mittouristen zum Schwimmen in den See springen sah, wurde mir gleich ganz anders, hatte ich mir doch vor einiger Zeit die erschreckende ZEIT-Fotostrecke „Titicacasee. Drecksloch in den Anden“ angesehen… In den See werden täglich große Mengen an Abwasser geleitet, so dass z. B. der Titicaca-Riesenfrosch kurz vor der Ausrottung steht. Sicher auch nicht gerade umweltfreundlich war unsere 1,5-stündige (Motor-)Bootsexkursion am nächsten Tag auf die Taquile-Insel; mit dem traditionellen Reet-Boot hätte die Fahrtzeit doppelt so lange betragen, was in unserem Zeitbudget leider nicht drin gewesen war.

Taquile entpuppte sich als eine hügelige Insel mit mediterranem Flair. Wir wälzten uns zusammen mit den Touristenmassen bis in den kleinen Hauptort der Insel, wo es ein paar nette Gassen, Torbögen und Kirchen zu sehen gab. Das Interessanteste waren jedoch die Einwohner, von denen es nur ca. 2.200 gibt: Die Männer tragen meist bunte Wollmützen, die sie übrigens selbst stricken (!) und einen breiten Hüftgürtel, den ihnen die Frauen weben. Die Frauen tragen bunte Röcke und ein langes, schwarzes Kopftuch mit Bommeln. Da der Heiratsmarkt auf Taquile etwas begrenzt ist, werden eindeutige Zeichen gesetzt: Männer, die eine rote Mütze tragen und Frauen, die kleine Bommeln an ihrem Kopftuch hängen haben, sind verheiratet. Männer, die eine rot-weiße Mütze auf dem Kopf haben und Frauen, deren Kopftuch große Bommeln aufweist, sind noch nicht verheiratet. So einfach ist das! Übrigens sprechen die Einwohner von Taquile Quechua; auf Uros hingegen wird Aymara gesprochen. Nach einem Mittagessen im kommunalen Restaurant, das jede Woche von einer anderen Familie der Insel betrieben wird, hieß es auch schon wieder aufbrechen und den Rückweg nach Puno antreten. Das nächste Mal, so habe ich mir vorgenommen, werde ich den Titicacasee von bolivianischer Seite aus bereisen, deren Berge man von Peru aus immer schon sehen konnte.