Jerusalem. Die Heilige Stadt im Konfessionswirrwarr

Etwa zwei Wochen vor Trumps umstrittener Äußerung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen zu wollen, besuchten wir als krönenden Abschluss unserer Nahostreise den „Zankapfel“ Jerusalem. Wir sollten nur 1,5 Tage Zeit für das Kennenlernen der „Heiligen Stadt“ (auf Arabisch heißt Jerusalem nämlich „al-Quds“ – die Heilige) haben und dementsprechend vollgepackt war unser Besichtigungsprogramm. Vom Hotel in Bethlehem aus fuhren wir mit unserem Reisebus durch den Checkpoint zwischen Westjordanland und Israel hindurch (keine Kontrolle und Wartezeit) und nahmen entlang der Mauer Kurs auf Jerusalem. Erste Station war der Ölberg – auf Arabisch und Hebräisch „Olivenberg“ genannt, da der Berg einst mit Olivenbergen bewachsen war. Am Aussichtspunkt, den wir nach Besichtigung der kleinen Himmelfahrtskapelle (bewahrt angeblich den letzten Fußabdruck Jesus‘ vor seiner Himmelfahrt auf) ansteuerten, war der Ölberg eher mit tausenden von Touristen „bewachsen“ so dass es schwer war, den historischen Ausführungen unseres Guides Ariel zu folgen. Aber der Panoramablick hinüber zur Altstadt Jerusalems mit dem die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom umfassenden Tempelberg, der Stadtmauer, zahlreichen Kirchtürmen, den konfessionellen Friedhöfen und der Stadtmauer waren mehr als beeindruckend. Ariel erzählte uns, dass es sich Juden, die auf dem Friedhof am Fuße des Ölbergs begraben werden wollen, bereits zu Lebzeiten Unmengen an Geld kosten lassen, um ein Grab mit „Ausblick“ auf den Tempelberg zu erkaufen.

Wir besichtigten die architektonisch interessante „Dominus Flevit“-Kirche (lat. für Der Herr weint), die von Franziskanern unterhalten wird und deren tränenförmige Gebäudeform an das Weinen Jesus‘ im Wissen um die baldige Zerstörung Jerusalems und die Diaspora des jüdischen Volkes erinnert. Über den untypischerweise nach Westen ausgerichteten Altar hinweg konnte man genau hinüber zur goldenen Kuppel des Felsendoms sehen. Ein schöner Effekt! Wir stiegen den Ölberg nun langsam einen extrem steilen Weg hinab und gelangten zum wunderschönen Garten Gethsemane, der Ort, an dem Jesus einen Tag vor seiner Kreuzigung gebetet und in Vorahnung seiner Festnahme „Blut geschwitzt“ haben soll. Die alten knorrigen Olivenbäume sollen teilweise fast eintausend Jahre alt sein! An den Garten angeschlossen befindet sich die römisch-katholische „Kirche aller Nationen“ oder, in Anlehnung an die biblische Geschichte, auch „Todesangstbasilika“ genannt. Die Kirche wurde zwischen 1919 und 1924 mit finanzieller Unterstützung aus zwölf Ländern erbaut (darunter Deutschland), wofür diese Länder zum Dank mit ihrem Wappen an der Kirchendecke verewigt wurden. Ein interessantes, farbenfrohes Interieur und – auf einmal – ein herzzerreißendes Schluchzen einer Touristin, die sich über den Stein beugte, an dem Jesus in Todesangst kurz vor seiner Verhaftung gebetet haben soll.

Als nächster Programmpunkt stand die Altstadt Jerusalems, genauer gesagt das Jüdische Viertel, auf dem Programm. Wir starteten zu Fuß aus vom Jaffator und liefen in den Basar hinein. Dieser wirkte mit den gelangweilten Verkäufern und den blankgeputzten Treppenstufen ein bisschen steril im Vergleich zu den orientalischen Märkten, die ich aus Marokko oder Syrien kannte. Ein Straßenschild jedoch erregte meine Aufmerksamkeit: Ein Verbotschild, mit dem E-Bike in den Basar hineinzufahren. Und tatsächlich konnten wir später in Jerusalem einige jüdische Bewohner, die man unschwer an Schläfenlocken und breitkrempigem, schwarzem Hut erkennen konnte, mit dem E-Bike durch die Gegend brausen sehen. Bei den vielen Hügeln ist es kein Wunder, dass sie auf elektrischen Antrieb setzen!

Ariel zeigte uns die Ausgrabungsreste des einstigen, tiefer als das heutige Jerusalem gelegenen Cardos, die Hauptstraße aus römisch-byzantinischer Zeit. Die steinernen Zeugen befinden sich teils im überdachten Basar, teils außerhalb. Vorbei an der Hurva-Synagoge ging es dann auch schon weiter in Richtung Klagemauer, Kotel genannt. Vorher musste allerdings noch eine Mittagspause eingelegt werden. Leider landeten wir an der wahnsinnig von Touristen überlaufenen „Fressmeile“ mit überteuertem israelischen Fast Food. Immerhin konnten meine Schwester und ich aber zumindest ein bisschen Ruhe finden, da wir uns nur einen Schritt weiter in eine Nebenstraße setzten und die Einheimischen beobachteten. Eine Horde Mädels kam uns entgegengelaufen, die schon – typisch jüdisch – knielange schwarze Röcke trugen. Später auf dem Vorplatz der Klagemauer konnten wir weitere jüdische Kleidungsvariationen beobachten: Männer ganz in Schwarz mit Schläfenlocken und Hut; Frauen teilweise mit Kopftuch oder gar mit Perücke. Wie Ariel uns erklärte, zeigen gläubige jüdische Frauen nach der Hochzeit ihr Haar nicht mehr öffentlich und verstecken es entweder unter einem Kopftuch oder rasieren es sich ab und tragen stattdessen eine Perücke. Jüdische Männer mit fetten braunen Pelzmützen (Schtreimel) und schwarzem Mantel wie ich sie in New York gesehen hatte, konnte ich hingegen an der Klagemauer nicht ausfindig machen und hatte sie nur einmal aus dem Busfenster heraus nahe des ultraorthodoxen Stadtviertels Mea Schearim gesehen. Der Schtreimel wird hauptsächlich von chassidischen Juden mit osteuropäischen Wurzeln getragen, von denen es heutzutage noch größere Gemeinden in Jerusalem und New York gibt. Doch zurück zur Klagemauer: Ich hätte es nicht gedacht, aber wir durften tatsächlich bis an die Mauer herangehen. Sie ist in einen (größeren) Abschnitt für Männer und einen (natürlich kleineren :-/) Abschnitt für Frauen unterteilt und kann 24 Stunden am Tag besucht werden. Es steckten wahnsinnig viele kleine Zettel in den Mauerritzen. Fallen sie raus oder werden es zu viele Zettel, so werden sie aufgesammelt und auf dem Ölberg „beerdigt“; wergwerfen darf man sie nicht. Vor der Mauer waren Plastikstühle aufgestellt, auf denen man sich mit einem der ausleihbaren religiösen Bücher hinsetzen und lesen oder beten konnte.

Die Davidstadt, der älteste besiedelte Teil Jerusalems, bildete den vorletzten Höhepunkt des Tages. Man hatte auf dem Gelände bereits Siedlungsspuren aus der Kupferzeit (4500-3500 v. Chr.) gefunden – benannt aber ist die Davidstadt nach König David, der etwa 1000 v. Chr. gelebt hatte und damals König von Israel gewesen war. Zunächst liefen wir zwischen den Ausgrabungen der Davidstadt umher und konnten auf den gegenüberliegenden palästinensischen Stadtteil Silwan von Ostjerusalem schauen, der auf dem Fundament von etwa 50 Felsgräbern erbaut worden war. Danach ging es hinab in den Hiskija-Tunnel, der seit der Antike Trinkwasser aus der Gihonquelle in den Teich von Siloah leitete und somit die Trinkwasserversorgung Jerusalems sicherstellte.

Nach einem kurzen Abendessen im Hotel in Bethlehem ging es abends erneut nach Jerusalem zum Rundgang „Jerusalem by Night“, bei dem wir zuerst durch die nahe des Jaffators gelegene Open-Air-Einkaufsmeile „Mamilla Mall“ schlenderten. Sie war eindeutig für eine junge, reiche Generation gebaut worden und soll das Nachtleben Jerusalems (das bis vor einigen Jahren quasi nicht existent gewesen sein muss) mit seinen schicken Geschäften, Cafés und Restaurants etwas aufpeppen. Makabererweise ist die Mall wohl teilweise auf dem Gelände des muslimischen Mamilla-Friedhofs errichtet worden. Vom Ende der Mall ging es wieder, wie schon tagsüber, zum Jaffator und durch den geschlossenen Basar hindurch bis zur Klagemauer. Danach drehten wir eine weitere Runde mit dem Bus zu einigen angestrahlten Sehenswürdigkeiten (Damaskustor, Parlament, genannt „Knesset“, einige Museen) und waren – ziemlich müde – danach froh wieder ins Hotel zu kommen und schlafen gehen zu können.

Am letzten Reisetag besuchten wir morgens eine Behinderteneinrichtung in Beit Jala bei Bethlehem, über die ich in meinem vorherigen Blogeintrag bereits berichtet habe. Danach standen weitere Highlights in Jerusalem auf dem Programm. Zunächst betraten wir durch das Löwentor die Via Dolorosa (lat. Leidensweg) , den Prozessionsweg Jesus‘, auf dem er das Kreuz durch Jerusalem getragen haben soll. Der Weg ist mit 14 Stationen markiert und über und über mit Touristen überlaufen. Man kann sich absurderweise an vielen Stellen entlang der Via Dolorosa ein Holzkreuz  sowie eine Dornenkrone ausleihen und den Kreuzweg Jesus‘ nach“spielen“. Ich möchte nicht wissen, was jeden Freitag bzw. an den Ostertagen für ein Gedränge herrscht, wenn die Prozession von vielen tausenden Gläubigen begangen wird… Entlang der Via Dolorosa findet man allen nur erdenklichen religiösen Kitsch: Ikonen, Kreuzketten, Lampen, Kerzen, aber auch jüdische Kippas und etc., die zumeist von arabischen Verkäufern verkauft werden. Die Krönung an Massentourismus war die Grabeskirche, die Kirche also, die über der Stelle errichtet ist, an der sich Jesus‘ Kreuzigungs- (Golgota) und Grabesstätte befunden haben soll. Ich weiß nicht wie viele tausende Menschen sich in dieser Kirche drängten und wie viele sich um die Ädikula (eine Art Grabüberbau) herumschlängelten, um an das Grab Jesus‘ heranzukommen. Ich fand es merkwürdig, dass man bei der Besichtigung der Klagemauer noch einmal durch einen Checkpoint hatte durchgehen müssen währenddessen beim Eintritt in die Grabeskirche weder Personen noch Taschen kontrolliert wurden. Die Grabeskirche stellt übrigens auch einen wahren Zankapfel der christlichen Konfessionen dar. Verschiedene Teile der Kirche sind unter sechs christlichen Denominationen aufgeteilt: armenisch-apostolisch, äthiopisch-orthodox, griechisch-orthodox, syrisch-orthodox, römisch-katholisch und koptisch (interessanterweise nicht protestantisch). Da sich die Konfessionen jedoch untereinander nicht einigen konnten, wer denn die Kirche auf- und zuschließt, haben sie den Schlüssel schon seit Jahrhunderten an eine muslimische Familie abgegeben wie dieser Beitrag von Deutschlandfunk Kultur sehr schön veranschaulicht.

Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung und so machten meine Schwester und ich den Basar unsicher: Gewürze shoppen, arabische, siruptriefende Süßigkeiten ausprobieren und einen Mango-Granatapfel-Saft trinken – lecker, aber auch sehr teuer. Die Preise in Israel sind nämlich ziemlich hoch; so liegt das Niveau der Lebenshaltungskosten sogar um etwa ein Viertel höher als in Deutschland. Auch Mieten sind extrem teuer.

Der letzte Programmpunkt in Jerusalem war das so genannte „Gartengrab“, dessen Besichtigung uns Ariel vorschlug nachdem wir in der Grabeskirche vor lauter Touristenmassen nichts vom Grab Jesus‘ hatten sehen können. Die Gartenanlage mit einigen Grabstätten wird von anglikanischen und freikirchlichen Christen als die Grabesstelle Jesus‘ angesehen und so mussten wir, um sie zu sehen, zumindest ein bisschen Schlangestehen. Aber nichts im Vergleich mit der Grabeskirche!

Somit war unser Jerusalembesuch auch schon beendet. Klar, dass wir alles nur im Sauseschritt hatten sehen können; für einen ersten Eindruck aber hat es allemal gereicht. Bei einem nächsten Besuch warten auf jeden Fall noch zahlreiche weitere Sehenswürdigkeiten, Museen und interessante Stadtviertel auf einen.

Mal wieder in aller Herrgottsfrühe ging es am Dienstagmorgen mit dem Bus von Bethlehem zum Flughafen in Tel Aviv. Diesmal wurde nur eine Person aus unserer Gruppe und einer der Reisebegleiter zum „Verhör“ durch die israelischen Sicherheitskräfte zitiert, was diese aber mit Bravour meisterten. Vormittags kamen wir wieder im novembergrauen Berlin an – randvoll mit schönen, aber auch nachdenklich stimmenden Reiseerinnerungen, die erst einmal verdaut werden mussten. Es war u.a. wirklich eine Bildungsreise zu unseren westeuropäischen, (christlich-) kulturellen Wurzeln gewesen, von denen man zwar viele Namen und Begriffe (z. B. Jordan, See Genezareth, Golgata) irgendwie kennt, aber nie eine Vorstellung davon gehabt hat. Nun haben wir die Bilder und die Geschichten dahinter vor Augen.

Schriftrollen in der Wüste & Weihnachtskrippe mit Mauer. Unterwegs im Westjordanland: Qumran und Bethlehem

Am siebten Tag unserer Reise verließen wir Jordanien auch schon wieder und fuhren sehr früh am Morgen von Wadi Musa los, um über den Grenzübergang an der Allenby-Brücke nach Palästina, genauer ins Westjordanland, zu gelangen. Der Grenzübertritt zog sich erneut fast zwei Stunden hin und mir wurde wieder einmal klar, was für einen Luxus wir doch im europäischen Schengenraum haben, in dem nervige Wartezeiten einfach entfallen bzw. man die Grenze kaum als solche wahrnimmt. Wir verabschiedeten uns von unserem jordanischen Guide Mohamad und begrüßten erneut unseren israelischen Guide Ariel, der auf dem Parkplatz mit einem israelischen Bus auf uns wartete. Vor nicht allzu langer Zeit wäre es nicht möglich gewesen, dass er, ein israelischer Guide, eine Touristengruppe auf palästinensisches Gebiet begleitet, so erzählte uns Ariel. Doch mittlerweile ist dies möglich und so dürfen im Gegenzug auch palästinensische Guides mit ihrer Touristengruppe nach Israel reisen. Für die „normale“ Bevölkerung ist das um einiges schwieriger: Israelis dürfen aus Sicherheitsgründen nicht nach Palästina, es sei denn, sie wohnen in einer der jüdischen Siedlungen, und Palästinenser dürfen nur mit einer schwer zu bekommenden Einreiseerlaubnis (z. B. wenn sie in Israel arbeiten oder ins Krankenhaus müssen) nach Israel einreisen. Will z. B. ein Palästinenser ins Ausland fliegen, so fährt er normalerweise nach Jordanien, um von dort aus zu fliegen, denn nach Israel, was geografisch näher liegt, würde er nicht reinkommen. Wir, als ausländische Touristen, haben das Privileg, beide Gebiete bereisen zu dürfen. Und so war ich schon sehr gespannt!

Vom Grenzübergang aus, bei dem man auf westjordanischer Seite auf Höhe der „Palmenstadt“ Jericho rauskommt, die etwa 10 km nördlich des Toten Meers liegt, fuhren wir bis nach Qumran. Doch bevor ich auf diese Siedlung zu sprechen komme, muss ich noch auf einen interessanten ZEIT-Artikel von 1967 zu Jericho verweisen, der offenbar das Rätsel um die „Posaunen von Jericho“ aufklärt. Die Mauern Jerichos seien, laut Bibel, durch den Klang von Posaunen zum Einsturz gebracht worden als die Israeliten Jericho auf dem Weg nach Jerusalem eroberten. Hier der Link: „Warum stürzte die Mauer ein?“.

Aber zurück zu Qumran: Als wir auf dem Parkplatz der Stätte aus dem Bus stiegen, wurden wir fast von den Touristenmassen umgerannt, die leider, genau wir wir, zunächst nur ein Ziel kannten: Einmal hindurch durch den superengen und megastickigen Souvenirshop rein in das völlig überfüllte arabische Fast-Food-Restaurant. Das Essen schmeckte ganz okay, produzierte viel Plastikmüll, aber der Lautstärkepegel lud uns nicht zum Verweilen ein. Wieder am Eingangsbereich schleuste uns Ariel durch die Massen hindurch in die Ruinensiedlung Qumran. Dort hatte ein Hirte in einer Höhle alttestamentarische Schriftrollen, die „Schriftrollen vom Toten Meer“, gefunden – ein Hinweis darauf, dass wir uns wieder am Ufer dieses salzhaltigen Gewässers befanden. Nach diesem Fund gruben Archäologen in insgesamt elf Höhlen etwa 850 Rollen aus dem antiken Judentum aus. Wie uns ein Film zeigte, soll in dieser öden Wüstengegend einst eine Gruppe jüdischer Asketen gelebt haben, die sich vom Judentum mit Tempeldienst und Priesterschaft abwandten, und ein rituell streng geregeltes, enthaltsames Leben führten. Sie sahen sich als die letzte Generation vor der Ankunft des Messias. Aus dieser Zeit (ca. 150 v. Chr. bis 70 n. Chr.) stammen die Qumranrollen, in denen größtenteils auf Hebräisch das Leben dieser frühjüdischen Gemeinschaft beschrieben wird.

Von Qumran aus fuhren wir zu unserer Übernachtungsstätte für die kommenden zwei Nächte: Bethlehem. Jetzt taucht sicherlich vor jedermanns Augen das heimelige Bild von der Heiligen Familie nebst Tieren und Heiligen Drei Königen in einer Krippe auf, über dem der Stern von Bethlehem leuchtet. Nun ja, fast… Das, was Bethlehem extrem un-heimelig macht, ist die Tatsache, dass es im nördlichen Teil von einer Mauer umgeben ist, die es von Jerusalem trennt. Diese bis zu 8 m hohe israelische Sperranlage befand sich fußläufig von unserem Hotel entfernt und war über und über mit Graffitis und Street Art versehen. Ein beängstigender Anblick, vor allem die Wachtürme mit Schlitzfenstern, in denen israelische Soldaten sitzen und die Mauer bewachen. Insbesondere als Deutsche kommt man bei der Mauer, mit deren Bau Israel 2002 begann, schon gewaltig ins Grübeln…

Im Vorfeld der Reise hatte ich gelesen, dass der britische Street-Art-Künstler Banksy, den man mit seiner Street Art in vielen Großstädten dieser Welt verewigt finden kann, ein Hotel im Westjordanland eröffnet hat. Er warb für sein Hotel mit „dem schlechtesten Ausblick der Welt“, da man direkt auf die Mauer schaute. Bei meinem abendlichen Spaziergang an der Mauer stand ich, ohne es zu wissen, auf einmal direkt davor! Der Eingang des „The Walled Off Hotel“  (wall off heißt auf Englisch – sehr passend –  abschotten) war von einem Schimpansen in Pagenuniform flankiert und hatte auf mich irritierend, da für diesen Teil der Welt viel zu ironisch, gewirkt. Als ich am Haus nach oben sah, erkannte ich mit Graffiti um die Fenster drumherum gesprühte Fensterrahmen und Balkone. Bevor ich in das Hotel hineinging, klapperte ich noch den danebenliegenden Souvenirshop mit Banksy-Devotionalien ab. Der Clou: eine Weihnachtskrippe aus Holz, bei der die Heiligen Drei Könige von der Krippe durch eine Mauer abgetrennt waren. Wie wahr, wie wahr! 😦

Im „The Walled Off Hotel“ schaute ich mir eine Ausstellung zum Leben der Palästinenser mit der Mauer und unter israelischer Besatzung an. Sehr interessant, aber auch sehr traurig, insbesondere die Informationen über den noch stärker abgeschotteten Gazastreifen. Neben der Ausstellung gab es noch einen Buchladen, eine Gallerie, in der Werke palästinensischer Künstler ausgestellt wurden, und eine skurril eingerichtete Lobby mit Bar, in der sich alle Gespräche, soweit ich das aufschnappte, nur um den israelisch-palästinensischen Konflikt drehten. Falls ich ein weiteres Mal nach Bethlehem kommen sollte, werde ich auf jeden Fall in diesem Hotel übernachten! Interessanterweise wählen viele Reiseveranstalter und Touristen, die eigentlich Jerusalem besuchen wollen, Bethlehem aufgrund seiner vergleichsweise günstigen Preise als Übernachtungsort, so dass die Hotels gut belegt sind.

Aber in Bethlehem gibt es ja auch einiges zu besichtigen: Ariel führte uns noch am Abend des Ankunftstages zur Geburtskirche, die an jenem Platz errichtet sein soll, auf dem sich der Stall befand, in dem Jesus geboren wurde. Die Touristen stapelten sich schon vor dem Eingang und drinnen war so ein Gedränge, dass man etwa drei Stunden hätte anstehen müssen, um den Stern im Boden sehen zu können, der die Stelle markiert, an der Jesus geboren sein soll. Um die Geburtskirche in Ruhe betrachten zu können, möge man – so blöd es auch klingen mag – in die ZDF-Mediathek gehen und sich den Beitrag „Weihnachten in Bethlehem“ vom 24.12.2017 u. a. mit einem Auftritt Peter Maffays anschauen. Das war echt eine nette Sendung und lieferte im Nachzug der Reise viele Aha-Erlebnisse à la „Ach so sieht also die Geburtsstelle Jesus‘ bzw. die Katharinenkirche von innen aus!“. Die Katharinenkirche, in der jedes Jahr der traditionelle Weihnachtsgottesdienst stattfindet, liegt direkt neben der Geburtskirche, war aber während des Zeitpunkts unserer Besichtigung wegen einer Hochzeit geschlossen.

Mehr konnten wir aufgrund der schon vorgerückten Stunde in Bethlehem leider nicht besichtigen, obwohl ich gerne noch durch die schmalen Gassen geschlendert wäre, die vom großen Platz vor der Geburtskirche (Manger Square) abzweigten. Aber stattdessen hieß es „ab in die Heia“, denn zwei sightseeing- und geschichtslastige Tage in Jerusalem standen uns bevor – der krönende Abschluss dieser Reise.

Einen Einschub erlaube ich mir noch, da er eher zu Bethlehem als zu Jerusalem gehört: Am letzten Tag unserer Reise besuchten wir morgens Beit Jala, eine palästinensische Kleinstadt, die fast nahtlos in Bethlehem über geht, und in der sich ein Rehabilitationszentrum für behinderte Kinder und Jugendliche, „Lifegate. Tor zum Leben„, befindet. Passend zum Ort, der eine mehrheitlich christliche Bevölkerung aufweist, handelt es sich bei der deutsch-palästinensischen Einrichtung, um eine von kirchlichen Trägern (Caritas, Diakonie) unterstützte Stätte, die jedoch offen für alle Konfessionen ist. Der Verein, der Lifegate in Deutschland vertritt, heißt Tor zum Leben e. V.

Eine deutsche Mitarbeiterin, die, passend zu unserer sächsischen Reisegruppe, aus einer Kleinstadt bei Dresden kam, und die schon seit vielen Jahren in der Einrichtung als Therapeutin arbeitet, führte uns herum und erklärte uns das Konzept. Hauptanliegen ist es, behinderte Kinder und Jugendliche, deren Existenz für die Familien und die paläsinensische Gesellschaft leider vorwiegend tabuisiert wird bzw. beschämend ist, sollen befähigt werden, ihr Leben selbst zu meistern. Dazu erhalten sie zum einen Unterricht und Therapie, und zum anderen die Möglichkeit, sich in verschiedenen Tätigkeiten und Handwerken auszuprobieren bzw. eine Art Ausbildung zu machen (z. B. Holzbearbeitung, Wäscherei, Keramikherstellung). Es war absolut beeindruckend, was die Einrichtung mit ihrem deutsch-palästinensischen Team und zeitweisen internationalen Freiwilligen hier leistete. Hut ab! Um zumindest einen kleinen Unterstützungsbeitrag zu leisten, stürmte unsere Reisegruppe den Souvenirladen und erwarb einige der lokal hergestellten Produkte. Definitiv ein Besuch, der in Erinnerung bleiben wird!

Die Mosaikstadt Madaba, Berg Nebo, der „Grand Canyon Jordaniens“ und Abendsonne in Kerak

Nach unserer zweiten Nacht in Amman setzten wir unsere Reise gen Süden fort – am Abend sollten wir Wadi Musa, die an der Nabatäerstätte Petra gelegene Kleinstadt, erreichen. Doch bis dahin standen noch einige Highlights auf dem Programm: Zuerst ging es nach Madaba, wo sich ausnahmsweise einmal die Touristen drängten. Zu sehen gab es dort ein Mosaik, das sich auf dem Boden der griechisch-orthodoxen Georgskirche befindet, und Palästina im 6. Jahrhundert darstellt. Jerusalem ist als eine von einer Stadtmauer umringte Ortschaft gut zu erkennen. Dieses Mosaik und viele weitere sind Ende des 19. Jahrhunderts, als die Stadt mit arabischen Christen wiederbesiedelt wurde, ausgegraben worden. Seit 746 als ein Erdbebeben Madaba zerstört hatte, war die Stadt nämlich unbewohnt gewesen.

Nach Madaba fuhren wir hinauf auf den 808 m hohen Berg Nebo, von dem aus man einen herrlichen Panoramablick ins Jordantal, auf’s Tote Meer und nach Israel rüber hat. In der Bibel war Berg Nebo der Ort, auf den Moses, nachdem er das Volk der Israeliten aus Ägypten herausgeführt hatte, angeblich 120-jährig hinaufstieg und von wo aus er „Das Gelobte Land“ sah. Ihm war es jedoch nicht vergönnt, dorthin zu gelangen und so starb er auf dem Berg.

Heute befindet sich auf Berg Nebo eine katholische Taufkapelle und ein Kloster des Franziskanerordens. Im Innern der Taufkapelle konnten wir ein zweites Mal an diesem Tag Mosaike besichtigen: hauptsächlich Jagdszenen und Ornamente. Nebenbei lauschten wir der Messe, die gerade von einer indischen Reisegruppe abgehalten wurde.

Ein drittes Mal in den Genuss von Mosaiken kamen wir beim Besuch einer Werkstatt, in der wir sehen konnten, wie z. B. Geschirr oder Wandtafeln in Handarbeit mit Mosaiken beklebt wurden. Der Werkstattleiter erklärte uns in erstaunlich gutem Deutsch den Herstellungsvorgang und lotste uns dann – Überraschung – in einen riesigen Touristenshop. Das meiste war jedoch einfach nur nutzloser Kitsch – an mir verdiente der Laden jedenfalls keinen müden JD (sprich: Dsche-di) wie der Jordanische Dinar hier genannt wird.

Kurz vor dem Mittagessen hatte unser Guide Mohamed noch eine Überraschung parat. Wir sollten im Bus die Augen für ein paar Momente schließen und schauten dann – wow!!! – in den gigantischen Canyon des Wadi Mujib (Mujib-Tal) hinaus. Ein Stop am Aussichtspunkt durfte natürlich nicht fehlen. Die beduinischen Verkäufer boten Teppiche und Wollsachen an. Irgendwie erinnerte mich diese Szenerie sehr an Peru, insbesondere an den Colca-Canyon, wo auch an jedem Aussichtspunkt (indigene) Frauen gesessen hatten, um ihre Wollsachen feilzubieten. Das Wadi Mujib ist ein Naturschutzgebiet und bietet die Möglichkeit zu Trekking- und Kanutouren. Vielleicht was für die nächste Jordanienreise? 😉

Zum Futtern kehrten wir in das weit und breit einzige Restaurant mit einem theoretisch tollen Ausblick in die Umgebung ein. Praktisch jedoch mussten wir aufgrund der vielen Wespen von der Terasse nach innen flüchten. Die Innendeko des Restaurants war sehr eigenwillig und bestand aus vielen Haushaltsgegenständen, die schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatten und die zwischen den nackten Steinmauern aufgestellt waren. Zudem bemerkten wir, dass wir nicht die ersten Deutschen in diesem Restaurant gewesen waren: Die „Mainzer Hofsänger“ hatten 1998 ein Konzert zur Restauranteröffnung gegeben wie ein vergilbtes Foto an der Wand zeigte. Laut Wikipedia gibt es diesen semiprofessionellen Chor bereits seit 1926!

Das letzte Highlight des Tages stellte die Kreuzfahrerburg von Kerak dar, auch Crac des Moabites (Moabiter-Festung) oder Le Pierre du Désert (Stein der Wüste) genannt. Diese besichtigten wir im goldenen Schein der Abendsonne im Sauseschritt, denn wir hatten noch ein gutes Stück Weg bis nach Wadi Musa zurückzulegen.

 

 

 

Wasser, Schlamm und Meer: Die Taufstätte Bethanien und ein Bad im Toten Meer

Nachdem wir die jordanische Hauptstadt am dritten Reisetag sightseeingtechnisch ganz gut „abgegrast“ hatten, fuhren wir südwestlich aus der Stadt heraus bis an den Jordan heran. Zunächst mussten wir einen Checkpoint passieren, da wir uns, so nah an der jordanisch-israelischen (bzw. jordanisch-westjordanländischen) Grenze in militärisches Sperrgebiet begaben. Dann fuhren wir durch eine surrealistisch wirkende Wüstenlandschaft bis nach Bethanien, die Stelle, wo laut Bibel Jesus durch Johannes den Täufer getauft worden sein soll. Sucht man nach Bethanien bzw. Bethany findet man einige Dutzend Orte weltweit, die so benannt sind. Ich kannte z. B. das Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg, das früher einmal ein Krankenhaus gewesen war und heute unter Denkmalschutz steht. Um den Ort in Jordanien zu finden, muss man z. B. bei Wikipedia nach „al-Maghtas“ suchen, was Arabisch für „die Taufstätte“ steht, wobei umstritten ist, dass sich das biblische Bethanien tatsächlich genau an diesem Ort befunden hat. Zumindest aber wurde al-Maghtas in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen und wir konnten viele Pilgertouristen vor Ort antreffen. Unser Guide Mohamed erzählte uns, dass die Taufstelle am Jordan bis 1994 nicht für Jordanier zugänglich und das Gelände stark vermint gewesen sei. Erst 2002 wurde das Gelände dann wieder für Besucher geöffnet.

Wir wanderten von einem riesen Taufbecken aus durch einen trockenen Gestrüppwald und kamen schließlich an der Taufstätte heraus, die von einigen Mosaiken mit Erläuterungen und Bildern mit christlichen Motiven (u. a. vom Papstbesuch Johannes Paul II.) gesäumt war. Etwas weiter gelangte man zur Johanneskirche und dem direkten Zugang zum Jordan. Am Fluss gab es Umkleidekabinen, in denen man sich im Falle einer Taufe in sein weißes Taufgewand kleiden konnte, was aber aus unserer Gruppe niemand tat. Man konnte am Jordan stehend direkt rüber nach Westjordanland schauen und sehr genau sehen, wo die Grenze zwischen Jordanien und dem Westjordanland verläuft. Auf westjordanischer Seite kamen ganze Horden von Pilgern in weißen Taufgewändern die Stufen zum Fluss hinunter und ließen sich durch komplettes Eintauchen im Wasser taufen. So heilig der Fluss ja sein mag, ich hätte mich da nicht freiwillig reinbegeben. Die schlammigbraune Farbe des noch etwa 3 m breiten Rinnsals sah nicht gerade einladend aus und abgesehen davon, dass aus ihm ziemlich viel Wasser für die Trinkwasserversorgung und Landwirtschaft abgezweigt wird, so werden auch viele Abwässer in diesen Fluss geleitet. Ein trauriges Schicksal und wenn die Anrainerstaaten nicht gut aufpassen, wird der Jordan vielleicht selbst bald „über den Jordan gegangen“, sprich versiegt, sein.

 

Von Bethanien aus ging es weiter zum Toten Meer, dem tiefstgelegenen See der Erde. Dieser Superlativ bedeutet lediglich, dass das Seeufer das tiefstgelegenste der Welt ist (794 m Tiefe); der Baikalsee weist hingegen den tiefstgelegenen Seegrund der Welt auf (1.186 m Tiefe). So, wieder was Unwichtiges gelernt!

Wir checkten in einem der Hotelressorts ein, die das Ufer des Toten Meeres säumen, und hatten dann den ganzen Nachmittag zur freien Verfügung, um im Toten Meer und den Swimming Pools des Hotels baden zu gehen. Das Tote Meer verdankt seinem Namen bekanntlich dem extrem hohen Salzgehalt, der es weitgehend lebensfeindlich macht (wenn man mal von ein paar hartgesottenen Bakterien und Algen absieht). Es weist einen zehnmal höheren Salzgehlt als das Mittelmeer auf (falls das bei der Vorstellung irgendwie hilft) und das Wasser schmeckt einfach abscheulich. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, zwickt das Salz auch ganz schön auf der Haut wenn man ins Wasser geht. Aber dann, welch Wunder, drehen sich alle Extremitäten tatsächlich immer automatisch nach oben. Man scheint im Wasser zu schweben und kann richtig die Füße auf der Wasseroberfläche ablegen. Echt abgefahren! Natürlich durfte die obligatorische Zeitungslektüre für das stereotype Touristenfoto nicht fehlen! 😉 Nach dem Bad fühlte sich die Haut herrlich weich an. Ich wollte mir noch etwas besonders Gutes tun und begab mich zu einem riesen Trog mit Totes-Meer-Schlamm. Gerade als ich meine Hand schon in den Trog gesteckt hatte, um mich mit dem Schlamm einzuschmieren, bekam ich dir klare Ansage des Trogwächters, dass das doch jetzt 3 Dollar kosten solle. „Och nö!“, dachte ich, „für so ein bisschen Schlamm gleich 3 Dollar bezahlen“ und zog meine Hand schnell wieder aus dem Trog heraus. Zumal das Gerücht umging, dass es sich gar nicht um echten Totes-Meer-Schlamm handeln sollte…

Auch das Tote Meer hat ein ziemlich trauriges Schicksal zu erleiden, denn da es vom Jordan gespeist wird und der ja immer weniger Wasser führt, so sinkt auch der Meeresspiegel des Toten Meeres jedes Jahr kontinuierlich um etwa 1 m. Hierzu gab es im Januar 2017 einen entsprechenden Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Mittlerweile versucht man Wasser aus dem Roten Meer über eine Entsalzungsanlage weiter ins Tote Meer zu leiten, um das zu verhindern, was bereits mit dem Aralsee bittere Realität geworden ist: Der See, dessen ehemaligen Seehafen und Seegrund ich 2012 in Moynak in Usbekistan besuchte, ist zum größten Teil ausgetrocknet und die noch vorhandenen Wasserflächen sind in mehrere Teile zerfallen. Hoffen wir, dass die Anrainerstaaten ihre Schlüsse daraus ziehen…

 

Station 1 im Heiligen Land: Nazareth & See Genezareth

Nach acht Jahren „Abwesenheit“ führte mich eine Reise Anfang bis Mitte November 2017 wieder in den Nahen Osten, genauer gesagt nach Israel inklusive Westjordanland, sowie Jordanien. In Jordanien, Syrien und Libanon war ich im Herbst 2009 noch während des Studiums gewesen, hatte zu diesem einmonatigen Aufenthalt damals jedoch leider keinen Blogeintrag verfasst. Anlass genug, es nun endlich einmal zu tun und zumindest die Fotos online zu stellen. Insbesondere in Syrien sieht ja heute leider fast nichts mehr so wie damals aus und ein Ende des Krieges scheint bis heute nicht in Sicht. 😦 Anfangen jedoch möchte ich mit den Bildern von Jordanien 2009, da diese rein geographisch einfach zu meiner gerade zurückliegenden Reise passen. Ich werde in den entsprechenden Blogeinträgen daher auf die Fotos von 2009 verlinken.

Aber zurück in die Gegenwart: Am Sonntag, den 5. November 2017, war es endlich soweit: Ich und meine Familie machten uns in aller Herrgottsfrühe auf zum Flughafen Berlin-Schönefeld. Das Wort „Herrgottsfrühe“ passt rein von seiner Bedeutung her auch perfekt zur bevorstehenden Reise, die wir bei dem Leipziger Reiseveranstalter „Reisemission Leipzig“ gebucht hatten und die uns auf die Spuren des Christentums ins Heilige Land führen sollte. Die restliche Reisegruppe bestand aus katholischen und evangelischen Gemeindemitgliedern aus Dresden und dem Erzgebirgskreis, wobei die Reise an sich für alle Konfessionen und auch Nichtgemeindemitglieder offen war. Wir hatten ein straffes Programm von zehn Tagen vor uns, bei dem wir zwischen Israel, Jordanien und dem Westjordanland hin- und herreisen würden. Am Flughafen in Berlin machten wir bereits erste Bekanntschaft mit dem israelischen Sicherheitswahn: Persönliches Interview mit einem Mitarbeiter mit Fragen à la „Kennen Sie die Reisegruppe?“, „Wer hat das Reiseprogramm erstellt?“, „Wo übernachten Sie?“ bis hin zu „Wo und was arbeiten Sie?“. Danach wurde unser Handgepäck auf Sprengstoffspuren getestet und durchwühlt und wer „Glück“ hatte, dessen Aufgabegepäck wurde auch noch einmal akribisch durchsucht. Ich hatte die ganze Zeit wie auf glühenden Kohlen gesessen, graute es mir doch davor, mich rechtfertigen zu müssen, warum ich einen tunesischen Stempel im Pass und ein arabisches Wörterbuch dabei hatte. Doch… nichts! Die Sicherheitsbeamten blätterten nicht einmal in meinem Pass um sich den Stempelteil anzusehen. Gott sei Dank (um bei den religiösen Formeln zu bleiben) erhielten wir auch keinen israelischen Stempel in den Pass – sehr praktisch, wenn man demnächst noch einmal beabsichtigt, in ein arabisches Land zu reisen. Die meisten der arabischen Länder stehen offiziell noch im Krieg mit Israel und würden angesichts eines israelischen Stempels im Pass Ihrerseits unangenehme Fragen bei der Einreise stellen. Witzigerweise wurde meine Mutter noch einmal zu den Sicherheitsbeamten gerufen als wir bereits kurz vor dem Abflug am Gate saßen. Sie zeigten ihr ein mit dem Handy aufgenommenes Foto vom Inhalt ihres Aufgabegepäcks und fragten warum sie denn zwei Reiseführer (einen zu Israel und einen zu Jordanien) dabei hätte. Sehr verdächtig! Aber das Argument, dass wir schließlich in beide Länder reisen würde, nahm wohl jedem Verdacht den Wind aus den Segeln und so durfte meine Mutter mitfliegen. 😉

DSCF3920
El Al – die staatliche israelische Fluggesellschaft

Wir landeten am Nachmittag im Flughafen von Tel Aviv – es ist, glaube ich, unnötig zu erwähnen, dass dieser Flughafen größer, moderner, einladender, etc. als der Berliner Flughafen aussah, von dem wir gestartet waren. 😉 Bei der Einreise gab es zum Glück keine weiteren Interviews und nachdem uns unser erster Reiseführer namens Ariel eingesammelt hatte, ging es schnurstracks per Bus an unser erstes Ziel, Nazareth.

Nazareth ist die Heimatstadt von Jesus, weswegen er auch als „Jesus von Nazareth“ bekannt ist. Die Stadt Nazareth wird mehrheitlich von (arabischen) Christen und Muslimen bewohnt; die danebenliegende Schwesterstadt Nazareth-Illit mehrheitlich von Juden. Unser Hotel der Kette „Rimonim“ (Hebräisch für „Granatapfel“) lag fast direkt am zentralen Platz Nazareths, um den sich einige Restaurants, Bäckereien und Bars herum gruppierten. Direkt gegenüber des Hotels befand sich zu meiner Freude ein arabischer Obst- und Gemüseladen, bei dem ich meine verschüttgegangenen Arabischkenntnisse zumindest beim Einkaufen wieder etwas zur Anwendung bringen konnte. Ich kaufte eine Tüte voll Sternfrüchte (auch „Karambola“ genannt), die mich die nächsten Tage als „Zwischendurch-Snack“ begleiten sollte und musste angesichts der doch recht hohen, mit Deutschland vergleichbaren Preise, erst einmal schlucken.

Am ersten Ausflugstag fuhren wir zum See Genezareth, dem See also, auf dessen Wasser Jesus gewandelt sein und in dessen Umgebung er gewirkt haben soll. Auf Hebräisch wird der See interessanterweise Yam Kinneret („Harfensee“) genannt, was sich von seiner harfenähnlichen Form ableitet. Nördlich, teils aus den Golanhöhen, teils aus dem Libanon kommend, fließt der Jordan in den See Genezareth hinein und südlich wieder hinaus weiter bis zum Toten Meer. In Jordanien, dem Land, dem der Fluss seinen Namen gibt, sollten wir später erneut auf ihn treffen. Der See stellt Israels wichtigstes Trinkwasserreservoir dar.

In einer nur für unsere Reisegruppe reservierten Barke schipperten wir auf den See hinaus. Es war ein herrlicher, friedlicher Anblick wäre da nicht die benachbarte Barke mit US-amerikanischen, offensichtlich schon gut alkoholisierten Insassen gewesen, die lauthals ihre Nationalhymne zum Besten gaben… Auf dem See konnte man hinüber in die Golanhöhen schauen – ein eigentlich zu Syrien gehöriges Gebiet, das Israel seit 1967 besetzt hält. Dies ist der Grund warum es zwischen beiden Ländern bis heute keinen Friedensvertrag gibt. Wie bereits erwähnt, entspringt in diesem Gebiet einer der Jordanzuflüsse, ein im trockenen Klima dringend benötigter und daher heiß umkämpfter Trinkwasserlieferant. Auf den Golanhöhen leben überwiegend Drusen, eine Religionsgemeinschaft, die sich einst vom schiitischen Islam abspaltete, heute aber i.d.R. als eigene Religion betrachtet wird.

Vom See Genezareth ging es hinauf zum Berg der Seligpreisungen, auf dem Jesus seine Bergpredigt gehalten haben soll. Auch wenn man es auf den Fotos unten kaum sieht: Auf dem Berg war ordentlich was los! Hier wie auch an allen anderen christlich bedeutsamen Orten, die wir in Israel besuchen sollten, waren Massen an Pilgertouristen unterwegs. Interessanterweise konnte man viele Nationalitäten sehen, denen man als „normale“ Touristen sonst auf Reisen kaum begegnet, insbesondere indische und afrikanische (z. B. kenianische, südafrikanische) Reisegruppen.

Wir, als „typisch deutsche“ Reisegruppe, ließen es uns dann natürlich nicht nehmen, ein Stück zu Fuß zu gehen. Und so liefen wir immer das herrliche Panorama des See Genezareth vor Augen vom Berg der Seligpreisungen hinunter zur Ortschaft Tabgha.

In Tabgha besichtigten wir zuerst die so genannte Primatskapelle, in deren Inneren sich die Pilger bewaffnet mit Selfiestick und Kamera um die „Mensa Christi“ (Tisch Christi) scharrten. Der Steinblock soll den Tisch darstellen, an dem Jesus gemeinsam mit seinen Jüngern Fisch gegessen hatte, nachdem er ihnen nach seiner Auferstehung am See Genezareth erschienen war. Er erteilte Petrus dabei das Primat, künftig die Kirche führen zu dürfen („Weide meine Lämmer! […] Weide meine Schafe! […] Weide meine Schafe!“).

Neben der Primatskapelle gibt es in Tabgha noch die Brotvermehrungskirche, unter deren Altar sich ein Mosaik befindet, das zwei Fische zeigt, die ein Gefäß mit Broten einrahmen. Das Motiv erinnert an die „wundersame Brotvermehrung“, einer der Wundertaten Jesus‘: mit fünf Broten und zwei Fischen nahm er die „Speisung der 5.000“ vor, hatte also Brot und Fisch so sehr multipliziert, dass er damit 5.000 Menschen zu Essen geben konnte. Die römisch-katholische Brotvermehrungskirche steht heute unter der Leitung von Benediktinern, genauer gesagt dem „Deutschen Verein vom Heiligen Lande“ wie auf einem Schild zu lesen war. Es handelt sich um einen Verein mit Sitz in Köln, der sich auf seiner Website als „Hilfswerk für die Christen im Nahen Osten“ bezeichnet. Er unterhält u.a. das zur Brotvermehrungskirche gehörige Kloster sowie ein Pilgerhaus in Tabgha.

Nach so viel Historie und christlichen Pilgerorten durfte ein üppiges Mittagessen nicht fehlen. Wir entschieden uns gegen das Verspeisen eines „Petrus-Fischs“ in einem überfüllten Tourirestaurant und kehrten stattdessen in ein typisch kitschig-bunt-arabisches Restaurant ein, das wir ganz für uns alleine hatten. Wir fielen ausgehungert über die leckeren arabischen Vorspeisen (Mezze) her. Da brauchte man gar keine Hauptspeise mehr!

Den vorerst letzten Besichtigungsstopp rund um den See Genezareth legten wir in Kapernaum ein, dem Geburtsort Petrus‘. Dort fand man bei Ausgrabungen u. a. Reste eines Fischerhafens und einer Synagoge. Heute steht auf dem Gelände des ehemaligen Hauses Petrus‘ die – wie sollte es anders sein – Petruskirche, die von außen ob ihrer achteckigen Form aber eher wie ein UFO aussieht.

Zurück in Nazareth stand noch die Verkündigungsbasilika auf dem abendlichen Programm: Am Ort der Mariengrotte soll der Erzengel Gabriel Maria die baldige Geburt ihres Sohnes, des Gottessohnes, verkündet haben. Die 1955 von einem italienischen Architekten erbaute Basilika erinnerte mich mit ihrem Rohbetonstil an die Basilika „Nuestra Señora de la Altagracia“ in Higüey in der Dominikanischen Republik. Am interessantesten war der untere Teil mit dem Altarraum, wo gerade ein Gottesdienst stattfand, und der Außenhof der Basilika: Hier waren die Wände mit Mariendarstellungen aus verschiedenen Ländern geschmückt, die sich je nach Kultur stark voneinander unterschieden. Da hing eine thailändische Maria neben einer venezuelanischen Darstellung und diese neben der aus Deutschland stammenden Darstellung einer Maria mit zwei Kindern vor sich – ein Hinweis auf die deutsch-deutsche Teilung, die bei Entstehung des Bildes noch Realität gewesen war.

Am nächsten Morgen huschten wir vor der Weiterfahrt nach Jordanien noch schnell in die kleine griechisch-orthodoxe Kirche am zentralen Platz Nazareths.

Ein Couchsurfer kommt selten allein – Ausflug nach Erriadh und Ajim

Am zweiten Tag meines Djerba-Aufenthaltes fasste ich den kühnen Plan eine Radtour auf der Insel zu machen. Erste Herausforderung war es an ein Fahrrad zu kommen. Laut meinem Hotel und laut der Touristeninformation in Houmt-Souk gab es angeblich keine Leihfahrräder in der Stadt, sondern nur in der östlich gelegenen Zone Touristique, d. h. dem Küstenstreifen aus Betonburgen alias Pauschalhotels, Souvenirshops und Casinos. Der Taxifahrer hatte eine ungefähre Ahnung wo es Fahrräder auszuleihen gab und fuhr mich (wie ich erst später anhand einer Karte nachvollzog) bis fast ans östliche Ende de Zone Touristique, wo er mich bei einem Squad-Verleih absetzte, der auch Fahrräder verlieh. Der Verleih für zwei Tage war schnell geregelt und so saß ich schon kurze Zeit später auf einem vermutlich schon längere Zeit nicht mehr genutzten Rad und strampelte die Hauptstraße zurück Richtung Houmt Souk. Der schmale Sattel des Rads entpuppte sich als recht unbequem und auch die Lenkerhöhe musste ich bei zweimaligen Stopps in Fahrradwerkstätten noch einmal regulieren lassen. Aber nun gut, eine Auswahl hatte ich ohnehin nicht gehabt und ich war froh, dass es an diesem Tag nicht so heiß war und eine frische Brise wehte.

Mein Ziel sollte die südlich der Inselhauptstadt gelegene Kleinstadt Erriadh sein, in der noch heute viele der auf Djerba verbliebenen Juden leben und in der es eine Synagoge, La Ghriba („die Fremde“), gibt. Diese Synagoge erlangte 2002 traurige Berühmtheit als davor ein mit Flüssiggas beladener LKW explodierte, wobei 21 Menschen, darunter 14 Deutsche, starben. Als ich an der Synagoge ankam, war diese durch eine Polizeisperre abgesichert. Ich stellte mein Fahrrad auf den Parkplatz und lief bis zum Eingang der von außen unscheinbar wirkenden Synagoge. Drinnen zeigte sich ein ganz anderes Bild: bunte Kacheln, arkadenhafte türkis-weiß angestrichene Pfeiler, die mich an die Mezquita-Kathedrale von Córdoba erinnerten, bunt bemalte Holzdecken, ein mit rot-goldenen Stoffen verhängter Thoraschrein und Beschriftungen sowohl auf Hebräisch als auch Arabisch. Faszinierend! Viel Zeit zum Staunen hatten ich und die anderen Besucher nicht, denn es war bereits 13 Uhr und der mürrisch wirkende Synagogenwächter wollte gerne in die Mittagspause gehen. Immerhin konnte ich mir noch die danebenliegende Pilgerherberge ansehen, denn La Ghriba ist jedes Jahr 33 Tage nach Ostern Ziel der größten jüdischen Wallfahrt in ganz Nordafrika. Neben meiner Wenigkeit war auch noch eine Gruppe Reisender mit den in den Hof der Herberge hinübergelaufen, die mich fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. Wie sich im Gespräch herausstellte, waren es alles Couchsurfer: zwei aus Tunesien, ein Algerier, eine Iranerin und ein Vietnamese! Das passte ja mal wieder wie die Faust auf’s Auge, hatte ich doch diesmal im Vorfeld meiner Reise keine Couchsurfing-Leute kontaktiert, weil ich keine Lust und keine Zeit gehabt hatte. Aber so spielte mir der Zufall in die Hände und wir beschlossen gleich alle zusammen Mittagessen zu gehen.

Am Nachmittag drehten wir eine Runde im „Djerbahood“ genannten Ortsteil von Erriadh, in dem gerade ein Kulturfestival stattfand. Choukri, der selbst aus Djerba stammt, zeigte uns zudem noch zahlreiche Wandmalereien, die sich hinter jeder Ecke von Djerbahood verbargen – mal in mehr, mal in weniger gutem Zustand. Zwei Tage später sollte ich übrigens noch einmal nach Djerbahood kommen, um weitere Wandmalerein zu fotografieren, so dass an dieser Stelle Fotos von beiden Tagen zu sehen sind.

Für den Abend hatten wir uns zu einer Bootsfahrt vom südlich gelegenen Ajim aus verabredet, wo ein Cousin von Choukri ein Boot besaß und bereit war uns zum Sonnenuntergang zu einer unbewohnten Insel herüberzuschippern. Auf der Insel herrschte eine ganz eigene Stimmung: Über unseren Köpfen kreisten laut kreischende Möwen und im niedrigen Gestrüpp musste man aufpassen nicht in eines der Möwennester zu treten. Nach dem Bootsausflug und einem kleinen Umtrunk in der „Strandbar“ von Ajim kehrten wir per Auto Richtung Houmt Souk zurück und fuhren zum „Centre International Méditerranéen“, einem riesigen Haus, das einem gewissen Professor Yamoun gehört, und in dem alle Couchsurfer übernachteten. Mittlerweise war es bereits gegen 23 Uhr, was Salim, den Algerier, jedoch nicht davon abhielt, auf die Schnelle für uns alle zu kochen. Innerhalb von 30 Minuten hatte er ein riesiges Menü auf den Tisch gezaubert, von dem wir alle gar nicht mehr so viel essen konnten. Bevor ich zurück ins Hotel fuhr, musste ich mich von den meisten der Reisegruppe auch schon wieder verabschieden, da sie am nächsten Tag zurück nach Tunis fuhren. Es blieb eigentlich nur Salim noch da und mit ihm und Professor Yamoun sollte ich an einem der kommenden Tage noch eine spannende Tour durch Südtunesien unternehmen. Doch dazu mehr im übernächsten Blogeintrag!

P.S.: Danke an meine Co-Fotografen!

Massentourismus und Wallfahrten: Punta Cana / Bávaro und Higüey

Es wurde noch touristischer als wir unseren Weg am nächsten Tag über La Romana nach Punta Cana bzw. in das nördlich davon gelegene Bávaro fortsetzten. „Punta Cana“ ist das Schlagwort für Massentourismus und ein Resort neben dem nächsten direkt am weißen Strand mit türkisblauem Meer im Hintergrund. Und so war es auch: Die Touristen lagen wie die Sardinen dichtgedrängt auf ihren Strandliegen am abgesperrten Hotelstrand, hatten Unterhaltungsangebote wie Zumba oder Volleyball oder konnten einen Ausflug auf einem „Piratenschiff“ buchen. Scheußlich, nichts für mich und alles andere als Erholung! Wir fanden zum Glück bald den öffentlichen Strandbereich, in dem man Gottseidank nicht so dicht mit anderen Leuten aufeinander hockte und genauso gut Sonne und Meer genießen konnte.

Wir übernachteten in einem kleinen venezuelanisch-dominikanisch geführten Gästehaus etwas außerhalb des Zentrums von Bávaro, wobei dessen Personal schon ziemlich verpeilt war und das Herrichten unseres Zimmers ewig gedauert hatte. Bávaro und das südlich gelegene Punta Cana sind ziemlich gesichtslose Städtchen, deren Zentrum einfach nur wie die Kopie einer US-amerikanischen, künstlichen Stadt mit kleinen Einkaufsmalls aussieht. Immerhin konnte man abends sehr lecker, wenn auch etwas teurer als in anderen Landesteilen, essen gehen und so gönnten wir uns mal wieder eine Portion frischen Fisch und Cocktails direkt am Meer.

Überall in Bávaro wird schrecklicher Souvenirkitsch verkauft: bunt bemalte Pseudo-Taino-Figuren, Taschen mit „Punta Cana“-Schriftzug wie man sie z. B. mit „Barcelona“-Schriftzug aus Europa kennt, Holzdildos (Jaja, der Sextourismus hier sollte nicht vergessen werden!), etc. Auf der anderen Seite gibt es in den Malls überall teure Boutiquen, die hochwertige Klamotten vor allem US-amerikanischer Marken verkaufen. Was noch interessant ist: Fast alle Werbeschilder sind auf Spanisch, Englisch und Russisch (!) verfasst – es scheinen sehr viele neureiche Russen nach Punta Cana zu reisen und dort oft auch Immobilien zu kaufen.

Sonntagmorgen hieß es dann leider schon Abschied nehmen, denn Olga und Yasmin würden am Dienstag zurück ins kalte Deutschland fliegen und ich musste noch am selben Tag zurück nach Jarabacoa, um Montag wieder auf der Arbeit zu sein. Den Rückweg nahm ich über die etwa 50 km östlich von Punta Cana gelegene Stadt Higüey, die im ganzen Land bekannt für ihre Basilika, Nuestra Señora de la Altagracia, ist, die eine ungewöhnlich monumentalistische Architektur aufweist und auch auf dem 50-Pesos-Schein abgebildet ist. Jeden 21. Januar, dem Día de la Altagracia, wird die Basilika zum Wallfahrtszentrum und tausende Pilger kommen, um das im Inneren der Basilika aufbewahrte Bildnis der heiligen Jungfrau anzubeten und zu berühren. Auch als ich dort war, war die Kirche gut mit Menschen gefüllt, die Schlange am Marienbild standen, um es einmal kurz berühren zu dürfen (Es gab einen Aufpasser, der dafür sorgte, dass niemand zu lange vor dem Bildnis verharrte). Das ganze wurde von ständigen Gebeten begleitet, die zwei Frauen per Mikrofon mantraartig herunterspulten. Das Kirchenschiff war wirklich sehr außergewöhnlich und beeindruckend mit seinem Mix aus rohem Beton und bunten Glasfenstern.

Doch lange hielt es mich nicht in Higüey: Ich setzte meinen Weg nach etwa einer Stunde Aufenthalt per Bus nach Santo Domingo fort, vorbei an Zuckerrohrfeldern, die die ganze flache Landschaft des Ostens der Insel prägen. Von Santo Domingo aus nahm ich schließlich den Bus zurück nach Jarabacoa, wo mich der Alltag schnell wieder einholte.

Pilgerort Almada

Almada ist eine auf der anderen Meeresarmseite gelegene Vorstadt Lissabons, die genau eine Sehenswürdigkeit hat, die man in Lissabon von fast überall aus der Ferne sehen kann: eine 28 m hohe Christusstatue, Cristo Rei, auf die man hinauffahren und einen weiten Blick über Lissabon, Almada und Umgebung hat. Gesagt, getan. Wir nahmen die Fähre von Lissabon und Almada, wo wir anschließend per Tram und per pedes hinauf zum Platz um die Christusstatue herum gelangten. Dort sah man die Einrichtungen eines lebhaften Pilgertourismus‘: eine Pilgerherberge, sowie einige Restaurants und Souvenirläden. Als wir an der Kasse anstanden, mussten wir uns durch eine große Rentnerreisegruppe aus spanischen Pilgern kämpfen und konnten dann per Aufzug in einem Nu nach oben fahren. Dann noch einige hundert Treppenstufen zu Fuß und wir waren oben auf der Aussichtsplattform angelangt. Der Ausblick war besonders schön, da wir genau zur Dämmerungszeit oben waren. Der Verkehrslärm der nahegelegenen Vasco-da-Gama-Brücke drang bis nach oben und klang wie ein summender Bienenschwarm. Beim Blick auf das alles umgebende Wasser, konnte man sich gut vorstellen, wie vor einigen Jahrhunderten die ersten portugiesischen „Entdeckerschiffe“ in die weite Welt aufgebrochen waren.