Sancti Spíritus, schon wieder so ein christlich klingender Name! Wobei mich die Stadt mit ihren blauen Gebäuden überall mehr an das (muslimische) Marokko, genauer gesagt an Chefchaouen erinnert hat. Die blaue Farbe vieler Gebäude hatte, wie in Chefchaouen, einen abkühlenden (Placebo?-)Effekt, wenn man durch die Straßen hindurchwandert, wenn auch die drückende Hitze noch überwog. Und da mein Regenschirm, den ich noch aus der DomRep mitgebracht hatte das Zeitliche gesegnet hatte, entschloss ich mir im „Kaufhaus“ am Parque Serafín Sánchez einen neuen zu kaufen. Also, reingehen und in die Schlange am Verkaufstresen anstellen. Als ich nach einer halben Ewigkeit endlich an der Reihe war und die Verkäuferin mir einen schönen roten Regenschirm rausgesucht hatte, wollte ich nur noch flux bezahlen und dann so schnell wie möglich raus aus dem Kaufhaus. Doch es kam anders: Die Verkäuferin konnte den Strich- und Zahlencode für den Regenschirm nicht finden, d. h. konnte ihn nicht in das Buchhaltungssystems des Computers eingeben. Sie rief einige Kolleginnen um Hilfe, da sie ihren Posten hinter dem Verkaufstresen auch nicht verlassen durfte. Aber auch diese fanden den Code im Lager (oder wo auch immer sie danach suchten) nicht oder machten keine Anstalten nachzusehen. Als dann auch noch die Frauen, die weiter hinten in der Schlange standen, anfingen zu drängeln und zu nörgeln, wurde das der Verkäuferin alles zu viel und sie fing an zu weinen. Nun kamen andere Kolleginnen zu ihr, fragten was los sei, sie erzählte schluchzend von dem Problem mit dem Strichcode und meinte in meine Richtung, dass „Diese Kundin, die doch nur einen Regenschirm kaufen wolle, nun schon seit 20 Minuten hat warten müssen“. Gut, etwas übertrieben, aber so tauchte nun endlich eine Kollegin mit dem richtigen Strichcode auf und ich konnte endlich bezahlen. Der Regenschirm ist übrigens super und um einiges stabiler und robuster als die Regenschirme, die ich aus der DomRep kenne (ich habe mir dort mittlerweile schon mindestens drei kaufen müssen) – es lebe der Sozialismus und seine langen Produktlebenszyklen! 😉
Aber wie ihr euch sicher vorstellen könnt, ist Sancti Spíritus nicht primär für seine Regenschirme berühmt. Das Städtchen, dem nicht viele Touristen Beachtung schenken, weist zum Einen eine sehr schöne Brücke über den Yayabo-Fluss auf und zum Anderen, ebenfalls unten am Fluss gelegen, gibt es hier ein Museum der Guayabera-Hemden. Das sind diese typischen, etwas kastenförmig aussehenden Leinenhemden, die man von vielen Politikern aus der Karibik und Südamerika kennt, die aber auch sonst weit verbreitet sind, weil sie bei der Hitze einfach sehr angenehm zu tragen sind. Leider war das Museum gerade wegen Umbauarbeiten geschlossen, aber zumindest in zwei Ausstellungsräume konnte ich hineinschauen und ein paar Fotos von Hemden in Vitrinen machen, was, wie ich fand, recht ulkig aussah. Danach gönnte ich mir eine (leider völlig überteuerte) frische Zitronenlimonade auf der Museumsterrasse direkt am Fluss.
Am Abend nahm ich schließlich den Nachtbus bis Santiago de Cuba. Was mir am Busbahnhof von Sancti Spíritus auffiel, waren wie viele Schwule und Transsexuelle dort präsent waren. Einer schminkte sich in aller Öffentlichkeit ohne, dass es irgendjemanden interessierte oder er angestarrt wurde. Und neben mich setzte sich ein Typ in langem Kleid und Plateauschuhen, hatte zwei aneinander gebundene Hühner auf dem Schoß und grinste mich an, als er diese dann, als sein Bus kam, in einen Stoffbeutel stopfte und mitnahm. Ich hatte generell den Eindruck, dass Kubaner im Vergleich zu den meisten Dominikanern entspannter und toleranter mit „anders“ aussehenden und „orientierten“ Menschen umgehen als dies in der DomRep der Fall ist. Dort werde ich ja teilweise schon wegen meines „komischen“ Kleidungsstils kritisch von oben bis unten „abgescannt“ – und dann noch diese wirren, ungeglätteten Haare dazu – ts ts! 😉 Bzw. ist Homophobie leider ein sehr verbreitetes Phänomen in der DomRep. Dass das in Kuba etwas anders zu sein scheint, würde ich einfach auf die bessere Bildung der Menschen schieben, die trotz jahrzehntelanger Isolation einen weiteren Horizont zu haben scheinen als viele Dominikaner.
Übrigens merkte ich dann im Süden, in Santiago de Cuba angekommen, dass dieser ganz anders als der Norden und die Mitte Kubas ist und mich sehr stark an die DomRep erinnerte. Auf einmal wurde ich wieder überall auf der Straße von aufmerksamkeitsheischenden Männern oder nervigen Taxifahrern angesprochen oder sie gaben furchtbare „Knutschgeräusche“ von sich wenn ich vorbeiging. Das ging mir schon extrem auf die Nerven! In Baracoa, wo ich nach Santiago noch hinfuhr, und dafür den südlichsten Zipfel Kubas umrundete, merkte ich, wie ich wieder auf dem Dorf gelandet war, da alle einen anstarrten wenn man durch die Straßen lief. Übrigens schauen die Kubaner aus dem Norden und der Mitte verächtlich auf die ungebildeten „Campesinos“ (Bauern) aus dem Süden und vergleichen sie mit Dominikanern, eine Zuschreibung, die also durchaus negativ gemeint ist…