Pico Diego de Ocampo bei Santiago + Abschiedsabend in der Umweltschule Jarabacoa

Ende April stand mal wieder ein Besuch in Santiago bzw. diesmal auch in der Umgebung von Santiago an. Ich hatte nämlich im Naturreiseführer meines Mitfreiwilligen Manuels gelesen, dass es nordwestlich von Santiago den Pico Diego de Ocampo, 1.249m hoch und der höchste Berg der Nordkordilleren, zu erwandern gibt. Manuel war ebenfalls schnell überzeugt für die Wanderung von SAJOMA nach Santiago zu kommen und so fuhren wir dank Carlos, ein Freund, bei dem ich in Santiago übernachtete, mit dem Auto bis Jacagua, von wo aus wir den steilen Anstieg in Angriff nahmen. An diesem Tag war eine Affenhitze und unser Wasservorrat reichte gerade so bis zum Gipfel. Oben hatte man einen herrlichen Rundumblick, zum Einen auf das ganze Stadtgebiet Santiagos und zum Anderen bis zur Nordküste. Man konnte den unverkennlichen Berg Montaña Isabel de Torres bei Puerto Plata von hinten sehen sowie bis ans Meer bei Sosúa schauen. Das war echt ein toller Ausblick und hat den anstrengenden Aufstieg allemal wettgemacht!

Der Weg nach unten führte uns zum Glück durch ein in den Bergen gelegenes Dorf, wo wir uns unter den neugierigen Fragen der Colmado-Besucher mit neuem Wasser eindecken konnten. Alle Menschen, denen wir auf dem Weg begegneten grüßten uns höflich und waren angenehm zurückhaltend, was den Ausflug sehr angenehm machte. Wieder unten angekommen nahmen wir ein Guagua nach Santiago, gönnten uns eine ordentliche Portion „Pica Pollo“ (Chicken Wings) und fuhren dann „nach Hause“, d. h. Manuel nach SAJOMA, wo er ja wirklich wohnt, und ich zu Carlos und seiner Frau, wo mich bereits ein leckerer gekühlter Tamarindensaft erwartete. 🙂

Auf dem ersten Foto unten sehr ihr übrigens den Recycle-Garten von Carlos. Und nicht nur zum Anbau von Kräutern und Gemüse recycelt er Materialien, auch die Möbel im Haus hat er selbst aus Holzpaletten zusammengebaut, so wie man es ja aus vielen Bars mittlerweile in Deutschland kennt. Zudem durfte ich bei ihm noch selbstgemachten Minzlikör kosten und deckte mich mit ein paar seiner selbstgemachten Seifen ein, so dass ich bald wie ein wandelnder Schokoriegel duften werde. 😉

Eine Woche nach meinem Santiago-Ausflug blieb ich für ein Event an der Umweltschule von Jarabacoa vor Ort: Meine Mitfreiwillige Sarah und ich hatten seit einigen Monaten deren Englischlehrer Antonio immer mal wieder bei Englischprüfungen und -präsentationen mit den Studenten geholfen und nun stand der Abschlussabend vor der Tür. Programm: Ein Mix aus Mini-Playback- und Karaoke-Show, kleinen Sketchen auf Englisch und danach natürlich Tanz und Musik mit Bachata, Merengue & Co. Neben mir waren auch zahlreiche Amis da, die auch immer mal wieder im Englischunterricht geholfen hatten – fast alles Zeugen Jehovas, die den Abend nutzten, um (mal wieder) unter den Studenten zu missionieren (das hatten sie bereits schon während des Englischunterrichts getan!). Aber irgendwie schien das gar niemanden außer mir zu stören und selbst die Studenten, die nicht an den Zeugen Jehovas interessiert waren, nahmen das alles mit großer Gelassenheit hin. Bei uns als Sekte verschrien, werden die Zeugen Jehovas hier ziemlich wohlwollend aufgenommen, denn sogar ein Kollege erzählte mir, dass er manchmal an deren Bibelstunden teilnehme. Kein Wunder, dass es hier bis ins letzte „Kuhkaff“ einen Zeugen-Jehova-Tempel gibt… Ob ich das gutheißen soll, weiß ich nicht…

Rustikales Weihnachten auf dem Campo bei Jarabacoa

Weihnachten sollte dieses Jahr für mich ganz anders als in Deutschland werden, logisch, eben ein dominikanisches Weihnachten! Am 24. Dezember kam ich im Laufe des Vormittags aus Monte Cristi zurück während meine Gastmutter Lourdes noch bis Mittag arbeiten musste. Nachmittags machten wir uns dann im Auto ihres Freundes auf auf’s „Campo“ (auf’s Land), einem Ort namens Hatillo, wo ihre Eltern wohnen und wo sie aufgewachsen war. Bevor es jedoch in die Berge ging, machten wir noch eine kleine Runde in Jarabacoa: Bei einer Frau holten wir Kuchen ab und bei einem Mann Spanferkel in Plastiktüte. Traditionell wird zu Weihnachten ein Schwein auf den Grill gehauen, da dies aber ziemlich aufwendig ist, holten wir das bereits fertig zubereitete Fleisch ab. Und dieses wird, wie so ziemlich alles hier in der DomRep, natürlich in einer Plastiktüte transportiert. (Okay, bei einer Tagung von Arbeit aus haben sie das Schweinefleisch mal in einem Pappkarton angeliefert, das dann im Auto zum Tagungsort gefahren wurde. Ihr könnt euch vorstellen, dass der Karton bei der Ankunft natürlich völlig „durchgesuppt“ war und beim Anheben auseinanderfiel. Resultat: die Hälfte des Fleischs auf der Wiese, das meine Kollegen dann ganz pragmatisch mit einem Löffel auf die Aluschale schaufelten, in der das Fleisch auf das Buffet gestellt wurde. Das deutsche Gesundheitsamt sollte hier besser nicht vorbeischauen! ;-))

Aber genug der Parenthese: Nach der kleinen Einkaufstour fuhren wir in die beeindruckende grüne Berglandschaft nordwestlich von Jarabacoa und kamen nach zahlreichen Aufs und Abs am Haus von Lourdes‘ Eltern an. Es handelt sich um ein einfaches Holzhaus, wie ich es zuhauf schon in Restauración und Río Limpio gesehen hatte. Das Dach ist in diesen Häusern nicht mit den Wänden verbunden und folglich kann man alles, was vor und im Haus passiert, auch hören. In das Haus integriert ist ein kleiner Colmado, also ein Tante-Emma-Laden, den Lourdes‘ Vater neben der Landwirtschaft noch betreibt und zu dem ein überdachter Bereich mit Tischen, Stühlen und Tanzfläche gehört. Bevor es aber mit Musik, Tanz und Alkohol los ging, gab es erst einmal ein rustikales, aber sehr leckeres Weihnachtsessen: der obligatorische Reis mit Bohnen, Kartoffelsalat, Krautsalat, Schweinefleisch, Nudelsalat und Kochbananen – alles bunt auf einem Teller zusammengewürfelt und ohne großen Pathos aufgetischt und gegessen. Als besonderen Nachtisch gab es später noch Äpfel, Weintrauben, Rosinen und bunte, quietschsüße Geleefrüchte. Geschenke gibt es zu Weihnachten nicht (wenn dann bekommen Kinder am 6. Januar etwas geschenkt) und auch sonst gab es keinerlei Rituale oder besondere Bräuche. Irgendwann stellte Lourdes‘ Vater die Musikanlage an, Bachata und vor allem Merengue dröhnten durch die Weihnachtsnacht und die ersten Nachbarn kamen mit dem Motorrad, bestellten sich Bier und Rum und fingen an zu tanzen. Ich bewunderte die Ausdauer, mit der die Leute bei jedem neuen Lied aufsprangen und zu tanzen anfingen, obwohl immer wieder dieselben Lieder liefen . Was mich schon bei einem früheren Tanzbarbesuch, nun ja, ich will nicht sagen, schockiert, aber doch sehr überrascht hat, ist zudem die Gleichgültigkeit, mit der die Leute hier tanzen. In der Regel schauen sie sich beim Tanzen nicht an, sondern schauen gelangweilt aneinander vorbei und arbeiten scheinbar mechanisch die Tanzbewegungen ab. Absolute Routine! Und ich fand es in Berlin im Salsaclub immer total furchtbar, wenn mich der Tanzpartner nicht einmal anschaut, weil ich mir dann frage, warum wir überhaupt zusammen tanzen. Bei der Weihnachtsfeier jedenfalls war ich natürlich weit und breit die einzige Ausländerin und witziger- und ungewöhnlicherweise traute sich kaum einer der Männer mich, die „Americana“, zum Tanzen aufzufordern. Vielleicht weil sie dachten, ich könne es sowieso nicht? Wagte sich dann doch mal einer, so war er jedenfalls immer ganz überrascht, dass ich ja doch tanzen könne…

Die Musik dröhnte sicher noch bis irgendwann um 2 oder 3 Uhr morgens, jedenfalls konnte ich in der Nacht nicht wirklich viel schlafen, zumal auch noch heftiger Regen einsetzte. Am nächsten Morgen schob ich etwas Panik, da ich wusste, dass ich mit einem Motoconcho den schlammigen, steilen und ständig auf- und abgehenden Weg zurück nach Jarabacoa fahren musste und nur zu gut noch die Erinnerung von Río Limpio im Hinterkopf hatte. Aber letztendlich ging alles gut: Der Fahrer fuhr sehr vorsichtig und war an das Fahren auf dem Campo gewöhnt. Puh! Ich kam unbeschadet in Jarabacoa an, wo ich nachmittags meine Reise Richtung Santo Domingo fortsetzte.

Black Friday und Merengue auf der Straße – Familientreffen in Constanza

Letzter Sonntag im November 2015: Familientreffen meiner Gastfamilie in Constanza. Klar, dass das ganz anders sein würde als ein Familientreffen in Deutschland. Für den Weg von Jarabacoa nach Constanza hatten wir, also Lourdes, ihre Schwester, Lourdes‘ Tochter Eliana und Lourdes Vater, etwa 20 weitere Familienmitglieder und ich, bereits einen Kleinbus gemietet. Mit „nur“ etwa 60 Personen vor Ort in Constanza war, meiner Gastmutter Lourdes zufolge, auch nur ein kleiner Teil der ganzen Familie anwesend. Für mich ein beeindruckendes Familienspektakel, wobei sich einige Familienmitglieder vorher noch nie getroffen hatten und sich erst einmal gegenseitig vorstellen mussten.

Den ersten Teil des Treffens verbrachten die meisten (weiblichen) Familienmitglieder im Zentrum Constanzas, um im Rahmen des aus den USA herübergeschwappten „Black Friday“ erst einmal ordentlich und günstig shoppen zu gehen. Das Gewusel in den Geschäften kann man sich vorstellen. Zusätzlich war an diesem Sonntag auch der einmal im Monat stattfindende Flohmarkt („Pulga“) im Gange, wobei dieser nicht ganz mit einem Flohmarkt in Deutschland verglichen werden kann: Die Verkaufs“stände“ (meist liegen die Sachen einfach nur auf Planen auf dem Boden) werden mehrheitlich von Haitianern betrieben, die bergeweise gebrauchte (Marken-)Kleidung, Schuhe, günstige Kosmetikartikel und günstigen Elektronikkrams verkaufen.

Zurück beim Familientreffen war bereits die Musik angeschmissen worden, so dass Merengue und Bachata bereits die ganze Straße beschallten und man sich nur noch schreiend unterhalten konnte. Aber wozu auch unterhalten? Tanzen und Rumtrinken waren angesagt! Nach ein paar Stunden in dieser Geräuschkulisse traten wir den Rückweg wieder im Kleinbus an – doch auch im Bus herrschte keine Ruhe, da alle munter (weiter-)schnatterten. Für mich war es zwar am Ende ein echt anstrengendes, aber dafür ein sehr lebhaftes und lustiges Familientreffen. Ich bin gespannt, wann und wo das nächste stattfinden wird!