Kunst und Kultur am Wochenende – Santiago Revisited

Obwohl ich nun schon bereits einige Male in Santiago gewesen war, lohnt sich ein Besuch der Stadt immer wieder und wenn es „nur“ für’s Kino ist! Dies war nämlich Sarahs und meine ursprüngliche Intention gewesen Santiago Anfang Dezember erneut zu besuchen: Wir wollten uns den neuesten „James Bond“-Film anschauen und verbanden dies mit einer Sightseeingtour im Stadtzentrum. Das letzte Mal hatten wir das Zentrum Santiagos an einem Sonntag besucht, wobei die Straßen ziemlich ruhig und alle Geschäfte geschlossen gewesen waren. Diesmal fanden wir das komplette Gegenteil vor: Alle Geschäfte geöffnet, demzufolge ein wuseliges Straßentreiben mit vielen Straßenverkäufern und einkaufswütigen Menschen aber außer uns keinen Touristen weit und breit. Nun nicht ganz, denn wir landeten durch Zufall im so genannten „Mercado Modelo“, eine sich über eine ganze Straßenlänge hinziehende Markthalle, die mich sehr an arabische Märkte (Suq) erinnerte. Kleidung und Schuhe waren bergeweise in kleine Verkaufsstände gestapelt, die sich am engen Durchgang hintereinanderreihten. Am Ende des Durchgangs gelangten wir in eine Halle, die von oben bis unten mit Souvenirkitsch und Schmuckständen gefüllt war, die um einen merkwürdigen Springbrunnen in der Hallenmitte herum gruppiert lagen. Dort trafen wir tatsächlich ein paar (wenige) andere Touristen an. Generell jedoch verirren sich von dieser Spezies recht wenig nach Santiago. 😉

Wir besichtigten noch das Kulturzentrum im Palacio Consistorial (Rathaus) mit einer Gemälde- und Karnevalsausstellung sowie die dazugehörige Bildungseinrichtung, eine Art Kunstschule mit Theater- und Balletgruppe, Maleratelier und einem guten Ausblick über die Stadt und die umliegenden Berge der Cordillera Central. Weiter ging’s in Casa de Arte, das mit einer riesigen Wandmalerei schon von außen als solches zu erkennen war. Las but not least schafften wir es auch die Kathedrale Santiagos von innen zu besichtigen. Als wir eintraten kam uns erst eine große Hochzeitsgesellschaft entgegen, dann tauchte auf einmal eine Gruppe jugendlicher Pfadfinder auf – was für ein Stilmix! Wir blieben bis zum Gottesdienst und erfuhren, das just an diesem 5. Dezember der „Internationale Tag der Freiwilligen“ gefeiert wurde und die Kirche alle möglichen, in der Freiwilligenarbeit aktive Gruppe eingeladen hatte. Zu uns passte das ja letztendlich auch! Nach dem Gottesdienst wartete nun noch „James Bond“ in einem tiefgekühlten Kinosaal in einer der zahlreichen Einkaufsmalls Santiagos auf uns. Platte Story, aber tolle Drehorte! Sonntag verschlug es mich erneut ins Kulturzentrum „Centro Leon“, das diesmal eine tolle temporäre Ausstellung des haitianischen Künstlers Sacha Tebó beherbergte.

Trujillo-Kitsch in San Cristóbal

Den Tag nach meiner odysseehaften Anreise nutzte ich, um mir ein paar Sehenswürdigkeiten San Cristobals anzuschauen, die mit dem Diktator Trujillo in Verbindung stehen, denn San Cristóbal war seine Heimatstadt gewesen. In der gelben, an Zuckerbäckerstil erinnernden Kirche Parroquía de Nuestra Señora de Consolación, die ich allerdings leider nicht von innen besichtigen konnte, befindet sich das Mausoleum Trujillos. Sein Grab befindet sich interessanterweise auf dem Père-Lachaise-Friedhof in Paris. Nach dem Rundgang einmal um die Kirche herum lief ich weiter Richtung Norden und musste am Ende einen steilen Hügel meistern, um zum „Castillo de Cerro“ (Schloss auf dem Hügel) zu gelangen, ein Schloss, das Trujillos Anhänger ihm geschenkt hatten, das er jedoch selbst nie bewohnt hatte; wohl aber seine Kinder. Es handelt sich um ein modernistisches, mehrstöckiges Haus, in dem sich heute eine Schule für Gefängnispersonal befindet. Dementsprechend musste ich den Dresscode einhalten, bedeckte Beine und hochgeschlossenes Oberteil. Mich führte ein junger Typ des Aufsichtspersonals herum, der leider überhaupt keine Ahnung hatte, da er auf meine etwas detaillierteren Nachfragen zur Geschichte der Trujillo-Diktatur nur Phrasen wiederholte, die er offensichtlich auswendig gelernt hatte. Man konnte verschiedene Räume besichtigen, die einmal Schlafgemächer und Esssäle gewesen sein mussten und mit scheußlich-kitschigem Stuck und Malereien verziert waren. In der obersten Etage befand sich ein kleines Museum mit Folterinstrumenten und Möbeln Trujillos und einigen Erklärtafeln. Leider boten auch diese keine tiefgründigen Erklärungen. Immerhin hatte ich dann von der Dachterrasse aus einen schönen Blick auf San Cristóbal und seine grüne Umgebung bis hin zu den Hochhäusern von Santo Domingo. Dorthin machte ich mich nachmittags auf, um am nächsten Morgen Olga und Yasmin einzusammeln, die mich für gut zwei Wochen besuchen sollten.