Jerusalem. Die Heilige Stadt im Konfessionswirrwarr

Etwa zwei Wochen vor Trumps umstrittener Äußerung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen zu wollen, besuchten wir als krönenden Abschluss unserer Nahostreise den „Zankapfel“ Jerusalem. Wir sollten nur 1,5 Tage Zeit für das Kennenlernen der „Heiligen Stadt“ (auf Arabisch heißt Jerusalem nämlich „al-Quds“ – die Heilige) haben und dementsprechend vollgepackt war unser Besichtigungsprogramm. Vom Hotel in Bethlehem aus fuhren wir mit unserem Reisebus durch den Checkpoint zwischen Westjordanland und Israel hindurch (keine Kontrolle und Wartezeit) und nahmen entlang der Mauer Kurs auf Jerusalem. Erste Station war der Ölberg – auf Arabisch und Hebräisch „Olivenberg“ genannt, da der Berg einst mit Olivenbergen bewachsen war. Am Aussichtspunkt, den wir nach Besichtigung der kleinen Himmelfahrtskapelle (bewahrt angeblich den letzten Fußabdruck Jesus‘ vor seiner Himmelfahrt auf) ansteuerten, war der Ölberg eher mit tausenden von Touristen „bewachsen“ so dass es schwer war, den historischen Ausführungen unseres Guides Ariel zu folgen. Aber der Panoramablick hinüber zur Altstadt Jerusalems mit dem die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom umfassenden Tempelberg, der Stadtmauer, zahlreichen Kirchtürmen, den konfessionellen Friedhöfen und der Stadtmauer waren mehr als beeindruckend. Ariel erzählte uns, dass es sich Juden, die auf dem Friedhof am Fuße des Ölbergs begraben werden wollen, bereits zu Lebzeiten Unmengen an Geld kosten lassen, um ein Grab mit „Ausblick“ auf den Tempelberg zu erkaufen.

Wir besichtigten die architektonisch interessante „Dominus Flevit“-Kirche (lat. für Der Herr weint), die von Franziskanern unterhalten wird und deren tränenförmige Gebäudeform an das Weinen Jesus‘ im Wissen um die baldige Zerstörung Jerusalems und die Diaspora des jüdischen Volkes erinnert. Über den untypischerweise nach Westen ausgerichteten Altar hinweg konnte man genau hinüber zur goldenen Kuppel des Felsendoms sehen. Ein schöner Effekt! Wir stiegen den Ölberg nun langsam einen extrem steilen Weg hinab und gelangten zum wunderschönen Garten Gethsemane, der Ort, an dem Jesus einen Tag vor seiner Kreuzigung gebetet und in Vorahnung seiner Festnahme „Blut geschwitzt“ haben soll. Die alten knorrigen Olivenbäume sollen teilweise fast eintausend Jahre alt sein! An den Garten angeschlossen befindet sich die römisch-katholische „Kirche aller Nationen“ oder, in Anlehnung an die biblische Geschichte, auch „Todesangstbasilika“ genannt. Die Kirche wurde zwischen 1919 und 1924 mit finanzieller Unterstützung aus zwölf Ländern erbaut (darunter Deutschland), wofür diese Länder zum Dank mit ihrem Wappen an der Kirchendecke verewigt wurden. Ein interessantes, farbenfrohes Interieur und – auf einmal – ein herzzerreißendes Schluchzen einer Touristin, die sich über den Stein beugte, an dem Jesus in Todesangst kurz vor seiner Verhaftung gebetet haben soll.

Als nächster Programmpunkt stand die Altstadt Jerusalems, genauer gesagt das Jüdische Viertel, auf dem Programm. Wir starteten zu Fuß aus vom Jaffator und liefen in den Basar hinein. Dieser wirkte mit den gelangweilten Verkäufern und den blankgeputzten Treppenstufen ein bisschen steril im Vergleich zu den orientalischen Märkten, die ich aus Marokko oder Syrien kannte. Ein Straßenschild jedoch erregte meine Aufmerksamkeit: Ein Verbotschild, mit dem E-Bike in den Basar hineinzufahren. Und tatsächlich konnten wir später in Jerusalem einige jüdische Bewohner, die man unschwer an Schläfenlocken und breitkrempigem, schwarzem Hut erkennen konnte, mit dem E-Bike durch die Gegend brausen sehen. Bei den vielen Hügeln ist es kein Wunder, dass sie auf elektrischen Antrieb setzen!

Ariel zeigte uns die Ausgrabungsreste des einstigen, tiefer als das heutige Jerusalem gelegenen Cardos, die Hauptstraße aus römisch-byzantinischer Zeit. Die steinernen Zeugen befinden sich teils im überdachten Basar, teils außerhalb. Vorbei an der Hurva-Synagoge ging es dann auch schon weiter in Richtung Klagemauer, Kotel genannt. Vorher musste allerdings noch eine Mittagspause eingelegt werden. Leider landeten wir an der wahnsinnig von Touristen überlaufenen „Fressmeile“ mit überteuertem israelischen Fast Food. Immerhin konnten meine Schwester und ich aber zumindest ein bisschen Ruhe finden, da wir uns nur einen Schritt weiter in eine Nebenstraße setzten und die Einheimischen beobachteten. Eine Horde Mädels kam uns entgegengelaufen, die schon – typisch jüdisch – knielange schwarze Röcke trugen. Später auf dem Vorplatz der Klagemauer konnten wir weitere jüdische Kleidungsvariationen beobachten: Männer ganz in Schwarz mit Schläfenlocken und Hut; Frauen teilweise mit Kopftuch oder gar mit Perücke. Wie Ariel uns erklärte, zeigen gläubige jüdische Frauen nach der Hochzeit ihr Haar nicht mehr öffentlich und verstecken es entweder unter einem Kopftuch oder rasieren es sich ab und tragen stattdessen eine Perücke. Jüdische Männer mit fetten braunen Pelzmützen (Schtreimel) und schwarzem Mantel wie ich sie in New York gesehen hatte, konnte ich hingegen an der Klagemauer nicht ausfindig machen und hatte sie nur einmal aus dem Busfenster heraus nahe des ultraorthodoxen Stadtviertels Mea Schearim gesehen. Der Schtreimel wird hauptsächlich von chassidischen Juden mit osteuropäischen Wurzeln getragen, von denen es heutzutage noch größere Gemeinden in Jerusalem und New York gibt. Doch zurück zur Klagemauer: Ich hätte es nicht gedacht, aber wir durften tatsächlich bis an die Mauer herangehen. Sie ist in einen (größeren) Abschnitt für Männer und einen (natürlich kleineren :-/) Abschnitt für Frauen unterteilt und kann 24 Stunden am Tag besucht werden. Es steckten wahnsinnig viele kleine Zettel in den Mauerritzen. Fallen sie raus oder werden es zu viele Zettel, so werden sie aufgesammelt und auf dem Ölberg „beerdigt“; wergwerfen darf man sie nicht. Vor der Mauer waren Plastikstühle aufgestellt, auf denen man sich mit einem der ausleihbaren religiösen Bücher hinsetzen und lesen oder beten konnte.

Die Davidstadt, der älteste besiedelte Teil Jerusalems, bildete den vorletzten Höhepunkt des Tages. Man hatte auf dem Gelände bereits Siedlungsspuren aus der Kupferzeit (4500-3500 v. Chr.) gefunden – benannt aber ist die Davidstadt nach König David, der etwa 1000 v. Chr. gelebt hatte und damals König von Israel gewesen war. Zunächst liefen wir zwischen den Ausgrabungen der Davidstadt umher und konnten auf den gegenüberliegenden palästinensischen Stadtteil Silwan von Ostjerusalem schauen, der auf dem Fundament von etwa 50 Felsgräbern erbaut worden war. Danach ging es hinab in den Hiskija-Tunnel, der seit der Antike Trinkwasser aus der Gihonquelle in den Teich von Siloah leitete und somit die Trinkwasserversorgung Jerusalems sicherstellte.

Nach einem kurzen Abendessen im Hotel in Bethlehem ging es abends erneut nach Jerusalem zum Rundgang „Jerusalem by Night“, bei dem wir zuerst durch die nahe des Jaffators gelegene Open-Air-Einkaufsmeile „Mamilla Mall“ schlenderten. Sie war eindeutig für eine junge, reiche Generation gebaut worden und soll das Nachtleben Jerusalems (das bis vor einigen Jahren quasi nicht existent gewesen sein muss) mit seinen schicken Geschäften, Cafés und Restaurants etwas aufpeppen. Makabererweise ist die Mall wohl teilweise auf dem Gelände des muslimischen Mamilla-Friedhofs errichtet worden. Vom Ende der Mall ging es wieder, wie schon tagsüber, zum Jaffator und durch den geschlossenen Basar hindurch bis zur Klagemauer. Danach drehten wir eine weitere Runde mit dem Bus zu einigen angestrahlten Sehenswürdigkeiten (Damaskustor, Parlament, genannt „Knesset“, einige Museen) und waren – ziemlich müde – danach froh wieder ins Hotel zu kommen und schlafen gehen zu können.

Am letzten Reisetag besuchten wir morgens eine Behinderteneinrichtung in Beit Jala bei Bethlehem, über die ich in meinem vorherigen Blogeintrag bereits berichtet habe. Danach standen weitere Highlights in Jerusalem auf dem Programm. Zunächst betraten wir durch das Löwentor die Via Dolorosa (lat. Leidensweg) , den Prozessionsweg Jesus‘, auf dem er das Kreuz durch Jerusalem getragen haben soll. Der Weg ist mit 14 Stationen markiert und über und über mit Touristen überlaufen. Man kann sich absurderweise an vielen Stellen entlang der Via Dolorosa ein Holzkreuz  sowie eine Dornenkrone ausleihen und den Kreuzweg Jesus‘ nach“spielen“. Ich möchte nicht wissen, was jeden Freitag bzw. an den Ostertagen für ein Gedränge herrscht, wenn die Prozession von vielen tausenden Gläubigen begangen wird… Entlang der Via Dolorosa findet man allen nur erdenklichen religiösen Kitsch: Ikonen, Kreuzketten, Lampen, Kerzen, aber auch jüdische Kippas und etc., die zumeist von arabischen Verkäufern verkauft werden. Die Krönung an Massentourismus war die Grabeskirche, die Kirche also, die über der Stelle errichtet ist, an der sich Jesus‘ Kreuzigungs- (Golgota) und Grabesstätte befunden haben soll. Ich weiß nicht wie viele tausende Menschen sich in dieser Kirche drängten und wie viele sich um die Ädikula (eine Art Grabüberbau) herumschlängelten, um an das Grab Jesus‘ heranzukommen. Ich fand es merkwürdig, dass man bei der Besichtigung der Klagemauer noch einmal durch einen Checkpoint hatte durchgehen müssen währenddessen beim Eintritt in die Grabeskirche weder Personen noch Taschen kontrolliert wurden. Die Grabeskirche stellt übrigens auch einen wahren Zankapfel der christlichen Konfessionen dar. Verschiedene Teile der Kirche sind unter sechs christlichen Denominationen aufgeteilt: armenisch-apostolisch, äthiopisch-orthodox, griechisch-orthodox, syrisch-orthodox, römisch-katholisch und koptisch (interessanterweise nicht protestantisch). Da sich die Konfessionen jedoch untereinander nicht einigen konnten, wer denn die Kirche auf- und zuschließt, haben sie den Schlüssel schon seit Jahrhunderten an eine muslimische Familie abgegeben wie dieser Beitrag von Deutschlandfunk Kultur sehr schön veranschaulicht.

Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung und so machten meine Schwester und ich den Basar unsicher: Gewürze shoppen, arabische, siruptriefende Süßigkeiten ausprobieren und einen Mango-Granatapfel-Saft trinken – lecker, aber auch sehr teuer. Die Preise in Israel sind nämlich ziemlich hoch; so liegt das Niveau der Lebenshaltungskosten sogar um etwa ein Viertel höher als in Deutschland. Auch Mieten sind extrem teuer.

Der letzte Programmpunkt in Jerusalem war das so genannte „Gartengrab“, dessen Besichtigung uns Ariel vorschlug nachdem wir in der Grabeskirche vor lauter Touristenmassen nichts vom Grab Jesus‘ hatten sehen können. Die Gartenanlage mit einigen Grabstätten wird von anglikanischen und freikirchlichen Christen als die Grabesstelle Jesus‘ angesehen und so mussten wir, um sie zu sehen, zumindest ein bisschen Schlangestehen. Aber nichts im Vergleich mit der Grabeskirche!

Somit war unser Jerusalembesuch auch schon beendet. Klar, dass wir alles nur im Sauseschritt hatten sehen können; für einen ersten Eindruck aber hat es allemal gereicht. Bei einem nächsten Besuch warten auf jeden Fall noch zahlreiche weitere Sehenswürdigkeiten, Museen und interessante Stadtviertel auf einen.

Mal wieder in aller Herrgottsfrühe ging es am Dienstagmorgen mit dem Bus von Bethlehem zum Flughafen in Tel Aviv. Diesmal wurde nur eine Person aus unserer Gruppe und einer der Reisebegleiter zum „Verhör“ durch die israelischen Sicherheitskräfte zitiert, was diese aber mit Bravour meisterten. Vormittags kamen wir wieder im novembergrauen Berlin an – randvoll mit schönen, aber auch nachdenklich stimmenden Reiseerinnerungen, die erst einmal verdaut werden mussten. Es war u.a. wirklich eine Bildungsreise zu unseren westeuropäischen, (christlich-) kulturellen Wurzeln gewesen, von denen man zwar viele Namen und Begriffe (z. B. Jordan, See Genezareth, Golgata) irgendwie kennt, aber nie eine Vorstellung davon gehabt hat. Nun haben wir die Bilder und die Geschichten dahinter vor Augen.

Arequipa, die zweitgrößte peruanische Stadt am Fuße des El Misti

Das erste, was uns bei der morgendlichen Ankunft in Arequipa mit dem Nachtbus aus Nazca kommend auffiel, war der riesige Berg, an dessen Fuße Arequipa liegt: Der Vulkan El Misti, stolze 5.825 m hoch (also minimal kleiner als der Kilimanjaro), wobei Arequipa selbst bereits auf einer Höhe von 2.350 m liegt. Die Stadt wirkt um einiges gemütlicher als Lima und weist gerade mal ein Zehntel der Einwohner der Hauptstadt (9,8 Mio. vs. etwa 970.000) auf. Wir hatten Glück einen Couchsurfing-Platz bei Giannina, genannt Gia, im schicken Bonzenviertel Yanahuara bekommen zu haben. Sie wohnte allein im riesigen, zweistöckigen Haus ihrer Eltern und wir erhielten nicht nur ein eigenes Schlafzimmer, sondern am ersten Abend auch ein köstliches, von Gia gekochtes Abendessen: Lomo Saltado, eine DER peruanischen Spezialitäten, die aus geschnetzeltem Rinderfleisch, Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln in Rotwein-Essig-Sauce und als Beilage Reise besteht. Mmh, sehr zu empfehlen!

In die Innenstadt liefen wir von Gias Haus zu Fuß aus, auch wenn uns wahrscheinlich jeder Peruaner für verrückt erklärt hätte. Nach der enormen Taxidichte zu schließen, lief hier keiner gerne zu Fuß, auch wenn es abends, natürlich in geringerem Ausmaß als in Lima, in der Innenstadt zum Verkehrschaos kam. Wahrscheinlich fuhren aber auch deshalb so viele Taxis herum, weil es immer noch ein recht lukrativer Job ist, auch wenn der Bildungsgrad der meisten Fahrer sie womöglich zu besseren Jobs befähigen würde. Die offizielle Arbeitslosenquote von 7,6% für ganz Peru wird wohl eine viel höhere Dunkelziffer haben…

Das erste, was wir in Arequipa besichtigten, war das beeindruckende Kloster „Monasterio de Santa Catalina„. Mit seinen etwa 20.000 m² wirkt es, wie mein „Lonely Planet“ ganz richtig schreibt, wie eine Stadt in der Stadt, in der man sich leicht verirren kann. Wir waren aber am Eingang mit einem guten Übersichtsplan ausgestattet worden und wanderten über zwei Stunden durch die Gassen und Räumlichkeiten des Klosters. Die wahlweise lehmroten und blauen Wände erinnerten mich in ihrer Farbenfreudigkeit an Marokko, insbesondere das Blau ließ mich an die nordmarokkanische Stadt Chefchaouen denken. Das Kloster war 1580 von der reichen Witwe María de Guzmán als Nonnenkloster gegründet worden. Reiche Familien gaben dort ihre Töchter ab, die dann vier Jahre lang unter Schweigepflicht als Novizinnen das Klosterleben testeten und nach dieser Zeit entscheiden mussten, ob sie weiterhin im Kloster leben (eine Ehre für die Familie) oder ob sie das Kloster wieder verlassen (eine Schande für die Familie) wollten. Aktuell leben in dem Kloster noch 20 Nonnen. Couchsurferin Gia erzählte uns, dass man vor nicht allzu langer Zeit vergrabene Embryoleichen im Klostergelände entdeckt hatte und wohl auch sonst nicht alles ganz koscher im Klosterleben zugehen musste… Weitere Kuriosität: In einem Raum des Klosters hängen Porträts aller bisher gestorbenen Nonnen. Der Maler hatte nach dem Tod einer Nonne genau 24 Stunden, um sie zu malen. Sie zu ihren Lebzeiten zu malen, war und ist hingegen verboten.

Zweite Station nach einer obligatorischen Kaffee- und Kuchenpause war das Reisebüro von „Pablo Tour„, bei denen wir für die nächsten drei Tage eine Colca-Canyon-Tour gebucht hatten und von der ich in meinem nächsten Blogbeitrag berichten werde. Nach der Tour kehrten wir für einen weiteren Tag, dem Feiertag zu Ehren der Schutzheiligen der Polizei, nach Arequipa zurück und klapperten weitere Teile der Innenstadt ab. Vor allem aber ließen wir unsere vom Canyon wahnsinnig staubigen Schuhe ganz stilvoll von einem der Schuhputzer am zentralen Plaza de Armas putzen. Und am Aussichtspunkt von Yanahuara mussten wir eine weitere Spezialität Arequipas testen, Queso helado, also quasi „Eiskäse“, eine kalte frischkäseartige, sehr süße Masse. Naja, probiert und abgehakt!

Santiago de Cuba – Es lebe das afrokubanische Erbe!

Ich hatte im Vorfeld zu Santiago de Cuba gelesen, dass die Stadt einen starken französischen und einen starken afrikanischen Einfluss aufweist. Und ja, den „afrikanischen“ Einfluss konnte ich bei meiner Ankunft sogleich bestätigen, denn die Temperaturen waren sicherlich noch einmal um mindestens 5°C angestiegen und die Sonne brannte bestialisch vom Himmel herunter. An einem Tag las ich auf einer Temperaturanzeige 42°C!

Aber der eigentliche historische Hintergrund für den afrikanischen und französischen Einfluss im Süden Kubas liegt auf der Nachbarinsel Hispaniola, genauer gesagt im heutigen Haiti. Haiti, damals Saint Domingue, war mit der ersten französischen Siedlung Cap-Haïtien 1670 von den Franzosen kolonialisiert worden und große Waldflächen wurden gerodet, um Zuckerrohr, Kaffee, etc. anzubauen. Die ganze Arbeit basierte auf Sklaven, die größtenteils aus Westafrika importiert worden waren nachdem die indigene Bevölkerung der Tainos ausgerottet worden war und nicht mehr als Arbeitskräfte dienen konnte. Im Zuge der Französischen Revolution Jahr zettelte 1791 ein Teil der Sklaven einen Aufstand an, in dessen Zuge die französischen Kolonialherren mit ihren Familien und Sklaven die Insel verließen, ins nahegelegene Kuba flohen und sich dort im Süden niederließen. So wurde beispielsweise der Kaffeeanbau in Südkuba eingeführt und ersetzte nach und nach einen Teil des Kakaoanbaus. In Südkuba findet man so immer noch viele Familien mit französisch klingenden Familiennamen und in der Architektur Santiagos zeigt sich der französische Einfluss wohl noch an den Häusern mit Holzbalkons, die so auch in Louisiana (USA) zu finden sind, wohin viele französischen Siedler nach ihrer Station in Kuba auswanderten. Zudem fiel mir im Süden tatsächlich auf, dass es mehr schwarze Einwohner als im Norden und in der Mitte gibt (ähnlich wie auch in der DomRep).

Der Riesenunterschied zur DomRep ist jedoch, dass die Kubaner stolz auf ihre afrikanischen Wurzeln sind und dies auch zeigen und zelebrieren. So fand, als ich gerade in Santiago war, das Festival „Fiesta del Fuego“ (Fest des Feuers) statt, das von der „Casa del Caribe“ (Haus der Karibik) jedes Jahr im Juli organisiert wird und das das afroamerikanische Erbe feiert. Jedes Jahr gibt es einen Länderschwerpunkt, dieses Jahr Ecuador, und zudem Tanz- und Folkloregruppen aus anderen Karibik- oder südamerikanischen Staaten, die für Vorführungen eingeladen werden. Einen wichtigen Programmpunkt bildeten zudem Vorträge, Konferenzen und Ausstellungen, die in verschiedenen, meist historischen, Gebäuden der Stadt stattfanden. So setzte ich mich an zwei Tagen in eine Konferenz zum Thema „‚Das Französische‘ in Kuba und der Karibik“ im Casa Dranguet, einem Zentrum für die Deutung des Kulturerbes der Kaffeeanbauer (Centro para la interpretación del Patrimonio Cafetalero), das neben Recherchearbeit auch Projekte mit den Gemeinden vor Ort durchführt, wo z. B. eine ehemalige französische Kaffeefarm wieder restauriert und für Touristen zugänglich gemacht wird. Es gab des Weiteren interessante Vorträge zu den verschiedenen Aspekten und Strömungen afrokubanischer Religionen und Kulte, doch aufgrund der Komplexität dieses Themas konnte ich den Erklärungen und den hunderten von afrikanischen Götternamen nicht folgen. Inmitten des Vortrags wurden wir auf einmal auf die Terrasse gerufen, um einem Ritual, wahrscheinlich einer Art Gebet, einer eingeladenen afrokubanischen Gruppe beizuwohnen. Alle waren ganz in weiß gekleidet, so wie man es in Kuba öfter auch bei Leuten auf der Straße sehen kann, standen in einem Kreis und dann ging es mit Gesängen, Klatschen, rhythmischem Fußstampfen und Tanzen los, wie ihr hier in den Videos sehen könnt:

Neben dem Festival machte ich noch ein bisschen gewöhnliches Sightseeing in Santiago: Ich erklomm den Turm der Kathedrale am Parque Céspedes, von dem man einen herrlichen Rundumblick über ganz Santiago hat, besichtigte das älteste Haus Kubas, das Casa de Don Diego Velázquez, das mich mit seinen Holzfenstern sehr an traditionelle marokkanische Häuser erinnerte und klapperte den Friedhof Cementerio Ifigenia ab, auf dem sich das militärisch streng bewachte Grab des kubanischen Nationaldichters José Martí, sowie die Gräber einiger Mitstreiter der „M-26-7“-Bewegung befinden.

 

 

 

Sancti Spíritus – die blaue Stadt der Guayabera-Hemden

Sancti Spíritus, schon wieder so ein christlich klingender Name! Wobei mich die Stadt mit ihren blauen Gebäuden überall mehr an das (muslimische) Marokko, genauer gesagt an Chefchaouen erinnert hat. Die blaue Farbe vieler Gebäude hatte, wie in Chefchaouen, einen abkühlenden (Placebo?-)Effekt, wenn man durch die Straßen hindurchwandert, wenn auch die drückende Hitze noch überwog. Und da mein Regenschirm, den ich noch aus der DomRep mitgebracht hatte das Zeitliche gesegnet hatte, entschloss ich mir im „Kaufhaus“ am Parque Serafín Sánchez einen neuen zu kaufen. Also, reingehen und in die Schlange am Verkaufstresen anstellen. Als ich nach einer halben Ewigkeit endlich an der Reihe war und die Verkäuferin mir einen schönen roten Regenschirm rausgesucht hatte, wollte ich nur noch flux bezahlen und dann so schnell wie möglich raus aus dem Kaufhaus. Doch es kam anders: Die Verkäuferin konnte den Strich- und Zahlencode für den Regenschirm nicht finden, d. h. konnte ihn nicht in das Buchhaltungssystems des Computers eingeben. Sie rief einige Kolleginnen um Hilfe, da sie ihren Posten hinter dem Verkaufstresen auch nicht verlassen durfte. Aber auch diese fanden den Code im Lager (oder wo auch immer sie danach suchten) nicht oder machten keine Anstalten nachzusehen. Als dann auch noch die Frauen, die weiter hinten in der Schlange standen, anfingen zu drängeln und zu nörgeln, wurde das der Verkäuferin alles zu viel und sie fing an zu weinen. Nun kamen andere Kolleginnen zu ihr, fragten was los sei, sie erzählte schluchzend von dem Problem mit dem Strichcode und meinte in meine Richtung, dass „Diese Kundin, die doch nur einen Regenschirm kaufen wolle, nun schon seit 20 Minuten hat warten müssen“. Gut, etwas übertrieben, aber so tauchte nun endlich eine Kollegin mit dem richtigen Strichcode auf und ich konnte endlich bezahlen. Der Regenschirm ist übrigens super und um einiges stabiler und robuster als die Regenschirme, die ich aus der DomRep kenne (ich habe mir dort mittlerweile schon mindestens drei kaufen müssen) – es lebe der Sozialismus und seine langen Produktlebenszyklen! 😉

Aber wie ihr euch sicher vorstellen könnt, ist Sancti Spíritus nicht primär für seine Regenschirme berühmt. Das Städtchen, dem nicht viele Touristen Beachtung schenken, weist zum Einen eine sehr schöne Brücke über den Yayabo-Fluss auf und zum Anderen, ebenfalls unten am Fluss gelegen, gibt es hier ein Museum der Guayabera-Hemden. Das sind diese typischen, etwas kastenförmig aussehenden Leinenhemden, die man von vielen Politikern aus der Karibik und Südamerika kennt, die aber auch sonst weit verbreitet sind, weil sie bei der Hitze einfach sehr angenehm zu tragen sind. Leider war das Museum gerade wegen Umbauarbeiten geschlossen, aber zumindest in zwei Ausstellungsräume konnte ich hineinschauen und ein paar Fotos von Hemden in Vitrinen machen, was, wie ich fand, recht ulkig aussah. Danach gönnte ich mir eine (leider völlig überteuerte) frische Zitronenlimonade auf der Museumsterrasse direkt am Fluss.

Am Abend nahm ich schließlich den Nachtbus bis Santiago de Cuba. Was mir am Busbahnhof von Sancti Spíritus auffiel, waren wie viele Schwule und Transsexuelle dort präsent waren. Einer schminkte sich in aller Öffentlichkeit ohne, dass es irgendjemanden interessierte oder er angestarrt wurde. Und neben mich setzte sich ein Typ in langem Kleid und Plateauschuhen, hatte zwei aneinander gebundene Hühner auf dem Schoß und grinste mich an, als er diese dann, als sein Bus kam, in einen Stoffbeutel stopfte und mitnahm. Ich hatte generell den Eindruck, dass Kubaner im Vergleich zu den meisten Dominikanern entspannter und toleranter mit „anders“ aussehenden und „orientierten“ Menschen umgehen als dies in der DomRep der Fall ist. Dort werde ich ja teilweise schon wegen meines „komischen“ Kleidungsstils kritisch von oben bis unten „abgescannt“ – und dann noch diese wirren, ungeglätteten Haare dazu – ts ts! 😉 Bzw. ist Homophobie leider ein sehr verbreitetes Phänomen in der DomRep. Dass das in Kuba etwas anders zu sein scheint, würde ich einfach auf die bessere Bildung der Menschen schieben, die trotz jahrzehntelanger Isolation einen weiteren Horizont zu haben scheinen als viele Dominikaner.

Übrigens merkte ich dann im Süden, in Santiago de Cuba angekommen, dass dieser ganz anders als der Norden und die Mitte Kubas ist und mich sehr stark an die DomRep erinnerte. Auf einmal wurde ich wieder überall auf der Straße von aufmerksamkeitsheischenden Männern oder nervigen Taxifahrern angesprochen oder sie gaben furchtbare „Knutschgeräusche“ von sich wenn ich vorbeiging. Das ging mir schon extrem auf die Nerven! In Baracoa, wo ich nach Santiago noch hinfuhr, und dafür den südlichsten Zipfel Kubas umrundete, merkte ich, wie ich wieder auf dem Dorf gelandet war, da alle einen anstarrten wenn man durch die Straßen lief. Übrigens schauen die Kubaner aus dem Norden und der Mitte verächtlich auf die ungebildeten „Campesinos“ (Bauern) aus dem Süden und vergleichen sie mit Dominikanern, eine Zuschreibung, die also durchaus negativ gemeint ist…

Die besten Blogartikel nun als Buch erhältlich!

Buchveröffentlichung_Cover

2007 bis 2016 – neun Jahre – eine lange Zeit! Die Zeitspanne, die ich nun schon meinen Reiseblog schreibe, dem ich vor Kurzem nun auch die eigene URL, „Andarina vom Dienst“, gegönnt habe. Die besten Blogartikel habe ich nun zusammengestellt und in einem Buch veröffentlicht. Es ist zum Einen bei epubli erschienen und kann im Shop dieses Verlags für 24,99 € bestellt werden. Zum Anderen ist es im Verlag bloggingbooks erhältlich und kann für satte 54,80 € in dessen Shop erworben werden (leider ist das Buch aufgrund der Layoutvorgaben sehr dick und somit sehr teuer geworden).

Es war hochinteressant und teilweise überraschend für mich meine alten Blogeinträge noch einmal zu lesen. An manchen Stellen fragte ich mich „Habe das wirklich ich geschrieben?“ oder „Habe ich das wirklich erlebt?“. Aber gerade diese Fragen zeigen auch, wie wichtig es für meine Erinnerung ist, diesen Reiseblog zu schreiben, denn sonst wären viele Erlebnisse einfach in Vergessenheit geraten. In diesem Sinne wünsche ich eine angenehme und inspirierende Lektüre und freue mich auf euer Feedback zu meiner ersten Buchveröffentlichung!

Ostern im kaum bekannten Südwesten der DomRep – Start mit Pedernales und Cabo Rojo

Um in den Südwesten der DomRep, d.h. die Halbinsel Bahoruco, zu gelangen, muss man viel Zeit einplanen und so nahm ich mir diese Gegend für das verlängerte Osterwochenende vor. Bereits Mittwochabend machte ich mich von Jarabacoa aus per Bus auf den Weg nach Santo Domingo, wo ich eine Nacht bei der Kanadierin Jeanne übernachtete und ihrer Mädels-WG somit die erste Couchsurfing-Erfahrung brachte. Das Setting beim Betreten der schön großen, weitläufigen Wohnung war mal wieder herrlich international: Jeanne, die aus dem französischsprachigen Teil Kanadas stammt und durch ein Auslandsstudium in Argentinien perfekt Spanisch spricht, wohnt mit einer dominikanischen (war gerade nicht da) und einer puerto-ricanischen Medizinstudentin zusammen. Letztere saß gerade mit Oleg, einem Ukrainer, zusammen, um ihre erste Russischstunde bei ihm zu nehmen. Zum Essen gab es dann mexikanische Tacos und als Beilage super-interessante Gespräche v. a. über Puerto Rico, eine mit den USA assoziierte Karibikinsel, die trotz der räumlichen Nähe zur DomRep durch den US-amerikanischen Einfluss doch ganz anders zu sein scheint.

Nach einer kurzen Nacht auf der Couch und ewigem Warten auf das Taxi, das trotz Vorbestellung eine halbe Stunde zu spät kam, saß ich 6 Uhr im Bus nach Barahona und hatte 3,5 Stunden Fahr- und Schlafzeit vor mir. In Barahona musste ich mir vor der Weiterfahrt nach Pedernales noch schnell Sonnencreme kaufen, da ich meine dummerweise zu Hause vergessen hatte. Obwohl diese Lichtschutzfaktor 50 aufwies, schien sie keineswegs gegen die Sonne zu schützen; zumindest sah ich am letzten Tag meiner Reise aus wie als wäre ich im Sonnenstudio eingeschlafen. Ich sag jetzt mal böse: blödes dominikanisches Billig-Produkt!:-S

Sardinenmäßig eingequetscht hatte ich von Barahona nun noch einmal eine 2,5-stündige Guaguafahrt bis an den westlichsten Rand der DomRep, nach Pedernales, vor mir. Die Halbinsel Bahoruco, die ich auf einer gut ausgebauten Asphaltstraße entlangfuhr, bietet auf der einen Seite Blicke auf die Küste mit surreal erscheinendem türkisfarbenen Meer (Nationalpark Jaragua) und auf der anderen Seite auf die Berge der Sierra de Bahoruco im gleichnamigen Nationalpark. Eine beeindruckende Landschaft und Panoramastraße, die für die unbequeme Sitzposition im Guagua allemal entschädigte!

In Pedernales, einer kleinen, recht uninteressanten staubigen Grenzstadt zu Haiti, angekommen, begab ich mich erst einmal auf „Futtersuche“. Achtung, hier wird es wieder international: Ich landete aus Mangel an Alternativen in einem von Chinesen betriebenen Fast-Food-Restaurant mit dominikanischem Essen (frittierte Kochbananenscheiben (Tostones) und frittiertes Hühnchen mit viiiiiiiiiiiel Ketchup und Salz), wo ich hinter der Theke Gotteseidank auch gleich noch mein Handy aufladen konnte, da ich auf den Anruf meines Mitfreiwilligen Manuel wartete, den ich in Pedernales treffen sollte, um mit ihm dann die nächsten Tage zusammen rumzureisen. Während ich aß konnte ich einer Gruppe Haitianer lauschen, die sich lautstark auf Kreyol unterhielten. Ich verstehe da eigentlich gar nichts; ganz selten vielleicht mal ein „afrikanisch“ ausgesprochenes französisches Wort. Als die haitianische Angestellte des Restaurants dann meinen Tisch abräumte und saubermachte, fragte sie mich freudestrahlend (ich glaube sogar auf Englisch), ob ich denn Kreyol sprechen würde. „Ähm nein, nur Spanisch und ja, Französisch…“, sagte ich und fragte mich, wer denn dieses Gerücht in die Welt gesetzt haben könnte. Kurz darauf kam dann ein weiterer Haitianer zu mir, fragte mich ebenfalls ob ich denn Kreyol sprechen würde und setzte sich unverschämterweise einfach an meinen Tisch und hörte nicht auf mich zuzulabern, wobei ich nur die Hälfte verstand. Ich war einfach nur genervt von ihm und da er offensichtlich auch noch anderweitig an mir interessiert war, machte ich, dass ich aus dem Restaurant rauskam und mich in den einzigen kleinen Supermarkt des Ortes flüchtete.

Manuel traf ich schließlich nachmittags am Strand von Pedernales, eigentlich ein menschenleerer ruhiger Ort, aber an diesem Tag wegen des Osterwochenendes (Semana Santa, wörtlich „Heilige Woche“) voll mit Leuten und beschallt von lauter Musik. Wir fuhren auf seinem Motorrad nach Cabo Rojo (Rotes Kap), an der Küste vor Pedernales gelegen, wo ich eine Nacht im „Eco del Mar“ gebucht hatte, eine „Camping Deluxe“-Unterkunft, wie auf dem Schild stand, das wir nach ewiglanger Fahrt durch die wüstenartige Einöde endlich sahen. Und tatsächlich: Ich hatte ein Zelt direkt am Meer für mich, in dem sogar ein Bett drinstand – okay, das Bett war eine dieser riesigen aufblasbaren Luftmatratzen, aber dafür super-bequem. Das ganze „Hotel“ bestand also nur aus den Zelten am Strand und ein paar Holzhütten, in denen nur aus natürlichen Materialien z. B. eine Rezeption, ein Restaurant und Duschen gebaut worden waren. Echt genial! Das Frühstück direkt am Meer am nächsten Morgen war natürlich noch genialer!

Einer meiner Lieblingsorte: Die Dünen von Baní

Bevor ich meine zwei Freundinnen Olga und Yasmin, die mich über Silvester besuchen sollten, am 28.12. in Santo Domingo einsammelte, war ich noch westlich der Hauptstadt unterwegs. Mit einem kurzen Zwischenstop in San Cristóbal fuhr ich weiter zu meiner AirBnB-Unterkunft nahe des Playa Najayo, die sich jedoch leider als absoluter Reinfall entpuppte: Das Haus dreckig, das Zimmer, in dem ich übernachten sollte, nicht vorbereitet, kein Strom, kein Wasser, kein Gas für den Herd – NADA (nichts)! Es war leider schon recht spät um noch woanders eine Unterkunft zu suchen und so half mir die Nachbarin mein Zimmer zumindest für eine Nacht herzurichten, da der AirBnB-Vermieter gar nicht da war. Mit ihr und einer Freundin war ich dann auch noch am nahegelegenen, hauptsächlich von Dominikanern genutzten Strand Playa Najayo, der in keinster Weise entspannend, dafür aber trubelig und gut zum Leutebeobachten war.

Nach einer langen, sehr dunklen (der Strom war ab 20 Uhr komplett weg) Nacht im AirBnB-Landhaus machte ich mich am nächsten Morgen sehr zeitig auf den Rückweg nach San Cristóbal, suchte mir dort ein günstiges Hotel, wo ich mein Gepäck abstellte, und machte mich auf den Weg nach Westen über Baní hin zu den so genannten Dünen von Baní beim Örtchen Las Salinas. Direkt am Meer und in einer sagenhaft schönen Bucht mit den Zentralkordilleren im Hintergrund liegen die Dünen. Ich glaubte mich in Marokko in der Wüste und war begeistert vom Kontrast zwischen hellem Sand, tiefblauem Himmel, Wolken und dem Meer in der Bucht. Zum Glück waren kaum andere Besucher vor Ort, so dass ich die Dünen fast für mich allein hatte. Nach den Dünen wanderte ich an der Straße entlang weiter Richtung Westen bis zum Hotel Salinas, zu dem ich gelesen hatte, dass man dort sehr gut Fisch essen könne. Dem war in der Tat so! Ich saß direkt an der Bucht, hatte ein paar schicke Yachten und die Berge vor der Nase und ein leckeres Tintenfischgericht auf dem Teller.

Der Rückweg nach San Cristóbal gestaltete sich unerwarteterweise ein bisschen abenteuerlich: Vom Hotel aus nahm ich ein Guagua nach Baní, wo ich im Sauseschritt noch das Stadtzentrum mit Parque Central und einigen interessanten Wandmalereien besichtigte. Soweit so gut. In Baní stieg ich in ein weiteres Guagua Richtung Santo Domingo um, das in San Cristóbal vorbeifahren würde. Auf dem Weg stiegen extrem viele Leute zu, die dichtgedrängt im Gang standen, und irgendwann kam es mir schon komisch vor, dass an einer Stelle auf einmal sehr viele Leute ausgestiegen waren und die Fahrt generell irgendwie ganz schön lange dauerte. Als ich dem Cobrador (Kassierer) sagte, dass ich am Parque Central aussteigen wollte, fragte er mich, ob das der Parque Enriquillo sei (der befindet sich in Santo Domingo). Als ich ihm sagte, dass ich den Parque Central von SAN CRISTÓBAL meinte, schaute er mich mit großen Augen an und sagte „Ah no, mi amor. Wir sind doch schon in der Hauptstadt.“ Jetzt war mir auch klar, warum an der einen Stelle so viele Leute ausgestiegen waren: Das war der Ausstieg für San Cristóbal gewesen, nur eben nicht mitten in der Stadt, wie ich gedacht hatte, sondern an der Autobahn.

Draußen war einfach nur ein riesen Verkehrsdrehkreuz mit zig Guagua-Stationen zu sehen, das sich wohl offensichtlich vor den Toren der Hauptstadt befand. Ich düste also aus dem Guagua raus und fragte mich zur Haltestelle für die Guaguas zurück nach San Cristóbal durch, da ich dort ja noch mein Gepäck deponiert hatte. Da es schon langsam dunkel wurde, war ich etwas unruhig und hoffte noch ein Guagua zu bekommen. Aber ja, kein Problem, ich fragte den neuen Cobrador ob er nach „San Cristóbal“ fahre, er nickte und ich stieg ein. Wir fuhren los und irgendwann kam der Cobrador zum Kassieren rum: „250“ (etwa 5€). Ich: „Was, so viel bis San Cristóbal?“. Er: „Nein, wir fahren nicht nach San Cristóbal, wir fahren nach San Juan de la Maguana“. Ich: „WAS????“. Oh man, ich hätte heulen können, da hatte der Typ, als ich ihn gefragt hatte, einfach nur das „San“ im Ortsnamen verstanden und den Rest gar nicht gehört. Er: „Mach dir keine Sorgen – ich regel das! Du kommst schon nach San Cristóbal.“. Zu meinem Glück machte das Guagua ohnehin eine Pause an einem Rasthof, wo der Cobrador wiederum ein anderes Guagua fand, das dort gerade auf dem Weg Richtung Santo Domingo Pause machte, und mich bis zu dem Verkehrsknotenpunkt nördlich von San Cristóbal mitnehmen könnte. Er redete mit dem Fahrer dieses Guaguas, das er mir ein Motoconcho-Taxi an die Tankstelle des Verkehrsknotenpunktes rufen solle, wenn er mich dort rausschmeißen würde. Gut, so saß ich nun im dritten Guagua, um nach San Cristóbal zu kommen. Der Fahrer schien zu telefonieren und mir ein Motoconcho zu organisieren. Als wir jedoch am Verkehrsknotenpunkt ankamen, wo er mich rausschmiss, sagte er wie beiläufig nur, dass er leider vergessen hätte, mir ein Motoconcho zu rufen und dass ich selbst sehen müsste, wie ich von dem Verkehrsknotenpunkt weg käme. Ich stolperte am Autobahnrand nach draußen und ehe ich mich über die Unzuverlässigkeit des Fahrers aufregen konnte, hatte ich ein paar Leute angesprochen, die gerade dabei waren mit dem Motorrad wegzufahren, und einer erklärte sich sofort bereit mich in die Stadt zu fahren. Was für ein Glück! Ich hatte mittlerweile echt Sorge, dass ich in dem Hotel vielleicht niemanden mehr antreffen würde oder dass sie irgendetwas mit meinem Gepäck gemacht haben könnten. Aber die Sorge war unbegründet: Als mich der Typ mit dem Motorrad bis ans Hotel gefahren und ich ihm erleichtert 100 Pesos in die Hand gedrückt hatte, sah ich, dass die Rezeption noch besetzt war und mein Rucksack wie eh und je da stand. Fix und fertig mit den Nerven freute ich mich über das einfache, aber super saubere Hotelzimmer und fiel nach einer erfrischenden Dusche wie ein Stein ins Bett. Was für eine Odyssee!!!