Santiago de Cuba – Es lebe das afrokubanische Erbe!

Ich hatte im Vorfeld zu Santiago de Cuba gelesen, dass die Stadt einen starken französischen und einen starken afrikanischen Einfluss aufweist. Und ja, den „afrikanischen“ Einfluss konnte ich bei meiner Ankunft sogleich bestätigen, denn die Temperaturen waren sicherlich noch einmal um mindestens 5°C angestiegen und die Sonne brannte bestialisch vom Himmel herunter. An einem Tag las ich auf einer Temperaturanzeige 42°C!

Aber der eigentliche historische Hintergrund für den afrikanischen und französischen Einfluss im Süden Kubas liegt auf der Nachbarinsel Hispaniola, genauer gesagt im heutigen Haiti. Haiti, damals Saint Domingue, war mit der ersten französischen Siedlung Cap-Haïtien 1670 von den Franzosen kolonialisiert worden und große Waldflächen wurden gerodet, um Zuckerrohr, Kaffee, etc. anzubauen. Die ganze Arbeit basierte auf Sklaven, die größtenteils aus Westafrika importiert worden waren nachdem die indigene Bevölkerung der Tainos ausgerottet worden war und nicht mehr als Arbeitskräfte dienen konnte. Im Zuge der Französischen Revolution Jahr zettelte 1791 ein Teil der Sklaven einen Aufstand an, in dessen Zuge die französischen Kolonialherren mit ihren Familien und Sklaven die Insel verließen, ins nahegelegene Kuba flohen und sich dort im Süden niederließen. So wurde beispielsweise der Kaffeeanbau in Südkuba eingeführt und ersetzte nach und nach einen Teil des Kakaoanbaus. In Südkuba findet man so immer noch viele Familien mit französisch klingenden Familiennamen und in der Architektur Santiagos zeigt sich der französische Einfluss wohl noch an den Häusern mit Holzbalkons, die so auch in Louisiana (USA) zu finden sind, wohin viele französischen Siedler nach ihrer Station in Kuba auswanderten. Zudem fiel mir im Süden tatsächlich auf, dass es mehr schwarze Einwohner als im Norden und in der Mitte gibt (ähnlich wie auch in der DomRep).

Der Riesenunterschied zur DomRep ist jedoch, dass die Kubaner stolz auf ihre afrikanischen Wurzeln sind und dies auch zeigen und zelebrieren. So fand, als ich gerade in Santiago war, das Festival „Fiesta del Fuego“ (Fest des Feuers) statt, das von der „Casa del Caribe“ (Haus der Karibik) jedes Jahr im Juli organisiert wird und das das afroamerikanische Erbe feiert. Jedes Jahr gibt es einen Länderschwerpunkt, dieses Jahr Ecuador, und zudem Tanz- und Folkloregruppen aus anderen Karibik- oder südamerikanischen Staaten, die für Vorführungen eingeladen werden. Einen wichtigen Programmpunkt bildeten zudem Vorträge, Konferenzen und Ausstellungen, die in verschiedenen, meist historischen, Gebäuden der Stadt stattfanden. So setzte ich mich an zwei Tagen in eine Konferenz zum Thema „‚Das Französische‘ in Kuba und der Karibik“ im Casa Dranguet, einem Zentrum für die Deutung des Kulturerbes der Kaffeeanbauer (Centro para la interpretación del Patrimonio Cafetalero), das neben Recherchearbeit auch Projekte mit den Gemeinden vor Ort durchführt, wo z. B. eine ehemalige französische Kaffeefarm wieder restauriert und für Touristen zugänglich gemacht wird. Es gab des Weiteren interessante Vorträge zu den verschiedenen Aspekten und Strömungen afrokubanischer Religionen und Kulte, doch aufgrund der Komplexität dieses Themas konnte ich den Erklärungen und den hunderten von afrikanischen Götternamen nicht folgen. Inmitten des Vortrags wurden wir auf einmal auf die Terrasse gerufen, um einem Ritual, wahrscheinlich einer Art Gebet, einer eingeladenen afrokubanischen Gruppe beizuwohnen. Alle waren ganz in weiß gekleidet, so wie man es in Kuba öfter auch bei Leuten auf der Straße sehen kann, standen in einem Kreis und dann ging es mit Gesängen, Klatschen, rhythmischem Fußstampfen und Tanzen los, wie ihr hier in den Videos sehen könnt:

Neben dem Festival machte ich noch ein bisschen gewöhnliches Sightseeing in Santiago: Ich erklomm den Turm der Kathedrale am Parque Céspedes, von dem man einen herrlichen Rundumblick über ganz Santiago hat, besichtigte das älteste Haus Kubas, das Casa de Don Diego Velázquez, das mich mit seinen Holzfenstern sehr an traditionelle marokkanische Häuser erinnerte und klapperte den Friedhof Cementerio Ifigenia ab, auf dem sich das militärisch streng bewachte Grab des kubanischen Nationaldichters José Martí, sowie die Gräber einiger Mitstreiter der „M-26-7“-Bewegung befinden.

 

 

 

Santa Clara – Besuch der Che-Guevara-Pilgerstätte

Santa Clara, das klingt im ersten Moment wie ein christlicher Wallfahrtsort. Nun ja, „christlich“ ist der Ort eher weniger (und noch weniger im sozialistischen Kuba), „Wallfahrtsort“ auf jeden Fall: Hier befindet sich das Mausoleum Che Guevaras, des argentinischen Guerillahelden, der die kubanische Revolution entscheidend mitgeprägt und am Sturz des Diktators Batista (reg. 1952-1958) mitgewirkt hatte. Heute werden täglich Busladungen voll von Touristen zum Che-Mausoleum gekarrt, das 1988 eröffnet worden war. Am Ort der Gedenkstätte ist ein Ganzkörperdenkmal Che Guevaras aus Bronze nebst Steinblöcken aufgestellt, auf denen Zitate Che Guevaras geschrieben stehen, die aus seinem Abschiedsbrief stammten bevor er zu seiner letzten Mission nach Bolivien aufbrach. Dort wurde er 1967 im Kampf mit dem bolivianischen Militär gefangen genommen und später hingerichtet. Erst 1997 überführte man die Leiche Guevaras von Bolivien nach Kuba.

Gegenüber des Mausoleums befindet sich ein riesiger weitläufiger Platz, der Plaza de la Revolución, der am Tag meines Besuchs in der Hitze brütete, und wohl für festliche Paraden an Gedenktagen genutzt wird. Ans Mausoleum angeschlossen ist ein Museum mit Fotos und Alltagsgegenständen Che Guevaras. Das Mausoleum selbst besteht aus einer einer Grotte nachempfundenen Grabkammer mit einer ewigen Flamme und den Gräbern Ches und seiner Anhänger, in der man allerdings keine Fotos schießen durfte.

Nach der Besichtigung des Mausoleums begab ich mich auf weitere Spurensuche des Revolutionärs und lief am Stadtzentrum vorbei Richtung Osten. Ich gelangte bis zum Hauptbüro der Provinz Santa Clara, vor der sich ein lebensgroßes Che-Denkmal befindet, was irgendwie menschlicher und persönlicher wirkt als das Che-mit-Gewehr-Denkmal am Mausoleum, weil Che hier ein Kind auf dem Arm trägt (Estatua Che y Niño). Auf der Straße zurück Richtung Zentrum liegt das „Museo del Tren Blindado“ (Museum des gepanzerten Zugs), das die restaurierten Eisenbahnwaggons des Batista-Regimes zeigt, die Che und seine Anhänger am 29. Dezember 1958 angegriffen hatten. Die Waggons waren vollgeladen mit Waffen, Munition, Proviant und Soldaten, die im Kampf gegen die Revolutionäre eingesetzt werden sollten. So aber drehten Che und seine Gefolgsleute den Spieβ um, ermächtigten sich der Waffen und nahmen kurz darauf ganz Santa Clara ein, was dazu führte, dass der diktatorisch herrschende Staatspräsident Batista 1959 in die Dominikanische Republik floh und die „Bewegung des 26. Juli“ (Movimiento 26 de Julio; abgekürzt M-26-7) der Revolutionäre die Macht übernahm.  Aus dieser Bewegung unter Führung Fidel Castros sollte 1965 die Kommunistische Partei Kubas (PCC) hervorgehen.

Ich hatte allerdings ehrlichgesagt keine Lust erneut Eintrittsgeld für weiteres „Propagandagedöns“ zu bezahlen und so schlich ich mich mit einer Touristengruppe auf das Gelände und setzte mich einfach nur zum Ausruhen in den Schatten und beobachtete die Leute.

Nach einem kurzen Rundgang im Zentrum und einem stärkenden Mittagessen aus leicht zerkochten Spaghetti mit Käse und Tomatensoßenkonzentrat in einem „Paladar“ (staatliches Restaurant) machte ich mich auf den Weg zum Busbahnhof, von dem ich mit einiger Verspätung nach Trinidad weiterfuhr. Die meisten Fahrten während meiner Kubareise machte ich übrigens im Viazul-Touristenbus. Der war zwar um einiges teurer als die lokalen Busse und Camiones (Lastwagen, die für den Personentransport umgebaut worden waren aber nur einen Schlitz für die Luftzufuhr aufwiesen, wodurch sie immer wie Viehtransporter aussahen), aber dafür bequem, recht pünktlich und mit Klimaanlage ausgestattet – ein Segen bei den hohen Temperaturen! Kubaner traf man in diesen Bussen allerdings so gut wie nie und wenn dann welche, die meist durch Familie oder Arbeit in den USA an mehr Geld gekommen waren.