Schriftrollen in der Wüste & Weihnachtskrippe mit Mauer. Unterwegs im Westjordanland: Qumran und Bethlehem

Am siebten Tag unserer Reise verließen wir Jordanien auch schon wieder und fuhren sehr früh am Morgen von Wadi Musa los, um über den Grenzübergang an der Allenby-Brücke nach Palästina, genauer ins Westjordanland, zu gelangen. Der Grenzübertritt zog sich erneut fast zwei Stunden hin und mir wurde wieder einmal klar, was für einen Luxus wir doch im europäischen Schengenraum haben, in dem nervige Wartezeiten einfach entfallen bzw. man die Grenze kaum als solche wahrnimmt. Wir verabschiedeten uns von unserem jordanischen Guide Mohamad und begrüßten erneut unseren israelischen Guide Ariel, der auf dem Parkplatz mit einem israelischen Bus auf uns wartete. Vor nicht allzu langer Zeit wäre es nicht möglich gewesen, dass er, ein israelischer Guide, eine Touristengruppe auf palästinensisches Gebiet begleitet, so erzählte uns Ariel. Doch mittlerweile ist dies möglich und so dürfen im Gegenzug auch palästinensische Guides mit ihrer Touristengruppe nach Israel reisen. Für die „normale“ Bevölkerung ist das um einiges schwieriger: Israelis dürfen aus Sicherheitsgründen nicht nach Palästina, es sei denn, sie wohnen in einer der jüdischen Siedlungen, und Palästinenser dürfen nur mit einer schwer zu bekommenden Einreiseerlaubnis (z. B. wenn sie in Israel arbeiten oder ins Krankenhaus müssen) nach Israel einreisen. Will z. B. ein Palästinenser ins Ausland fliegen, so fährt er normalerweise nach Jordanien, um von dort aus zu fliegen, denn nach Israel, was geografisch näher liegt, würde er nicht reinkommen. Wir, als ausländische Touristen, haben das Privileg, beide Gebiete bereisen zu dürfen. Und so war ich schon sehr gespannt!

Vom Grenzübergang aus, bei dem man auf westjordanischer Seite auf Höhe der „Palmenstadt“ Jericho rauskommt, die etwa 10 km nördlich des Toten Meers liegt, fuhren wir bis nach Qumran. Doch bevor ich auf diese Siedlung zu sprechen komme, muss ich noch auf einen interessanten ZEIT-Artikel von 1967 zu Jericho verweisen, der offenbar das Rätsel um die „Posaunen von Jericho“ aufklärt. Die Mauern Jerichos seien, laut Bibel, durch den Klang von Posaunen zum Einsturz gebracht worden als die Israeliten Jericho auf dem Weg nach Jerusalem eroberten. Hier der Link: „Warum stürzte die Mauer ein?“.

Aber zurück zu Qumran: Als wir auf dem Parkplatz der Stätte aus dem Bus stiegen, wurden wir fast von den Touristenmassen umgerannt, die leider, genau wir wir, zunächst nur ein Ziel kannten: Einmal hindurch durch den superengen und megastickigen Souvenirshop rein in das völlig überfüllte arabische Fast-Food-Restaurant. Das Essen schmeckte ganz okay, produzierte viel Plastikmüll, aber der Lautstärkepegel lud uns nicht zum Verweilen ein. Wieder am Eingangsbereich schleuste uns Ariel durch die Massen hindurch in die Ruinensiedlung Qumran. Dort hatte ein Hirte in einer Höhle alttestamentarische Schriftrollen, die „Schriftrollen vom Toten Meer“, gefunden – ein Hinweis darauf, dass wir uns wieder am Ufer dieses salzhaltigen Gewässers befanden. Nach diesem Fund gruben Archäologen in insgesamt elf Höhlen etwa 850 Rollen aus dem antiken Judentum aus. Wie uns ein Film zeigte, soll in dieser öden Wüstengegend einst eine Gruppe jüdischer Asketen gelebt haben, die sich vom Judentum mit Tempeldienst und Priesterschaft abwandten, und ein rituell streng geregeltes, enthaltsames Leben führten. Sie sahen sich als die letzte Generation vor der Ankunft des Messias. Aus dieser Zeit (ca. 150 v. Chr. bis 70 n. Chr.) stammen die Qumranrollen, in denen größtenteils auf Hebräisch das Leben dieser frühjüdischen Gemeinschaft beschrieben wird.

Von Qumran aus fuhren wir zu unserer Übernachtungsstätte für die kommenden zwei Nächte: Bethlehem. Jetzt taucht sicherlich vor jedermanns Augen das heimelige Bild von der Heiligen Familie nebst Tieren und Heiligen Drei Königen in einer Krippe auf, über dem der Stern von Bethlehem leuchtet. Nun ja, fast… Das, was Bethlehem extrem un-heimelig macht, ist die Tatsache, dass es im nördlichen Teil von einer Mauer umgeben ist, die es von Jerusalem trennt. Diese bis zu 8 m hohe israelische Sperranlage befand sich fußläufig von unserem Hotel entfernt und war über und über mit Graffitis und Street Art versehen. Ein beängstigender Anblick, vor allem die Wachtürme mit Schlitzfenstern, in denen israelische Soldaten sitzen und die Mauer bewachen. Insbesondere als Deutsche kommt man bei der Mauer, mit deren Bau Israel 2002 begann, schon gewaltig ins Grübeln…

Im Vorfeld der Reise hatte ich gelesen, dass der britische Street-Art-Künstler Banksy, den man mit seiner Street Art in vielen Großstädten dieser Welt verewigt finden kann, ein Hotel im Westjordanland eröffnet hat. Er warb für sein Hotel mit „dem schlechtesten Ausblick der Welt“, da man direkt auf die Mauer schaute. Bei meinem abendlichen Spaziergang an der Mauer stand ich, ohne es zu wissen, auf einmal direkt davor! Der Eingang des „The Walled Off Hotel“  (wall off heißt auf Englisch – sehr passend –  abschotten) war von einem Schimpansen in Pagenuniform flankiert und hatte auf mich irritierend, da für diesen Teil der Welt viel zu ironisch, gewirkt. Als ich am Haus nach oben sah, erkannte ich mit Graffiti um die Fenster drumherum gesprühte Fensterrahmen und Balkone. Bevor ich in das Hotel hineinging, klapperte ich noch den danebenliegenden Souvenirshop mit Banksy-Devotionalien ab. Der Clou: eine Weihnachtskrippe aus Holz, bei der die Heiligen Drei Könige von der Krippe durch eine Mauer abgetrennt waren. Wie wahr, wie wahr! 😦

Im „The Walled Off Hotel“ schaute ich mir eine Ausstellung zum Leben der Palästinenser mit der Mauer und unter israelischer Besatzung an. Sehr interessant, aber auch sehr traurig, insbesondere die Informationen über den noch stärker abgeschotteten Gazastreifen. Neben der Ausstellung gab es noch einen Buchladen, eine Gallerie, in der Werke palästinensischer Künstler ausgestellt wurden, und eine skurril eingerichtete Lobby mit Bar, in der sich alle Gespräche, soweit ich das aufschnappte, nur um den israelisch-palästinensischen Konflikt drehten. Falls ich ein weiteres Mal nach Bethlehem kommen sollte, werde ich auf jeden Fall in diesem Hotel übernachten! Interessanterweise wählen viele Reiseveranstalter und Touristen, die eigentlich Jerusalem besuchen wollen, Bethlehem aufgrund seiner vergleichsweise günstigen Preise als Übernachtungsort, so dass die Hotels gut belegt sind.

Aber in Bethlehem gibt es ja auch einiges zu besichtigen: Ariel führte uns noch am Abend des Ankunftstages zur Geburtskirche, die an jenem Platz errichtet sein soll, auf dem sich der Stall befand, in dem Jesus geboren wurde. Die Touristen stapelten sich schon vor dem Eingang und drinnen war so ein Gedränge, dass man etwa drei Stunden hätte anstehen müssen, um den Stern im Boden sehen zu können, der die Stelle markiert, an der Jesus geboren sein soll. Um die Geburtskirche in Ruhe betrachten zu können, möge man – so blöd es auch klingen mag – in die ZDF-Mediathek gehen und sich den Beitrag „Weihnachten in Bethlehem“ vom 24.12.2017 u. a. mit einem Auftritt Peter Maffays anschauen. Das war echt eine nette Sendung und lieferte im Nachzug der Reise viele Aha-Erlebnisse à la „Ach so sieht also die Geburtsstelle Jesus‘ bzw. die Katharinenkirche von innen aus!“. Die Katharinenkirche, in der jedes Jahr der traditionelle Weihnachtsgottesdienst stattfindet, liegt direkt neben der Geburtskirche, war aber während des Zeitpunkts unserer Besichtigung wegen einer Hochzeit geschlossen.

Mehr konnten wir aufgrund der schon vorgerückten Stunde in Bethlehem leider nicht besichtigen, obwohl ich gerne noch durch die schmalen Gassen geschlendert wäre, die vom großen Platz vor der Geburtskirche (Manger Square) abzweigten. Aber stattdessen hieß es „ab in die Heia“, denn zwei sightseeing- und geschichtslastige Tage in Jerusalem standen uns bevor – der krönende Abschluss dieser Reise.

Einen Einschub erlaube ich mir noch, da er eher zu Bethlehem als zu Jerusalem gehört: Am letzten Tag unserer Reise besuchten wir morgens Beit Jala, eine palästinensische Kleinstadt, die fast nahtlos in Bethlehem über geht, und in der sich ein Rehabilitationszentrum für behinderte Kinder und Jugendliche, „Lifegate. Tor zum Leben„, befindet. Passend zum Ort, der eine mehrheitlich christliche Bevölkerung aufweist, handelt es sich bei der deutsch-palästinensischen Einrichtung, um eine von kirchlichen Trägern (Caritas, Diakonie) unterstützte Stätte, die jedoch offen für alle Konfessionen ist. Der Verein, der Lifegate in Deutschland vertritt, heißt Tor zum Leben e. V.

Eine deutsche Mitarbeiterin, die, passend zu unserer sächsischen Reisegruppe, aus einer Kleinstadt bei Dresden kam, und die schon seit vielen Jahren in der Einrichtung als Therapeutin arbeitet, führte uns herum und erklärte uns das Konzept. Hauptanliegen ist es, behinderte Kinder und Jugendliche, deren Existenz für die Familien und die paläsinensische Gesellschaft leider vorwiegend tabuisiert wird bzw. beschämend ist, sollen befähigt werden, ihr Leben selbst zu meistern. Dazu erhalten sie zum einen Unterricht und Therapie, und zum anderen die Möglichkeit, sich in verschiedenen Tätigkeiten und Handwerken auszuprobieren bzw. eine Art Ausbildung zu machen (z. B. Holzbearbeitung, Wäscherei, Keramikherstellung). Es war absolut beeindruckend, was die Einrichtung mit ihrem deutsch-palästinensischen Team und zeitweisen internationalen Freiwilligen hier leistete. Hut ab! Um zumindest einen kleinen Unterstützungsbeitrag zu leisten, stürmte unsere Reisegruppe den Souvenirladen und erwarb einige der lokal hergestellten Produkte. Definitiv ein Besuch, der in Erinnerung bleiben wird!

Zum Teetrinken nach Djerba. Houmt Souk, die Inselhauptstadt

Noch immer wartete ich auf das Startdatum für meinen neuen Job in Berlin und so dachte ich mir, dass das „Abwarten und Tee trinken“ sich doch am besten in einem arabischen Land realisieren ließe. So fiel meine Wahl auf Tunesien, insbesondere die Insel Djerba, die man hauptsächlich für ihre Hotelressorts kennt. Mich interessierte jedoch vor allem der Kulturmix aus muslimischer, jüdischer, arabischer und berberischer (Amazigh-)Kultur, über den ich vorab gelesen hatte und so landete ich auch in keinem Betonklotz am Strand, sondern in einem Hotel mitten in der Inselhauptstadt Houmt Souk. Das schon etwas abgenutzte, aber sehr sympathische Hotel befand sich in einem ehemaligen Funduk, einer Karawanserei, in dessen Innenhof früher die Kamele übernachtet hatten und in dem ich nun jeden Morgen mein französisches Frühstück mit Baguette, Marmelade und „Gummikäse“ („La Vache qui rit“ lässt grüßen!) einnahm.

Rund um das Hotel erstreckte sich die Altstadt von Houmt Souk mit ihren typischen (jüdischen) Silberschmuckboutiquen, (Männer-)Cafés, Restaurants und Souvenirläden, die insbesondere Korb- und Lederwaren, Sonnenhüte, bunte Tunikas und Keramik verkauften. Blau-weiße Farbgebung dominierte die Altstadt; die Moscheen strahlten komplett in weiß und faszinierten mich mit ihrer schlichten Architektur. Auf Djerba gehört die Mehrheit der Bevölkerung den Ibaditen an, einer Strömung des Islams, die weder Sunniten noch Schiiten sind. Sie sind zwar in ihrem Glauben konservativer als die sunnitische Bevölkerungsmehrheit Tunesiens, gleichzeitig aber auch toleranter gegenüber anderen Religionen und Kulturen, was sich einfach aus der Geschichte Djerbas ergibt, das neben der Existenz seiner jüdischen Gemeinde auch spanische, türkische (osmanische) und französische Einflüsse aufnahm. Die Mehrheit der Djerbis ist zudem berberischen Ursprungs; Berber waren die Ethnie, die bereits vor der Eroberung Djerbas durch die Araber auf der Insel lebten und die bis heute ihre eigene Sprache und Kultur pflegen. Wobei man eigentlich besser von „Amazigh“ (=  wörtlich „freie Menschen“) sprechen sollte, erinnert doch das Wort „Berber“ an das negativ konnotierte „Barbaren“.

Um mich noch ein bisschen mehr mit der Inselgeschichte und -kultur zu befassen, besuchte ich am ersten Tag das Volkskundemuseum und erfuhr interessante Details über Olivenölherstellung, Töpferei, Oktopusfischen (mit Hilfe von Tonkrügen, die an einem Seil aufgereiht über Nacht ins Meer gehängt werden, und in denen sich die Oktopusse dann verkriechen), djerbische Kleidung, Wassergewinnung und -speicherung etc. Leider hatte das Museum schon im Hinblick auf den baldigen Ramadanbeginn verkürzte Öffnungszeiten und so konnte ich gar nicht alles schaffen anzuschauen. Mit dem Fotoapparat „bewaffnet“ lief ich dann in der goldenen Abendsonne vorbei an der spanischen Festung Bordj el Kebir bis hin zur Marina, einem Hafenviertel mit Cafés und Restaurants, das aber, da Nebensaison war, recht verlassen da lag und dessen beste Tage auch schon etwas zurück lagen. Die Ausflugsboote jedoch so kurz vor Sonnenuntergang sahen einfach nur toll aus!

An einem der späteren Tage musste ich in Houmt Souk natürlich noch den Gewürzmarkt unsicher machen – die 11 kg, die mein Gepäck auf dem Hinweg noch frei gehabt hatte, wollten schließlich gefüllt werden! Hinzu kamen eine Flasche Olivenöl, ein handgefertigter Sonnenhut, grüner Ton (für Gesichtsmasken), Ledersandalen, sowie Süßigkeiten, die ich im Hotel geschenkt bekam. Eine ordentliche Ausbeute! 🙂

Lima, die facettenreiche peruanische Hauptstadt mitten in der Wüste

Mitten in der Wüste? Lima? Nun ja, nicht ganz. Die peruanische Hauptstadt wird natürlich zum Einen durch den Pazifik begrenzt. Den Rest der Stadt, der dem Landesinneren zugewandt ist, jedoch umgibt tatsächlich eine so genannte Küstenwüste, wie sie für den ganzen peruanischen Küstenstreifen typisch ist. Fährt man also z. B. südlich aus Lima hinaus, wähnt man sich in der Wüste in Marokko, nur, dass die ärmlichen Häuschen, in denen Menschen ohne Strom und fließend Wasser leben, etwas anders aussehen. In meinem „Lonely Planet“ steht zudem, dass Lima nach Ägypten die zweittrockenste Stadt der Welt ist, es also extrem selten regnet. Das merkt man in der Stadt selbst jedoch kaum: Alle Grünanlagen werden bewässert und jeden Morgen hängt ein grieselig-grauer Nebel über der Stadt, der eigentlich nur zu Regenwetter passt.

So verschleierte auch am Morgen des 28. August 2016 als ich in Lima eintraf ein grauer Nebel die ganze Stadt. Die Taxifahrt vom Flughafen ins schicke Viertel Miraflores nahm um Einiges weniger Zeit als unter der Woche in Anspruch, in der Lima regelmäßig einen Verkehrskollaps erleidet. Und: Alles kam mir unglaublich ruhig vor (wie noch sooft auf dieser Perureise), was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn man zuletzt in der lauten Karibik gewohnt hat. Den Nachmittag verbrachte ich in der herrlich kühlen „Wintersluft“ (Peru liegt ja auf der Südhalbkugel) draußen und spazierte in Miraflores herum, ein lebhaftes Geschäftsviertel mit vielen Hochhäusern, das recht westlich aussieht und in dem man stets sicher und anonym herumlaufen kann. Sehr angenehm! Abends musste ich mir natürlich gleich die erste archäologische Ausgrabungsstätte anschauen – und daran mangelt es nicht in Peru!: Huaca Pucllana, ein hügelförmiger Zeremonialort der Wari-Kultur (ca. 600-1100), der komplett aus Lehmziegeln erbaut worden war. Das Interessante daran: Die Lehmziegel sind hochkant wie Bücher in einem Bücherregal angeordnet, wobei die Schlitze zwischen ihnen den Mauern genügend Flexibilität geben, wenn ein Erdbeben die Stadt heimsucht. Davon gibt es leider nicht wenige – die bisher Schlimmsten haben sich in den Jahren 1746 und 1940 ereignet.

Bis Ly am Montagabend eintraf, mit der ich drei Wochen unterwegs sein sollte, nutzte ich den Tag noch, um die an Miraflores angrenzenden Stadtviertel kennenzulernen: das Bankenviertel San Isidro und La Victoria mit einigen Parks und Museen. Da ich nur zu Fuß unterwegs war, bekam ich langsam einen Eindruck der gigantischen Dimensionen dieser Stadt. Wie gut, dass auf dem grünen Mittelstreifen der Hauptader Avenida Arequipa, die Miraflores mit dem Zentrum Limas verbindet, bereits Radwege angelegt worden waren. Doch leider fahren noch viel zu wenige Leute Fahrrad als dass das einen positiven Effekt auf das allabendliche Verkehrschaos haben könnte. Als Ly angekommen war und wir am nächsten Tag Limas Zentrum besichtigt hatten, brauchten wir mit dem öffentlichen Bus zurück nach Miraflores über zwei Stunden und das, obwohl wir am Mittag für diese Strecke gerade einmal knappe 30 Minuten gebraucht hatten. Taxifahrer Gerardo, mit dem ich mich angefreundet hatte, erzählte mir von der „Metro Lima“, einer Art U-Bahn, die zur Lösung des Verkehrsproblems beitragen soll, bisher aber leider nur eine Linie aufweist und zudem immer noch aufgrund der hohen Kosten umstritten ist. Ist wahrscheinlich ein ähnlicher Tropfen auf den heißen Stein wie die in Casablanca und Rabat eingeführte Straßenbahn…

Limas Stadtzentrum präsentierte sich uns morgens in einer grauen Nebelsuppe und auch die Besichtigung der Kathedrale sowie später des San-Francisco-Klosters stimmte uns eher depressiv: Die Kirchbauten präsentierten sich dunkel mit vielen leidenden Heiligen- und Christusfiguren, die Katakomben des Klosters mit vielen Knochenüberresten. Lustiger wurde es erst beim Mittagessen als wir zum ersten Mal eines dieser kleinen, aber feinen peruanischen Restaurants aufsuchten und nun das Tagesmenü mit lauter unverständlichen Essensbezeichnungen vor uns hatten. Wir ließen uns alles vom Kellner erklären, doch bei vielen Sachen scheiterte ich mit meinen Spanischkenntnissen und wir mussten einfach auf gut Glück bestellen. Das erste Ceviche schmeckte sehr lecker; die komischen Innereienstückchen auf Lys Teller eher weniger. Aber, wer nicht wagt, der nicht gewinnt! 😉

Nach der ersten Kennenlernrunde mit Lima machten wir uns auf zu unserer dreiwöchigen Gringo-Trail-Tour in den Süden Perus, wie ich in meinen nächsten Blogeinträgen berichten werde. Nach gut drei Wochen waren wir zurück in Lima, da Ly von dort aus ihren Rückflug nach Deutschland antreten würde. Doch zuvor musste noch ein Highlight abgeklappert werden: Die MISTURA, Food Festival und Essensmesse, die zufälligerweise gerade stattfand. Lima gilt nämlich mittlerweile kulinarisch gesehen als DAS Ziel in ganz Südamerika und die peruanische Küche generell gilt als eine der abwechslungsreichsten auf dem ganzen Kontinent. Auf der MISTURA präsentierten sich sämtliche Regionen Perus mit einem Stand und natürlich den entsprechenden Spezialitäten. Kaffeeschlückchen, Schokoladenstückchen und andere Proben wurden einem nur so hinterher geworfen und die Aussteller konnten es gar nicht verstehen, wie wir gegen Ende unseres Besuchs ihre Häppchen ablehnen konnten. Wir brauchten dann erst einmal etwas Herzhaftes und kauften uns mit unseren Essensmarken zwei leckere Fischgerichte, bei denen natürlich auch Mais nicht fehlen durfte.

Am nächsten Tag schauten wir uns noch das wirklich sehr schön und ansprechend gestaltete Larco-Museum mit einer riesigen präkolumbianischen Keramik- (inklusive ziemlich expliziter Erotikkeramika) und Schmucksammlung an. Dann hieß es auch schon Abschied von Ly nehmen und so verbrachte ich noch ein paar Tage allein in Lima. Ich besuchte das kostenlose und hochinteressante Nationalmuseum u.a. mit einer Fotoausstellung zum Terror des „Leuchtenden Pfads„, sowie das Künstler- und Bohème-Viertel Barranco, in dem man meint nicht mehr in Lima zu sein, so kleinstädtisch, ja fast dörflich wirkt es. Dort gibt es übrigens ein tolles Museum des peruanischen Fotografen Mario Testino, „MATE“ genannt, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

Alles in allem: eine sehr facettenreiche Stadt mit vielen Gesichtern, die es sich auf jeden Fall zu besichtigen lohnt! Vor allem, wenn am Nachmittag wie auf Knopfdruck die Sonne angeschaltet wird. 🙂