Unterwegs in Miches & Umgebung und (mal wieder) die Erkenntnis, dass die Welt ein Dorf ist!

„Die Welt ist ein Dorf.“, oder wie es auf Spanisch heißt, „Die Welt ist ein Taschentuch.“ – das musste ich hier in der DomRep schon öfter feststellen und diesmal bei meinem Ausflug nach Miches und Umgebung ganz besonders. Ich hatte mir schon vor einiger Zeit vorgenommen Yonattan, einen Studenten der Umweltschule in Jarabacoa, einmal in seinem Heimatort Miches zu besuchen. Gesagt, getan! Von Santo Domingo aus nahm ich ein Guagua Richtung Nordosten und kam nach einer etwa dreistündigen Fahrt erst an der Küste entlang, dann über die Berge der Cordillera Oriental hinweg im Küstenort Miches an. Untergebracht war ich beim Couchsurfing-Pärchen Cristina, eine Italienerin, und ihrem dominikanischen Mann „Pollo“. In ihrem riesigen, schön schlicht eingerichteten Haus bekam ich eines der zwei Gästezimmer und durfte von Cristinas leckeren italienischen Abendessen profitieren – eine willkommene Abwechslung vom dominikanischen Bohnen-mit-Reis-Einerlei, wobei ich selbst meine Gastgeber auch einmal bekochen durfte.

Yonattan hatte bereits ein umfangreiches Besichtigungsprogramm zusammengestellt und dank seines Motorrads waren wir schnell und flexibel unterwegs. Direkt nach meiner Ankunft am Donnerstagmittag fuhren wir zur Costa Esmeralda (Smaragdküste) und gingen am fast menschenleeren Playa Limón schwimmen und schnorcheln. Leider sahen die Korallen ziemlich braun und krank aus, was mir Yonattan bestätigte, der sehr aktiv im Umweltschutz seiner Gemeinde unterwegs ist. Der Strand an sich mit der Bergkulisse im Hintergrund war eigentlich echt schön anzusehen, wären da nicht die fiesen Sandflöhe gewesen, die wegen des bewölkten Wetters und so kurz vor Sonnenuntergang herauskamen.

Freitagmorgen fuhren wir östlich aus Miches heraus zur Laguna Redonda, die wir per Kayak erkundeten. Zum Glück war auch an diesem Tag der Himmel bedeckt – nicht auszudenken wie die Sonne sonst gebrannt hätte – aber trotzdem habe ich mir die Knie beim Kayakfahren doch leicht verbrannt. Wir schipperten an Schilf und Mangroven vorbei und fanden schließlich einen Abzweig, der uns bis ans Meer brachte. Dort waren gerade einige Fischer an der Arbeit. Wir erkundeten den am Meer gelegenen Palmenwald, der für mich irgendwie etwas märchenhaftes hatte, wären da nicht diese fiesen Moskitos gewesen…

Nach der Laguna Redonda durfte die Montaña Redonda nicht fehlen, ein neben der Lagune gelegener Berg, den wir (zu meinem Schrecken) wie die Besengten mit dem Motorrad hochheizten. Yonattan lachte mich die ganze Zeit nur aus, aber ich war echt erleichtert als wir endlich oben angekommen waren. Aber die beängstigende Fahrt hinauf hatte sich gelohnt: Wir hatten einen bombastischen Panoramablick auf das Meer, die Laguna Limón, Laguna Redonda, einen Teil von Miches und die Berge der Cordillera Oriental. Der Clou waren riesige Schaukeln, mit denen man quasi über den Abgrund schaukeln konnte, und Hexenbesen, die sich herrlich zu Sprungfotos eigneten. Des Weiteren gab es eine kleine Cafeteria, Campingmöglichkeiten, Hängematten und Wippen. Richtig cool!

Abends machten wir einen Spaziergang durch Miches, wobei ich über den hübsch angelegten Malecon (Strandpromenade) sehr positiv überrascht war. Yonattan zeigte mir zudem ein paar der Fischerboote, die die Küstenwache an Land gezogen hatte, und mit dem einige Dominikaner versucht hatten illegal nach Puerto Rico (mit den USA assoziierte Nachbarinsel) zu gelangen. Miches ist in der ganzen DomRep für diese Bootsfluchten bekannt, hinter denen ein riesiges Netzwerk aus Leuten steckt: es muss unauffällig Material für den Bootsbau eingekauft werden, das Boot muss an einem unauffälligen Ort zusammengebaut werden (teilweise in Wohnhäusern, von denen dann das Dach abgenommen wird, wenn das Boot in See stechen soll), die Küstenwache oder Polizei muss geschmiert werden, jemand muss ausreichend Verpflegung und Treibstoff kaufen, ein Kapitän muss gefunden werden, etc. Einmal auf See bedeutet das aber noch längst nicht, dass die Fluchtwilligen auch in Puerto Rico ankommen: Vor der Küste patrouilliert die dominikanische Küstenwache und die Mona-Passage, durch die das Fischerboot hindurch fährt, gilt als haiverseucht. Im schlimmsten Fall zahlen die Fluchtwilligen ihre Reise sogar umsonst und werden einfach nur einmal um die dominikanische Küste herum nach Punta Cana geschippert  und dort angeblich in „Puerto Rico“ hinausgelassen. Ich musste die ganze Zeit an Geschichten von Flüchtlingen aus der DDR denken, die versucht hatten, per Boot über die Ostsee nach Skandinavien zu flüchten.

Samstagmorgen hieß es früh aufstehen: Yonattan hatte eine Tour zu dem mit 120 m höchsten Wasserfall der Karibik, dem Salto la Jalda, geplant. Wir fuhren westlich aus Miches heraus bis in das Örtchen Magua, von dem wir südlich auf einem unbefestigten Weg weiterfuhren bis wir schließlich das Motorrad an einem Wohnhaus mitten im Grünen abstellten. Hier sollte also der Wanderweg starten – keine Beschilderung, nicht einmal ein richtiger Weg war vorhanden, aber Yonattan kannte sich zum Glück gut aus und so stapften wir durch den schlammigen Kakaowald. Nach etwa 1,5 Stunden gelangten wir an eine grüne Schutzhütte des Umweltministeriums, an der jedoch weit und breit kein Personal in Sicht war. Wir verschnauften auf den Schaukelstühlen oben auf der Veranda und sahen auf einmal wie ein weiterer Wanderer herankam. Wir begrüßten uns auf Spanisch, ich erkannte sofort den deutschen Akzent und musste im folgenden Dialog (mal wieder) feststellen, was die Welt doch für ein Dorf ist. Ich: „Wo kommst du her?“ – Christian: „Aus Dresden.“ – Ich: „Was? Ich auch! Wie alt bist du?“ – Christian: „29.“ – Ich: „Nein! Ich auch!!!“. Im Laufe der restlichen Wanderung versuchten wir fieberhaft einen gemeinsamen Bekannten zu finden, den wir beide aus unserer Heimatstadt kennen, aber Fehlanzeige. Erst zurück am Computer konnte uns Facebook helfen: Christians bester Freund, den er vom Studium kannte, war mit mir in derselben Grundschulklasse gewesen. Unglaublich! Christian schreibt übrigens auch den Reiseblog „My Travelworld. Reiseblog für Individualreisende“ und von ihm stammen auch die letzten beiden Fotos unseres Ausflugs zum Wasserfall.

Aber ja, zurück zum Wasserfall: Der war wirklich beeindruckend wie er in die Tiefe donnerte. Im kleinen Becken am Fuße des Wasserfalls konnten wir ein erfrischendes Bad nehmen. Ebenfalls am Fuße des Wasserfalls befindet sich witzigerweise ein Helikopterlandeplatz. Diesen hatte der venezuelanische Millionär ? dorthin bauen lassen, um quasi ohne Strapazen zum Wasserfalls gelangen zu können. Inwiefern der Landeplatz allerdings wirklich genutzt wird, weiß ich nicht.

Nachdem der Rückweg geschafft war, erfrischten wir uns an einem „Presidente Light“-Bier, das ich ja eigentlich wegen seines wässrigen Geschmacks überhaupt nicht mag, das aber bei der Hitze echt genial war. Dann quetschten wir uns zu dritt auf Yonattans Motorrad und fuhren zurück gen Miches. Kurz vor der Stadt: Benzin alle und keine Tankstelle in Sicht. Und zudem war das Motorrad noch von der morgendlichen Reifenpanne „geschwächt“. Was nun? Zu meiner Verblüffung war die Lösung ganz einfach und irgendwie „typisch dominikanisch“: Wir stiegen einfach auf ein anderes Motorrad um. Yonattan brachte dieses dann abends wieder zurück während sich der Typ, von dem er das Motorrad auslieh, um die Reparatur und Befüllung von Yonattans Motorrad kümmerte. Ende gut, alles gut!

2 Nächte in der Kakaoplantage – ein Ausflug in die Umgebung von San Francisco de Macorís

Nein, ich „ziehe euch nicht durch den Kakao“, wenn ich hier schreibe, dass ich tatsächlich ein Wochenende in einer Kakaoplantage übernachtet habe. Am zweiten Märzwochenende nämlich besuchte ich meine Mitfreiwillige Pauline in San Francisco de Macorís, die dort in der Stiftung „Loma Quita Espuela“ (loma = „Hügel“, quitar espuela = „Sporen abziehen“) arbeitet und mit der ich den 942m hohen Hügel des gleichnamigen Reservats erklimmen wollte. Ich hatte Glück, dass mich Freitagnachmittag Renata und Fernando mit dem Auto mit bis nach San Francisco nahmen, wo ich dann in einem gut sortierten und gut klimatisierten Supermarkt auf Pauline wartete. Mein erster Eindruck von der Stadt war eher negativ gewesen: extrem viel Verkehr, „Pssst pssst“-Rufe und Anlaberversuche an jeder Straßenecke, staubige Hitze, teilweise schäbige Häuser und Pauline erzählte mir auch, dass die Stadt wohl nicht ganz ungefährlich sei. Arm jedoch ist die drittgrößte Stadt der DomRep keinesfalls: Die Ackerflächen um die Stadt herum sind Anbaugebiet für Kakao, Reis, Obst und Gemüse.

Nach einem kurzen Rundgang im Stadtzentrum mit einer schummrigen Markthalle und nichtssagenden Geschäftsstraßen nahmen Pauline und ich einen brechend vollgeladenen Pick-Up aus der Stadt heraus bis zum Reservatseingang, wo ich in der „Rancho Don Lulú“ übernachtete. Eine sehr schöne, familiär geführte Hotelanlage mitten – ihr werdet es erahnen – in einer Kakaoplantage. Das war echt sehr schön zumal ich vorher noch nie Kakaopflanzen gesehen hatte und nicht gewusst hatte, dass die Kakaoschoten direkt am Stamm und den Ästen der Kakaobäume wachsen. Im Laufe der Zeit ändern die Schoten zudem ihre Farbe – von grün, über dunkelrot, orange bis hin zu gelb, wenn sie reif sind. Öffnet man eine Kakaoschote, sieht man die in eine weiße schleimige Flüssigkeit eingebetteten Kakaobohnen, die dann von der Flüssigkeit befreit und für die Weiterverarbeitung zu Kakao getrocknet und geröstet werden. Man kann die Kakaobohnen übrigens auch lutschen und kommt so in den Genuss der schleimigen, weißen Flüssigkeit, die leicht säuerlich schmeckt und aus der z. B. auch Marmelade hergestellt wird.

Nach der ersten Nacht 2″im Kakao“ und einem reichhaltigen rustikalen Campo-Frühstück (natürlich mit einer großen Kanne Kakao) nahmen Pauline und ich den Hügel des Reservats in Angriff. Wenn der Himmel zwischen den kurzen Regenschauern einmal aufklarte, konnte man am Anfang des Weges weit ins Cibao-Tal hineinsehen und San Francisco sowie Moca erspähen. Danach ging es weiter durch urwüchsigen Nebelwald. Oben angekommen konnten wir noch auf einen Aussichtsturm hinaufsteigen, konnten aber wegen des Nebels leider so gut wie gar nichts erkennen. Wieder unten in der Rancho angekommen erwartete uns ein großes Mittagessen, das uns für eine sonderbare Abendveranstaltung stärken sollte. Wir wurden von einem Typen im Auto abgeholt, der Pauline einmal im Büro besucht und ihr versprochen hatte, sie mit ein paar in San Francisco lebenden US-Amerikanern in Kontakt zu bringen. Wir hatten keine Ahnung wo wir hinfuhren. Zwischendurch dachte ich, dass er uns zu einer Wahlkampfveranstaltung schleppt, da er begeistert erzählte, dass er in der Regierungspartei aktiv sei. Aber nein: Wir landeten auf einer Veranstaltung – jetzt haltet euch fest – des Junior Lion’s Club von San Francisco! Da zu den Sitzungen auch Gäste mitgebracht werden können, kam es, dass sowohl Pauline und ich als auch die zwei US-Amerikaner dieser skurrilen Veranstaltung beiwohnen durften. Es begann (wie hier üblich) mit einem Gebet und dem Singen der Nationalhymne, diesmal allerdings mit obligatorischem Blick auf die „Bandera Dominicana“, die dominikanische Nationalflagge. Diese allerdings hing traurig und lieblos wie ein Putzlappen an einem Nagel, an dem normalerweise ein Bild an der Wand hing. Nach der Diskussion diverser Benefizveranstaltungen der teilweise extrem jung erscheinenden Mitglieder musste am Ende noch die Hymne des Clubs, wieder mit Blick auf die Nationalflagge, gesungen werden. Die anschließende Einladung zu Essen und Diskobesuch schlugen wir müde von der Wandertour aus und ließen uns zurückfahren.

Sonntag besuchte ich Paulines Dorf Los Brazitos („Die Ärmchen“) und lernte ihre Gastfamilie kennen. Wir gingen ein bisschen in der Umgebung spazieren bevor ich mich nachmittags nach ausführlicher Shoppingtour im Riesensupermarkt „La Sirena“ auf den Rückweg nach Jarabacoa machte.