In der Ferne über die eigene Geschichte lernen – Tour in Südtunesien

Mein einwöchiger Djerba-Aufenthalt neigte sich schon fast dem Ende entgegen, aber ein Highlight hatte ich noch vorgesehen: Eine Tour durch Südtunesien zusammen mit Professor Yamoun und Salim. Professor Yamoun ist Ingenieur und Kartograph und hat die auf Djerba an touristischen Orten stehenden Fliesenmosaike entworfen, die die Insel oder Ausschnitte der Insel als Karte zeigen. Seine Tochter, eine Filmemacherin, hatte einige Zeit in Deutschland gelebt und er hatte sie dort auch besucht, so dass er sogar ein bisschen Deutsch sprach. Trotz seiner 76 Jahre sprudelte er nur so über vor Ideen und Projekten und hatte immer etwas aus seinem Leben zu erzählen. Es sollte eine spannende, interessante und unterhaltsame Tour werden!

Um 6.30 Uhr holten mich Salim und der Professor mit einem klapprigen Jeep am Hotel ab und los ging’s über den Römerdamm, einem Staudamm aus Römerzeiten, der Djerba mit dem Kontinent verbindet,  Richtung südliches Festland. Kurz nachdem wir das Festland erreicht und in einer Salzwüste (Sebhet el Melah) eine kleine Fotopause eingelegt hatten, sprang der Motor des Jeeps nicht mehr an – die Batterie war alle. Nach mehrmaligen Anschiebversuchen hielt Salim ein vorbeikommendes Auto an, das uns half den Motor wieder zum Laufen zu bringen und wir die Fahrt fortsetzen konnten. In der nächsten größeren Stadt, Tataouine, fuhren wir bei einem befreundeten Zahnarzt vorbei, wo wir einfach so an den wartenden Patienten vorbei in das Büro des Arztes marschierten und herzlich begrüßt worden. Der Zahnarzt (dessen Name ich leider vergessen habe) erzählte uns ganz aufgekratzt, dass er nächste Woche zur Hochzeit seines Sohnes nach Heidelberg fliegen würde und sprudelte nur so über vor Freude und Herzlichkeit. Während Professor Yamoun einen Mechaniker für das Auto rufen ließ, spazierten Salim und ich durch die belebte Einkaufsstraße und den Suq (Markt) Tataouines. Ansonsten gab es in dem Ort nichts weiter zu sehen.

Nachdem das Auto wieder repariert war fuhren wir weiter nach Chenini, das erste von zwei Berberdörfern in den Bergen, das wir heute besuchen sollten. Von Weitem waren die Überreste des Dorfes – verfallene Wohnhöhlen und Speicher – auf dem Berg kaum zu erkennen, wohl aber die strahlend weiß leuchtende Moschee. Alle Bewohner waren mittlerweile aus der ehemaligen Siedlung auf dem Berg, die von einem Ksar, einer Art Burg bzw. Festung überwacht worden war, in eine neue Siedlung im Tal gezogen. Wir stapften den Berg bis zu einem Höhlenrestaurant und -hotel nach oben, wo wir erst einmal ein leichtes leckeres Mittagessen, nämlich Brik, tunesische Teigtaschen, einnahmen. Danach zeigte uns ein Bewohner des Ortes die auf dem Berg gelegenen Überreste des ehemaligen Dorfes. Oben auf dem Ksar angekommen hatten wir einen bombastischen 360°-Panoramablick in die Umgebung. Wir hatten Glück, dass es vor Kurzem etwas geregnet hatte, so dass die bizarren Wüsten- und Geröllberge überall grüne Tupfer aufwiesen.

Nach einem kurzen Abstecher zur Moschee der sieben Schläfer bzw. Riesen, deren überdiomensionierte Gräber im Moscheevorhof lagen, fuhren wir weiter zum zweiten Berberdorf des Tages, Douiret. Dort gab es ebenso ein Höhlenhotel samt Konferenzraum, ein Projekt, an dem Professor Yamoun mitgewirkt hatte, und erneut eine verfallene Berbersiedlung samt Ksar auf dem Berg. Die Landschaft erschien immer surrealistischer und erinnerte an Landschaften in Arizona, USA. Vor Urzeiten haben in dieser Gegend übrigens Dinosaurier gelebt. Leider war das zu diesem Thema eingerichtete Museum nahe Tataouine gerade im Umbau, aber zumindest konnten wir die Dinofigur entdecken, die irgendwer auf die Spitze eines Bergs gesetzt hatte und die man insbesondere in der Dämmerung schon von Weitem sehen konnte.

Auf der Fahrt zurück Richtung Tataouine entdeckten wir zudem einige Bunkeranlagen, die noch von den deutschen Soldaten unter Erwin Rommel im zweiten Weltkrieg errichtet worden und genauso unkaputtbar waren wie die Bunker, die ich an der Küste der Bretagne gesehen hatte als ich dort studiert hatte. Wir besuchten noch das „Hôtel Sangho“, in dessen Lobby sich eine kleine Ausstellung mit Fotos und Karten vom Nordafrikafeldzug Rommels befand und in der ebenso die Rolle der tunesischen Soldaten dargestellt wurde. Es war v. a. deswegen interessant für mich, weil mein Opa damals unter Rommel in Libyen stationiert gewesen war, ich ihn aber, da er bereits vor vielen Jahren gestorben ist, nicht mehr dazu befragen kann.

Kurz vor Sonnenuntergang absolvierten wir noch zwei Stippvisiten am Ksar Hadada und einer anderen Speicherburg, deren Name mir leider entfallen ist. Diese bienenwabenartig aussehenden Speicherburgen dienten früher dazu, um Lebensmittel zu speichern (ein Speicherraum wird „ghorfa“ genannt). Heute stehen sie leer oder werden, wie im Fall des Ksar Hadada, zu einem Hotel umgebaut. Aber auch als Filmkulisse kamen die stillgelegten Speicherburgen schon zum Einsatz, so in der ersten Episode von „Star Wars“. Witzigerweise heißt auch die Heimat Anakin und Luke Skywalkers im Film „Tatooine“ angelehnt an die südtunesische Stadt „Tataouine“. Bevor die Sonne dann endgültig hinter dem Horizont versank, kauften wir uns noch einen supersüßen Snack, genannt „Basbusa“, auf die Hand und sollten dann erst wieder zu später Stunde bei Medenine zu Abend essen bevor es über den Römerdamm zurück nach Djerba ging. Wir tankten an einer von zahlreichen illegalen libyschen Tankstellen am Straßenrand, die eigentlich nur aus (illegal über die Grenze geschmuggelten) nebeneinander aufgereihten Benzinkanistern und einem Gestell aus einem aufgeschnittenen Benzinkanister besteht, der mit einem Schlauch verbunden ist. In den aufgeschnittenen Benzinkanister kippt der Tankwart, meist ein libyscher Jugendlicher, das Benzin und über den Schlauch gelangt es in den Tank des Autos. Beim Essen im Restaurant konnten wir überall fette, teure Autos der Libyer sehen, die bei den Tunesiern wegen des Erdöls zwar als reich gelten, die jedoch aufgrund der chaotischen Zustände in ihrem Land scharenweise nach Tunesien rüberkommen, um dort essen zu gehen und einzukaufen. In meinem Hotel in Houmt-Souk erzählten sie mir, dass die Libyer insbesondere zu Ramadan ganz Djerba einnehmen und alle Vorräte aufkaufen, weil in ihrem Land keine regelmäßige Nahrungsversorgung gesichert sei.

Gegen Mitternacht trafen wir drei müde und geschafft, aber vollkommen zufrieden mit der gelungenen Tour wieder in Houmt Souk ein. Die Bilder sprechen für sich!

Djerbas Töpferhauptstadt Guellala

Nach einem weiteren Tag mit Fahrrad, nach dem sich mein Hintern langsam schmerzhaft bemerkbar machte, gab ich das Vehikel zurück und nahm mir die Töpferhauptstadt der Insel, Guellala, vor. Mit dem lokalen Bus war ich innerhalb einer halben Stunde da und erst einmal etwas orientierungslos. Überall sah ich, wie erwartet, Läden, die Töpferwaren anboten und die diese weitläufig vor dem Ladeneingang aufgestellt hatten. Am zentralen Kreisverkehr war zudem unübersehbar ein riesiges Denkmal eines Tonkruges errichtet worden, das, wie mir eine Verkäuferin später erzählte, angeblich Eingang in das Guinessbuch der Rekorde gefunden hatte. Ich hatte jedoch weniger vorgehabt Töpferwaren shoppen zu gehen, sondern vielmehr das Museum von Guellala („Musée de Guellala“) zu besuchen, das in einem sehr schönen Gebäude untergebracht sein soll und in dem ich etwas über die Kultur und Traditionen Tunesiens und speziell auch Djerbas lernen wollte. Als ich auf der Marktstraße nach dem Museum fragte, zeigte man auf ein naheliegendes Gebäude mit verschlossener Tür, in dem ich es nachmittags wieder probieren könne hineinzukommen. Komisch, dachte ich mir, in meinem Reiseführer stand nämlich drin, dass das Museum den ganzen Tag durchgängig geöffnet hat. So beschloss ich erst einmal in die andere Richtung des Ortes zu laufen und kam in einigen Seitenstraßen auch an kaum erkennbaren Brennöfen und Töpferwerkstätten vorbei.

In einem Souvenirgeschäft unterhielt ich mich fast zwei (!) Stunden lang mit einer Verkäuferin, die mir viel über die Amazighkultur erzählte und sich über den respektlosen Umgang der „Araber“ mit Frauen aufregte. Sie betonte immer und immer wieder wie anders als die zugewanderten „Araber“ doch die berberische Ursprungsbevölkerung Djerbas sei, dass die Djerbis (Einwohner von Djerba) alleinreisende Frauen in Ruhe ließen (kann ich bestätigen!) und dass Frauen allgemein ein viel höheres Ansehen in der Gesellschaft genössen. Zudem unterstrich sie immer wieder das friedliche Zusammenleben von jüdischen und muslimischen Djerbis und wetterte gegen Wahhabiten von der arabischen Halbinsel, die offensichtlich ab und zu versuchen, die muslimischen Berber Guellalas zu einem strengeren Glauben zu missionieren. Wie mir später eine auf Djerba lebende Französin erzählte, gelten die berberischen Einwohner Guellalas aber gerade wegen ihrer Abneigung gegenüber Arabern bzw. arabischen Tunesiern als rassistisch; religiöse Toleranz hin oder her. Eine komplizierte, aber sehr interessante Gemengelage!

Als ich danach auf einen Kaffee in ein Restaurant einkehrte, erfuhr ich endlich, dass sich das Museum von Guellala etwas außerhalb der Stadt auf einem Hügel befindet und dass mich die Herren auf dem Markt offensichtlich an die Moschee verwiesen hatten als ich nach dem Museum gefragt hatte. Nun ja, auf Französisch klingen „musée“ und „mosquée“ nicht so unterschiedlich! 😉

Ich stapfte also hinauf zum Museumshügel und war schon von Weitem von der strahlend weißen Fassade des Museumsbaus geblendet. Innen wie außen war die Architektur sehr schlicht gehalten und in Nischen wurden anhand von Wachsfiguren Szenen aus dem tunesischen/djerbischen Alltag wie z. B. Hochzeit, Beschneidung eines Kindes, etc., nachgestellt. Die Erläuterungstexte waren erfrischend kurz gehalten und ich konnte anhand der anschaulichen Präsentation wirklich einiges lernen und würde das Museum jedem weiterempfehlen! Zumal man vom Hügel aus einen schönen Ausblick in die Umgebung bis ans Meer hat!

Zum Teetrinken nach Djerba. Houmt Souk, die Inselhauptstadt

Noch immer wartete ich auf das Startdatum für meinen neuen Job in Berlin und so dachte ich mir, dass das „Abwarten und Tee trinken“ sich doch am besten in einem arabischen Land realisieren ließe. So fiel meine Wahl auf Tunesien, insbesondere die Insel Djerba, die man hauptsächlich für ihre Hotelressorts kennt. Mich interessierte jedoch vor allem der Kulturmix aus muslimischer, jüdischer, arabischer und berberischer (Amazigh-)Kultur, über den ich vorab gelesen hatte und so landete ich auch in keinem Betonklotz am Strand, sondern in einem Hotel mitten in der Inselhauptstadt Houmt Souk. Das schon etwas abgenutzte, aber sehr sympathische Hotel befand sich in einem ehemaligen Funduk, einer Karawanserei, in dessen Innenhof früher die Kamele übernachtet hatten und in dem ich nun jeden Morgen mein französisches Frühstück mit Baguette, Marmelade und „Gummikäse“ („La Vache qui rit“ lässt grüßen!) einnahm.

Rund um das Hotel erstreckte sich die Altstadt von Houmt Souk mit ihren typischen (jüdischen) Silberschmuckboutiquen, (Männer-)Cafés, Restaurants und Souvenirläden, die insbesondere Korb- und Lederwaren, Sonnenhüte, bunte Tunikas und Keramik verkauften. Blau-weiße Farbgebung dominierte die Altstadt; die Moscheen strahlten komplett in weiß und faszinierten mich mit ihrer schlichten Architektur. Auf Djerba gehört die Mehrheit der Bevölkerung den Ibaditen an, einer Strömung des Islams, die weder Sunniten noch Schiiten sind. Sie sind zwar in ihrem Glauben konservativer als die sunnitische Bevölkerungsmehrheit Tunesiens, gleichzeitig aber auch toleranter gegenüber anderen Religionen und Kulturen, was sich einfach aus der Geschichte Djerbas ergibt, das neben der Existenz seiner jüdischen Gemeinde auch spanische, türkische (osmanische) und französische Einflüsse aufnahm. Die Mehrheit der Djerbis ist zudem berberischen Ursprungs; Berber waren die Ethnie, die bereits vor der Eroberung Djerbas durch die Araber auf der Insel lebten und die bis heute ihre eigene Sprache und Kultur pflegen. Wobei man eigentlich besser von „Amazigh“ (=  wörtlich „freie Menschen“) sprechen sollte, erinnert doch das Wort „Berber“ an das negativ konnotierte „Barbaren“.

Um mich noch ein bisschen mehr mit der Inselgeschichte und -kultur zu befassen, besuchte ich am ersten Tag das Volkskundemuseum und erfuhr interessante Details über Olivenölherstellung, Töpferei, Oktopusfischen (mit Hilfe von Tonkrügen, die an einem Seil aufgereiht über Nacht ins Meer gehängt werden, und in denen sich die Oktopusse dann verkriechen), djerbische Kleidung, Wassergewinnung und -speicherung etc. Leider hatte das Museum schon im Hinblick auf den baldigen Ramadanbeginn verkürzte Öffnungszeiten und so konnte ich gar nicht alles schaffen anzuschauen. Mit dem Fotoapparat „bewaffnet“ lief ich dann in der goldenen Abendsonne vorbei an der spanischen Festung Bordj el Kebir bis hin zur Marina, einem Hafenviertel mit Cafés und Restaurants, das aber, da Nebensaison war, recht verlassen da lag und dessen beste Tage auch schon etwas zurück lagen. Die Ausflugsboote jedoch so kurz vor Sonnenuntergang sahen einfach nur toll aus!

An einem der späteren Tage musste ich in Houmt Souk natürlich noch den Gewürzmarkt unsicher machen – die 11 kg, die mein Gepäck auf dem Hinweg noch frei gehabt hatte, wollten schließlich gefüllt werden! Hinzu kamen eine Flasche Olivenöl, ein handgefertigter Sonnenhut, grüner Ton (für Gesichtsmasken), Ledersandalen, sowie Süßigkeiten, die ich im Hotel geschenkt bekam. Eine ordentliche Ausbeute! 🙂

Islas Uros & Isla Taquile: Schwimmende Inseln und die „Insel der strickenden Männer“ auf dem Titicacasee

Titicacasee, den Namen kennt irgendwie jeder. Doch warum eigentlich? In meinem tiefsten Unterbewusstsein stellte mein Gehirn irgendwie eine Verbindung zwischen Pippi Langstrumpf und dem Titicacasee her. Und tatsächlich: Nach etwas Internetrecherche stieß ich darauf, dass der Vater Pippis wohl vom Titicacasee stammen soll. Falls jemand die Buchpassage parat hat, kann er/sie sie mir gerne schicken!

Der Titicacasee ist auf jeden Fall fester Bestandteil der typischen Gringo-Trail-Tour, die wohl so ziemlich jeder Perutourist abklappert. So auch wir. Von Arequipa aus fuhren wir mit dem Nachtbus ins 3.830 m hochgelegene Puno, kamen dort gegen 4 Uhr morgens an und torkelten erst einmal frierend für ein paar weitere Stunden ins Hotelbett. Eine Weile später standen wir auf und erkundeten die recht grau wirkende Stadt. Ziemlich auffällig war die in Anbetracht der geringen Größe der Stadt (ca. 141.000 Einwohner) doch recht große Einkaufsstraße. Und ganz richtig, Puno ist ein wichtiges Handels- und Schmuggeldrehkreuz (v.a. Drogen) zwischen dem benachbarten Bolivien und Peru. Auch wir konnten den zahlreichen Verkaufsständen am Hafen nicht widerstehen und deckten uns mit bunten Wollstoffen und anderen Souvenirs ein. Hier in Peru hatte ich nämlich im Gegensatz zur DomRep richtig Lust Souvenirs und Klamotten shoppen zu gehen. In der DomRep hatte es ja in der Regel nur künstlichen Karibikkitsch und nervige Verkäufer gegeben; in Peru hingegen saß in jedem Verkaufsstand eine meist ältere Frau in der Ecke, winkte einen kurz mit einem „Señorita, entra!“ herein und widmete sich dann wieder ihrer Strickarbeit. So sieht entspanntes Einkaufen aus! Abends landeten wir nach unserer Beutetour in einem der zahlreichen für Puno wohl typischen Pizza-Restaurants: Es gab dort eigentlich jegliche Art peruanischer Speisen, aber eben auch Pizza, die direkt vor den Augen der Gäste zubereitet und in einem im Restaurant stehenden Steinofen gebacken wurde. Der Pizzabeleg, den ich bekam, war etwas gewöhnungsbedürftig: Wiener Würstchen, Kartoffeln, Brokkoli und Käse. Ly probierte Alpaka-Fleisch, was uns beiden allerdings nicht wirklich gut schmeckte.

Für den nächsten Tag hatten wir eine Übernachtung auf den schwimmenden Uros-Inseln auf dem Titicacasee gebucht. Genauer gesagt sollten wir auf der Isla Khantati in einer der Reet-Hütten von Cristina Suaña, quasi der Vorreiterin des Titicacasee-Übernachtungstourismus‘, die Nacht verbringen. Wir wurden am Hotel abgeholt, fuhren etwas um den See herum, der übrigens den größten See Südamerikas und das höchstgelegene befahrbare Gewässer der Welt bildet, und schipperten schließlich per Motorboot zu den berühmten Reet-Inseln herüber. Aus Reet (span. totora) stellen die Uros, also die Bewohner der Uros-Inseln, alles her: die Inseln selbst, Häuser, Boote, Gefäße, etc. Bei einem nachmittäglichen Bootsausflug lernten wir, dass man einen Teil der Reet-Schilfe sogar essen kann und sie wohl wie unsüßes Zuckerrohr schmecken sollen. Gegen Abend erhielten wir eine weitere Landeskundeeinheit, in der uns einer der Uros etwas zur Geschichte und Bauweise der Inseln erzählte (sie waren ursprünglich schwimmend gebaut worden, um sich vor Feinden (Inkas, Collas) in Sicherheit bringen zu können), wie traditionellerweise gekocht wird und wie die typische Kleidung der Uros aussieht. Letzteres durften wir selbst testen und bekamen die kunterbunten Röcke, Jacken und Wollmützen angezogen. Schon eine etwas peinliche Touri-Veranstaltung, aber letztendlich hat es sogar richtig Spaß gemacht! Natürlich durfte auch die Verkaufsveranstaltung danach nicht fehlen, wobei wir uns zum Glück zurückgehalten hatten, denn später, zurück auf dem Festland, stellten wir fest, was für überteuerte Preise die Inselbewohner genannt hatten.

Wovon uns jedoch gar nichts erzählt wurde, war die sehr heikle ökologische Situation des Titicacasees. Als ich nämlich einen unserer Mittouristen zum Schwimmen in den See springen sah, wurde mir gleich ganz anders, hatte ich mir doch vor einiger Zeit die erschreckende ZEIT-Fotostrecke „Titicacasee. Drecksloch in den Anden“ angesehen… In den See werden täglich große Mengen an Abwasser geleitet, so dass z. B. der Titicaca-Riesenfrosch kurz vor der Ausrottung steht. Sicher auch nicht gerade umweltfreundlich war unsere 1,5-stündige (Motor-)Bootsexkursion am nächsten Tag auf die Taquile-Insel; mit dem traditionellen Reet-Boot hätte die Fahrtzeit doppelt so lange betragen, was in unserem Zeitbudget leider nicht drin gewesen war.

Taquile entpuppte sich als eine hügelige Insel mit mediterranem Flair. Wir wälzten uns zusammen mit den Touristenmassen bis in den kleinen Hauptort der Insel, wo es ein paar nette Gassen, Torbögen und Kirchen zu sehen gab. Das Interessanteste waren jedoch die Einwohner, von denen es nur ca. 2.200 gibt: Die Männer tragen meist bunte Wollmützen, die sie übrigens selbst stricken (!) und einen breiten Hüftgürtel, den ihnen die Frauen weben. Die Frauen tragen bunte Röcke und ein langes, schwarzes Kopftuch mit Bommeln. Da der Heiratsmarkt auf Taquile etwas begrenzt ist, werden eindeutige Zeichen gesetzt: Männer, die eine rote Mütze tragen und Frauen, die kleine Bommeln an ihrem Kopftuch hängen haben, sind verheiratet. Männer, die eine rot-weiße Mütze auf dem Kopf haben und Frauen, deren Kopftuch große Bommeln aufweist, sind noch nicht verheiratet. So einfach ist das! Übrigens sprechen die Einwohner von Taquile Quechua; auf Uros hingegen wird Aymara gesprochen. Nach einem Mittagessen im kommunalen Restaurant, das jede Woche von einer anderen Familie der Insel betrieben wird, hieß es auch schon wieder aufbrechen und den Rückweg nach Puno antreten. Das nächste Mal, so habe ich mir vorgenommen, werde ich den Titicacasee von bolivianischer Seite aus bereisen, deren Berge man von Peru aus immer schon sehen konnte.