Das afro-peruanische Erbe in Chincha und El Carmen

Bevor ich von den Anden wieder zurück an die Küste nach Lima fuhr, legte ich noch einen Zwischenstopp in Chincha ein. Chincha ist eine relativ nichtssagende Küstenstadt mit etwa 194.000 Einwohnern, die nördlich von Nazca liegt, wo Ly und ich am Anfang unserer Perureise einen Rundflug über die Nazca-Linien unternommen hatten. Ja, fast nichtssagend, wenn da nicht dieses eine interessante Detail gewesen wäre: Chincha ist die Hochburg der afro-peruanischen Kultur. Afro-Peruaner, also Peruaner mit afrikanischen Wurzeln, deren Vorfahren als Sklaven nach Peru gekommen waren, machen zusammen mit asiatischstämmigen (z. B. japanischstämmigen) und anderen Immigranten nur etwa 3 % der Gesamtbevölkerung (30,4 Mio.) aus. In Chincha ist dieser afrikanische Einfluss an jeder Ecke zu sehen: Restaurantschilder mit Schwarzen drauf, die für kreolisches Essen (comida criolla) werben, schwarze Puppen, die als Souvenirs verkauft werden, ein Denkmal für eine afro-peruanische Musikband mit dem typischen Cajón-Spieler (cajón = eigentlich span. für Kiste, Schublade, hier: Kistentrommel), etc. Und natürlich sieht man auch mehr schwarze Peruaner in der Straße als sonst an den Orten, wo ich bisher in Peru gewesen war.

Vom Zentrum Chinchas nahm ich einen Minibus und fuhr in das etwas außerhalb liegende Dörfchen El Carmen, wo einen bereits am Eingangsbogen an der Abbiegung von der Hauptstraße Wandmalereien mit bekannten afro-peruanischen Persönlichkeiten begrüßten. Ich ließ mich an der Casa-Hacienda San José absetzten, eine ehemalige Sklavenplantage, deren Hazienda heute zu einem Hotel umgebaut worden ist. Dort konnte ich eine interessante, aber leider viel zu kurze Führung durch die ehemaligen Wohnräume der spanischen Hazienda-Besitzer, die barocke Kapelle und die Katakomben machen, in denen die Sklaven manchmal zur Bestrafung in völliger Dunkelheit eingesperrt worden waren. Die zwischenzeitlich bis zu 1.000 Sklaven hatten auf den Zuckerrohr- und später auch Baumwollplantagen schuften müssen. Obwohl 1854 die Sklaverei in Peru abgeschafft worden war, arbeiteten viele der Sklaven weiterhin auf den Plantagen, was mich an die Geschichte Sansibars erinnerte, wo auch weiterhin Handel mit Sklaven getrieben wurde, obwohl die Sklaverei offiziell 1875 abgeschafft worden war. Die meisten der Sklaven, die nach Peru gebracht worden, stammten übrigens aus Westafrika. Oftmals waren sie erst bis Kuba, Hispaniola, Mexiko (Veracruz) oder Kolumbien (Cartagena de Indias) transportiert worden bevor man sie weiter nach Panama oder Peru verteilte.

Nach dieser kurzen Stippvisite in Chincha fuhr ich schließlich mit dem Bus weiter nach Lima, wo ich meine Perureise, zumindest für dieses Mal, mit einem Weiterflug nach New York beenden würde. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen; bietet das Land in seinen immensen Dimensionen doch so viel, was man lernen und was man sich anschauen kann! In diesem Sinne: ¡Adiós, Perú!

Letzte Eindrücke von der Insel & Abschlussbericht

Ja, liebe Blogleser/innen, wie ihr seht, war mein Blog in den letzten Monaten ziemlich verweist und das aus gutem Grund: Ich war nach meinem Freiwilligenjahr in der Dominikanischen Republik noch gut sechs Wochen auf Reisen und habe mir Peru und New York angeschaut. Dazu werden in den nächsten Tagen auch Berichte und tausende von Fotos (nein, nein, keine Angst, ich werde eine Auswahl treffen!) folgen. Doch zunächst gibt es an dieser Stelle noch ein paar Impressionen meiner letzten Wochen in der DomRep, in denen ich mit meiner Gastfamilie Ausflüge unternommen, Freunde besucht, mich mit den anderen Freiwilligen getroffen und noch die ein oder andere neue Sehenswürdigkeit entdeckt habe. Zudem haben meine Mitfreiwillige Sarah und ich noch eine Abschlusspräsentation vor den Plan-Yaque-Kollegen gehalten. Also, Vorhang auf!

Und zu guter Letzt könnt ihr euch hier noch den Abschlussbericht zu meinem Freiwilligenjahr 2015-16 in der DomRep durchlesen:

Abschlussbericht

Baracoa & El Yunque – Kolumbus, raffinierte Küche und Natur pur

Baracoa, nein nicht JARABACOA, das sollte von Santiago aus meine nächste Station sein. Man fährt mit dem Touristenbus von Viazul etwa fünf Stunden zunächst an der Küste entlang, später in die Berge der Sierra de Purial hinein und kommt schließlich im kleinen, dörflichen Baracoa an, das bis zum Bau der Verbindungsstraße nach Santiago bis zur Revolution quasi vom Rest der Insel abgeschnitten gewesen und nur auf dem Seeweg erreichbar  war. Der Weg durch die Berge nach Baracoa erinnerte mich sehr an die Straße zwischen Jarabacoa und Constanza in der DomRep und in ähnlich schlechtem Zustand wie die in Kuba muss die Straße wohl vor ihrer Renovierung auch in der DomRep gewesen sein. Damals brauchte man jedenfalls ebenfalls fünf Stunden von Jarabacoa nach Constanza; heute sind es 1,5 Stunden.

In Baracoa hatte ich über AirBnB ein sehr nettes Casa Particular gefunden und erkundete am ersten Tag zusammen mit Johan, einem Belgier, den ich auf der Busfahrt kennengelernt hatte, das Städtchen. Hier übrigens legte Kolumbus 1492 angeblich zum ersten Mal in Kuba an, was ein Holzkreuz in der Kathedrale (Catedral Nuestra Señora de la Asunción) und ein Denkmal an der Strandpromenade bezeugen. Und, da Baracoa in ganz Kuba für seine raffinierte Küche berühmt ist, die ja sonst mit Sandwichs und fettiger Käsepizza eher zu wünschen übriglässt, mussten wir natürlich in einem örtlichen Restaurant essen gehen. Eine Spezialität des Ortes ist Fisch bzw. sind Meeresfrüchte in Kokosnusssoße, da die Region neben Kakao v.a. auch Kokospalmen  anbaut. Die Kokosprodukte halfen den Menschen in der Zeit der „Periódo Especial“ in den frühen 1990er Jahren, als es aufgrund der Wirtschaftskrise im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion nicht mehr genug zu essen gab, zu überleben, wie mir mein Gastgeber später erzählte. Die Meeresfrüchte mit Kokossoße jedenfalls schmeckten herrlich, nur leider war mein Magen nicht ganz so begeistert von dem Essen und verabschiedete sich schnell wieder davon. 😦

So war ich am nächsten Morgen leider etwas geschwächt und konnte das riesige Frühstück mit einer Thermoskanne Kaffee und einer Thermoskanne frischen Kakaos inklusive leider gar nicht richtig genießen und musste mir den Rest für den Tag einpacken. Mit Johann hatte ich geplant einen Ausflug in den Nationalpark Alejandro von Humboldt zu machen. Doch der Taxifahrer, mit dem wir am Abend vorher noch eine Vereinbarung getroffen hatten, tauchte nicht auf und so sahen wir uns gezwungen, uns im staatlichen Touristenbüro von CUBATUR eine andere organisierte Tour zu suchen. In den Nationalpark konnten wir leider aufgrund von Regen nicht fahren und so entschieden wir uns einen Ausflug auf den Tafelberg El Yunque zu machen, der quasi das Wahrzeichen Baracoas darstellt. Wir wanderten als Kleingruppe von zehn Leuten los und mussten als erste Hürde durch einen Fluss waten, der mir teilweise bis zu den Oberschenkeln ging und ich ständig Angst um meine Kamera hatte. Ein bisschen sauer war ich schon, dass sie uns nicht vorgewarnt hatten. Aber bis zum Zwischenstopp an einer Hütte hatte ich erst einmal mit meinem noch immer grummelnden Magen und meines Schwächegefühls  zu kämpfen, was sich aber schlagartig besserte als mir ein Mädel aus unserer Gruppe Traubenzucker gab. So kamen wir alle oben an, machten ein paar Fotos und konnten aber leider aufgrund des diesigen Wetters nicht allzu viel von der Umgebung sehen.

Der Abstieg gestaltete sich als äußerst schwierig: Er war durch Schlamm extrem rutschig und ich wurde wieder einmal sauer auf den Tourveranstalter, da ich extra noch gefragt hatte, ob ich die Tour mit meinen leichten Turnschuhen überhaupt machen könne und ob es nicht zu gefährlich sei wegen des Schlamms. „Ah sí sí, no hay problema.“ (Ah doch, doch, kein Problem!) hatten sie mir geantwortet. Ich aber hätte mir meine knöchelbedeckenden Wanderschuhe in diesem Moment gerne gewünscht. Und dann passierte, was passieren musste: Ein Mädchen aus unserer Gruppe rutsche beim Runtergehen aus und „knack“ brach sich den Knöchel. Es war schrecklich mit anzuhören und anzusehen! Ihr Fuß wurde stabilisiert und der Guide nahm sie auf seinen Rücken, um sie runterzutragen. Gleichzeitig konnte er nicht so schnell runterlaufen wie er wollte, da er auch noch für uns als restliche Gruppe verantwortlich war. Auch das war also schlecht organisiert worden: Wahrscheinlich schicken sie, um den Preis zu drücken, immer nur einen Guide pro Gruppe mit, wobei zwei nötig gewesen wären. Wir anderen aus der Gruppe verzichteten breitwillig auf die Programmpunkte Obstessen an der Zwischenhütte und Baden im Fluss, um so schnell wie möglich nach unten zu gelangen und das Mädel in ein Taxi Richtung Baracao setzen zu können. Das erste Taxi bekam die Tür nicht zu als sie mit ausgestrecktem Bein auf der Rückbank saß und so musste sie erneut gefühlt ewig warten bis ein zweites Taxi kam. Die Verzögerung wurde uns mit dem allgemeinen Benzinmangel erklärt. Gottseidank war „nur“ ihr Knöchel gebrochen und nichts wirklich Akutes vorgefallen wo schnelle Hilfe vonnöten gewesen wäre…

Am Abend lernten Johan und ich in einem Restaurant übrigens einen Israeli kennen, der uns erzählte, dass er tagsüber einen Ausflug zum Nationalpark Alejandro von Humboldt gemacht hatte und der Regen kein Problem dargestellt hätte. Na toll! Aber nun gut, ein Grund noch einmal herzukommen!

Nach einem weiteren Tag in Baracoa, an dem ich ein paar Museen und den Strand erkundete, fuhr ich per Bus wieder nach Santiago zurück, wo ich noch ein paar Festivaltage der „Fiesta del Fuego“ (Fest des Feuers) mitnahm. Am Freitag ging es schließlich von Santiago per Nachtbus zurück nach Havanna, wo ich noch den Samstag zum weiteren Sightseeing nutzte. Sonntagmorgen sollte es mit der Fluggesellschaft „Cubana de Aviación“ zurück nach Santo Domingo gehen. Als ich die Check-In-Halle betrat, war mein Flug um 9.40 Uhr nicht angezeigt und auf Nachfrage am Schalter wurde mir mitgeteilt, dass er wahrscheinlich erst gegen 14 Uhr fliegen würde, was später auf 16.45 Uhr korrigiert wurde. Irgendwann sammelten sich sämtliche, v.a. dominikanische Passagiere, vor dem Büro der Fluggesellschaft, um an irgendwelche neuen Informationen zu gelangen, denn diese wurden einem nie offiziell kommuniziert. Immer war es so, dass einer der Passagiere in das Büro spazierte, nachfragte und es den anderen dann mitteilte. So hieß es dann, am heutigen Tag würde es keinen Flug mehr geben und es würde nun eine Hotelübernachtung für uns organisiert. Ich war völlig frustriert, zumal ich mein ganzes Bargeld aufgebraucht hatte, kein Neues abheben wollte und weder Handyempfang noch Internet hatte, um meine Gastfamilie und meine Familie in Deutschland zu informieren. Immerhin bekamen wir einen 5 CUC-Gutschein, um uns etwas in der Cafeteria kaufen zu können.

So wurden wir also wieder nach Havanna zurück in ein staatliches Hotel in der Nähe des Plaza de la Revolución gekarrt, wo Übernachtung und Essen für uns bezahlt wurden. Es war an sich schon ein Erlebnis, v. a. das überbordende, aber doch fade Abendbuffet, aber ich war die ganze Zeit am Überlegen wie ich meiner Gastfamilie wegen meiner Verspätung Bescheid gegen könnte. Einer der Barkeeper lieh mir zum Glück sein Handy aus, von dem ich eine SMS an meine Gastmutter Lourdes schrieb und, da ich mir nicht sicher war, ob die SMS richtig verschickt worden war, versuchte ich sie noch mit meiner Telefonkarte anzurufen. Ich hörte zwar sie, aber sie nicht mich. Also rief ich meine Mit-Freiwillige Sarah noch an, teilte ihr mit, dass ich erst am nächsten Tag käme, wann auch immer, und schwupps, war das Telefongespräch mangels Guthaben auch schon beendet. Was für ein Stress!

Am nächsten Morgen wurden wir 4:30 Uhr am Hotel eingesammelt und zurück zum Flughafen gefahren. Der Check-In ging erstaunlich schnell, nur als wir schon am Abfluggate saßen, ließen sie uns wieder ohne Informationen warten; das Gate wurde noch mehrmals gewechselt, und so hatte ich schon Angst, dass wir auch an diesem Tag nicht mehr fliegen würden. Nach ewigem, sinnlosem Warten dann endlich der Aufruf an Bord zu gehen – ich war echt erleichtert! Danach verlief alles reibungslos: Flug nach Santo Domingo – Fahrt zur Caribe-Tours-Busstation – Busfahrt nach Jarabacoa, wo ich ziemlich fertig endlich am Montagabend eintraf. Eine Reise, die mir definitiv in Erinnerung bleiben wird! 😉

Santiago de Cuba – Es lebe das afrokubanische Erbe!

Ich hatte im Vorfeld zu Santiago de Cuba gelesen, dass die Stadt einen starken französischen und einen starken afrikanischen Einfluss aufweist. Und ja, den „afrikanischen“ Einfluss konnte ich bei meiner Ankunft sogleich bestätigen, denn die Temperaturen waren sicherlich noch einmal um mindestens 5°C angestiegen und die Sonne brannte bestialisch vom Himmel herunter. An einem Tag las ich auf einer Temperaturanzeige 42°C!

Aber der eigentliche historische Hintergrund für den afrikanischen und französischen Einfluss im Süden Kubas liegt auf der Nachbarinsel Hispaniola, genauer gesagt im heutigen Haiti. Haiti, damals Saint Domingue, war mit der ersten französischen Siedlung Cap-Haïtien 1670 von den Franzosen kolonialisiert worden und große Waldflächen wurden gerodet, um Zuckerrohr, Kaffee, etc. anzubauen. Die ganze Arbeit basierte auf Sklaven, die größtenteils aus Westafrika importiert worden waren nachdem die indigene Bevölkerung der Tainos ausgerottet worden war und nicht mehr als Arbeitskräfte dienen konnte. Im Zuge der Französischen Revolution Jahr zettelte 1791 ein Teil der Sklaven einen Aufstand an, in dessen Zuge die französischen Kolonialherren mit ihren Familien und Sklaven die Insel verließen, ins nahegelegene Kuba flohen und sich dort im Süden niederließen. So wurde beispielsweise der Kaffeeanbau in Südkuba eingeführt und ersetzte nach und nach einen Teil des Kakaoanbaus. In Südkuba findet man so immer noch viele Familien mit französisch klingenden Familiennamen und in der Architektur Santiagos zeigt sich der französische Einfluss wohl noch an den Häusern mit Holzbalkons, die so auch in Louisiana (USA) zu finden sind, wohin viele französischen Siedler nach ihrer Station in Kuba auswanderten. Zudem fiel mir im Süden tatsächlich auf, dass es mehr schwarze Einwohner als im Norden und in der Mitte gibt (ähnlich wie auch in der DomRep).

Der Riesenunterschied zur DomRep ist jedoch, dass die Kubaner stolz auf ihre afrikanischen Wurzeln sind und dies auch zeigen und zelebrieren. So fand, als ich gerade in Santiago war, das Festival „Fiesta del Fuego“ (Fest des Feuers) statt, das von der „Casa del Caribe“ (Haus der Karibik) jedes Jahr im Juli organisiert wird und das das afroamerikanische Erbe feiert. Jedes Jahr gibt es einen Länderschwerpunkt, dieses Jahr Ecuador, und zudem Tanz- und Folkloregruppen aus anderen Karibik- oder südamerikanischen Staaten, die für Vorführungen eingeladen werden. Einen wichtigen Programmpunkt bildeten zudem Vorträge, Konferenzen und Ausstellungen, die in verschiedenen, meist historischen, Gebäuden der Stadt stattfanden. So setzte ich mich an zwei Tagen in eine Konferenz zum Thema „‚Das Französische‘ in Kuba und der Karibik“ im Casa Dranguet, einem Zentrum für die Deutung des Kulturerbes der Kaffeeanbauer (Centro para la interpretación del Patrimonio Cafetalero), das neben Recherchearbeit auch Projekte mit den Gemeinden vor Ort durchführt, wo z. B. eine ehemalige französische Kaffeefarm wieder restauriert und für Touristen zugänglich gemacht wird. Es gab des Weiteren interessante Vorträge zu den verschiedenen Aspekten und Strömungen afrokubanischer Religionen und Kulte, doch aufgrund der Komplexität dieses Themas konnte ich den Erklärungen und den hunderten von afrikanischen Götternamen nicht folgen. Inmitten des Vortrags wurden wir auf einmal auf die Terrasse gerufen, um einem Ritual, wahrscheinlich einer Art Gebet, einer eingeladenen afrokubanischen Gruppe beizuwohnen. Alle waren ganz in weiß gekleidet, so wie man es in Kuba öfter auch bei Leuten auf der Straße sehen kann, standen in einem Kreis und dann ging es mit Gesängen, Klatschen, rhythmischem Fußstampfen und Tanzen los, wie ihr hier in den Videos sehen könnt:

Neben dem Festival machte ich noch ein bisschen gewöhnliches Sightseeing in Santiago: Ich erklomm den Turm der Kathedrale am Parque Céspedes, von dem man einen herrlichen Rundumblick über ganz Santiago hat, besichtigte das älteste Haus Kubas, das Casa de Don Diego Velázquez, das mich mit seinen Holzfenstern sehr an traditionelle marokkanische Häuser erinnerte und klapperte den Friedhof Cementerio Ifigenia ab, auf dem sich das militärisch streng bewachte Grab des kubanischen Nationaldichters José Martí, sowie die Gräber einiger Mitstreiter der „M-26-7“-Bewegung befinden.

 

 

 

Sancti Spíritus – die blaue Stadt der Guayabera-Hemden

Sancti Spíritus, schon wieder so ein christlich klingender Name! Wobei mich die Stadt mit ihren blauen Gebäuden überall mehr an das (muslimische) Marokko, genauer gesagt an Chefchaouen erinnert hat. Die blaue Farbe vieler Gebäude hatte, wie in Chefchaouen, einen abkühlenden (Placebo?-)Effekt, wenn man durch die Straßen hindurchwandert, wenn auch die drückende Hitze noch überwog. Und da mein Regenschirm, den ich noch aus der DomRep mitgebracht hatte das Zeitliche gesegnet hatte, entschloss ich mir im „Kaufhaus“ am Parque Serafín Sánchez einen neuen zu kaufen. Also, reingehen und in die Schlange am Verkaufstresen anstellen. Als ich nach einer halben Ewigkeit endlich an der Reihe war und die Verkäuferin mir einen schönen roten Regenschirm rausgesucht hatte, wollte ich nur noch flux bezahlen und dann so schnell wie möglich raus aus dem Kaufhaus. Doch es kam anders: Die Verkäuferin konnte den Strich- und Zahlencode für den Regenschirm nicht finden, d. h. konnte ihn nicht in das Buchhaltungssystems des Computers eingeben. Sie rief einige Kolleginnen um Hilfe, da sie ihren Posten hinter dem Verkaufstresen auch nicht verlassen durfte. Aber auch diese fanden den Code im Lager (oder wo auch immer sie danach suchten) nicht oder machten keine Anstalten nachzusehen. Als dann auch noch die Frauen, die weiter hinten in der Schlange standen, anfingen zu drängeln und zu nörgeln, wurde das der Verkäuferin alles zu viel und sie fing an zu weinen. Nun kamen andere Kolleginnen zu ihr, fragten was los sei, sie erzählte schluchzend von dem Problem mit dem Strichcode und meinte in meine Richtung, dass „Diese Kundin, die doch nur einen Regenschirm kaufen wolle, nun schon seit 20 Minuten hat warten müssen“. Gut, etwas übertrieben, aber so tauchte nun endlich eine Kollegin mit dem richtigen Strichcode auf und ich konnte endlich bezahlen. Der Regenschirm ist übrigens super und um einiges stabiler und robuster als die Regenschirme, die ich aus der DomRep kenne (ich habe mir dort mittlerweile schon mindestens drei kaufen müssen) – es lebe der Sozialismus und seine langen Produktlebenszyklen! 😉

Aber wie ihr euch sicher vorstellen könnt, ist Sancti Spíritus nicht primär für seine Regenschirme berühmt. Das Städtchen, dem nicht viele Touristen Beachtung schenken, weist zum Einen eine sehr schöne Brücke über den Yayabo-Fluss auf und zum Anderen, ebenfalls unten am Fluss gelegen, gibt es hier ein Museum der Guayabera-Hemden. Das sind diese typischen, etwas kastenförmig aussehenden Leinenhemden, die man von vielen Politikern aus der Karibik und Südamerika kennt, die aber auch sonst weit verbreitet sind, weil sie bei der Hitze einfach sehr angenehm zu tragen sind. Leider war das Museum gerade wegen Umbauarbeiten geschlossen, aber zumindest in zwei Ausstellungsräume konnte ich hineinschauen und ein paar Fotos von Hemden in Vitrinen machen, was, wie ich fand, recht ulkig aussah. Danach gönnte ich mir eine (leider völlig überteuerte) frische Zitronenlimonade auf der Museumsterrasse direkt am Fluss.

Am Abend nahm ich schließlich den Nachtbus bis Santiago de Cuba. Was mir am Busbahnhof von Sancti Spíritus auffiel, waren wie viele Schwule und Transsexuelle dort präsent waren. Einer schminkte sich in aller Öffentlichkeit ohne, dass es irgendjemanden interessierte oder er angestarrt wurde. Und neben mich setzte sich ein Typ in langem Kleid und Plateauschuhen, hatte zwei aneinander gebundene Hühner auf dem Schoß und grinste mich an, als er diese dann, als sein Bus kam, in einen Stoffbeutel stopfte und mitnahm. Ich hatte generell den Eindruck, dass Kubaner im Vergleich zu den meisten Dominikanern entspannter und toleranter mit „anders“ aussehenden und „orientierten“ Menschen umgehen als dies in der DomRep der Fall ist. Dort werde ich ja teilweise schon wegen meines „komischen“ Kleidungsstils kritisch von oben bis unten „abgescannt“ – und dann noch diese wirren, ungeglätteten Haare dazu – ts ts! 😉 Bzw. ist Homophobie leider ein sehr verbreitetes Phänomen in der DomRep. Dass das in Kuba etwas anders zu sein scheint, würde ich einfach auf die bessere Bildung der Menschen schieben, die trotz jahrzehntelanger Isolation einen weiteren Horizont zu haben scheinen als viele Dominikaner.

Übrigens merkte ich dann im Süden, in Santiago de Cuba angekommen, dass dieser ganz anders als der Norden und die Mitte Kubas ist und mich sehr stark an die DomRep erinnerte. Auf einmal wurde ich wieder überall auf der Straße von aufmerksamkeitsheischenden Männern oder nervigen Taxifahrern angesprochen oder sie gaben furchtbare „Knutschgeräusche“ von sich wenn ich vorbeiging. Das ging mir schon extrem auf die Nerven! In Baracoa, wo ich nach Santiago noch hinfuhr, und dafür den südlichsten Zipfel Kubas umrundete, merkte ich, wie ich wieder auf dem Dorf gelandet war, da alle einen anstarrten wenn man durch die Straßen lief. Übrigens schauen die Kubaner aus dem Norden und der Mitte verächtlich auf die ungebildeten „Campesinos“ (Bauern) aus dem Süden und vergleichen sie mit Dominikanern, eine Zuschreibung, die also durchaus negativ gemeint ist…

Ein Hauch von Bretagne und Westafrika an der dominikanischen Nordküste

Am 2. und 3. Juni stand ein letzter Reflexionstag unserer Freiwilligengruppe in der DomRep vor der Tür. Wir hielten ihn in der „Rancho Don Lulú“ bei San Francisco de Macorís ab, wo ich meine Mitfreiwillige Pauline ja bereits einmal im April dieses Jahres besucht hatte. Es war sehr schön alle wiederzusehen, aber leider war gar nicht genug Zeit um alle Themen zu diskutieren, die wir angedacht hatten. So war schnell Freitagmittag und somit das Ende des kurzen Seminars gekommen und ich machte mich mit Manuel zusammen per Motorrad auf Richtung Nordwestküste. Wir wollten über Nagua an der Küste entlang bis nach Cabrera fahren, wo wir eine AirBnB-Unterkunft gebucht hatten. Zunächst wurde unsere Fahrt jedoch von einer einstündigen Zwangspause unterbrochen: ein tropisches Unwetter fegte über das Land und an eine Weiterfahrt war vorerst nicht zu denken. Wir warteten bis sich der Regen gelegt hatte, fuhren weiter und kamen abends in Cabrera in unserer Unterkunft bei Tina und ihren beiden Adoptivkindern an. Das Haus bot einen ungewöhnlichen Mix aus bretonischen und westafrikanischen Dekorationsgegenständen. Tina war nämlich gebürtige Bretonin und so konnte ich meine eingerosteten Französischkenntnisse endlich mal wieder zur Anwendung bringen und ihre Kinder stammten ursprünglich aus dem Benin und aus Burkina Faso. Nicht weit von Cabrera liegt übrigens passenderweise das Cabo Francés (Französisches Kap) und die Siedlung drumherum nennt sich „El Bretón“ (der Bretone).

Am Samstagmorgen brachen wir zu einem Frühstück am nahegelegenen Playa Diamante auf bevor wir die Laguna Dudú besuchten, die mich an das Höhlensystem „Los Tres Ojos“ in Santo Domingo erinnerten, nur, dass man hier baden gehen konnte. Das Wasser war herrlich türkisblau und dank klarer Sicht konnte man die umliegenden Felswände und die darauf wachsenden Pflanzen unter Wasser beobachten. Per Zip-Line konnte man sich zudem aus etwa 5 m Höhe in die Laguna fallen lassen.

Nach der Lagune fuhren wir weiter bis in den Fischerort Río San Juan, der mich mit seinen Wandmalereien begeisterte und wohl auch schöne Strände aufzuweisen hat.

Leider hatte ich zum Besuch der Strände keine Zeit mehr, da ich 16 Uhr mit dem Bus in die Hauptstadt aufbrechen musste. Dort schaute ich am nächsten Tag beim „Día del Medio Ambiente“ (Umwelttag) und im „Museo del Hombre Dominicano“ (Museum des dominikanischen Menschen) vorbei. Es war ein Jammer wie veraltet und teilweise verkommen sich dieses Museum präsentierte – wie im Muff der 70er Jahre steckengeblieben. Obwohl es super-interessante Ausstellungsthemen bot: u. a. Karneval, volkstümliche Religionsausübung, Taino-Artefakte, Sklaverei. Aber die Aufmachung war in keinster Weise mit dem modernen „Centro León“ in Santiago zu vergleichen!

Unterwegs in Miches & Umgebung und (mal wieder) die Erkenntnis, dass die Welt ein Dorf ist!

„Die Welt ist ein Dorf.“, oder wie es auf Spanisch heißt, „Die Welt ist ein Taschentuch.“ – das musste ich hier in der DomRep schon öfter feststellen und diesmal bei meinem Ausflug nach Miches und Umgebung ganz besonders. Ich hatte mir schon vor einiger Zeit vorgenommen Yonattan, einen Studenten der Umweltschule in Jarabacoa, einmal in seinem Heimatort Miches zu besuchen. Gesagt, getan! Von Santo Domingo aus nahm ich ein Guagua Richtung Nordosten und kam nach einer etwa dreistündigen Fahrt erst an der Küste entlang, dann über die Berge der Cordillera Oriental hinweg im Küstenort Miches an. Untergebracht war ich beim Couchsurfing-Pärchen Cristina, eine Italienerin, und ihrem dominikanischen Mann „Pollo“. In ihrem riesigen, schön schlicht eingerichteten Haus bekam ich eines der zwei Gästezimmer und durfte von Cristinas leckeren italienischen Abendessen profitieren – eine willkommene Abwechslung vom dominikanischen Bohnen-mit-Reis-Einerlei, wobei ich selbst meine Gastgeber auch einmal bekochen durfte.

Yonattan hatte bereits ein umfangreiches Besichtigungsprogramm zusammengestellt und dank seines Motorrads waren wir schnell und flexibel unterwegs. Direkt nach meiner Ankunft am Donnerstagmittag fuhren wir zur Costa Esmeralda (Smaragdküste) und gingen am fast menschenleeren Playa Limón schwimmen und schnorcheln. Leider sahen die Korallen ziemlich braun und krank aus, was mir Yonattan bestätigte, der sehr aktiv im Umweltschutz seiner Gemeinde unterwegs ist. Der Strand an sich mit der Bergkulisse im Hintergrund war eigentlich echt schön anzusehen, wären da nicht die fiesen Sandflöhe gewesen, die wegen des bewölkten Wetters und so kurz vor Sonnenuntergang herauskamen.

Freitagmorgen fuhren wir östlich aus Miches heraus zur Laguna Redonda, die wir per Kayak erkundeten. Zum Glück war auch an diesem Tag der Himmel bedeckt – nicht auszudenken wie die Sonne sonst gebrannt hätte – aber trotzdem habe ich mir die Knie beim Kayakfahren doch leicht verbrannt. Wir schipperten an Schilf und Mangroven vorbei und fanden schließlich einen Abzweig, der uns bis ans Meer brachte. Dort waren gerade einige Fischer an der Arbeit. Wir erkundeten den am Meer gelegenen Palmenwald, der für mich irgendwie etwas märchenhaftes hatte, wären da nicht diese fiesen Moskitos gewesen…

Nach der Laguna Redonda durfte die Montaña Redonda nicht fehlen, ein neben der Lagune gelegener Berg, den wir (zu meinem Schrecken) wie die Besengten mit dem Motorrad hochheizten. Yonattan lachte mich die ganze Zeit nur aus, aber ich war echt erleichtert als wir endlich oben angekommen waren. Aber die beängstigende Fahrt hinauf hatte sich gelohnt: Wir hatten einen bombastischen Panoramablick auf das Meer, die Laguna Limón, Laguna Redonda, einen Teil von Miches und die Berge der Cordillera Oriental. Der Clou waren riesige Schaukeln, mit denen man quasi über den Abgrund schaukeln konnte, und Hexenbesen, die sich herrlich zu Sprungfotos eigneten. Des Weiteren gab es eine kleine Cafeteria, Campingmöglichkeiten, Hängematten und Wippen. Richtig cool!

Abends machten wir einen Spaziergang durch Miches, wobei ich über den hübsch angelegten Malecon (Strandpromenade) sehr positiv überrascht war. Yonattan zeigte mir zudem ein paar der Fischerboote, die die Küstenwache an Land gezogen hatte, und mit dem einige Dominikaner versucht hatten illegal nach Puerto Rico (mit den USA assoziierte Nachbarinsel) zu gelangen. Miches ist in der ganzen DomRep für diese Bootsfluchten bekannt, hinter denen ein riesiges Netzwerk aus Leuten steckt: es muss unauffällig Material für den Bootsbau eingekauft werden, das Boot muss an einem unauffälligen Ort zusammengebaut werden (teilweise in Wohnhäusern, von denen dann das Dach abgenommen wird, wenn das Boot in See stechen soll), die Küstenwache oder Polizei muss geschmiert werden, jemand muss ausreichend Verpflegung und Treibstoff kaufen, ein Kapitän muss gefunden werden, etc. Einmal auf See bedeutet das aber noch längst nicht, dass die Fluchtwilligen auch in Puerto Rico ankommen: Vor der Küste patrouilliert die dominikanische Küstenwache und die Mona-Passage, durch die das Fischerboot hindurch fährt, gilt als haiverseucht. Im schlimmsten Fall zahlen die Fluchtwilligen ihre Reise sogar umsonst und werden einfach nur einmal um die dominikanische Küste herum nach Punta Cana geschippert  und dort angeblich in „Puerto Rico“ hinausgelassen. Ich musste die ganze Zeit an Geschichten von Flüchtlingen aus der DDR denken, die versucht hatten, per Boot über die Ostsee nach Skandinavien zu flüchten.

Samstagmorgen hieß es früh aufstehen: Yonattan hatte eine Tour zu dem mit 120 m höchsten Wasserfall der Karibik, dem Salto la Jalda, geplant. Wir fuhren westlich aus Miches heraus bis in das Örtchen Magua, von dem wir südlich auf einem unbefestigten Weg weiterfuhren bis wir schließlich das Motorrad an einem Wohnhaus mitten im Grünen abstellten. Hier sollte also der Wanderweg starten – keine Beschilderung, nicht einmal ein richtiger Weg war vorhanden, aber Yonattan kannte sich zum Glück gut aus und so stapften wir durch den schlammigen Kakaowald. Nach etwa 1,5 Stunden gelangten wir an eine grüne Schutzhütte des Umweltministeriums, an der jedoch weit und breit kein Personal in Sicht war. Wir verschnauften auf den Schaukelstühlen oben auf der Veranda und sahen auf einmal wie ein weiterer Wanderer herankam. Wir begrüßten uns auf Spanisch, ich erkannte sofort den deutschen Akzent und musste im folgenden Dialog (mal wieder) feststellen, was die Welt doch für ein Dorf ist. Ich: „Wo kommst du her?“ – Christian: „Aus Dresden.“ – Ich: „Was? Ich auch! Wie alt bist du?“ – Christian: „29.“ – Ich: „Nein! Ich auch!!!“. Im Laufe der restlichen Wanderung versuchten wir fieberhaft einen gemeinsamen Bekannten zu finden, den wir beide aus unserer Heimatstadt kennen, aber Fehlanzeige. Erst zurück am Computer konnte uns Facebook helfen: Christians bester Freund, den er vom Studium kannte, war mit mir in derselben Grundschulklasse gewesen. Unglaublich! Christian schreibt übrigens auch den Reiseblog „My Travelworld. Reiseblog für Individualreisende“ und von ihm stammen auch die letzten beiden Fotos unseres Ausflugs zum Wasserfall.

Aber ja, zurück zum Wasserfall: Der war wirklich beeindruckend wie er in die Tiefe donnerte. Im kleinen Becken am Fuße des Wasserfalls konnten wir ein erfrischendes Bad nehmen. Ebenfalls am Fuße des Wasserfalls befindet sich witzigerweise ein Helikopterlandeplatz. Diesen hatte der venezuelanische Millionär ? dorthin bauen lassen, um quasi ohne Strapazen zum Wasserfalls gelangen zu können. Inwiefern der Landeplatz allerdings wirklich genutzt wird, weiß ich nicht.

Nachdem der Rückweg geschafft war, erfrischten wir uns an einem „Presidente Light“-Bier, das ich ja eigentlich wegen seines wässrigen Geschmacks überhaupt nicht mag, das aber bei der Hitze echt genial war. Dann quetschten wir uns zu dritt auf Yonattans Motorrad und fuhren zurück gen Miches. Kurz vor der Stadt: Benzin alle und keine Tankstelle in Sicht. Und zudem war das Motorrad noch von der morgendlichen Reifenpanne „geschwächt“. Was nun? Zu meiner Verblüffung war die Lösung ganz einfach und irgendwie „typisch dominikanisch“: Wir stiegen einfach auf ein anderes Motorrad um. Yonattan brachte dieses dann abends wieder zurück während sich der Typ, von dem er das Motorrad auslieh, um die Reparatur und Befüllung von Yonattans Motorrad kümmerte. Ende gut, alles gut!

Mangos und Leguane – Entdeckungen in La Descubierta und am Lago Enriquillo

Freitagabend fuhren meine Mitfreiwilligen Manuel, Pauline und Hannah von San Juan aus südlich nach Barahona, wo wir eine Nacht verbringen sollten. Wir hatten Glück, dass uns ein Freund unserer Mitfreiwilligen Lennea mit dem Auto mitnahm und wir auf der Autobahn direkt bis Barahona durchfahren und nicht umständlich mit zwei verschiedenen Guaguas fahren mussten. Auf dem Weg durch die Berge war es leider schon zappenduster, aber als wir aus den Bergen heraus- und durch die Zuckerrohrfelder hindurchfuhren, wurde es auf einmal ziemlich hell: Ein Feuer loderte auf einem der Zuckerrohrfelder – ziemlich beeindruckend, aber auch ziemlich beängstigend und vor allem illegal gelegt wie uns Pablo, unser Fahrer, erzählte.

Nach einer stickigen, heißen Nacht im „Hotel Cacique“ in Barahona nahmen Pauline (danke an meine Co-Fotografin!) und ich am Samstagmorgen ein Guagua Richtung Nordwesten zunächst nach Neiba. Dort stiegen wir in ein weiteres Guagua Richtung Westen nach La Descubierta („die Entdeckung“), ein Örtchen nahe am Eingang zum Lago Enriquillo (Enriquillo-See) gelegen. Der See ist mit 46 m unter dem Meeresspiegel der tiefste Punkt der Karibik und war früher einmal mit dem Meer verbunden gewesen (deswegen führt er Salzwasser) bevor sich die Landmassen verschoben und das Land um ihn herum verschlossen hatten.

Leider kamen wir erst nach 12 Uhr in La Descubierta an, so dass eine Bootstour auf dem See hin zur Isla Cabritos nicht mehr möglich war. Wir aßen daher zunächst im im Ort gelegenen Balneario (Badestelle) zu Mittag, wobei uns die laut dröhnende Musik vom Badengehen abhielt und wir stattdessen zum Eingang des Lago Enriquillo fuhren. Wir konnten uns zumindest entspannt nahe des Wassers hinsetzen und die überall herumlaufenden Leguane beobachten. Am See gibt es übrigens auch Krokodile, so dass es strengstens verboten ist, baden zu gehen. Zu schade bei dieser Affenhitze! Wir fuhren zurück nach La Descubierta, da ein Besuch des weiter westlich gelegenen Grenzstädtchens Jimaní leider schon zu spät war. So spazierten wir am Kanal Las Barías entlang und wurden auf dem Rückweg von einer Anwohnerin zum Mangoessen in ihren Garten eingeladen. Sehr lecker! Die Frau zeigte uns den Abzweig der nach Norden bis fast nach Restauración führenden Straße Carretera 47, die direkt neben ihrem Haus losging. Sie wusste zudem Einiges zu den am Straßenrand wachsenden Pflanzen zu erzählen und gab uns schließlich zum Abschied eine weitere Tüte Mangos mit. 🙂 Zum Sonnenuntergang fuhren wir erneut östlich hinaus aus La Descubierta, diesmal bis zum Aussichtpunkt „Las Caritas“ (die Gesichtschen), an dem sich eine Höhle mit von den Tainos in den Feld geritzten Gesichtern befindet. Wir hatten einen herrlichen Rundumblick auf den See und konnten bald den leuchtenden Mond aufgehen sehen.

Sonntagmorgen trennten sich Paulines und mein Weg: Sie fuhr zurück nach Barahona und von dort aus südlich an der Küste entlang und ich begab mich auf den langen Rückweg nach Jarabacoa über Santo Domingo.

Neiba:

La Descubierta:

Lago Enriquillo:

So nah und doch so fern: San Juan de la Maguana und ein Ausflug zum haitianischen Markt nach Comendador

So nah und doch so fern – San Juan de la Maguana, eine Stadt, in der gleich sechs Freiwillige unserer Gruppe wohnen, und die in Luftlinie eigentlich nicht weit von Jarabacoa entfernt liegt, vielleicht 60 km. Da es jedoch keine gut ausgebaute direkte Straßenverbindung gibt (nur eine unbefestigte Straße zwischen Constanza und San Juan), zieht sich die Anreise doch mächtig in die Länge: 2,5 Stunden mit dem Bus von Jarabacoa in die Hauptstadt und von dort 3 Stunden mit dem Bus nach San Juan + Wartezeit in der Busstation. Am 18. und 19. Mai sollten wir in San Juan in den Räumlichkeiten der Partnerorganisation FECADESJ von unseren Mitfreiwilligen Sarah und Manuel einen GIS-Kurs erhalten und so machte ich mich auf den langen Weg.

Der Kurs bot natürlich gleichzeitig eine super Gelegenheit die Freiwilligen vor Ort zu besuchen und San Juan kennenzulernen, eine Stadt, die mich tatsächlich überraschte: Zum Einen ist sie sehr weitläufig und so muss man zu Fuß ziemlich weite Strecken zurücklegen. Zum Anderen weil San Juan wirklich eine sehenswerte, hübsche Stadt ist, die es sich wirklich als Stadt zu besichtigen lohnt, so wie es meiner Meinung nach eigentlich nur wenige in der DomRep gibt (wenn, dann die Kolonialzone in Santo Domingo und das Zentrum Puerto Platas). In dem Stadtviertel, in dem ich übernachtete, gab es zu meiner Freude zudem ziemlich viele, noch gut erhaltene traditionelle, farbenfrohe Holzhäuser wie ihr unten auf den Fotos sehen könnt. Und noch eine Sache überraschte mich positiv: In San Juan war angeblich im Zuge irgendwelcher Olympischen Spiele (wobei die DomRep meiner Recherche zufolge nie Austragungsort war) eine große parkähnliche Sportanlage gebaut worden, die intensiv von den San Juanern genutzt wird. Auch ich und ein paar weitere Freiwillige konnten es uns nicht nehmen lassen, an der abendlichen kostenlosen Zumbastunde in der Sportanlage teilzunehmen. Was jedoch auch auffiel war, dass es in der Stadt trotz ihrer doch beträchtlichen Größe an den sonst üblichen Supermarkt- oder Fastfoodketten fehlte – vermutlich, weil es sich um eine der ärmeren Provinzen des Landes handelt, die Kaufkraft gering und wenig bis kaum Tourismus vorhanden ist (außer, dass ab San Juan eine weitere Route zum Pico Duarte hinaufführt).

Die Stadt gilt aber auch als eine Art spirituelles Zentrum: Zur Zeit der Sklavenaufstände im 18. Jahrhundert waren viele (afrikanische) Sklaven in die um San Juan liegenden Berge der Cordillera Central entflohen und lebten dort organisiert als „cimarrones“ mit ihren Traditionen und religiösen Kulten weiter. Noch heute weist San Juan zahlreiche religiöse Festlichkeiten auf: Prozession zu Ehren Altagracias (21. Januar), Fiesta Patronal (Patronatsfeier) (Juni), Osterprozessionen mit Gagá-Bands und „Espíritu Santo“ (Heiliger Geist)-Prozessionen, die sieben Wochen nach Ostern stattfinden. Leider habe ich davon während meines Besuchs nichts mitbekommen, so wie ich generell im ganzen Land bisher sehr wenig von der volkstümlichen Religionsausübung mitbekommen habe.

Von San Juan aus nutzen ein paar Freiwillige und ich die Gelegenheit am Freitag zum haitianischen Grenzmarkt nach Comendador (von den Dominikanern meist „Elias Piña“ wie die gleichnamige Region genannt) zu fahren. Der Markt sah ähnlich wie der aus, den ich bereits zweimal in Constanza besucht hatte: stapelweise Schuhe, Klamottenberge, Kosmetikprodukte und Haushaltsgegenstände en masse, aber hier auch Obst und Gemüse und das haitianische Dosenbier „Prestige“ sorgfältig am Straßenrand aufeinandergestapelt. Ich lief mit Manuel Richtung Grenze, doch bis auf eine Militärfestung war nichts weiter zu sehen, zumal eine unsägliche Hitze herrschte, vor der wir uns erst einmal in den nächsten „Bon“-Eisladen retten mussten. Mittags fuhren wir in das östlich gelegene Las Matas de Farfán weiter, in der Hoffnung dort libanesisches Essen zu finden, von dem ich im Internet gelesen hatte. Das sollte es angeblich dort geben, da sich in dem Ort wie in vielen anderen der DomRep auch vor einiger Zeit Libanesen angesiedelt hatten. Auch in San Juan hatte ich z. B. ein „Hotel Líbano“ und eine „Tienda Libanesa“ gesehen und auch die Herkunft des Oppositionskandidaten Luis Abinader wurde in der Medienberichterstattung immer wieder als „libanesisch“ betont. Kurz und gut: Es gab kein libanesisches Essen in Las Matas wie wir von einem spanischen Restaurantbesitzer erfuhren und so landeten wir schließlich in einem Sandwichladen, in dem das Essen auch sehr lecker war. Auch der Parque Central entpuppte sich nicht als halb so schön wie er in meinem Reiseführer beschrieben worden war.

Comendador:

Las Matas de Farfan:

Dominikanische Rockmusik und Wahlkampfgetöse

Fast vier Wochen sind sie nun schon her, die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen, und noch immer hängen die meisten kunterbunten und schlecht designten Wahlplakate. Gewinner der Präsidentschaftswahl war die Regierungspartei PLD mit Präsident Danilo Medina, der weiterhin an der Macht bleiben wird. Er kam auf etwa 62 % aller Stimmen; sein Herausforderer von der Oppositionspartei PRM, Luis Abinader, auf etwa 35% aller Wählerstimmen bei einer allgemeinen Wahlbeteiligung von etwas über 60%. Immerhin eine höhere Wahlbeteiligung als bei der letzten Wahl, aber trotzdem so niedrig, dass sie in der Fernsehberichterstattung kaum erwähnt wurde.

Es war sehr interessant aber auch furchtbar nervig den Wahlkampf vorab mit anzusehen oder besser mit anzuhören. Je näher die Wahlen am 15. Mai 2016 rückten, umso häufiger fuhren die Parteien laut hupende und dröhnende Musik spielende Auto- und Motorradkonvois auf, auf denen Party machende, Parteifahnen schwingende Anhänger saßen. Teilweise wurden ganze Straßen von diesen Konvois oder von Bühnen für Wahlkampfveranstaltungen gesperrt – ziemlich nervig, wenn man gerade im Bus oder Auto sitzt und warten oder einen Umweg auf sich nehmen muss um vorbeizukommen. Mir kam der Wahlkampf wie ein einziges großes Theaterspektakel vor, bei dem es nicht um politische Programme, sondern um Personen und Unterhaltung der Wählerschaft ging.

Auf den Wahlplakaten waren meist nur der Kopf eines Abgeordneten oder eines Präsidentschaftskandidaten, der Parteiname und ein sehr allgemeiner Slogan à la „Siempre con la gente“ (Immer mit den Leuten) abgedruckt und das alles in der Regel in einer, nun ja, interessanten Farbkombination (z. B. lila-gelb, rot-grün) oder mit einem schlecht gephotoshoppten Hintergrund. Keine Ahnung, welche Agentur hinter diesen Plakaten steckt…

Bei den Wahlkampfkonvois ging es eigentlich nur darum Party zu machen, teilweise Mitbringsel wie T-Shirts, Basecaps oder gar Bier an die Leute zu verteilen und alles mit einer ohrenbetäubenden Musik zu beschallen – eigentlich wie beim Karneval. Auch hier: Politische Botschaften fehl am Platz!

Am Wahltag selbst fuhr ich mit meiner Gastmutter Lourdes, ihrem Freund Graviel und meiner Gastschwester Eliana zunächst zu der Schule, in der Lourdes wählen gehen würde. Vor den Mauern des Schulgrundstücks hatten sich viele Leute angesammelt, diskutierten und tranken Bier. Von Zeit zu Zeit konnte man sehen, wie sich kleinere Grüppchen hinter einer Person hinterher zu bewegen schienen und dann konspirativ zusammen stehenblieben. Wie mir meine Gastfamilie später erklärte, gab es vor den Wahllokalen immer Parteivertreter, die versuchten den Wählern Geld anzudrehen, damit diese für die „richtige“ Partei wählten. Als wir später noch auf’s Land zu Lourdes‘ Eltern fuhren, so waren die Wahlen natürlich Gesprächsthema Nummer Eins und in den Gesprächen machten sich alle lustig, dass man das Geld dieser Parteivertreter doch annehmen solle. Denn schließlich waren es genau diese Steuergelder, die der Staat seinen Bürgern abgezwackt und für den pompösen Wahlkampf verschwendet hatte und das man nun zurückbekommen würde. Am Abend des Wahltages selbst blieb es in Jarabacoa und generell im ganzen Land recht ruhig – bereits vorsorglich war es Bars verboten worden zu öffnen und auch die Colmados und Supermärkte durften keinen Alkohol verkaufen. Aber auch am Montag blieb es bis auf einen weiteren Konvoi sehr ruhig in Jarabacoa, was wohl auch daran gelegen haben mochte, dass das Wahlergebnis mehr als eindeutig war. Zumindest scheinbar, denn derzeit wird immer noch jeden Morgen (und das vier Wochen nach den Wahlen!) von erneuten Auszählungen in bestimmten Wahlbezirken im Radio berichtet und die Opposition fechtet das Wahlergebnis wegen Irregularitäten an. Mal sehen, wann es dann ein wirklich endgültiges Wahlergebnis gibt. Und mal sehen, wann endlich die „Sichtverschmutzung“ ein Ende hat und die hässlichen Wahlplakate verschwinden.

Hier gibt es ein paar weitere Artikel zur Wahl:

Deutsche Welle „Wahlen mit Hindernissen in der Dominikanischen Republik“

BBC „Dominican Republic’s Danilo Medina declares election win“

Telesur „Danilo Medina, virtual ganador de presidenciales dominicanas”

Junta Central Electoral: Detaillierte Informationen zu den immer noch laufenden Wahlauszählungen

Eine Woche vor dem Wahlwochenende war ich übrigens mal wieder in Santiago – diesmal zusammen mit Jeanne, einer Kanadierin, die ich über Couchsurfing in Santo Domingo kennengelernt hatte. Wir besuchten einen weiteren Couchsurfer, Renzo, den ich jedoch nicht über Couchsurfing, sondern durch Zufall bei meinem letzten Santiago-Besuch kennengelernt hatte. Den Samstagabend verbrachten wir für dominikanische Verhältnisse sehr untypisch auf einem Rockkonzert. Hauptact war die seit 1989 bestehende dominikanische Rockband „Toque Profundo“ – wer hätte das gedacht, lange, offene Haare (bei Männern), tätowierte Arme, Headbanging und super Rockmusik made in Dominican Republic! Nur das Ambiente wollte nicht so ganz zum Konzert passen: Im Hof der schon recht alternativ wirkenden Bar „Mercato“ war eine Bühne aufgebaut. Davor waren Plastikstühle um kleine Plastiktische herum gruppiert worden, auf denen ein exklusives Menü mit sehr teuren Getränken lag. Bier und Cocktails von der Bar waren bereits am zeitigen Abend ausverkauft und kein Nachschub in Sicht und von draußen durfte man nichts mit hineinbringen. Einer von Renzos Freunden kaufte immerhin eine Flasche Rum, die wir unter allen aufteilten, aber da ich echt kein Rumfan bin, war es für mich eher ein Rockkonzert auf dem Trockenen. Bei den Vorbands blieben noch alle Leute sitzen (schrecklich!) und erst als „Toque Profundo“ gegen 1 Uhr anfingen zu spielen, bequemten sich ein paar, einschließlich uns dreien, vor an die Bühne um zu tanzen. Für die meisten Frauen, die zum Konzert gekommen waren, war es in ihren megahohen High Heels ohnehin bequemer zu sitzen und mit ihrem restlichen aufgedonnerten Outfit wollten sie ebenso nicht richtig zur Musik passen.

Den Sonntag gingen wir auf Sightseeing-Tour in Santiago und Renzo zeigte uns seine beeindruckende Sammlung an Marathon-Urkunden in seiner Wohnung. Er macht nämlich im Gegensatz zu den meisten Dominikanern, die ich bisher so kennengelernt habe, extrem viel Sport (Marathon, Triathlon, Wandern) und hat sich zum Ziel gesetzt, alle sechs großen Marathons dieser Welt zu laufen (Berlin, Tokio, New York, Boston, Chicago, London). Berlin hat er bereits abgehakt, da seine Schwester witzigerweise mit ihrem deutschen Mann in Berlin lebt und er sie dort bereits einmal besucht hatte.