Jerusalem. Die Heilige Stadt im Konfessionswirrwarr

Etwa zwei Wochen vor Trumps umstrittener Äußerung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen zu wollen, besuchten wir als krönenden Abschluss unserer Nahostreise den „Zankapfel“ Jerusalem. Wir sollten nur 1,5 Tage Zeit für das Kennenlernen der „Heiligen Stadt“ (auf Arabisch heißt Jerusalem nämlich „al-Quds“ – die Heilige) haben und dementsprechend vollgepackt war unser Besichtigungsprogramm. Vom Hotel in Bethlehem aus fuhren wir mit unserem Reisebus durch den Checkpoint zwischen Westjordanland und Israel hindurch (keine Kontrolle und Wartezeit) und nahmen entlang der Mauer Kurs auf Jerusalem. Erste Station war der Ölberg – auf Arabisch und Hebräisch „Olivenberg“ genannt, da der Berg einst mit Olivenbergen bewachsen war. Am Aussichtspunkt, den wir nach Besichtigung der kleinen Himmelfahrtskapelle (bewahrt angeblich den letzten Fußabdruck Jesus‘ vor seiner Himmelfahrt auf) ansteuerten, war der Ölberg eher mit tausenden von Touristen „bewachsen“ so dass es schwer war, den historischen Ausführungen unseres Guides Ariel zu folgen. Aber der Panoramablick hinüber zur Altstadt Jerusalems mit dem die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom umfassenden Tempelberg, der Stadtmauer, zahlreichen Kirchtürmen, den konfessionellen Friedhöfen und der Stadtmauer waren mehr als beeindruckend. Ariel erzählte uns, dass es sich Juden, die auf dem Friedhof am Fuße des Ölbergs begraben werden wollen, bereits zu Lebzeiten Unmengen an Geld kosten lassen, um ein Grab mit „Ausblick“ auf den Tempelberg zu erkaufen.

Wir besichtigten die architektonisch interessante „Dominus Flevit“-Kirche (lat. für Der Herr weint), die von Franziskanern unterhalten wird und deren tränenförmige Gebäudeform an das Weinen Jesus‘ im Wissen um die baldige Zerstörung Jerusalems und die Diaspora des jüdischen Volkes erinnert. Über den untypischerweise nach Westen ausgerichteten Altar hinweg konnte man genau hinüber zur goldenen Kuppel des Felsendoms sehen. Ein schöner Effekt! Wir stiegen den Ölberg nun langsam einen extrem steilen Weg hinab und gelangten zum wunderschönen Garten Gethsemane, der Ort, an dem Jesus einen Tag vor seiner Kreuzigung gebetet und in Vorahnung seiner Festnahme „Blut geschwitzt“ haben soll. Die alten knorrigen Olivenbäume sollen teilweise fast eintausend Jahre alt sein! An den Garten angeschlossen befindet sich die römisch-katholische „Kirche aller Nationen“ oder, in Anlehnung an die biblische Geschichte, auch „Todesangstbasilika“ genannt. Die Kirche wurde zwischen 1919 und 1924 mit finanzieller Unterstützung aus zwölf Ländern erbaut (darunter Deutschland), wofür diese Länder zum Dank mit ihrem Wappen an der Kirchendecke verewigt wurden. Ein interessantes, farbenfrohes Interieur und – auf einmal – ein herzzerreißendes Schluchzen einer Touristin, die sich über den Stein beugte, an dem Jesus in Todesangst kurz vor seiner Verhaftung gebetet haben soll.

Als nächster Programmpunkt stand die Altstadt Jerusalems, genauer gesagt das Jüdische Viertel, auf dem Programm. Wir starteten zu Fuß aus vom Jaffator und liefen in den Basar hinein. Dieser wirkte mit den gelangweilten Verkäufern und den blankgeputzten Treppenstufen ein bisschen steril im Vergleich zu den orientalischen Märkten, die ich aus Marokko oder Syrien kannte. Ein Straßenschild jedoch erregte meine Aufmerksamkeit: Ein Verbotschild, mit dem E-Bike in den Basar hineinzufahren. Und tatsächlich konnten wir später in Jerusalem einige jüdische Bewohner, die man unschwer an Schläfenlocken und breitkrempigem, schwarzem Hut erkennen konnte, mit dem E-Bike durch die Gegend brausen sehen. Bei den vielen Hügeln ist es kein Wunder, dass sie auf elektrischen Antrieb setzen!

Ariel zeigte uns die Ausgrabungsreste des einstigen, tiefer als das heutige Jerusalem gelegenen Cardos, die Hauptstraße aus römisch-byzantinischer Zeit. Die steinernen Zeugen befinden sich teils im überdachten Basar, teils außerhalb. Vorbei an der Hurva-Synagoge ging es dann auch schon weiter in Richtung Klagemauer, Kotel genannt. Vorher musste allerdings noch eine Mittagspause eingelegt werden. Leider landeten wir an der wahnsinnig von Touristen überlaufenen „Fressmeile“ mit überteuertem israelischen Fast Food. Immerhin konnten meine Schwester und ich aber zumindest ein bisschen Ruhe finden, da wir uns nur einen Schritt weiter in eine Nebenstraße setzten und die Einheimischen beobachteten. Eine Horde Mädels kam uns entgegengelaufen, die schon – typisch jüdisch – knielange schwarze Röcke trugen. Später auf dem Vorplatz der Klagemauer konnten wir weitere jüdische Kleidungsvariationen beobachten: Männer ganz in Schwarz mit Schläfenlocken und Hut; Frauen teilweise mit Kopftuch oder gar mit Perücke. Wie Ariel uns erklärte, zeigen gläubige jüdische Frauen nach der Hochzeit ihr Haar nicht mehr öffentlich und verstecken es entweder unter einem Kopftuch oder rasieren es sich ab und tragen stattdessen eine Perücke. Jüdische Männer mit fetten braunen Pelzmützen (Schtreimel) und schwarzem Mantel wie ich sie in New York gesehen hatte, konnte ich hingegen an der Klagemauer nicht ausfindig machen und hatte sie nur einmal aus dem Busfenster heraus nahe des ultraorthodoxen Stadtviertels Mea Schearim gesehen. Der Schtreimel wird hauptsächlich von chassidischen Juden mit osteuropäischen Wurzeln getragen, von denen es heutzutage noch größere Gemeinden in Jerusalem und New York gibt. Doch zurück zur Klagemauer: Ich hätte es nicht gedacht, aber wir durften tatsächlich bis an die Mauer herangehen. Sie ist in einen (größeren) Abschnitt für Männer und einen (natürlich kleineren :-/) Abschnitt für Frauen unterteilt und kann 24 Stunden am Tag besucht werden. Es steckten wahnsinnig viele kleine Zettel in den Mauerritzen. Fallen sie raus oder werden es zu viele Zettel, so werden sie aufgesammelt und auf dem Ölberg „beerdigt“; wergwerfen darf man sie nicht. Vor der Mauer waren Plastikstühle aufgestellt, auf denen man sich mit einem der ausleihbaren religiösen Bücher hinsetzen und lesen oder beten konnte.

Die Davidstadt, der älteste besiedelte Teil Jerusalems, bildete den vorletzten Höhepunkt des Tages. Man hatte auf dem Gelände bereits Siedlungsspuren aus der Kupferzeit (4500-3500 v. Chr.) gefunden – benannt aber ist die Davidstadt nach König David, der etwa 1000 v. Chr. gelebt hatte und damals König von Israel gewesen war. Zunächst liefen wir zwischen den Ausgrabungen der Davidstadt umher und konnten auf den gegenüberliegenden palästinensischen Stadtteil Silwan von Ostjerusalem schauen, der auf dem Fundament von etwa 50 Felsgräbern erbaut worden war. Danach ging es hinab in den Hiskija-Tunnel, der seit der Antike Trinkwasser aus der Gihonquelle in den Teich von Siloah leitete und somit die Trinkwasserversorgung Jerusalems sicherstellte.

Nach einem kurzen Abendessen im Hotel in Bethlehem ging es abends erneut nach Jerusalem zum Rundgang „Jerusalem by Night“, bei dem wir zuerst durch die nahe des Jaffators gelegene Open-Air-Einkaufsmeile „Mamilla Mall“ schlenderten. Sie war eindeutig für eine junge, reiche Generation gebaut worden und soll das Nachtleben Jerusalems (das bis vor einigen Jahren quasi nicht existent gewesen sein muss) mit seinen schicken Geschäften, Cafés und Restaurants etwas aufpeppen. Makabererweise ist die Mall wohl teilweise auf dem Gelände des muslimischen Mamilla-Friedhofs errichtet worden. Vom Ende der Mall ging es wieder, wie schon tagsüber, zum Jaffator und durch den geschlossenen Basar hindurch bis zur Klagemauer. Danach drehten wir eine weitere Runde mit dem Bus zu einigen angestrahlten Sehenswürdigkeiten (Damaskustor, Parlament, genannt „Knesset“, einige Museen) und waren – ziemlich müde – danach froh wieder ins Hotel zu kommen und schlafen gehen zu können.

Am letzten Reisetag besuchten wir morgens eine Behinderteneinrichtung in Beit Jala bei Bethlehem, über die ich in meinem vorherigen Blogeintrag bereits berichtet habe. Danach standen weitere Highlights in Jerusalem auf dem Programm. Zunächst betraten wir durch das Löwentor die Via Dolorosa (lat. Leidensweg) , den Prozessionsweg Jesus‘, auf dem er das Kreuz durch Jerusalem getragen haben soll. Der Weg ist mit 14 Stationen markiert und über und über mit Touristen überlaufen. Man kann sich absurderweise an vielen Stellen entlang der Via Dolorosa ein Holzkreuz  sowie eine Dornenkrone ausleihen und den Kreuzweg Jesus‘ nach“spielen“. Ich möchte nicht wissen, was jeden Freitag bzw. an den Ostertagen für ein Gedränge herrscht, wenn die Prozession von vielen tausenden Gläubigen begangen wird… Entlang der Via Dolorosa findet man allen nur erdenklichen religiösen Kitsch: Ikonen, Kreuzketten, Lampen, Kerzen, aber auch jüdische Kippas und etc., die zumeist von arabischen Verkäufern verkauft werden. Die Krönung an Massentourismus war die Grabeskirche, die Kirche also, die über der Stelle errichtet ist, an der sich Jesus‘ Kreuzigungs- (Golgota) und Grabesstätte befunden haben soll. Ich weiß nicht wie viele tausende Menschen sich in dieser Kirche drängten und wie viele sich um die Ädikula (eine Art Grabüberbau) herumschlängelten, um an das Grab Jesus‘ heranzukommen. Ich fand es merkwürdig, dass man bei der Besichtigung der Klagemauer noch einmal durch einen Checkpoint hatte durchgehen müssen währenddessen beim Eintritt in die Grabeskirche weder Personen noch Taschen kontrolliert wurden. Die Grabeskirche stellt übrigens auch einen wahren Zankapfel der christlichen Konfessionen dar. Verschiedene Teile der Kirche sind unter sechs christlichen Denominationen aufgeteilt: armenisch-apostolisch, äthiopisch-orthodox, griechisch-orthodox, syrisch-orthodox, römisch-katholisch und koptisch (interessanterweise nicht protestantisch). Da sich die Konfessionen jedoch untereinander nicht einigen konnten, wer denn die Kirche auf- und zuschließt, haben sie den Schlüssel schon seit Jahrhunderten an eine muslimische Familie abgegeben wie dieser Beitrag von Deutschlandfunk Kultur sehr schön veranschaulicht.

Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung und so machten meine Schwester und ich den Basar unsicher: Gewürze shoppen, arabische, siruptriefende Süßigkeiten ausprobieren und einen Mango-Granatapfel-Saft trinken – lecker, aber auch sehr teuer. Die Preise in Israel sind nämlich ziemlich hoch; so liegt das Niveau der Lebenshaltungskosten sogar um etwa ein Viertel höher als in Deutschland. Auch Mieten sind extrem teuer.

Der letzte Programmpunkt in Jerusalem war das so genannte „Gartengrab“, dessen Besichtigung uns Ariel vorschlug nachdem wir in der Grabeskirche vor lauter Touristenmassen nichts vom Grab Jesus‘ hatten sehen können. Die Gartenanlage mit einigen Grabstätten wird von anglikanischen und freikirchlichen Christen als die Grabesstelle Jesus‘ angesehen und so mussten wir, um sie zu sehen, zumindest ein bisschen Schlangestehen. Aber nichts im Vergleich mit der Grabeskirche!

Somit war unser Jerusalembesuch auch schon beendet. Klar, dass wir alles nur im Sauseschritt hatten sehen können; für einen ersten Eindruck aber hat es allemal gereicht. Bei einem nächsten Besuch warten auf jeden Fall noch zahlreiche weitere Sehenswürdigkeiten, Museen und interessante Stadtviertel auf einen.

Mal wieder in aller Herrgottsfrühe ging es am Dienstagmorgen mit dem Bus von Bethlehem zum Flughafen in Tel Aviv. Diesmal wurde nur eine Person aus unserer Gruppe und einer der Reisebegleiter zum „Verhör“ durch die israelischen Sicherheitskräfte zitiert, was diese aber mit Bravour meisterten. Vormittags kamen wir wieder im novembergrauen Berlin an – randvoll mit schönen, aber auch nachdenklich stimmenden Reiseerinnerungen, die erst einmal verdaut werden mussten. Es war u.a. wirklich eine Bildungsreise zu unseren westeuropäischen, (christlich-) kulturellen Wurzeln gewesen, von denen man zwar viele Namen und Begriffe (z. B. Jordan, See Genezareth, Golgata) irgendwie kennt, aber nie eine Vorstellung davon gehabt hat. Nun haben wir die Bilder und die Geschichten dahinter vor Augen.

Lang nicht mehr gesehen und doch erkannt – der Norden Jordaniens

Tag 2 unserer Reise führte uns auch schon wieder aus Israel heraus über die Grenze nach Jordanien. Nach einer fast zweistündigen Grenzprozedur kamen wir im Norden Jordaniens an, wo uns unser zweiter Guide Mohamed wohlgelaunt empfing. Wir tuckerten mit dem Bus durch eine karge, wüstenhafte Landschaft. Der Unterschied zu Israel fiel sofort ins Auge: überall lag Müll in der Landschaft herum und die Häuser am Straßenrand sahen um einiges ärmer als im Nachbarland aus. Zwischen Jordanien und Israel besteht seit 1994 ein Friedensvertrag, der den Jordan als Grenze zwischen beiden Ländern festlegt und Jordanien zusichert, größere Mengen Trinkwasser aus dem Jordan entnehmen zu dürfen. Einst nämlich hatte sich der Jordan in Teilen auf jordanischem Staatsgebiet befunden. Im Sechstagekrieg von 1967 zwischen Israel auf der einen und Jordanien, Syrien und Ägypten auf der anderen Seite jedoch verlor Jordanien seine gesamten Gebiete westlich des Jordans (heute in etwa: Westjordanland, Gaza, Ostjerusalem). In Folge dessen flüchteten hunderttausende Palästinenser, die in diesen Gebieten gelebt hatten, nach Jordanien, dessen arabische Bevölkerung heute etwa zur Hälfte palästinensische Wurzeln aufweist. Insgesamt leben derzeit offiziell 6,5 Mio. Menschen im Haschemitischen Königreich, wobei inoffiziell von 9,5 Mio. Bewohnern ausgegangen wird, wenn man irakische (ca. 300.000) und syrische Flüchtlinge (mehr als 1,2 Mio. (!!!)) sowie Gastarbeiter hinzuzählt. Ich habe in mehreren Artikeln, wie z. B. diesem von qantara.de, gelesen, dass Jordanien wegen der Aufnahme so vieler Flüchtlinge seit 2015 eigentlich kurz vor dem Kollaps steht – das Trinkwasser wird immer knapper, die Mieten und Lebensmittelpreise immer höher und die Löhne immer niedriger. Und: Die Touristen bleiben weg wie dieser Welt-Artikel aufschlüsselt und wie wir es vor Ort größtenteils auch erleben konnten. An unserer ersten Besichtigungsstätte, den Ruinen der antiken Handelsstadt Jerasch (Gerasa), waren wir fast die einzigen Touristen. Der Postkartenverkäufer versuchte uns derart verzweifelt und nervig seine Ware feilzubieten, dass sich schließlich einer aus unserer Gruppe erbarmte und ihm etwas abkaufte. Unser Guide Mohamed erklärte uns derweil die einstige Stadtstruktur, die u.a. aus einer Einkaufsstraße, Tempeln, Bädern und einem Amphitheater bestanden hatte. Dort versammelten wir uns kurz vor Sonnenuntergang, um den ungewöhnlichen Dudelsackklängen dreier Herren zu lauschen, die doch nicht tatsächlich „Freude schöner Götterfunken“ anstimmten! So langsam wurde es frisch und so traten wir den Rückweg zum Bus an, der uns in die Hauptstadt Amman bringen sollte.

Bevor es am Mittag aus Amman heraus Richtung Totes Meer ging (dazu me(e)hr in meinem nächsten Blogeintrag) stand noch eine kleine Stadtrundfahrt in der Hauptstadt an. Zunächst hielten wir für eine „japanische Pause“, d. h. einem megakurzen Fotostop ;-), an der riesigen König-Abdullah-Moschee bevor wir weiter auf den Zitadellenhügel hinauffuhren. Von dort aus hatten wir einen fantastischen Rundumblick auf das weiße Häuserwirrwarr Ammans und konnten erstmalig die riesigen Ausmaße dieser Molochstadt erahnen. Und um die Superlative noch auf die Spitze zu treiben: Wir konnten von da oben den 2003 erbauten, mit 126,8 m damals höchsten freistehenden Fahnenmast auf dem Gelände des königlichen Raghadan-Palastes in der Ferne ausmachen. Das Ding soll auch noch von 20 km Entfernung sichtbar sein und im Dunkeln leuchten. Naja, wer’s braucht…

Auf dem Zitadellengelände umherlaufend lernten wir, dass Amman früher einmal „Philadelphia“ geheißen hatte und konnten auf dem Zitadellengelände Reste eines Umayyaden-Palastes, sowie Ruinen des Herkulestempels und einer byzantinischen Kirchen entdecken. Uns als exotische Touristen „entdeckten“ bald einige jordanische Schulklassen, die unzählige Gruppenfotos auf den Stufen zum kleinen historischen Museum machten. Auf dem Rückweg zum Ausgang war ich, schwups, von einer Horde Smartphone- und Tabletschwingenden Schulmädchen eingenommen und musste Fotos mit ihnen machen. Als ich dann noch ein paar Worte Arabisch auspackte, kannte deren Freude keine Grenzen. 🙂 Die Lehrerin hatte Mühe die Mädels unter Kontrolle zu halten und entschuldigte sich bei mir für die „Belästigung“. Aber ich fand, dass das doch mal eine „nette Belästigung“ gewesen war!

Wie in meinem ersten Blogbericht zu dieser Reise versprochen, möchte ich es nicht auslassen, ein bisschen von meiner ersten Reise nach Jordanien im Jahre 2009 zu berichten. Damals hatte ich im September im Rahmen meines Studiums der Islamwissenschaft einen vierwöchigen Arabischsprachkurs in Damaskus, Syrien, absolviert. Nach Ende des Sprachkurses bereiste ich zunächst Beirut, die Hauptstadt des Libanon, und traf mich danach mit meiner damaligen Mitstudentin Vera in Amman. Vera hatte ein Praktikum in Palästina absolviert und Jordanien stellte damals das einzige Land dar, in das wir beide ohne Probleme einreisen konnten um uns zu treffen. Wir hatten ein Couchsurfingpärchen aufgetan, bei dem wir übernachteten – er palästinensischstämmiger Jordanier, sie Kanadierin und mangels Arabischkenntnissen komplett von ihm abhängig. Schrecklich! Sie konnte sich nicht einmal selbst ein Taxi bestellen. Ich erinnere mich, dass wir am ersten Abend mit der Kanadierin und ihrer kanadischen Freundin in einer Shisha-Bar im Zentrum Ammans landeten. Vom Sightseeing in Amman selbst hatten uns die beiden Couchsurfer abgeraten und stattdessen empfohlen, den Norden Jordaniens zu erkunden. Mit ihrer Vermittlung mieteten Vera und ich ein Taxi samt Fahrer und kurvten einen ganzen Tag lang durch die Gegend. Wir besichtigten bereits damals Jerasch (Gerasa), aber auch noch die Festung Adschlun (Ajlun), die Sultan Saladin vor über 800 Jahren hatte bauen lassen, um dem Vordringen der Kreuzritter Einhalt zu gebieten. Schließlich klapperten wir auch noch Umm Qais ab – Ruinen eines einst als „neues Athen“ bezeichneten kulturellen Zentrums, von dessen Hügel aus man ins Jordantal und auf den See Genezareth blicken kann. Und hier kommen die entsprechenden Bilder dazu:

Auf Reisen in Jordanien I: Umm Qais, Jerasch, Festung Adschlun & Amman

P.S.: Ein Déjà-Vu-Erlebnis hatte ich bei meiner gerade zurückliegenden Reise in Amman: Als meine Schwester und ich nach Einbruch der Dunkelheit zum Hinterausgang des Hotels hinausgingen, um noch Wasser kaufen zu gehen, landeten wir auf einem riesigen Parkplatz, der mir irgendwie bekannt vorkam. Als ich die Fotos von 2009 von Amman durchschaute, fiel es mir schließlich wie Schuppen von den Augen: Der Parkplatz war derselbe gewesen wie der, von dem ich 2009 aus nach meiner Jordanientour mit dem Bus wieder zurück nach Damaskus gefahren war! Da hatte sich scheinbar seitdem nicht sehr viel verändert!

Ostern in Budapest. Tag 1: Jüdisches Hipsterviertel, Heldenplatz und Stadtwäldchen

„Nie wieder Nachtzug im Sitzabteil!“ dachte ich mir nachdem ich nach fast zwölfstündiger Fahrt von Berlin nach Budapest angekommen war. Okay, dass eine Nacht auf dem Sitzplatz mit wenig komfortabler Schlafposition auf mich zukommt, hatte ich ja vorher gewusst. Aber dass  genau mir gegenüber ein quasselstrippiger ungarischer Herr Platz nehmen sollte, das konnte ich vorher leider nicht ahnen. Erst laberte er seine Sitznachbarin auf Deutsch zu, obwohl sie sich einfach nur in ihr Buch vertiefen wollte. Ich hatte das Gefühl, dass er sich nur mit ihr unterhielt, um sich wichtig zu machen und einen belehrenden, besserwisserischen Tonfall an den Tag zu legen.  Ein typischer Fall von „Mansplaining“ dachte ich noch, doch dann schwenkte der redselige Herr auf Ungarisch auf ein Gespräch mit meinem Sitznachbarn um. Sie unterhielten sich wirklich OHNE Pause bis etwa Mitternacht, dann war bis morgens gegen 7 Uhr endlich Ruhe im Abteil, doch direkt nach dem Aufwachen ging das Gequassel wie auf Knopfdruck ohne Punkt und Komma weiter. Unglaublich wie man so viel reden kann! Gottseidank verstand ich nichts und war froh gegen 8.30 Uhr endlich aussteigen und zu meinem Hostel fahren zu können. Auf dem Weg dorthin lernte ich gleich Budapests U-Bahn kennen, insbesondere die Linie M1, die, 1896 eröffnet, als älteste U-Bahnlinie des europäischen Festlandes gilt. Die kleinen Waggons und die kachel- und holzverzierten Ministationen sahen echt urig aus – ich fragte mich nur, wie es kapazitätsmäßig in Stoßzeiten unter der Woche aussehen muss… Am Osterwochenende waren gefühlt fast nur Touristen in der Stadt unterwegs und die Budapester wohl mehrheitlich auf’s Land gefahren.

Erster Anlaufpunkt meines ersten Tages in der ungarischen Hauptstadt war das jüdische Hipsterviertel. Hier steht die nach der Synagoge in New York weltweit zweitgrößte Synagoge. Ein beeindruckendes, schönes Ziegelbauwerk, dass mit seinen maurischen Stilelementen an die Synagoge in Berlin in der Oranienburgerstraße erinnert. Um die Synagoge herum: Typisches Hipsterviertel so wie es mittlerweile in jeder größeren europäischen Stadt existiert mit kleinen Cafés, Kneipen und Läden, von denen die meisten an diesem Karfreitag allerdings geschlossen waren. Die Dichte an hippen israelischen Falafelimbissen und weiterem „jüdischen“ Essen erinnerte mich sehr an das gentrifizierte jüdische Viertel in Krakau, das ich Anfang des Jahres besucht hatte. Irgendwie geht mir diese vereinheitliche Hipsterkultur schon echt auf die Nerven und auch auf dem Flohmarkt, über den ich durch einige Hinterhöfe hindurchschlenderte unterschied sich mit seinem Stoffbeutel- und Ohrringeangebot kaum von Berliner Flohmärkten.

Nach einem Zwischenstop im prunkvollen „Café New York“, einem der traditionellen Kaffeehäuser Budapests, das allerdings extrem überteuert war,  lief ich weiter Richtung Donau. Auf dem Weg dahin konnte ich mir die beeindruckenden und architektonisch sehr interessanten Häuserfassaden etwas genauer ansehen – in dieser Hinsicht erinnert mich Budapest sehr stark an Paris und einige der Jugendstilbauten sogar an Helsinki mit seinen Bauten im Stil der Nationalromantik. In Ungarn hatte sich mit dem „Szecesszió“ ein ganz eigener Stil des Jugendstils herausgebildet, der insbesondere historische Figuren und Szenen sowie orientalische Elemente in die Architektur einband. Fast an jeder Ecke konnte einen ein ungewöhnliches Bauwerk überraschen!

Am Nachmittag machte ich mich zum Stadtwäldchen auf, ein großer Park nordöstlich des Zentrums gelegen, dessen Eingang vom riesigen Heldenplatz flankiert wird, auf dem sich die Touristenmassen tummelten. Im Park selbst konnte man dem recht kalten und windigen Osterwetter trotzen und noch ein paar Sonnenstrahlen abbekommen. Ich lief einmal um Europas größte Therme (ja, Budapest hat schon viele Superlative zu bieten!), das Széchenyi-Bad, herum, entschied mich aber nicht hineinzugehen, sondern an einem der kommenden Tage eine der türkischen Therme der Stadt auszuprobieren. Türkische Therme? Ja, ganz richtig! Budapest war von 1541 bis 1686 von den Osmanen besetzt gewesen und diese wussten sich die Thermalquellen der Stadt zu Nutze zu machen, in dem sie öffentliche Bäder bauten, die teilweise bis heute in Betrieb sind.

Ich beschloss den Tag, in dem ich noch zwei im Reiseführer erwähnte Jugendstilbauten in der Nähe des Stadtwäldchens, die ehemalige staatliche Blindenanstalt und das Geologische Institut, abklapperte, und in einem günstigen Restaurant frittierte Champignons und Suppe mit Mehlklößen mampfte. Lecker!

Lima, die facettenreiche peruanische Hauptstadt mitten in der Wüste

Mitten in der Wüste? Lima? Nun ja, nicht ganz. Die peruanische Hauptstadt wird natürlich zum Einen durch den Pazifik begrenzt. Den Rest der Stadt, der dem Landesinneren zugewandt ist, jedoch umgibt tatsächlich eine so genannte Küstenwüste, wie sie für den ganzen peruanischen Küstenstreifen typisch ist. Fährt man also z. B. südlich aus Lima hinaus, wähnt man sich in der Wüste in Marokko, nur, dass die ärmlichen Häuschen, in denen Menschen ohne Strom und fließend Wasser leben, etwas anders aussehen. In meinem „Lonely Planet“ steht zudem, dass Lima nach Ägypten die zweittrockenste Stadt der Welt ist, es also extrem selten regnet. Das merkt man in der Stadt selbst jedoch kaum: Alle Grünanlagen werden bewässert und jeden Morgen hängt ein grieselig-grauer Nebel über der Stadt, der eigentlich nur zu Regenwetter passt.

So verschleierte auch am Morgen des 28. August 2016 als ich in Lima eintraf ein grauer Nebel die ganze Stadt. Die Taxifahrt vom Flughafen ins schicke Viertel Miraflores nahm um Einiges weniger Zeit als unter der Woche in Anspruch, in der Lima regelmäßig einen Verkehrskollaps erleidet. Und: Alles kam mir unglaublich ruhig vor (wie noch sooft auf dieser Perureise), was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn man zuletzt in der lauten Karibik gewohnt hat. Den Nachmittag verbrachte ich in der herrlich kühlen „Wintersluft“ (Peru liegt ja auf der Südhalbkugel) draußen und spazierte in Miraflores herum, ein lebhaftes Geschäftsviertel mit vielen Hochhäusern, das recht westlich aussieht und in dem man stets sicher und anonym herumlaufen kann. Sehr angenehm! Abends musste ich mir natürlich gleich die erste archäologische Ausgrabungsstätte anschauen – und daran mangelt es nicht in Peru!: Huaca Pucllana, ein hügelförmiger Zeremonialort der Wari-Kultur (ca. 600-1100), der komplett aus Lehmziegeln erbaut worden war. Das Interessante daran: Die Lehmziegel sind hochkant wie Bücher in einem Bücherregal angeordnet, wobei die Schlitze zwischen ihnen den Mauern genügend Flexibilität geben, wenn ein Erdbeben die Stadt heimsucht. Davon gibt es leider nicht wenige – die bisher Schlimmsten haben sich in den Jahren 1746 und 1940 ereignet.

Bis Ly am Montagabend eintraf, mit der ich drei Wochen unterwegs sein sollte, nutzte ich den Tag noch, um die an Miraflores angrenzenden Stadtviertel kennenzulernen: das Bankenviertel San Isidro und La Victoria mit einigen Parks und Museen. Da ich nur zu Fuß unterwegs war, bekam ich langsam einen Eindruck der gigantischen Dimensionen dieser Stadt. Wie gut, dass auf dem grünen Mittelstreifen der Hauptader Avenida Arequipa, die Miraflores mit dem Zentrum Limas verbindet, bereits Radwege angelegt worden waren. Doch leider fahren noch viel zu wenige Leute Fahrrad als dass das einen positiven Effekt auf das allabendliche Verkehrschaos haben könnte. Als Ly angekommen war und wir am nächsten Tag Limas Zentrum besichtigt hatten, brauchten wir mit dem öffentlichen Bus zurück nach Miraflores über zwei Stunden und das, obwohl wir am Mittag für diese Strecke gerade einmal knappe 30 Minuten gebraucht hatten. Taxifahrer Gerardo, mit dem ich mich angefreundet hatte, erzählte mir von der „Metro Lima“, einer Art U-Bahn, die zur Lösung des Verkehrsproblems beitragen soll, bisher aber leider nur eine Linie aufweist und zudem immer noch aufgrund der hohen Kosten umstritten ist. Ist wahrscheinlich ein ähnlicher Tropfen auf den heißen Stein wie die in Casablanca und Rabat eingeführte Straßenbahn…

Limas Stadtzentrum präsentierte sich uns morgens in einer grauen Nebelsuppe und auch die Besichtigung der Kathedrale sowie später des San-Francisco-Klosters stimmte uns eher depressiv: Die Kirchbauten präsentierten sich dunkel mit vielen leidenden Heiligen- und Christusfiguren, die Katakomben des Klosters mit vielen Knochenüberresten. Lustiger wurde es erst beim Mittagessen als wir zum ersten Mal eines dieser kleinen, aber feinen peruanischen Restaurants aufsuchten und nun das Tagesmenü mit lauter unverständlichen Essensbezeichnungen vor uns hatten. Wir ließen uns alles vom Kellner erklären, doch bei vielen Sachen scheiterte ich mit meinen Spanischkenntnissen und wir mussten einfach auf gut Glück bestellen. Das erste Ceviche schmeckte sehr lecker; die komischen Innereienstückchen auf Lys Teller eher weniger. Aber, wer nicht wagt, der nicht gewinnt! 😉

Nach der ersten Kennenlernrunde mit Lima machten wir uns auf zu unserer dreiwöchigen Gringo-Trail-Tour in den Süden Perus, wie ich in meinen nächsten Blogeinträgen berichten werde. Nach gut drei Wochen waren wir zurück in Lima, da Ly von dort aus ihren Rückflug nach Deutschland antreten würde. Doch zuvor musste noch ein Highlight abgeklappert werden: Die MISTURA, Food Festival und Essensmesse, die zufälligerweise gerade stattfand. Lima gilt nämlich mittlerweile kulinarisch gesehen als DAS Ziel in ganz Südamerika und die peruanische Küche generell gilt als eine der abwechslungsreichsten auf dem ganzen Kontinent. Auf der MISTURA präsentierten sich sämtliche Regionen Perus mit einem Stand und natürlich den entsprechenden Spezialitäten. Kaffeeschlückchen, Schokoladenstückchen und andere Proben wurden einem nur so hinterher geworfen und die Aussteller konnten es gar nicht verstehen, wie wir gegen Ende unseres Besuchs ihre Häppchen ablehnen konnten. Wir brauchten dann erst einmal etwas Herzhaftes und kauften uns mit unseren Essensmarken zwei leckere Fischgerichte, bei denen natürlich auch Mais nicht fehlen durfte.

Am nächsten Tag schauten wir uns noch das wirklich sehr schön und ansprechend gestaltete Larco-Museum mit einer riesigen präkolumbianischen Keramik- (inklusive ziemlich expliziter Erotikkeramika) und Schmucksammlung an. Dann hieß es auch schon Abschied von Ly nehmen und so verbrachte ich noch ein paar Tage allein in Lima. Ich besuchte das kostenlose und hochinteressante Nationalmuseum u.a. mit einer Fotoausstellung zum Terror des „Leuchtenden Pfads„, sowie das Künstler- und Bohème-Viertel Barranco, in dem man meint nicht mehr in Lima zu sein, so kleinstädtisch, ja fast dörflich wirkt es. Dort gibt es übrigens ein tolles Museum des peruanischen Fotografen Mario Testino, „MATE“ genannt, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

Alles in allem: eine sehr facettenreiche Stadt mit vielen Gesichtern, die es sich auf jeden Fall zu besichtigen lohnt! Vor allem, wenn am Nachmittag wie auf Knopfdruck die Sonne angeschaltet wird. 🙂

Ein Hauch von Bretagne und Westafrika an der dominikanischen Nordküste

Am 2. und 3. Juni stand ein letzter Reflexionstag unserer Freiwilligengruppe in der DomRep vor der Tür. Wir hielten ihn in der „Rancho Don Lulú“ bei San Francisco de Macorís ab, wo ich meine Mitfreiwillige Pauline ja bereits einmal im April dieses Jahres besucht hatte. Es war sehr schön alle wiederzusehen, aber leider war gar nicht genug Zeit um alle Themen zu diskutieren, die wir angedacht hatten. So war schnell Freitagmittag und somit das Ende des kurzen Seminars gekommen und ich machte mich mit Manuel zusammen per Motorrad auf Richtung Nordwestküste. Wir wollten über Nagua an der Küste entlang bis nach Cabrera fahren, wo wir eine AirBnB-Unterkunft gebucht hatten. Zunächst wurde unsere Fahrt jedoch von einer einstündigen Zwangspause unterbrochen: ein tropisches Unwetter fegte über das Land und an eine Weiterfahrt war vorerst nicht zu denken. Wir warteten bis sich der Regen gelegt hatte, fuhren weiter und kamen abends in Cabrera in unserer Unterkunft bei Tina und ihren beiden Adoptivkindern an. Das Haus bot einen ungewöhnlichen Mix aus bretonischen und westafrikanischen Dekorationsgegenständen. Tina war nämlich gebürtige Bretonin und so konnte ich meine eingerosteten Französischkenntnisse endlich mal wieder zur Anwendung bringen und ihre Kinder stammten ursprünglich aus dem Benin und aus Burkina Faso. Nicht weit von Cabrera liegt übrigens passenderweise das Cabo Francés (Französisches Kap) und die Siedlung drumherum nennt sich „El Bretón“ (der Bretone).

Am Samstagmorgen brachen wir zu einem Frühstück am nahegelegenen Playa Diamante auf bevor wir die Laguna Dudú besuchten, die mich an das Höhlensystem „Los Tres Ojos“ in Santo Domingo erinnerten, nur, dass man hier baden gehen konnte. Das Wasser war herrlich türkisblau und dank klarer Sicht konnte man die umliegenden Felswände und die darauf wachsenden Pflanzen unter Wasser beobachten. Per Zip-Line konnte man sich zudem aus etwa 5 m Höhe in die Laguna fallen lassen.

Nach der Lagune fuhren wir weiter bis in den Fischerort Río San Juan, der mich mit seinen Wandmalereien begeisterte und wohl auch schöne Strände aufzuweisen hat.

Leider hatte ich zum Besuch der Strände keine Zeit mehr, da ich 16 Uhr mit dem Bus in die Hauptstadt aufbrechen musste. Dort schaute ich am nächsten Tag beim „Día del Medio Ambiente“ (Umwelttag) und im „Museo del Hombre Dominicano“ (Museum des dominikanischen Menschen) vorbei. Es war ein Jammer wie veraltet und teilweise verkommen sich dieses Museum präsentierte – wie im Muff der 70er Jahre steckengeblieben. Obwohl es super-interessante Ausstellungsthemen bot: u. a. Karneval, volkstümliche Religionsausübung, Taino-Artefakte, Sklaverei. Aber die Aufmachung war in keinster Weise mit dem modernen „Centro León“ in Santiago zu vergleichen!

Immer wieder Santo Domingo

Nach Santo Domingo sollte es mich im Dezember 2015 und Januar 2016 gleich mehrfach verschlagen, so dass ich die Fotos und Berichte gleich zusammenfassen möchte: Am 10.-11.12. hatten wir als Freiwilligengruppe einen sogenannten Reflexionstag im Deutsch-Dominikanischen Zentrum der Hauptstadt, ein Tag, an dem wir uns über unsere bisher gemachten Erfahrungen untereinander austauschen und Nikaulis, unsere Tutorin vor Ort, auf den neuesten Stand bringen konnten. Das Deutsch-Dominikanische Zentrum liegt mitten in der Kolonialzone Santo Domingos und erinnerte mit seinem schönen ruhigen Innenhof mit kleinem Wasserbecken an ein andalusisch-arabisches Haus. Der Reflexionstag schloss mit einem üppigen Weihnachtsbuffet ab und danach hatten wir noch den Freitagnachmittag sowie das Wochenende zur Verfügung, um die Hauptstadt unsicher zu machen. Gesagt, getan! Erstes Highlight: Der monumentale Faro a Colón (Leuchtturm des Kolumbus‘), ein gigantisches Denkmal, das mit seinem Mix aus Sowjetarchitektur und Mayatempel einfach nur merkwürdig aussieht und angeblich das Grab des Kolumbus‘ beinhaltet (auch die spanische Stadt Sevilla beansprucht das Grab des Kolumbus‘ für sich). Des Weiteren befindet sich eine Ausstellung (fast) aller Länder des amerikanischen Kontinents im Inneren der monumentalen Mauern, deren Exponate recht willkürlich und kurios zusammengewürfelt erscheinen und der man das veraltete Museumskonzept der frühen 1990er ansieht. Das Denkmal war 1992 zur 500-Jahrfeier der „Entdeckung“ Amerikas fertiggestellt worden und soll angeblich etwa 70 Millionen USD gekostet haben! Doch damit der Gigantomanie nicht genug: Eigentlich befinden sich auf dem Dach des Denkmals Scheinwerfer, die ein riesiges Kreuz in den Himmel projizieren können, das man angeblich bis auf die etwa 200 km entfernte Nachbarinsel Puerto Rico sehen können soll. Dummerweise ist wohl bei den ersten Versuchen die Scheinwerfer einzuschalten in ganz Santo Domingo der Strom ausgefallen, weswegen man das nun eher sein lässt… Von den 5000 Familien, die für das riesige Gelände, das das Denkmal umgibt, zwangsweise umgesiedelt worden, ganz zu Schweigen…

Den Freitagabend und Samstag nutzten wir zum weiteren Sightseeing in der Stadt: Einmal hypermodern Metrofahren (Die U-Bahn in Berlin kann im Vergleich zu dieser Metro, die mich sehr an die ebenfalls hochmoderne Metro in Teheran erinnerte, echt einpacken!) und im Anschluss daran lecker Falafelessen. Samstag dann Besuch der ersten Kathedrale der Amerikas und diverser Museen und Kolonialbauten, sowie der Festung Ozama im Rahmen der langen Nacht der Museen. In der Kolonialzone bei Nacht fühlte man sich nach Andalusien versetzt, wenn da nicht der scheußliche rote Coca-Cola-Weihnachtsbaum auf der Plaza España gewesen wäre…

Ende Dezember und mit meinem Besuch von zwei Freundinnen aus Deutschland war ich dann Anfang Januar gleich noch zwei weitere Male in Santo Domingo gewesen, weswegen auch von diesen Stadttouren einige Fotos hier im Fotomosaik und im vorangehenden Artikel zur Street Art zu finden sind. Ich muss sagen, dass die Kolonialzone schon einer meiner Lieblingsorte in der DomRep geworden ist – vielleicht weil sie eben doch irgendwie sehr europäisch, schön ruhig und entspannt ist und mich sehr an Südspanien erinnert?

B(a)ern – hier steppt der Bär (eher nicht)

Obwohl BERliN und Bern schon recht viele Namensbuchstaben gemeinsam haben, könnten beide Hauptstädte kaum unterschiedlicher sein. Um es kurzzufassen: Bern ist zwar sehr schön und herrlich in eine Flussmäanderlandschaft eingebettet, aber es ist einfach „nüscht“ los dort. Die zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärte Berner Altstadt ist aber schon etwas besonderes, was ich so noch nie gesehen hatte. Als ich das erste Mal in der Hauptstraße stand, hatte ich das Gefühl, in einer Filmkulisse zu stehen: Die dunkelbraunen Sandsteinhäuser stehen dicht an dicht und gehen nahtlos in die kopfsteingepflasterte Straße über, so dass der etwas beklemmende Eindruck entsteht, man befinde sich in einem riesigen Kanal. Eine weitere Besonderheit der Berner Altstadt sind die sogenannten Laubengänge (Arkaden) und die vielen kleinen Läden, die sich unter der Erde befinden und über steile Treppen von der Straße aus zu betreten sind. Wenn der Laden geschlossen ist, sieht man nur die riesigen zusammengefalteten Türflügel am Straßenrand. Darin befinden sich teils sehr kuriose Läden, wie ihr unten auf den Fotos sehen könnt. Früher wurde darin Wein gelagert.

Auch in Bern war die Kunst sehr präsent: Wir besuchten mit Makis künftigem Studienkollege und seiner Freundin das Zentrum Paul Klee, das von dem italienischen Architekt Renzo Piano entworfen worden ist, der teilweise auch an der Gestaltung des Potsdamer Platzes in Berlin mitgewirkt hatte. Fragt nicht nach dem Eintrittspreis… Auf dem Rückweg in die Stadt kamen wir am obligatorischen Berner Bärenpark vorbei und gönnten uns einen Kaffee direkt über der Aare.

War der erste Tag noch sonnig und warm gewesen, hatten wir am zweiten Tag in Bern mit nasskaltem Regenwetter zu kämpfen und konnten alle Sehenswürdigkeiten nur unter dem Regenschirm hervorlugend besichtigen: Zytglogge, Parlament (mit Bauernmarkt davor), Einsteins Wohnhaus, Kunsthochschule, sowie diverse Figurenbrunnen, Kirchen und Parks. Am „besten“ bzw. kuriosesten fanden wir ja den „Kindlifresserbrunnen“, der einen Oger zeigt, der gerade ein Kind verschlingt. Nicht nur der Schweizer Käse und die Schweizer Schokolade (Toblerone wird übrigens in Bern produziert) scheinen schmackhaft zu sein! 😉

Den nächsten Tag konnten wir wieder trockenen Fußes von A nach B gelangen und fuhren per Marzilidrahtseilbahn auf den Berner Hausberg. Eine herrliche Aussicht bis in die Alpen!

Nach einem erlebnis- und sightseeingreichen verlängerten Wochenende ging es für mich Dienstagabend schließlich von BERN über Basel zurück nach B(a)ERliN und somit zurück von Schweizer Langsam- ja fast Behäbigkeit zur Hauptstadthektik Berlins.