Das Leben in den Zeiten der Corona

Es ist doch ironisch: Da habe ich meinen Reise- und Fotoblog hier nun seit zwei Jahren nicht mehr aktualisiert und nun fange ich das Bloggen ausgerechnet in einer Zeit allgemeiner Reisebeschränkungen wieder an: Es herrscht weltweiter Ausnahmezustand wegen des Coronavirus‘ Covid-19, auch SARS-CoV-2 genannt (Coronaviren stellen eine Virenfamilie dar, d. h. es gibt verschiedene Unterarten). Historisch gesehen ist die Viruspandemie keineswegs ein Einzelfall (siehe Pest, Cholera, AIDS, SARS & Co.), aber für mich und vermutlich die meisten in meinem Umfeld ist die direkte Betroffenheit durch die Maßnahmen zur Viruseindämmung etwas gänzlich Neues, Unvorhersehbares, Beunruhigendes. Daher brannte es mir förmlich in den Fingern, auf diesem Blog ein paar Gedanken und Erlebnisse der letzten Tage festzuhalten.

Seit Anfang des Jahres war ich (wie immer 😉) wahnsinnig viel unterwegs gewesen: Umzug für meinen neuen Job von Berlin nach Bonn, Wohnungsabgabe in Berlin, zur Fortbildung nach Frankfurt/Main, Dresden, zwischendurch der erste Karneval im Rheinland, Luxemburg, für die „Berlinale“ nach Berlin, Darmstadt, erneut Frankfurt/Main, Köln und Koblenz. Ich freute mich schon darauf, endlich einmal ein paar ruhige Wochenenden in Bonn verbringen zu können. Tja, das kam dann auch schneller als gedacht und zwar auf unbestimmte Zeit – dem Virus „sei Dank“.

Noch letzte Woche bekam ich am Freitag Besuch eines Freundes aus Kassel. Wir trafen uns nach der Arbeit vor der städtischen Bibliothek, da ich für das Wochenende noch ein paar Reise- und Wanderführer für Bonn und Umgebung ausleihen wollte. Weil ich weder mit den fünf Büchern noch meinem Arbeitslaptop (den ich schon in weiser Voraussicht eingepackt hatte) im Rucksack Sightseeing machen wollte, schloss ich alles in ein Bibliotheksschließfach ein und wollte es bis 19 Uhr wieder abholen. Wir gingen auf Sightseeingtour, tranken einen Kaffee im herrlich altmodischen Café Fassbender und kamen kurz nach 18 Uhr zurück zur Bibliothek. Als wir sie durch die Drehtür betraten, tönte uns die Stimme des Sicherheitsmannes entgegen: „Sie kommen hier nicht mehr rein. Wir haben geschlossen.“ Mir rutschte das Herz in die Hose. „Aber ich habe noch Sachen im Schließfach eingeschlossen.“, sagte ich. „Die können Sie eventuell am Montag abholen, ansonsten hat die Bibliothek jetzt bis 19. April geschlossen.“, so der Sicherheitsmann. Die Stadt Bonn musste also just in der Zwischenzeit, als wir auf Sightseeingtour gewesen waren, beschlossen haben, alle städtischen Kultureinrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Volkshochschulen, etc. schließen zu lassen – und zwar ab sofort. Nach einer weiteren Diskussion mit dem Sicherheitsmann stellte sich heraus, dass gerade noch der letzte Bibliotheksmitarbeiter im Gehen begriffen war. Er nahm mich als letzte Amtshandlung mit nach oben in die Bibliothek, wo ich meinen Schließfachinhalt abholen konnte. Nach einem Ausweis o.ä. wurde ich nicht gefragt… Egal, da hatte ich gerade noch einmal Glück gehabt! Ironie des Schicksals: Die Reise- und Wanderführer zu Bonn und Umgebung habe ich nun erst einmal auf unbestimmte Zeit ausgeliehen und werde sie an den Wochenenden „durcharbeiten“ können insofern es zu keinen weiteren Bewegungsbeschränkungen kommt. 😉

Noch am Samstag absolvierte ich mit meinem Besuch eine kulinarische Stadtführung von „Eat the World“ (kleine Schleichwerbung, aber sehr zu empfehlen!) durch mein Stadtviertel Bonn-Beuel, wo wir sieben inhabergeführte Läden (Cafés, Fischladen, Kiosk, Kaffeerösterei) mit deren Entstehungsgeschichte und leckeren Kostproben kennenlernten und nebenbei viel über die Hassliebe zwischen dem linksrheinischen Bonn und dem rechtsrheinischen Beuel erfuhren. Ich hoffe, dass diese kleinen Läden die Coronakrise überstehen werden – stehen sie doch sinnbildlich für alle Selbstständigen, die sich nicht mit einem regulärem, gesicherten Gehalt ins Homeoffice begeben können. Auf Spiegel Online kann man dazu die traurig stimmenden „Elf Protokolle der Unsicherheit“ lesen.

Fun Fact: Beim Einkauf in Bonn-Beuel hörte ich an der Kasse doch tatsächlich den Spruch „Na, über den Rhein kommt das Coronavirus aber nicht.“ Der Spruch versinnbildlicht sehr gut die eben genannte Hassliebe zwischen Bonn und Beuel. Letzteres ist heute ein Stadtteil Bonns, besaß aber von 1952 bis 1969 eigene Stadtrechte, die die Bewohner nur unter Protest aufgaben. In früheren Zeiten war Beuel zudem immer wieder bei Angriffen auf Bonn in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass man schließlich auf beiden Rheinseiten eigene Festungen hochzug. Beuel entwickelte sich im Zuge der Industrialisierung zu einem Zentrum von Wäschereibetrieben und Fabriken (Tapetenherstellung, Jutespinnereien, Brotfabrik (heute ein gleichnamiges Kulturzentrum)). Der Beueler Eigensinn zeigte sich nicht zuletzt in seinen Waschweibern, die 1824 den Aufstand wagten und die bisher nur den Männern vorbehaltenen Karnevalsfeiern auch für sich beanspruchten. Die meisten kennen vermutlich Weiberfastnacht, bei denen die Frauen in vielen Regionen das Rathaus erstürmen und allen Männern, die ihnen in die Quere kommen, die Krawatte (stellvertretend für etwas anderes 😉) abschneiden. Tja, dieser Brauch ist in Beuel entstanden! Wieder was gelernt!

Samstagabend begaben wir uns noch auf einen Trip nach Köln, wo eine Freundin ihren Geburtstag in einer Crêperie feiern wollte. Wir waren zunächst die einzigen Gäste, wobei sich das Restaurant nach und nach doch noch füllte. Später in den Kneipen der Umgebung: Gedränge – es war bereits bekannt, dass vom folgenden Tag an alle Kneipen und Bars in Köln würden schließen würden – man hatte den Eindruck, alle nutzten noch einmal die letzte Gelegenheit zum gemeinsamen Trinken und Feiern. Wir hielten uns an den Rat der Virologen und verordneten uns frische Luft und Flaschenbier mit einem Spaziergang durch den Rheinauhafen bis hoch zur Aussichtsterrasse des Kölner Schokoladenmuseums. Dort stießen wir mit zwei Flaschen Sekt an, sangen ein paar Karnevalslieder und machten uns schließlich auf den Rückweg nach Bonn. Ein Hauch von Wehmut lag über der Nacht. P. S.: Die Restaurants in Köln sollten am darauffolgenden Dienstag (17. März 2020) komplett schließen. Hier in Bonn sind sie noch offen…

Den Sonntag nutzten wir, um den im Süden von Bonn liegenden Drachenfels zu besteigen. Im Zug waren wie an einem gewöhnlichen Sonntag auch viele Ausflügler unterwegs – Studentengruppen, Wandergruppen in Funktionskleidung wie als würden sie Mt. Everest besteigen wollen, Familien, etc. Wir fuhren bis Rhöndorf, einem Stadtteil von Bad Honnef, besuchten den Waldfriedhof samt Grabstätte Konrad Adenauers und stiefelten dann den steilen Weg zum Drachenfels hinauf. Oben angekommen traf mich fast der Schlag: Auf den Stufen rund um das Ausflugsrestaurant hockten hunderte Menschen zusammen und genossen die Sonne! „Da hätte ich in einem Museum aber Kontakt zu deutlich weniger Menschen gehabt“, schoss es mir bei diesem Anblick durch den Kopf. Eine Kollegin erzählte mir Ähnliches aus Berlin, wo sie am Wochenende noch nie so viele Menschen auf dem Tempelhofer Feld habe zusammensitzen sehen. Ein verrücktes, schizophrenes Phänomen! Die Realität aus dem nicht wirklich umgesetzten „Social Distancing“ und die Medienrealität mit dem allgegenwärtigen Coronathema scheinen an bestimmten Orten Deutschlands momentan noch ziemlich stark auseinanderzuklaffen. Andere Themen sollten dabei jedoch nicht untergehen, wie die dramatische Lage im Flüchtlingslager Moria (Deutsche Welle: Interview zur aktuellen Situation mit „Ärzte ohne Grenzen“).

Das Social Distancing funktioniert auf dem Drachenfels noch nicht so gutSoweit der Wochenendbericht. Vorgestern war ich noch einmal im fast leeren, gespenstisch wirkenden Büro gewesen und nahm mir alles Material mit, das ich für die kommende, unbestimmte Zeit im Homeoffice brauchen würde. Aus dem Bürofenster beobachtete ich einen seilspringenden Mitarbeiter im Bürogebäude gegenüber. Ein Vorbote auf künftige sportliche Aktivitäten zu Hause? Unsere gemütliche Kaffeeecke war schon, da nicht „Social Distancing“-fähig, gesperrt; in der Kantine hielten sich alle an den 1m-Abstand zum Sitznachbarn und ließen immer einen Platz neben sich frei. Für externe Gäste war die Kantine nun gesperrt worden. An der Essensausgabe setzte man nicht mehr auf Selbstbedienung (Tablett, Besteck, Nachtisch), sondern das Küchenpersonal gab alles an uns heraus, was mich in meiner Essensroutine kurz irritierte.

Sämtliche Arbeitsmeetings werden von nun an per Videokonferenz abgehalten – nach heute drei Videokonferenzen sowie weiteren Arbeitsstunden zu Hause war ich froh, am Abend noch ein bisschen am Rhein spazieren gehen zu können. Gestern habe ich seit Jahren mal wieder mit Joggen angefangen – irgendwie muss man sich ja fit halten, wenn sämtliche Yoga- und Fitnessstudios geschlossen sind. Diese Idee hatten auch andere und so war das ganze Rheinufer mit emsigen Joggern und Fahrradfahrern gesäumt. Na, ob das im Sinne des „Social Distancing“ ist? Ich musste schmunzeln: Auf einem der Fähranleger hatte ein Mann sein Schlagzeug aufgebaut und gab ein Ständchen für alle Vorbeikommenden. Ich beobachtete weitere Leute, die ihre Gesellschaftsspiele mit nach draußen gebracht hatten und munter bei einem Bier spielten. Da ich keinen Vergleich zu einem „normalen“ Frühling in Bonn habe, kann ich gar nicht sagen, ob dies alles Phänomene der Coronakrise sind oder nicht. Ich vermute aber, dass es viele der „nine to five“ arbeitenden Menschen nach einem Tag Homeoffice ins Freie zieht. In „normalen“ Zeiten würden sie sich abends eigentlich in einem Fitness- oder Yogastudio, einem Volkshochschul- oder Musikschulkurs oder im Theater, Kino oder einem Restaurant oder einer Bar „verkriechen“ und im öffentlichen Raum nicht sichtbar sind. Vor allem fielen mir auch die vielen Schüler draußen auf, die ja nun seit Freitagnachmittag schulfrei haben. In den Medien ist immer wieder von „Coronaparties“ feiernden Schülern die Rede – doch es gibt auch positive Beispiele wie ich heute an einem Laternenpfahl sah:

Die Coronakrise tue uns „[…] aus anthropologischer Sicht […] gut“, so die Aussage eines interviewten Italieners in der aktuellen ARTE-Serie zum Thema, und „dass wir nichts als selbstverständlich ansehen sollten und dass es sehr schwierig ist, einen unsichtbaren Feind zu bekämpfen.“ Diese Aussage finde ich interessant. Es sind die externen Umstände, die uns nun (langsam) zu einem Umdenken und einer Verhaltensänderung bewegen. Niemand kann sagen, wie lange diese außergewöhnlichen externen Umstände noch andauern werden – für viele ist es wohl das, was sie zutiefst beunruhigt, zumal, wenn es an die eigene Existenz geht. Ich wage mir aus meiner ohne Zweifel privilegierten Situation heraus aber auch zu sagen, dass ich persönlich diesen Moment der erzwungenen Entschleunigung und Reduzierung gerade als wohltuend empfinde. (Wie gesagt, für existenziell bedrohte Menschen muss das wie blanker Zynismus klingen!) Ich vergleiche die derzeitige Situation mit einer Situation, die ich 2016 erlebte, als ich wegen einer Fuß-OP für sechs Wochen das Haus hüten musste und mich nur kurz zum Einkaufen auf Krücken nach draußen schleppen konnte. Vorab dachte ich „Um Gottes Willen, wie soll ich diese Zeit nur überstehen? Ich werde vor Langeweile sterben.“ Aber dann wurde es (abgesehen von den Fußschmerzen) zu einer der besten Zeiten in meinem Leben. Die äußeren Umstände zwangen mich, physisch inaktiv zu sein. Der ganze Verabredungsstress in Berlin und die ständige Angst etwas zu verpassen (auch bekannt unter dem Kürzel FOMO = Fear of Missing Out) fielen einfach weg. Ich genoss es, ein Buch nach dem nächsten zu lesen, meine Habseligkeiten auszumisten und aufzuräumen (Marie Kondo sei Dank!) und – im Unterschied zur derzeitigen Krise – fast täglich Besuch von Freunden zu erhalten. Auch die derzeitige Coronakrise könnte uns dieses Innehalten und das Erledigen von Dingen ermöglichen, die wir schon seit Ewigkeiten vor uns herschieben (so wie ich die Aktualisierung dieses Blogs 😉). Aber eigentlich stimmt es mich nachdenklich, dass erst solche externen Umstände nötig sind, um mich zum Innehalten zu bringen… Aber vielleicht geht es euch ja genauso?

Ansonsten entstehen gerade viele Initiativen zur Nachbarschaftshilfe wie #Nachbarschaftschallenge, wo man sich einbringen kann und die die Coronakrise hoffentlich überdauern werden.

In diesem Sinne, bleibt gesund (wie man sich ja seit den letzten Wochen immer verabschiedet)!

P. S.: Falls sich jemand über den etwas gestelzt formulierten Titel des Blogeintrags wundert – er ist eine Anspielung auf den Roman „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ des kolumbianischen Autors Gabriel García Márquez. Kann mir das Buch jemand ausleihen? Ich nehme es gerne postalisch oder in den Briefkasten geworfen entgegen. 😉

P.P.S.: So wäscht man seine Hände richtig:

Lang nicht mehr gesehen und doch erkannt – der Norden Jordaniens

Tag 2 unserer Reise führte uns auch schon wieder aus Israel heraus über die Grenze nach Jordanien. Nach einer fast zweistündigen Grenzprozedur kamen wir im Norden Jordaniens an, wo uns unser zweiter Guide Mohamed wohlgelaunt empfing. Wir tuckerten mit dem Bus durch eine karge, wüstenhafte Landschaft. Der Unterschied zu Israel fiel sofort ins Auge: überall lag Müll in der Landschaft herum und die Häuser am Straßenrand sahen um einiges ärmer als im Nachbarland aus. Zwischen Jordanien und Israel besteht seit 1994 ein Friedensvertrag, der den Jordan als Grenze zwischen beiden Ländern festlegt und Jordanien zusichert, größere Mengen Trinkwasser aus dem Jordan entnehmen zu dürfen. Einst nämlich hatte sich der Jordan in Teilen auf jordanischem Staatsgebiet befunden. Im Sechstagekrieg von 1967 zwischen Israel auf der einen und Jordanien, Syrien und Ägypten auf der anderen Seite jedoch verlor Jordanien seine gesamten Gebiete westlich des Jordans (heute in etwa: Westjordanland, Gaza, Ostjerusalem). In Folge dessen flüchteten hunderttausende Palästinenser, die in diesen Gebieten gelebt hatten, nach Jordanien, dessen arabische Bevölkerung heute etwa zur Hälfte palästinensische Wurzeln aufweist. Insgesamt leben derzeit offiziell 6,5 Mio. Menschen im Haschemitischen Königreich, wobei inoffiziell von 9,5 Mio. Bewohnern ausgegangen wird, wenn man irakische (ca. 300.000) und syrische Flüchtlinge (mehr als 1,2 Mio. (!!!)) sowie Gastarbeiter hinzuzählt. Ich habe in mehreren Artikeln, wie z. B. diesem von qantara.de, gelesen, dass Jordanien wegen der Aufnahme so vieler Flüchtlinge seit 2015 eigentlich kurz vor dem Kollaps steht – das Trinkwasser wird immer knapper, die Mieten und Lebensmittelpreise immer höher und die Löhne immer niedriger. Und: Die Touristen bleiben weg wie dieser Welt-Artikel aufschlüsselt und wie wir es vor Ort größtenteils auch erleben konnten. An unserer ersten Besichtigungsstätte, den Ruinen der antiken Handelsstadt Jerasch (Gerasa), waren wir fast die einzigen Touristen. Der Postkartenverkäufer versuchte uns derart verzweifelt und nervig seine Ware feilzubieten, dass sich schließlich einer aus unserer Gruppe erbarmte und ihm etwas abkaufte. Unser Guide Mohamed erklärte uns derweil die einstige Stadtstruktur, die u.a. aus einer Einkaufsstraße, Tempeln, Bädern und einem Amphitheater bestanden hatte. Dort versammelten wir uns kurz vor Sonnenuntergang, um den ungewöhnlichen Dudelsackklängen dreier Herren zu lauschen, die doch nicht tatsächlich „Freude schöner Götterfunken“ anstimmten! So langsam wurde es frisch und so traten wir den Rückweg zum Bus an, der uns in die Hauptstadt Amman bringen sollte.

Bevor es am Mittag aus Amman heraus Richtung Totes Meer ging (dazu me(e)hr in meinem nächsten Blogeintrag) stand noch eine kleine Stadtrundfahrt in der Hauptstadt an. Zunächst hielten wir für eine „japanische Pause“, d. h. einem megakurzen Fotostop ;-), an der riesigen König-Abdullah-Moschee bevor wir weiter auf den Zitadellenhügel hinauffuhren. Von dort aus hatten wir einen fantastischen Rundumblick auf das weiße Häuserwirrwarr Ammans und konnten erstmalig die riesigen Ausmaße dieser Molochstadt erahnen. Und um die Superlative noch auf die Spitze zu treiben: Wir konnten von da oben den 2003 erbauten, mit 126,8 m damals höchsten freistehenden Fahnenmast auf dem Gelände des königlichen Raghadan-Palastes in der Ferne ausmachen. Das Ding soll auch noch von 20 km Entfernung sichtbar sein und im Dunkeln leuchten. Naja, wer’s braucht…

Auf dem Zitadellengelände umherlaufend lernten wir, dass Amman früher einmal „Philadelphia“ geheißen hatte und konnten auf dem Zitadellengelände Reste eines Umayyaden-Palastes, sowie Ruinen des Herkulestempels und einer byzantinischen Kirchen entdecken. Uns als exotische Touristen „entdeckten“ bald einige jordanische Schulklassen, die unzählige Gruppenfotos auf den Stufen zum kleinen historischen Museum machten. Auf dem Rückweg zum Ausgang war ich, schwups, von einer Horde Smartphone- und Tabletschwingenden Schulmädchen eingenommen und musste Fotos mit ihnen machen. Als ich dann noch ein paar Worte Arabisch auspackte, kannte deren Freude keine Grenzen. 🙂 Die Lehrerin hatte Mühe die Mädels unter Kontrolle zu halten und entschuldigte sich bei mir für die „Belästigung“. Aber ich fand, dass das doch mal eine „nette Belästigung“ gewesen war!

Wie in meinem ersten Blogbericht zu dieser Reise versprochen, möchte ich es nicht auslassen, ein bisschen von meiner ersten Reise nach Jordanien im Jahre 2009 zu berichten. Damals hatte ich im September im Rahmen meines Studiums der Islamwissenschaft einen vierwöchigen Arabischsprachkurs in Damaskus, Syrien, absolviert. Nach Ende des Sprachkurses bereiste ich zunächst Beirut, die Hauptstadt des Libanon, und traf mich danach mit meiner damaligen Mitstudentin Vera in Amman. Vera hatte ein Praktikum in Palästina absolviert und Jordanien stellte damals das einzige Land dar, in das wir beide ohne Probleme einreisen konnten um uns zu treffen. Wir hatten ein Couchsurfingpärchen aufgetan, bei dem wir übernachteten – er palästinensischstämmiger Jordanier, sie Kanadierin und mangels Arabischkenntnissen komplett von ihm abhängig. Schrecklich! Sie konnte sich nicht einmal selbst ein Taxi bestellen. Ich erinnere mich, dass wir am ersten Abend mit der Kanadierin und ihrer kanadischen Freundin in einer Shisha-Bar im Zentrum Ammans landeten. Vom Sightseeing in Amman selbst hatten uns die beiden Couchsurfer abgeraten und stattdessen empfohlen, den Norden Jordaniens zu erkunden. Mit ihrer Vermittlung mieteten Vera und ich ein Taxi samt Fahrer und kurvten einen ganzen Tag lang durch die Gegend. Wir besichtigten bereits damals Jerasch (Gerasa), aber auch noch die Festung Adschlun (Ajlun), die Sultan Saladin vor über 800 Jahren hatte bauen lassen, um dem Vordringen der Kreuzritter Einhalt zu gebieten. Schließlich klapperten wir auch noch Umm Qais ab – Ruinen eines einst als „neues Athen“ bezeichneten kulturellen Zentrums, von dessen Hügel aus man ins Jordantal und auf den See Genezareth blicken kann. Und hier kommen die entsprechenden Bilder dazu:

Auf Reisen in Jordanien I: Umm Qais, Jerasch, Festung Adschlun & Amman

P.S.: Ein Déjà-Vu-Erlebnis hatte ich bei meiner gerade zurückliegenden Reise in Amman: Als meine Schwester und ich nach Einbruch der Dunkelheit zum Hinterausgang des Hotels hinausgingen, um noch Wasser kaufen zu gehen, landeten wir auf einem riesigen Parkplatz, der mir irgendwie bekannt vorkam. Als ich die Fotos von 2009 von Amman durchschaute, fiel es mir schließlich wie Schuppen von den Augen: Der Parkplatz war derselbe gewesen wie der, von dem ich 2009 aus nach meiner Jordanientour mit dem Bus wieder zurück nach Damaskus gefahren war! Da hatte sich scheinbar seitdem nicht sehr viel verändert!