Lang nicht mehr gesehen und doch erkannt – der Norden Jordaniens

Tag 2 unserer Reise führte uns auch schon wieder aus Israel heraus über die Grenze nach Jordanien. Nach einer fast zweistündigen Grenzprozedur kamen wir im Norden Jordaniens an, wo uns unser zweiter Guide Mohamed wohlgelaunt empfing. Wir tuckerten mit dem Bus durch eine karge, wüstenhafte Landschaft. Der Unterschied zu Israel fiel sofort ins Auge: überall lag Müll in der Landschaft herum und die Häuser am Straßenrand sahen um einiges ärmer als im Nachbarland aus. Zwischen Jordanien und Israel besteht seit 1994 ein Friedensvertrag, der den Jordan als Grenze zwischen beiden Ländern festlegt und Jordanien zusichert, größere Mengen Trinkwasser aus dem Jordan entnehmen zu dürfen. Einst nämlich hatte sich der Jordan in Teilen auf jordanischem Staatsgebiet befunden. Im Sechstagekrieg von 1967 zwischen Israel auf der einen und Jordanien, Syrien und Ägypten auf der anderen Seite jedoch verlor Jordanien seine gesamten Gebiete westlich des Jordans (heute in etwa: Westjordanland, Gaza, Ostjerusalem). In Folge dessen flüchteten hunderttausende Palästinenser, die in diesen Gebieten gelebt hatten, nach Jordanien, dessen arabische Bevölkerung heute etwa zur Hälfte palästinensische Wurzeln aufweist. Insgesamt leben derzeit offiziell 6,5 Mio. Menschen im Haschemitischen Königreich, wobei inoffiziell von 9,5 Mio. Bewohnern ausgegangen wird, wenn man irakische (ca. 300.000) und syrische Flüchtlinge (mehr als 1,2 Mio. (!!!)) sowie Gastarbeiter hinzuzählt. Ich habe in mehreren Artikeln, wie z. B. diesem von qantara.de, gelesen, dass Jordanien wegen der Aufnahme so vieler Flüchtlinge seit 2015 eigentlich kurz vor dem Kollaps steht – das Trinkwasser wird immer knapper, die Mieten und Lebensmittelpreise immer höher und die Löhne immer niedriger. Und: Die Touristen bleiben weg wie dieser Welt-Artikel aufschlüsselt und wie wir es vor Ort größtenteils auch erleben konnten. An unserer ersten Besichtigungsstätte, den Ruinen der antiken Handelsstadt Jerasch (Gerasa), waren wir fast die einzigen Touristen. Der Postkartenverkäufer versuchte uns derart verzweifelt und nervig seine Ware feilzubieten, dass sich schließlich einer aus unserer Gruppe erbarmte und ihm etwas abkaufte. Unser Guide Mohamed erklärte uns derweil die einstige Stadtstruktur, die u.a. aus einer Einkaufsstraße, Tempeln, Bädern und einem Amphitheater bestanden hatte. Dort versammelten wir uns kurz vor Sonnenuntergang, um den ungewöhnlichen Dudelsackklängen dreier Herren zu lauschen, die doch nicht tatsächlich „Freude schöner Götterfunken“ anstimmten! So langsam wurde es frisch und so traten wir den Rückweg zum Bus an, der uns in die Hauptstadt Amman bringen sollte.

Bevor es am Mittag aus Amman heraus Richtung Totes Meer ging (dazu me(e)hr in meinem nächsten Blogeintrag) stand noch eine kleine Stadtrundfahrt in der Hauptstadt an. Zunächst hielten wir für eine „japanische Pause“, d. h. einem megakurzen Fotostop ;-), an der riesigen König-Abdullah-Moschee bevor wir weiter auf den Zitadellenhügel hinauffuhren. Von dort aus hatten wir einen fantastischen Rundumblick auf das weiße Häuserwirrwarr Ammans und konnten erstmalig die riesigen Ausmaße dieser Molochstadt erahnen. Und um die Superlative noch auf die Spitze zu treiben: Wir konnten von da oben den 2003 erbauten, mit 126,8 m damals höchsten freistehenden Fahnenmast auf dem Gelände des königlichen Raghadan-Palastes in der Ferne ausmachen. Das Ding soll auch noch von 20 km Entfernung sichtbar sein und im Dunkeln leuchten. Naja, wer’s braucht…

Auf dem Zitadellengelände umherlaufend lernten wir, dass Amman früher einmal „Philadelphia“ geheißen hatte und konnten auf dem Zitadellengelände Reste eines Umayyaden-Palastes, sowie Ruinen des Herkulestempels und einer byzantinischen Kirchen entdecken. Uns als exotische Touristen „entdeckten“ bald einige jordanische Schulklassen, die unzählige Gruppenfotos auf den Stufen zum kleinen historischen Museum machten. Auf dem Rückweg zum Ausgang war ich, schwups, von einer Horde Smartphone- und Tabletschwingenden Schulmädchen eingenommen und musste Fotos mit ihnen machen. Als ich dann noch ein paar Worte Arabisch auspackte, kannte deren Freude keine Grenzen. 🙂 Die Lehrerin hatte Mühe die Mädels unter Kontrolle zu halten und entschuldigte sich bei mir für die „Belästigung“. Aber ich fand, dass das doch mal eine „nette Belästigung“ gewesen war!

Wie in meinem ersten Blogbericht zu dieser Reise versprochen, möchte ich es nicht auslassen, ein bisschen von meiner ersten Reise nach Jordanien im Jahre 2009 zu berichten. Damals hatte ich im September im Rahmen meines Studiums der Islamwissenschaft einen vierwöchigen Arabischsprachkurs in Damaskus, Syrien, absolviert. Nach Ende des Sprachkurses bereiste ich zunächst Beirut, die Hauptstadt des Libanon, und traf mich danach mit meiner damaligen Mitstudentin Vera in Amman. Vera hatte ein Praktikum in Palästina absolviert und Jordanien stellte damals das einzige Land dar, in das wir beide ohne Probleme einreisen konnten um uns zu treffen. Wir hatten ein Couchsurfingpärchen aufgetan, bei dem wir übernachteten – er palästinensischstämmiger Jordanier, sie Kanadierin und mangels Arabischkenntnissen komplett von ihm abhängig. Schrecklich! Sie konnte sich nicht einmal selbst ein Taxi bestellen. Ich erinnere mich, dass wir am ersten Abend mit der Kanadierin und ihrer kanadischen Freundin in einer Shisha-Bar im Zentrum Ammans landeten. Vom Sightseeing in Amman selbst hatten uns die beiden Couchsurfer abgeraten und stattdessen empfohlen, den Norden Jordaniens zu erkunden. Mit ihrer Vermittlung mieteten Vera und ich ein Taxi samt Fahrer und kurvten einen ganzen Tag lang durch die Gegend. Wir besichtigten bereits damals Jerasch (Gerasa), aber auch noch die Festung Adschlun (Ajlun), die Sultan Saladin vor über 800 Jahren hatte bauen lassen, um dem Vordringen der Kreuzritter Einhalt zu gebieten. Schließlich klapperten wir auch noch Umm Qais ab – Ruinen eines einst als „neues Athen“ bezeichneten kulturellen Zentrums, von dessen Hügel aus man ins Jordantal und auf den See Genezareth blicken kann. Und hier kommen die entsprechenden Bilder dazu:

Auf Reisen in Jordanien I: Umm Qais, Jerasch, Festung Adschlun & Amman

P.S.: Ein Déjà-Vu-Erlebnis hatte ich bei meiner gerade zurückliegenden Reise in Amman: Als meine Schwester und ich nach Einbruch der Dunkelheit zum Hinterausgang des Hotels hinausgingen, um noch Wasser kaufen zu gehen, landeten wir auf einem riesigen Parkplatz, der mir irgendwie bekannt vorkam. Als ich die Fotos von 2009 von Amman durchschaute, fiel es mir schließlich wie Schuppen von den Augen: Der Parkplatz war derselbe gewesen wie der, von dem ich 2009 aus nach meiner Jordanientour mit dem Bus wieder zurück nach Damaskus gefahren war! Da hatte sich scheinbar seitdem nicht sehr viel verändert!

Sancti Spíritus – die blaue Stadt der Guayabera-Hemden

Sancti Spíritus, schon wieder so ein christlich klingender Name! Wobei mich die Stadt mit ihren blauen Gebäuden überall mehr an das (muslimische) Marokko, genauer gesagt an Chefchaouen erinnert hat. Die blaue Farbe vieler Gebäude hatte, wie in Chefchaouen, einen abkühlenden (Placebo?-)Effekt, wenn man durch die Straßen hindurchwandert, wenn auch die drückende Hitze noch überwog. Und da mein Regenschirm, den ich noch aus der DomRep mitgebracht hatte das Zeitliche gesegnet hatte, entschloss ich mir im „Kaufhaus“ am Parque Serafín Sánchez einen neuen zu kaufen. Also, reingehen und in die Schlange am Verkaufstresen anstellen. Als ich nach einer halben Ewigkeit endlich an der Reihe war und die Verkäuferin mir einen schönen roten Regenschirm rausgesucht hatte, wollte ich nur noch flux bezahlen und dann so schnell wie möglich raus aus dem Kaufhaus. Doch es kam anders: Die Verkäuferin konnte den Strich- und Zahlencode für den Regenschirm nicht finden, d. h. konnte ihn nicht in das Buchhaltungssystems des Computers eingeben. Sie rief einige Kolleginnen um Hilfe, da sie ihren Posten hinter dem Verkaufstresen auch nicht verlassen durfte. Aber auch diese fanden den Code im Lager (oder wo auch immer sie danach suchten) nicht oder machten keine Anstalten nachzusehen. Als dann auch noch die Frauen, die weiter hinten in der Schlange standen, anfingen zu drängeln und zu nörgeln, wurde das der Verkäuferin alles zu viel und sie fing an zu weinen. Nun kamen andere Kolleginnen zu ihr, fragten was los sei, sie erzählte schluchzend von dem Problem mit dem Strichcode und meinte in meine Richtung, dass „Diese Kundin, die doch nur einen Regenschirm kaufen wolle, nun schon seit 20 Minuten hat warten müssen“. Gut, etwas übertrieben, aber so tauchte nun endlich eine Kollegin mit dem richtigen Strichcode auf und ich konnte endlich bezahlen. Der Regenschirm ist übrigens super und um einiges stabiler und robuster als die Regenschirme, die ich aus der DomRep kenne (ich habe mir dort mittlerweile schon mindestens drei kaufen müssen) – es lebe der Sozialismus und seine langen Produktlebenszyklen! 😉

Aber wie ihr euch sicher vorstellen könnt, ist Sancti Spíritus nicht primär für seine Regenschirme berühmt. Das Städtchen, dem nicht viele Touristen Beachtung schenken, weist zum Einen eine sehr schöne Brücke über den Yayabo-Fluss auf und zum Anderen, ebenfalls unten am Fluss gelegen, gibt es hier ein Museum der Guayabera-Hemden. Das sind diese typischen, etwas kastenförmig aussehenden Leinenhemden, die man von vielen Politikern aus der Karibik und Südamerika kennt, die aber auch sonst weit verbreitet sind, weil sie bei der Hitze einfach sehr angenehm zu tragen sind. Leider war das Museum gerade wegen Umbauarbeiten geschlossen, aber zumindest in zwei Ausstellungsräume konnte ich hineinschauen und ein paar Fotos von Hemden in Vitrinen machen, was, wie ich fand, recht ulkig aussah. Danach gönnte ich mir eine (leider völlig überteuerte) frische Zitronenlimonade auf der Museumsterrasse direkt am Fluss.

Am Abend nahm ich schließlich den Nachtbus bis Santiago de Cuba. Was mir am Busbahnhof von Sancti Spíritus auffiel, waren wie viele Schwule und Transsexuelle dort präsent waren. Einer schminkte sich in aller Öffentlichkeit ohne, dass es irgendjemanden interessierte oder er angestarrt wurde. Und neben mich setzte sich ein Typ in langem Kleid und Plateauschuhen, hatte zwei aneinander gebundene Hühner auf dem Schoß und grinste mich an, als er diese dann, als sein Bus kam, in einen Stoffbeutel stopfte und mitnahm. Ich hatte generell den Eindruck, dass Kubaner im Vergleich zu den meisten Dominikanern entspannter und toleranter mit „anders“ aussehenden und „orientierten“ Menschen umgehen als dies in der DomRep der Fall ist. Dort werde ich ja teilweise schon wegen meines „komischen“ Kleidungsstils kritisch von oben bis unten „abgescannt“ – und dann noch diese wirren, ungeglätteten Haare dazu – ts ts! 😉 Bzw. ist Homophobie leider ein sehr verbreitetes Phänomen in der DomRep. Dass das in Kuba etwas anders zu sein scheint, würde ich einfach auf die bessere Bildung der Menschen schieben, die trotz jahrzehntelanger Isolation einen weiteren Horizont zu haben scheinen als viele Dominikaner.

Übrigens merkte ich dann im Süden, in Santiago de Cuba angekommen, dass dieser ganz anders als der Norden und die Mitte Kubas ist und mich sehr stark an die DomRep erinnerte. Auf einmal wurde ich wieder überall auf der Straße von aufmerksamkeitsheischenden Männern oder nervigen Taxifahrern angesprochen oder sie gaben furchtbare „Knutschgeräusche“ von sich wenn ich vorbeiging. Das ging mir schon extrem auf die Nerven! In Baracoa, wo ich nach Santiago noch hinfuhr, und dafür den südlichsten Zipfel Kubas umrundete, merkte ich, wie ich wieder auf dem Dorf gelandet war, da alle einen anstarrten wenn man durch die Straßen lief. Übrigens schauen die Kubaner aus dem Norden und der Mitte verächtlich auf die ungebildeten „Campesinos“ (Bauern) aus dem Süden und vergleichen sie mit Dominikanern, eine Zuschreibung, die also durchaus negativ gemeint ist…