Wandertour im zweittiefsten Canyon der Welt, dem Cañón del Colca

Am Morgen des 27. Augusts (Samstag) hieß es in aller Herrgottsfrühe aufstehen: Ein Minibus des Tourveranstalters „Pablo Tour“ sammelte uns direkt an unserer Couchsurfing-Unterkunft ein und los ging’s Richtung Colca-Canyon, dem übrigens zweittiefsten Canyon der Welt. Er ist, was vielen unbekannt ist, sogar um einiges tiefer (bis zu 3.269 m) als der berühmte Grand Canyon (bis zu 1.800 m tief) im US-Bundesstaat Arizona. Der tiefste Canyon der Welt liegt ebenfalls in Peru nicht weit entfernt vom Colca-Canyon, der Cotahuasi-Canyon, der sogar bis zu 3.500 m in die Tiefe geht. Diesen zu besuchen hätte uns allerdings zu viel Zeit gekostet und so hatten wir eine dreitägige „nicht-klassische“ Colca-Canyon-Tour gebucht. „Nicht-klassisch“ sollte heißen, dass wir am ersten Tag in einen Teil der Schlucht hinabsteigen sollten, in der wir kaum auf andere Touristen treffen würden. Nun ja, zunächst fing die Tour ziemlich touristisch an: Nach einem leckeren Frühstück in Chivay fuhren wir weiter zum Aussichtspunkt Cruz del Cóndor (Kondorkreuz). Vor lauter Leuten musste man die Kondore echt suchen, die über den Menschenmassen dahinglitten und sich wahrscheinlich im Inneren über die panisch in die Luft gestreckten Selfie-Sticks der Besucher lustig machten. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich viele Touris einfach nur selbst inszenieren wollten und sich überhaupt nicht für die atemberaubende Canyon-Landschaft interessierten. Wir hatten übrigens riesen Glück überhaupt ein paar Kondore zu Gesicht bekommen: Diese nämlich kommen immer seltener aufgrund zunehmender Luftverschmutzung im Canyon vor, was leider an den Tourbussen und von Touristen gemachten Lagerfeuern liegt. Aber ja, es sieht schon sehr majestätisch aus, wenn die Kondore über dem Canyon gleiten und ich musste unweigerlich an das Lied „El Cóndor pasa“ denken, was in den westlichen Gefilden durch Simon & Garfunkel 1970 berühmt geworden ist und auf einem peruanischen Volkslied aus dem 18. Jahrhundert basiert.

Nach einer letzten Packaktion in Cabanaconde ging es an den Abstieg in den Canyon. Es war schon ein etwas ungewöhnlicher Tourstart, da man ja sonst immer zuerst einmal irgendwo hochsteigen muss. Diesmal aber war der Canyon-Grund unser Ziel. Unsere kleine, sehr sympathische Reisegruppe bestand aus Ly und mir, einem Schweizer Pärchen, einem US-Amerikaner, unserem peruanischen Tour-Guide, dessen Namen ich peinlicherweise bereits vergessen habe, und wahlweise Karl-Heinz I, II oder III. Wer das war? Nun, bereits nach kurzer Zeit hatten wir, wie uns unser Tourguide bereits prophezeit hatte, einen vierbeinigen Begleiter, der während der Tour immer mal wieder wechselte, und den die Gäste wohl einmal Karl-Heinz getauft hatten.

Am Ende eines langen, anstrengenden Tages kamen wir in unserem ersten Hotel am Canyon-Grund in Llahuar an. Die Zimmer waren ziemlich rustikal, aber sauber und ordentlich eingerichtet und das Highlight des Tages wartete bereits auf uns: Heiße Quellen direkt am Colca-Fluss gelegen. HERRLICH!!! Leider gibt es davon, wie so oft von den besten Momenten des Lebens, keine Fotos. Am nächsten Morgen wanderten wir zumeist zu ebener Erde an der Canyon-Wand entlang bis ins Dörfchen Malata, wo wir ein leckeres Mittagessen zu uns nahmen und dann den Abstieg weiter in den Canyon bis zur Oase vor uns hatten. Man merkte sofort, dass wir nun im „klassischen“ Teil des Canyons angekommen waren: Hatten wir am Tag zuvor andere Touristen noch an einer Hand abzählen können, überholten uns nun laut lärmend riesige Wandergruppen. Gottseidank jedoch verteilten sich diese auf verschiedene Unterkünfte in der Oase, so dass wir bis auf herüberdudelnde Musik im Hotel weitgehend unsere Ruhe hatten. Die Highlights hier: Ein frischgeborenes Ziegenbaby und ein Swimming-Pool. der jedoch, sobald die Sonne hinter der Canyon-Wand verschwunden war, ziemlich kalt wurde.

Am Montagmorgen hieß es wieder sehr früh aufstehen: Wir stapften noch in der Dunkelheit und ohne Frühstück los, um den Canyon ohne allzu große Sonnenhitze wieder hinaufzusteigen. Wir waren nicht alleine: Große Touri-Massen schoben sich den schmalen Weg nach oben. Am Kraterrand oben angekommen war ich völlig fertig und musste mir ein Lächeln für das Gruppenfoto echt abquälen. Nun gut, so schlimm wie damals auf dem Kilimanjaro war es aber bei Weitem nicht. 😉 Immerhin erwartete uns in Cabanaconde ein reichhaltiges Frühstücksbuffet bevor es per Bus zu ein paar weiteren Ausflugszielen auf dem Rückweg nach Arequipa ging: „japanische Pause“ in Maca, wo wir im Schweinsgalopp einmal über die Touri-Einkaufsmeile und an der schönen weißen Kirche vorbeigehen durften, die völlig überlaufenen und somit null entspannenden Heißen Quellen von La Calera, der Aussichtspunkt über das Vulkanland (Mirador de los Andes auf 4.910 m Höhe) und zu guter Letzt Lamas-Gucken in den Pampas Cañahuas. Alles in allem: Eine sehr lohnenswerte Tour mit beeindruckender Landschaft!

Arequipa, die zweitgrößte peruanische Stadt am Fuße des El Misti

Das erste, was uns bei der morgendlichen Ankunft in Arequipa mit dem Nachtbus aus Nazca kommend auffiel, war der riesige Berg, an dessen Fuße Arequipa liegt: Der Vulkan El Misti, stolze 5.825 m hoch (also minimal kleiner als der Kilimanjaro), wobei Arequipa selbst bereits auf einer Höhe von 2.350 m liegt. Die Stadt wirkt um einiges gemütlicher als Lima und weist gerade mal ein Zehntel der Einwohner der Hauptstadt (9,8 Mio. vs. etwa 970.000) auf. Wir hatten Glück einen Couchsurfing-Platz bei Giannina, genannt Gia, im schicken Bonzenviertel Yanahuara bekommen zu haben. Sie wohnte allein im riesigen, zweistöckigen Haus ihrer Eltern und wir erhielten nicht nur ein eigenes Schlafzimmer, sondern am ersten Abend auch ein köstliches, von Gia gekochtes Abendessen: Lomo Saltado, eine DER peruanischen Spezialitäten, die aus geschnetzeltem Rinderfleisch, Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln in Rotwein-Essig-Sauce und als Beilage Reise besteht. Mmh, sehr zu empfehlen!

In die Innenstadt liefen wir von Gias Haus zu Fuß aus, auch wenn uns wahrscheinlich jeder Peruaner für verrückt erklärt hätte. Nach der enormen Taxidichte zu schließen, lief hier keiner gerne zu Fuß, auch wenn es abends, natürlich in geringerem Ausmaß als in Lima, in der Innenstadt zum Verkehrschaos kam. Wahrscheinlich fuhren aber auch deshalb so viele Taxis herum, weil es immer noch ein recht lukrativer Job ist, auch wenn der Bildungsgrad der meisten Fahrer sie womöglich zu besseren Jobs befähigen würde. Die offizielle Arbeitslosenquote von 7,6% für ganz Peru wird wohl eine viel höhere Dunkelziffer haben…

Das erste, was wir in Arequipa besichtigten, war das beeindruckende Kloster „Monasterio de Santa Catalina„. Mit seinen etwa 20.000 m² wirkt es, wie mein „Lonely Planet“ ganz richtig schreibt, wie eine Stadt in der Stadt, in der man sich leicht verirren kann. Wir waren aber am Eingang mit einem guten Übersichtsplan ausgestattet worden und wanderten über zwei Stunden durch die Gassen und Räumlichkeiten des Klosters. Die wahlweise lehmroten und blauen Wände erinnerten mich in ihrer Farbenfreudigkeit an Marokko, insbesondere das Blau ließ mich an die nordmarokkanische Stadt Chefchaouen denken. Das Kloster war 1580 von der reichen Witwe María de Guzmán als Nonnenkloster gegründet worden. Reiche Familien gaben dort ihre Töchter ab, die dann vier Jahre lang unter Schweigepflicht als Novizinnen das Klosterleben testeten und nach dieser Zeit entscheiden mussten, ob sie weiterhin im Kloster leben (eine Ehre für die Familie) oder ob sie das Kloster wieder verlassen (eine Schande für die Familie) wollten. Aktuell leben in dem Kloster noch 20 Nonnen. Couchsurferin Gia erzählte uns, dass man vor nicht allzu langer Zeit vergrabene Embryoleichen im Klostergelände entdeckt hatte und wohl auch sonst nicht alles ganz koscher im Klosterleben zugehen musste… Weitere Kuriosität: In einem Raum des Klosters hängen Porträts aller bisher gestorbenen Nonnen. Der Maler hatte nach dem Tod einer Nonne genau 24 Stunden, um sie zu malen. Sie zu ihren Lebzeiten zu malen, war und ist hingegen verboten.

Zweite Station nach einer obligatorischen Kaffee- und Kuchenpause war das Reisebüro von „Pablo Tour„, bei denen wir für die nächsten drei Tage eine Colca-Canyon-Tour gebucht hatten und von der ich in meinem nächsten Blogbeitrag berichten werde. Nach der Tour kehrten wir für einen weiteren Tag, dem Feiertag zu Ehren der Schutzheiligen der Polizei, nach Arequipa zurück und klapperten weitere Teile der Innenstadt ab. Vor allem aber ließen wir unsere vom Canyon wahnsinnig staubigen Schuhe ganz stilvoll von einem der Schuhputzer am zentralen Plaza de Armas putzen. Und am Aussichtspunkt von Yanahuara mussten wir eine weitere Spezialität Arequipas testen, Queso helado, also quasi „Eiskäse“, eine kalte frischkäseartige, sehr süße Masse. Naja, probiert und abgehakt!