Djerbas Töpferhauptstadt Guellala

Nach einem weiteren Tag mit Fahrrad, nach dem sich mein Hintern langsam schmerzhaft bemerkbar machte, gab ich das Vehikel zurück und nahm mir die Töpferhauptstadt der Insel, Guellala, vor. Mit dem lokalen Bus war ich innerhalb einer halben Stunde da und erst einmal etwas orientierungslos. Überall sah ich, wie erwartet, Läden, die Töpferwaren anboten und die diese weitläufig vor dem Ladeneingang aufgestellt hatten. Am zentralen Kreisverkehr war zudem unübersehbar ein riesiges Denkmal eines Tonkruges errichtet worden, das, wie mir eine Verkäuferin später erzählte, angeblich Eingang in das Guinessbuch der Rekorde gefunden hatte. Ich hatte jedoch weniger vorgehabt Töpferwaren shoppen zu gehen, sondern vielmehr das Museum von Guellala („Musée de Guellala“) zu besuchen, das in einem sehr schönen Gebäude untergebracht sein soll und in dem ich etwas über die Kultur und Traditionen Tunesiens und speziell auch Djerbas lernen wollte. Als ich auf der Marktstraße nach dem Museum fragte, zeigte man auf ein naheliegendes Gebäude mit verschlossener Tür, in dem ich es nachmittags wieder probieren könne hineinzukommen. Komisch, dachte ich mir, in meinem Reiseführer stand nämlich drin, dass das Museum den ganzen Tag durchgängig geöffnet hat. So beschloss ich erst einmal in die andere Richtung des Ortes zu laufen und kam in einigen Seitenstraßen auch an kaum erkennbaren Brennöfen und Töpferwerkstätten vorbei.

In einem Souvenirgeschäft unterhielt ich mich fast zwei (!) Stunden lang mit einer Verkäuferin, die mir viel über die Amazighkultur erzählte und sich über den respektlosen Umgang der „Araber“ mit Frauen aufregte. Sie betonte immer und immer wieder wie anders als die zugewanderten „Araber“ doch die berberische Ursprungsbevölkerung Djerbas sei, dass die Djerbis (Einwohner von Djerba) alleinreisende Frauen in Ruhe ließen (kann ich bestätigen!) und dass Frauen allgemein ein viel höheres Ansehen in der Gesellschaft genössen. Zudem unterstrich sie immer wieder das friedliche Zusammenleben von jüdischen und muslimischen Djerbis und wetterte gegen Wahhabiten von der arabischen Halbinsel, die offensichtlich ab und zu versuchen, die muslimischen Berber Guellalas zu einem strengeren Glauben zu missionieren. Wie mir später eine auf Djerba lebende Französin erzählte, gelten die berberischen Einwohner Guellalas aber gerade wegen ihrer Abneigung gegenüber Arabern bzw. arabischen Tunesiern als rassistisch; religiöse Toleranz hin oder her. Eine komplizierte, aber sehr interessante Gemengelage!

Als ich danach auf einen Kaffee in ein Restaurant einkehrte, erfuhr ich endlich, dass sich das Museum von Guellala etwas außerhalb der Stadt auf einem Hügel befindet und dass mich die Herren auf dem Markt offensichtlich an die Moschee verwiesen hatten als ich nach dem Museum gefragt hatte. Nun ja, auf Französisch klingen „musée“ und „mosquée“ nicht so unterschiedlich! 😉

Ich stapfte also hinauf zum Museumshügel und war schon von Weitem von der strahlend weißen Fassade des Museumsbaus geblendet. Innen wie außen war die Architektur sehr schlicht gehalten und in Nischen wurden anhand von Wachsfiguren Szenen aus dem tunesischen/djerbischen Alltag wie z. B. Hochzeit, Beschneidung eines Kindes, etc., nachgestellt. Die Erläuterungstexte waren erfrischend kurz gehalten und ich konnte anhand der anschaulichen Präsentation wirklich einiges lernen und würde das Museum jedem weiterempfehlen! Zumal man vom Hügel aus einen schönen Ausblick in die Umgebung bis ans Meer hat!

Zum Teetrinken nach Djerba. Houmt Souk, die Inselhauptstadt

Noch immer wartete ich auf das Startdatum für meinen neuen Job in Berlin und so dachte ich mir, dass das „Abwarten und Tee trinken“ sich doch am besten in einem arabischen Land realisieren ließe. So fiel meine Wahl auf Tunesien, insbesondere die Insel Djerba, die man hauptsächlich für ihre Hotelressorts kennt. Mich interessierte jedoch vor allem der Kulturmix aus muslimischer, jüdischer, arabischer und berberischer (Amazigh-)Kultur, über den ich vorab gelesen hatte und so landete ich auch in keinem Betonklotz am Strand, sondern in einem Hotel mitten in der Inselhauptstadt Houmt Souk. Das schon etwas abgenutzte, aber sehr sympathische Hotel befand sich in einem ehemaligen Funduk, einer Karawanserei, in dessen Innenhof früher die Kamele übernachtet hatten und in dem ich nun jeden Morgen mein französisches Frühstück mit Baguette, Marmelade und „Gummikäse“ („La Vache qui rit“ lässt grüßen!) einnahm.

Rund um das Hotel erstreckte sich die Altstadt von Houmt Souk mit ihren typischen (jüdischen) Silberschmuckboutiquen, (Männer-)Cafés, Restaurants und Souvenirläden, die insbesondere Korb- und Lederwaren, Sonnenhüte, bunte Tunikas und Keramik verkauften. Blau-weiße Farbgebung dominierte die Altstadt; die Moscheen strahlten komplett in weiß und faszinierten mich mit ihrer schlichten Architektur. Auf Djerba gehört die Mehrheit der Bevölkerung den Ibaditen an, einer Strömung des Islams, die weder Sunniten noch Schiiten sind. Sie sind zwar in ihrem Glauben konservativer als die sunnitische Bevölkerungsmehrheit Tunesiens, gleichzeitig aber auch toleranter gegenüber anderen Religionen und Kulturen, was sich einfach aus der Geschichte Djerbas ergibt, das neben der Existenz seiner jüdischen Gemeinde auch spanische, türkische (osmanische) und französische Einflüsse aufnahm. Die Mehrheit der Djerbis ist zudem berberischen Ursprungs; Berber waren die Ethnie, die bereits vor der Eroberung Djerbas durch die Araber auf der Insel lebten und die bis heute ihre eigene Sprache und Kultur pflegen. Wobei man eigentlich besser von „Amazigh“ (=  wörtlich „freie Menschen“) sprechen sollte, erinnert doch das Wort „Berber“ an das negativ konnotierte „Barbaren“.

Um mich noch ein bisschen mehr mit der Inselgeschichte und -kultur zu befassen, besuchte ich am ersten Tag das Volkskundemuseum und erfuhr interessante Details über Olivenölherstellung, Töpferei, Oktopusfischen (mit Hilfe von Tonkrügen, die an einem Seil aufgereiht über Nacht ins Meer gehängt werden, und in denen sich die Oktopusse dann verkriechen), djerbische Kleidung, Wassergewinnung und -speicherung etc. Leider hatte das Museum schon im Hinblick auf den baldigen Ramadanbeginn verkürzte Öffnungszeiten und so konnte ich gar nicht alles schaffen anzuschauen. Mit dem Fotoapparat „bewaffnet“ lief ich dann in der goldenen Abendsonne vorbei an der spanischen Festung Bordj el Kebir bis hin zur Marina, einem Hafenviertel mit Cafés und Restaurants, das aber, da Nebensaison war, recht verlassen da lag und dessen beste Tage auch schon etwas zurück lagen. Die Ausflugsboote jedoch so kurz vor Sonnenuntergang sahen einfach nur toll aus!

An einem der späteren Tage musste ich in Houmt Souk natürlich noch den Gewürzmarkt unsicher machen – die 11 kg, die mein Gepäck auf dem Hinweg noch frei gehabt hatte, wollten schließlich gefüllt werden! Hinzu kamen eine Flasche Olivenöl, ein handgefertigter Sonnenhut, grüner Ton (für Gesichtsmasken), Ledersandalen, sowie Süßigkeiten, die ich im Hotel geschenkt bekam. Eine ordentliche Ausbeute! 🙂