Taschkent, die russische Hauptstadt Usbekistans

Taschkent präsentierte sich als die so ziemlich unusbekischste Stadt, die ich bisher besucht hatte und ist laut Reiseführer stark von sowjetischem Baustil geprägt. 1966 hatte ein Erdbeben große Teile der Stadt zerstört (das Denkmal dazu ist unten auf den Fotos zu sehen), woraufhin sie fast vollkommen in modernem „Klotzstil“ wieder aufgebaut wurde. Alles scheint ewig weit voneinander entfernt zu liegen, so dass man am besten stets die Metro nimmt, um von einem zum nächsten großen Platz zu gelangen. Leider durfte man in der Metro nicht fotografieren, aber unter folgendem Link gibt es ein paar schöne Eindrücke. V. a. die Station „Kosmonavtlar“ hatte es mir angetan – Juri Gagarin sah aus als würde er in einem Kompottglas eingesperrt sein. 😉

In Taschkent gab es erfreulicherweise zahlreiche Cafés und Kneipen und so landeten wir am ersten  Abend, wie gefühlt alle anderen in Taschkent lebenden Ausländer, im Irish Pub und tranken „Bamberger“-Bier aus „Münchner Hofbräu“-Gläsern. Die nächsten zwei Tage nutzte ich erst zusammen mit Sara (Undine war ins Ferganatal weitergefahren), dann alleine zum Sightseeing: Geschichtsmuseum, Fernsehturm, das obligatorische Amir-Timur-Denkmal, Chorsu-Basar, etc. Das karimovsche Propaganda“gedöns“ in den Museen bzw. in Form von Denkmälern ging mir nach diesen zwei Tagen schon echt auf die Nerven und auch das „Herauskramen“ Timur Lenks und seine Stilisierung zum Volkshelden seit der Unabhängigkeit 1991 wirkte einfach nur lächerlich. Ihm war sogar ein ganzes Museum, das Timuriden-Museum, gewidmet worden! Erfreulicherweise gab es aber eine schöne und auch kostenlose Fotoausstellung im Rahmen der „Art Week“ in der Kunstgalerie.

In Taschkent hatte ich übrigens das einzige Mal in Usbekistan Couchsurfing bei Rano und ihren zwei putzigen Söhnen gemacht, die dank vieler Couchsurfer bereits richtig gut Englisch sprachen. Mal wieder eine gute Erfahrung! Samstagmorgen schließlich ging es mit „AirBaltic“ über Riga zurück nach Berlin, wo mich nach vier Wochen Dauersonnenschein Regenschauer erwarteten.

Kunst in der Einöde und das Ende der Welt – Nukus (Hauptstadt der Autonomen Republik Karakalpakistan) und Moynak (ehemaliger Aralseehafen)

Von Khiva aus fuhren wir über Urgentsch weiter nach Nukus, die Hauptstadt der Autonomen Republik Karakalpakistan. Dort wird Karakalpakisch gesprochen und obwohl dies rein vom Schriftbild her nicht weit vom Usbekischen entfernt zu sein scheint, konnten (oder wollten?) die Leute dort unser brüchiges Usbekisch nicht verstehen und Sara musste ihre Russischkenntnisse hervorkramen. Karakalpakisch ist wohl eher mit dem Kasachischen verwandt und die Karakalpaken bilden eine Ethnie, die laut Wikipedia eher mit Südkasachen als mit Usbeken verwandt ist. Von 1932 bis 1991 war die Region als Karakalpakische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik tatsächlich unabhängig und noch heute hat sie ein eigenes Parlament, einen eigenen Ministerrat und eine eigene Flagge. Warum also ein Stop im menschenleeren und von Sowjetarchitektur geprägten Nukus? Dort steht das „Savitsky Karakalpakstan Art Museum“. Savitsky, ein russischer Kunstsammler, hatte jahrzehntelange russische Avantgardemalerei gesammelt, die nicht dem stalinistischen Kunstverständnis entsprachen, und hatte dieser hier im kleinen, weit ab vom Schuss liegenden Nukus ein Museum gewidmet. Es waren echt tolle, farbenfrohe Gemälde zu sehen, nur wenn man bedenkt, dass gerade einmal 3 % der gesamten Sammlung ausgestellt waren, stimmte das schon nachdenklich. Dem Museum fehlt es natürlich an Geld für größere Räumlichkeiten und v. a. für das Marketing, denn der Museumsshop war echt armselig. Aber vor kurzem wurde ein Dokufilm über das Museum gedreht: „The Desert of Forbidden Art“, den ich mir demnächst unbedingt besorgen muss! Neben dem Museum gab es ansonsten auch nichts weiter in Nukus zu sehen und uns werden nur noch der herrliche Muster- und Farbenmix unseres Hotelzimmers und das Abendessen im einzigen Restaurant weit und breit in Erinnerung bleiben, bei dem wir in so eine Art „Kabine“ (winziger Raum mit Tisch) platziert wurden und am Ende dafür auch noch extra zahlen sollten. Einfach nur skurril!

Von Nukus ging es mit dem Taxi weiter nach Moynak. Auf dem Weg dorthin hielten wir aber noch an einem riesigen Friedhof in Khojayli , der nur etwa 3 km von der Grenze nach Turkmenistan entfernt lag. Es war eine richtige Gräberstadt und soll wohl so eine Art Vorstadt zum turkmenischen Konye-Urgentsch („Alt-Urgentsch“) gewesen sein, so es mal ein paar UNESCO-geschützte Ruinen zu sehen geben muss. In Moynak setzte uns der Minibusfahrer am einzigen existierenden Hotel (ohne fließend Wasser!) ab und ich hatte schon bereut nichts zu essen gekauft zu haben. Vom Hotel zubereitetes Abendessen – Fehlanzeige! – und auch in der Umgebung weit und breit kein Laden in Sicht. Zum Glück waren aber gerade auch drei slowakische Jungs im Hotel abgestiegen (bei dem Schäbigkeitsgrad des Hotels muss der Ausdruck „abgestiegen“ einfach verwendet werden), die mit uns Wodka und Honigmelone teilten und uns von ihrem Trip mit eigenem Auto und Gleitschirm an den Aralsee erzählten und uns noch zu einer Nachtwanderung zu den Schiffswracks einluden. Diese habt ihr sicher schon einmal auf Fotos gesehen und am nächsten Morgen konnten wir sie noch einmal bei Tageslicht „bewundern“: Sechs Schiffswracks liegen hier im Sand, säuberlich nebeneinander aufgereiht und von einem Denkmal für den hier nicht mehr vorhandenen Aralsee „gekrönt“. Die Schiffe stehen mittlerweile unter Staatsschutz nachdem andere Wracks schon vollkommen wegen ihres Materials ausgeräubert worden waren.  Es ist echt ein trauriger Ort, denn wenn man die riesige Ebene betrachtet, die vor den Schiffen liegt, hat man förmlich das Gefühl, dass da hinten am Horizont Wasser anfangen müsste. Aber nichts, nur versandete Ebene …  Durch die von den Sowjets eingeführte wasserintensive Baumwollmonokultur in Usbekistan haben die Zuflüsse des Aralsees viel Wasser verloren bzw. wurden viele Pestizide in den See geleitet. Daher trocknete der See nicht nur aus, sondern hinterließ auch Pestizidrückstände auf dem Boden. Dieser versalzte und seine Ausdünstungen verursachen z. B. Tuberkulose und verschiedene Krebsarten bei der vor Ort wohnenden Bevölkerung. Mittlerweile muss man wohl weitere 80 km nördlich fahren, um auf usbekischer Seite überhaupt noch zum Aralsee zu gelangen. Wir machten noch einen kleinen Rundgang durch den tristen Ort und nahmen im Anschluss wieder ein Taxi zurück nach Nukus, von wo wir am zeitigen Abend den Nachtzug nach Taschkent nahmen.

Letzte Tage in Samarkand und auf in die Oasenstadt Khiva!

Die letzte Woche in Samarkand war von diversen Abschieds- und Abschlussevents geprägt: Am Mittwochabend gab es eine Abschiedsfeier für alle Teilnehmer der Sommerschule mit Schaschlikessen und zu-trashiger-Zentralasien-und-90er-Jahre-Mucke-Tanzen. Freitagmorgen stand der Usbekischabschlusstest auf dem Programm und am selben Abend der Abschiedsabend mit meiner Gastfamilie zusammen mit Undines Gastfamilie. Wir waren in einem riesigen Restaurant, wurden bereits während des Essens mit lauter russische Musik beschallt, so dass eine Unterhaltung unmöglich war, und mussten im Anschluss noch eine kuriose zirkusartige Show über uns ergehen lassen: Tänzerinnen mit furchtbaren Outfits wahlweise im Tango-, Bauchtanz- und Hawaiistil, Breakdancer, zwei Michael-Jackson-Imitate, Akrobaten, die Messer und Gläser mit dem Mund balancierten, etc. Vorher war es interessant die Leute auf der Tanzfläche zu beobachten: Maximale Armbewegungen zur Musik, aber um Gottes willen nicht mit Hüfte oder Po wackeln! Dementsprechend steif sieht der Tanz dann aus.

In der Nacht nahmen Undine, Sara und ich schließlich noch den Nachtzug von Samarkand nach Urgentsch, von wo wir am nächsten Nachmittag weiter in die Oastenstadt Khiva fuhren. Die Nachtzugfahrt war schon echt ein Abenteuer und ich war erstaunt wieviele Leute und Betten man auf so engem Raum zusammenquetschen kann. Wir hatten nämlich die billigsten Tickets, Platzkartnaya (oder so ähnlich), bekommen und fuhren im Großraumwagon durch die Nacht. Am nächsten Morgen war es witzig die ganzen Familien zu sehen, wie sie ihr riesiges Frühstück auspackten, uns natürlich neugierig ausfragten und mit grünem Tee versorgten.

In Khiva angekommen holte mich erst einmal meine erste Magenverstimmung ein, die sich aber zum Glück in den nächsten Tagen legen sollte. Wir nutzten den Abend zum Rumschlendern in der Altstadt und um die Stadtmauer herum und wurden prompt noch bei einer Familie zum Teetrinken und Kartoffeltaschenessen eingeladen. Den nächsten Tagen besichtigten wir diverse Medresen, „Museen“ (meist aus drei Vitrinen o. ä. bestehend) und die Festung. Khiva ist schon extrem touristisch und wie auch schon in Bukhara waren v. a. große französische Rentnerreisegruppen unterwegs (Wer kann mir dieses Phänomen erklären?) und überall stapelten sich die Souvenirstände am Straßenrand mit so ziemlich dem scheußlichsten Kitsch, den ich jemals gesehen habe.

Ausflug nach Buchara und weitere interessante Beobachtungen aus dem usbekischen Alltag

Die dreiwöchige Usbekisch-Sommerschule neigt sich langsam dem Ende zu und auch unsere Aufnahmefähigkeit hat langsam ein Ende erreicht. Heute im Tutorium waren wir von all der in den letzten Tagen angehäuften Grammatik so verwirrt, dass wir nicht einmal mehr fähig waren einfache, normale Sätze zu bilden. Ständig fragten wir uns vor der Übersetzung vom Deutschen ins Usbekische, ob man nicht noch irgendwo ein Genitiv-, Dativ-, Akkusativ- oder Ablativsuffix anfügen musste oder ob vielleicht eine Formulierung mit einem substantivierten Verb oder einem Aktivpartizip notwendig sei. Nun ist also in etwa das gleiche Phänomen wie beim universitäre Hocharabisch eingetreten – Kenntnisse fast aller Grammatikphänomene und vieler Ausnahmen, aber beim Sprechen auf der Straße bricht man sich immer noch gewaltig einen ab :-S Ein bisschen mehr alltagsorientierter hätte der Sprachkurs schon sein können. Naja, ab Ende dieser Woche bin ich ohnehin eine Woche auf Reisen und werde dann hoffentlich genügend Praxis haben. (Obwohl ich ja auch mit Gulja, meiner Gastmutter, immer (mehr schlecht als recht) Usbekisch rede… ) Ja, ich werde Freitag nach der Prüfung nämlich mit zwei Mädels aus dem Kurs per Nachtzug nach Urgentsch aufbrechen, von dort nach Chiwa fahren, Richtung Aralsee reisen und dann mit dem Nachtzug nach Taschkent zurück fahren, wo in der Nacht von Freitag auf Samstag (5.-6.10.) mein Flug back to Germany geht. Aber bis dahin genieße ich noch die Zeit hier, denn ich habe mich gerade richtig gut eingelebt.

Buchara vs. Samarkand

Am vergangenen Wochenende stand auch der erste Ausflug auf dem Programm. Es ging 268 km westlich von Samarkand nach Buchara. Dort waren wir alle in einer Art Familienpension untergebracht, ein „hovli“ (traditioneller usbekischer Wohnkomplex) mit weinrebenumranktem Innenhof, auf dem wir jeden Morgen draußen frühstücken konnten. Nach der Busfahrt am Freitag hatten wir nachmittags eine dreistündige Stadtführung zu allen wichtigen Sehenswürdigkeiten in der Altstadt, von denen viele zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Dadurch, dass hier alle Sehenswürdigkeiten nah beieinander liegen, drängen sich auch die Touristenscharen alle in der Altstadt und die ganze Stadt wirkt viel touristischer als Samarkand, wo die Sehenswürdigkeiten weit verstreut liegen. Sprüche wie „Madame, where are you from?“ und „Good price, good price“ hatte ich ja noch aus Marokko in den Ohren, aber die Verkäufer waren bei Weitem nicht so aufdringlich und nervig wie vielleicht in Marrakesch. Mir hat Buchara nämlich, trotz seines viel touristischeren Auftretens, echt besser als Samarkand gefallen (aber pssst, das darf man natürlich niemandem aus Samarkand erzählen!). Es gibt zumindest auch viel mehr Cafés und Restaurants, wo man sich gemütlich bis in den späten Abend hinein hinsetzen und mit etwas Musik und Lichtshows im Hintergrund etwas essen und trinken kann. Wir waren Sonntag sogar in einem Café, „Wishbone Café“, mit echtem Bohnenkaffee (!!!) und deutschem Kuchen. Die Besitzerin ist nämlich eine mit einem Usbeken verheiratete Deutsche und wusste wohl genau, was den kaffeesüchtigen deutschen Touristen in Usbekistan am meisten fehlt 😉 Da waren die vergleichsweise teuren 1,60 € für eine Tasse Kaffee eine gute Investition und bewirkte, dass ich den Rest des Tages echt putzmunter war. Sonst gibt es ja immer nur Nescafé oder scheußlich süßen Pulvercappuccino, dessen Weckwirkung nach fünf Minuten verpufft ist.
In Buchara kann man wahnsinnig viele Madaris (Plural von „Madrasa“ = Koranschule), Moscheekomplexe und Mausoleen besichtigen. Zudem waren wir auch alle Souvenirs shoppen (z. B. gibt es Baumwoll- und Seidentücher, Brot“stempel“, Kalligraphien, russische Pelzmützen) und genossen es einfach umherzuschlendern und die Touristengruppen zu beobachten, die kleidungstechnisch immer so aussahen, als würden sie auf Safari gehen und nicht, als würden sie den ganzen Tag im Bus umherkutschiert. Wir alle studentische Touristen fallen hier schon immer sehr auf. Ab und zu sieht man auch mal ein paar jüngere Individualtouristen, aber die Mehrheit bilden nach wie vor Rentnerbusgruppen.
Da es einigen aus dem Kurs gar nicht gut ging (diverse Magenprobleme und Fiebererkrankungen) fuhren sie schon Sonntagmorgen nach Samarkand zurück, wohingegen ich und drei andere Mädels aus dem Kurs noch bis zum Nachmittag blieben und weiter die Stadt erkundeten. Wir schauten z. B. in einer von wenigen in Usbekistan existierenden Mädchenkoranschulen vorbei und konnten uns in einem Kauderwelsch auf Russisch und Usbekisch mit ein paar Schülerinnen unterhalten, was sehr interessant war. Nachmittags nahmen wir schließlich ein Sammeltaxi über Navoy zurück nach Samarkand

Im Folgenden gebe ich wieder ein paar Alltagsbeobachtungen zum Besten:

Der Hochzeitsmonat September: ansonsten „nüscht“ los hier

Man sieht sie wirklich überall in Samarkands Stadtbild: weiße Brautkleider. Deren Fotos bzw. echte Exemplare schmücken die zahlreich vorhandenen Brautmodengeschäfte, Kosmetiksalons und Blumenläden. Denn: September ist Hochzeitshochsaison in Samarkand. Jeden Tag sieht man auf dem Registan oder im Minutentakt am „Denkmal der weinenden Mutter“ Brautpaare, die Horden von buntgekleideten Verwandten und vorneweg Fotografen und ein Kameramann umringen. Schon von weitem kann man das glitzernde und funkelnde weiße ausladende Brautkleid sehen, in dem eine wie eine Puppe geschminkte, meist um die 20 Jahre alte Braut steckt. Der Bräutigam, in einen zumindest schimmernden Anzug gelkleidet, ist meist älter als die Braut (meist 10 Jahre älter oder mehr) und vielleicht haben sich beide zur Hochzeit selbst auch zum ersten Mal überhaupt gesehen. Mutter und Großmutter einer Familie arrangieren nämlich auch heute noch die Hochzeit und schließlich zieht das Ehepaar dann ins Haus der Eltern des Bräutigams ein, zumindest wenn dieser der älteste Sohn der Familie ist.
Im September ist früh oder später eigentlich jeder einmal zu einer Hochzeit eingeladen und es scheint auch die einzige Zeit im Jahr zu sein, in der, zumindest in Samarkand, auch abends mal was los ist. Usbeken scheinen mangels Angebot nicht gerade Weltmeister im abends Ausgehen zu sein, denn wenn z. B. unter Studenten mal eine „Wohnheimparty“ stattfindet, dann fängt die schon 16 Uhr an und ist 20 Uhr zu Ende. Und auch die Hochzeitsfeier, die im Restaurant stattfindet, endet schon gegen 1 Uhr. Unser Sommerschulkurs war am ersten Wochenende übrigens auch bei der Familie eines Usbekischlehrers eingeladen, um dem „Kelin-Salom“ (Braut-Begrüßung) beizuwohnen. Dies ist der Tag vor der Hochzeit, bei dem die Braut im Hause des Bräutigams abgekommen ist und an dem sie alle an der Hochzeit teilnehmenden Verwandte und Gäste in einer Zeremonie begrüßen muss. Ihr könnt euch die Fotos unten anschauen; Videos stelle ich dann in Deutschland auch noch auf den Blog. Die Braut bedeckt zu Beginn der Zeremonie ihr Gesicht mit einem Tuch, das dann von einem Mädchen der Familie mit Hilfe eines Stabs gelüftet wird. Sie ist über und über mit glitzernden Gewändern „verhangen“ und muss die ganze Zeit ihren einen Arm vor dem Gesicht auf- und abbewegen während ständig irgendwelche Familienmitglieder an ihr „herumzuppeln“. Sie kam mir vor wie eine riesige Puppe während alle anderen Anwesenden im Raum sich unterhielten, ihr Geschenke brachten oder tanzten.
Der ganze Hochzeitsklamauk kann einem schon ganz schön auf die Nerven gehen. Ich habe natürlich auch schon die Hochzeitsfotos meiner Gastfamilie ansehen müssen; um die angedrohte Vorführung des Hochzeitsvideos komme ich hoffentlich herum … Eine beliebte Frage gleich nach dem Vornamen und Alter ist somit natürlich die, ob man verheiratet ist, ob man Kinder hat und wenn nicht, wann man denn gedenkt, sich Kinder zuzulegen…
Aber einen interessanten Aspekt hat das Heiraten in Usbekistan noch, nämlich den linguistischen: „Heiraten“ heißt nämlich für Männer und Frauen unterschiedlich, wobei die Verben viel über die Kultur des Landes preisgeben. „uylamoq“ = „ein Haus bereitstellen“ heißt „heiraten“ für Männer und „erga tegmoq“ = „den Ehemann berühren“ bzw. „turmushga chiqmoq“ = „in das Leben hinaustreten“ für Frauen.

Home sweet Home

Zu Hause ist es einfach am schönsten – das denken wohl die meisten Usbeken. Denn aus eigenen Beobachtungen und denen anderer Kursteilnehmer stellten wir fest, dass die Leute hier einfach die ganze Woche über und auch am Wochenende fast nur zu Hause hocken und kaum andere Orte als ihre eigene Stadt kennen. In den Altstädten hat man, ähnlich wie in arabischen Städten, nach außen nicht einsehbare Wohnkomplexe, die durch hohe Mauern und Metalltüren verschlossen sind auch auch keine Fenster aufweisen. Der Unterschied zu arabischen Städten ist jedoch, dass sich das Leben hier tatsächlich hinter den Türen des traditionellen Wohnkomplexes, der auch immer einen Innenhof aufweist, abspielt und nicht auf der Straße. In arabischen Ländern sitzen die Leute ja bis spät abends draußen auf der Straße, quatschen mit vorbeikommenden Nachbarn, spielen Brettspiele oder beobachten alles, was so passiert, was den Straßen einen weitaus lebhafteren Charakter als dem in usbekischen Altstädten verleiht.

Bäumchen wechsle dich

Das Alter spielt in Usbekistan eine entscheidende Rolle, denn ich habe ja bereits im letzten Blogeintrag geschrieben, dass dies für die Anrede von Personen wichtig ist. Weiterhin spielt das Alter in öffentlichen Verkehrsmitteln eine wichtige Rolle, denn so sind z. B. die Sitzplätze in den Stadtbussen nur begrenzt und älteren Personen, Frauen, sowie Ausländern werden diese bevorzugt angeboten. So findet die ganze Zeit ein lustiges „Bäumchen wechsle dich“-Spielchen statt, denn jeder sitzende Mann, springt sofort auf, wenn eine der gerade genannten Personengruppen den Bus besteigt, jüngere Frauen schauen ständig ob sie einer älteren Person den Platz anbieten können etc. Auch vor mir sprang ein Schulmädchen von seinem Sitz auf und bot ihn mir an, wobei ich erst dachte „Oh Gott, sehe ich schon so alt aus?“, mir ihre Höflichkeit dann aber mit meinem „Ausländerbonus“ erklärte.

„Wie, Sie sprechen nur Usbekisch?“

Als Ausländer wird man hier in Usbekistan fast immer nur in Russisch angesprochen. Ein „Ich spreche kein Russisch“ auf Usbekisch gesagt wird meist eiskalt ignoriert und man weiter mit russischen Wörtern überhäuft oder man wird fast schon entrüstet gefragt „Wie, Sie sprechen nur Usbekisch?“. Russisch gilt hier immer noch als eine Sprache der Gebildeten, wohingegen Usbekisch als Volkssprache eher den Ungebildeten zugeschrieben wird. Muss dann wohl für einen Usbeken schon komisch zu sein, Europäer zu treffen, die seine Sprache sprechen. Die meisten freuen sich dann aber wie die Schneekönige und teilen dies auch immer Umherstehenden mit. So unterhalte ich mit meiner Anwesenheit hier schon einmal gut und gerne den halben Tante-Emma-Laden bzw. eine Handvoll Basarhändler. Wegen meiner dunklen Haare wird meine deutsche Herkunft des Weiteren öfter in Zweifel gezogen. O-Ton Tourishopverkäufer: „You have a Uzbek face.“ und ich solle doch mal nach meinen usbekischen Vorfahren forschen bzw. gestern war eine russische Marktfrau der felsenfesten Überzeugung, dass ich wegen meines Äußeren auf gar keinen Fall Deutsche sein könne. Und in Buchara wurde ich mit meinen paar Sätzen brüchigen Usbekisch für eine Türkin gehalten – dann habe ich ja die Qual der Wahl 😉

Überall blaue Plastiktüten

Ein witziger Aspekt zum Schluss: Auffällig viele Usbeken rennen mit dunkelblauen Plastikbeuteln rum, in denen sie statt in einer Handtasche ihr Hab und Gut transportieren. Feste Plastiktüten sind hier so etwas besonderes, dass man sie an einem gesonderten Basarstand kaufen muss. Die Plastiktüten, die man für Obst und Gemüse erhält, sind nämlich weder reißfest noch wasserdicht. Warum allerdings gerade die dunkelblauen Plastiktüten der „Aygen Collection“ so beliebt sind, bleibt mir (noch) ein Rätsel …
Die ersten Fotos unten zeigen übrigens noch die Ausflüge innerhalb Samarkands vom ersten Wochenende in die Gräberstadt Shohizinda mit Friedhof, sowie das Afrosiob-Museum mit archäologischer Ausgrabungsstätte. Also, einfach anklicken und in groß anschauen!

Usbekistan – Ein von Sand umrahmter Diamand

Seit letztem Sonntag ist mein seit einigen Jahren gehegter Traum endlich in Erfüllung gegangen: Ich bin in Usbekistan! „Was willst du denn da?“ war die häufigste Frage im Vorfeld dieser Reise. Ich bin hier im Rahmen einer dreiwöchigen Sommerschule des Zentralasieninstituts der Berliner Humboldt-Uni und lerne hauptsächlich … Usbekisch. Ja, ist nicht gerade eine weitverbreitete Sprache, aber ich dachte mir, wenn ich für das Usbekischlernen gleich noch in das Land komme und die ganzen schönen Sehenswürdigkeiten besuchen kann, warum nicht? So brach ich also vergangenen Samstag, nachdem ich Freitag noch auf den letzten Drücker mein Visum abholen konnte (puh!), vom Flughafen Berlin-Tegel auf. Zunächst flog ich nach Kiew (super Flughafen, sogar mit frei zugänglichem W-Lan!) und von dort über Nacht weiter nach Taschkent, wo ich Sonntagmorgen gegen 5 Uhr zusammen mit Kristina und Nikola aus meinem Sommerschulkurs ankam. Gleich am Flughafen bekamen wir die erste Lektion in Landeskunde: Ewiges Anstehen an der Passkontrolle, wobei die Leute nicht fähig waren eine „ordentliche“ Schlange zu bilden, und danach erneutes ewiges Anstehen an der Zollstelle, wo unser Gepäck durchleuchtet und die Zollerklärung begutachtet wurde. Auf dieser muss man z. B. ganz genau angeben, wie viel man von welcher Geldwährung einführt, damit dies beim Ausreisen mit den Angaben dann verglichen werden kann. Bis zum Hauptbahnhof fuhren wir drei danach im Taxi, tauschten beim Fahrer gleich noch schwarz Geld (scheint allgemein üblich zu sein) und stiegen dann nach erneutem ewigem Anstehen und Durchdrängeln am Fahrkartenschalter in den hypermodernen Afrosiyob-Zug nach Samarkand, der mit Anzeigebildschirm und ebenfalls W-Lan ausgestattet war (okay, es funktionierte aber nicht) und in dem wir sogar Verpflegung erhielten (Nationalgetränk Grüner Tee + „Somsa“, eine mit Hackfleisch gefüllte Blätterteigtasche). Bei der recht kahlen Landschaft verpassten wir auf der zweistündigen Fahrt nicht viel und dösten vollkommen übermüdet vor uns hin. Am Bahnhof in Samarkand wurden wir von unseren Gastfamilien abgeholt und konnten uns bei ihnen erst einmal ausruhen. Ich bin bei Shuhrat, einem Mitarbeiter des Internationalen Büros des „Instituts für Weltsprachen“, wo unsere Sommerschule stattfindet, seiner Frau Gulja und ihrem sechsmonatigen Sohn Anwar untergebracht. Es ist sehr nett bei ihnen! Mit Shuhrat kann ich mich auf Englisch unterhalten und erfahre so wahnsinnig viel über Usbekistan; mit Gulja kann ich nur Usbekisch sprechen und muss daher stets mein rudimentäres Vokabular zum Einsatz bringen. Die besten Vokabellernstunden habe ich, da wir den ganzen Tag über Sprachkurs, Exkursionen oder Landeskundeeinheiten haben, dann beim Abendessen oder am Frühstückstisch. Klar, dass ich schon viele Ess- und Trinkvokabeln kann und schon so einige leckere usbekische Gerichte und Getränke kennengelernt habe. Gleich am ersten Tag wurde ich mit dem usbekischen Nationalgericht „Plov“ begrüßt – Reis mit Hammelfleisch und Möhren – was sehr lecker war! Für Vegetarier ist es hier jedenfalls echt schwer, denn fast alle Speisen werden mit Fleisch zubereitet. Zudem kommen häufig Blätterteig, Kartoffeln, v. a. in Suppen, und eine Art Pelmeni, hier „Manti“ genannt zum Einsatz, wobei viele Snacks für wenig Geld am Straßenrand verkauft werden.

Baumwollernten fürs Vaterland

Das „Institut für Weltsprachen“ (herrlicher Begriff, wa?), wo unser Unterricht stattfindet, verfügt zwar auch über eine Cafeteria, in der wir Mittagessen gehen können, aber diese wird ab nächster Woche geschlossen sein. Dann nämlich werden wir Sommerschulstudenten die einzig übrigen Studenten am ganzen Institut sein, denn die Usbeken werden alle zur Baumwollernte eingezogen. Das ist tatsächlich eine staatlich organisierte Aktion, die von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird, und die für alle Studenten jedes Jahr über einen Monat lang verpflichtend ist. D. h. die Studenten werden in Lastwagen abgeholt, bei den Baumwollfeldern in Turnhallen o. ä. untergebracht und dann gilt es jeden Tag eine gewisse Mindestmenge Baumwolle zu ernten. Schafft man die, glaube ich, 60 kg/Tag nicht, kann es sein, dass einem das Unistipendium entzogen wird. Die Arbeit muss wohl echt anstrengend sein, aber die meisten freuen sich wohl, mit ihren Kommilitonen zusammen wegfahren und wohnen zu können und der berüchtigte „oq tschoy“ („weißer Tee“), sprich Wodka, muss wohl abends immer in Strömen fließen. Auch im usbekischen Wappen ist übrigens die Baumwollpflanze zu sehen, die Usbekistans wichtigstes Exportgut darstellt. Mal sehen wie lange noch, denn der Baumwollanbau erfordert wahnsinnige Wassermengen, die den beiden Flüssen Syrdarja und Amudarja entnommen werden, die eigentlich den Aralsee speisen, der aber durch die Wasserentnahme immer weiter schrumpft.

Plastiktüte statt Portemonnaie: Die Inflation treibt ihre Blüten

In Deutschland kann man kein usbekisches Geld, SUM genannt, getauscht bekommen. Daher die erste Sorge bei der Ankunft: Wo kann ich Geld zu welchem Kurs tauschen? Es gibt nämlich einen offiziellen Wechselkurs, der z. B. in Hotels oder am Flughafen angewendet wird, und einen deutlich günstigeren Schwarzmarktkurs. Diese Wechselkurse selbst schwanken aber auch von Tag zu Tag und so waren wir am Anfang, als wir beim Taxifahrer Geld tauschten, überhaupt nicht sicher, ob dies ein guter Wechselkurs war oder nicht. Aber egal, wir brauchten einfach Geld für das Zugticket; die Taxifahrt konnten wir jedoch in Dollar bezahlen. Zum Wechseln werden hier nämlich auch lieber Dollar- als Euroscheine gesehen und manchmal hängt der Wechselkurs gar vom Zustand der Scheine ab – sind sie arg geknickt oder abgenutzt gibt es prompt einen schlechteren Wechselkurs. Ich tauschte beim zweiten Mal zusammen mit Gulja beim Fleischer um die Ecke 😉 Für meine wenigen Dollarnoten warf er einfach einen riesen Haufen SUM-Scheine auf die Theke und ich musste das Geld in drei Stapeln in eine Tüte packen, weil es so viel Platz einnahm. Die Inflation hier ist sehr hoch und so ist ein 1000-SUM-Schein gerade einmal etwa 0,30 € wert. Dies hat zur Folge, dass es erstens Geldscheinzählmaschinen z. B. am Ticketschalter gibt und dass die Leute zweitens eine spezielle Methode zum schnellen Geldzählen entwickelt haben, die wir auch gleich in der ersten Usbekischübung gezeigt bekamen. Sehr praktisch!

Reise in die eigene Vergangenheit

In Usbekistan herrscht eine für mich witzige Mischung aus Elementen, die ich aus der arabischen Welt kenne, und (post-sowjetischen) Elementen, die mir teilweise ganz neu, teilweise bekannt sind. Wenn ich hier so manches Hochhaus, so manche Springbrunnenanlage, so manche Mosaike mit sozialistischen Motiven und die Wohnzimmereinrichtung bei meiner Gastfamilie sehe, muss ich an einige DDR-Überreste denken, die ich noch als Kind aus Dresden kenne und die es teilweise immer noch gibt. Kitschige Propagandaplakate und Fahnenständer en masse hingegen sind mir neu; Präsidentenbilder kenne ich noch aus Syrien, wobei mir hier das Präsidentenfotobisher nur in meinem Unterrichtsraum im Weltspracheninstitut begegnet ist. Es sieht einfach nur herrlich photoshopbearbeitet aus… Ähnlichkeiten mit der arabischen Welt bestehen beispielsweise darin, dass Preise meist verhandelt werden müssen, dass kleine Taxis extrem günstig sind, dass die Leute auf glitzernde Kitschklamotten und Kitschbilder stehen, extrem gastfreundlich sind und, zu guter Letzt, dass die Mehrheit der Usbeken Muslime ist. Wobei der Islam hier meiner Meinung nach noch liberaler als z. B. in Marokko gelebt wird. Man sieht, zumindest in Samarkand, außer in der Altstadt überhaupt keine Moscheen, Wodkatrinken ist gang und gäbe und es begeht, wie mir Eine aus dem Sommerkurs erzählte, fast keiner den Ramadan. Nur wenige Frauen verschleiern sich. Ansonsten gibt es einen krassen Gegensatz was die Kleidung betrifft: Die Frauen und auch Männer kleiden sich für die Uni superschick wie als würden sie Businessleute sein oder ganz fein ausgehen und so ist der Campus des Weltspracheninstituts von schwarz-weißer Farbgebung dominiert. Frauen außerhalb der Uni jedoch haben häufig schlafanzugartige Kleidung an, die aus einer Hose und einem langen Oberteil besteht. Man hat den Eindruck, dass es am besten ist, möglichst buntgemusterte und glitzernde Samtstoffe auszuwählen, wobei Oberteil, Hose und Socken, die man durch die Sandalen hindurch sieht, bitte möglichst in unterschiedlicher Farbe und Muster zu wählen sind… Wo sich arabische Länder einmal durchaus eine Scheibe abschneiden könnten, ist die Organisation des öffentlichen Nahverkehrs, die, so vermute ich, von den Sowjets eingeführt wurde. Es gibt nämlich hier in Samarkand Stadtbusse, bei denen dransteht in welche Richtungen sie fahren und – juhu – die an echten Haltestellenhäusschen halten, an denen sogar dransteht, welcher Bus da hält, wie lange er fährt und aller wie viel Minuten einer kommt. Ihr seht schon, ich bin in dieser Hinsicht etwas Marokkogeschädigt… Neben den Stadtbussen fahren sogenannte „Marschrutkas“ (kommt wohl von deutsch „Marschroute“), Minibusse mit einer festen Route, und eben Taxis.

Eine haarige Angelegenheit

Neben diesen mir bekannten Elementen entdecke ich hier aber jeden Tag neue Sachen, die vielleicht einfach eine zentralasiatische oder usbekische Eigenheit darstellen. Kleines, kurioses Beispiel: Körperbehaarung. Die meisten Frauen im Unigelände sind superschick angezogen, d. h. enger, knielanger Rock, weiße Bluse, Stöckelschuhe. Dann fällt der Blick auf ihre Beine – wah, meist unrasiert! Und auch die Augenbrauen wuchern nur so und die „Monobraue“, Augenbrauen, die über der Nase schon zusammenwachsen, scheinen auch ganz in zu sein. Wieso das denn, haben wir uns gefragt. Erklärung: Sind Frauen noch nicht verheiratet dürfen sie sich keine Körperhaare entfernen. Sobald sie es sind, dürfen die Beine rasiert und die Augenbrauen gezupft werden, wobei sich hier auch viele so eine Paste in die Augenbrauen schmieren, dass diese schon fast wie tätowiert aussehen. Vielleicht tragen deshalb so viele Frauen hier knielange Röcke, da die Beine das beste Indiz sind, ob sie noch zu haben sind oder nicht. Ganz anders in arabischen Ländern: Dort entfernen sich Frauen alle Körperhaare bis auf Kopf- und Gesichtshaare; alles andere würde als hässlich empfunden werden. Schon die unrasierten Beine und Monobrauen entsprechen nicht unserem Schönheitsideal. Des Weiteren haben hier viele, auch schon junge Frauen, Goldzähne, was auch gewöhnungsbedürftig aussieht. Aber vielleicht sind diese ja eine Zukunftsinvestition?

Siezen und Duzen

Auch Siezen und Duzen ist in Usbekistan ganz anders als z. B. in Deutschland. Hier wird eigentlich grundsätzlich jeder, der etwa das gleiche Alter wie man selbst hat oder älter als man selbst ist, gesiezt und meist nur Kinder oder wirklich enge und langjährige Freunde und Familienmitglieder geduzt. Unter Eheleuten ist es z. B. üblich, dass der Mann seine Frau duzt, sie ihn aber traditionellerweise mit Sie anspricht. Tja, ist halt auch sehr patriarchalisch geprägt. Wir haben hier auch schon ein paar usbekische Studenten getroffen, die Deutsch studieren und mit denen wir uns auch auf Deutsch unterhalten haben. Und auch sie siezen uns, wie sie übrigens meist auch ihre usbekischen Kommilitonen siezen, und es scheint echt schwer für sie zu sein, uns, wenn sie Deutsch reden, einfach zu duzen. Interessanterweise spielt auch beim Ansprechen von Leuten auf der Straße das Alter eine wichtige Rolle. So werden Frauen mit „opa“ = „ältere Schwester“ angesprochen; Männer mit „aka“ = „älterer Bruder“. Nur zu Mädchen sagt man „singil“ = „jüngere Schwester“ bzw. zu Jungen „uka“ = „jüngerer Bruder“. Spricht man jemanden an, den man kennt, sagt man „Vorname + opa/aka/singil/uka“. Im marokkanischen Arabisch gibt es das Phänomen auch, nur dass hier nicht zwischen jüngeren und älteren Geschwistern unterschieden wird. Spricht man einen Mann auf der Straße an sagt man „chuja“ = „mein Bruder“ bzw. bei einer Frau „chti“ = „meine Schwester“ bzw. gibt es noch die Variante für „Frau“ = „Lalla + Vorname“ bzw. „Herr“ = „Sidi + Vorname“.

Men usbektscha gapirmaiman – Ich spreche kein Usbekisch. Zumindest noch nicht.

Zu guter Letzt ein paar Anmerkungen zur usbekischen Sprache. Es handelt sich um eine Turksprache, die folglich mit dem Türkeitürkisch verwandt ist, aber auch viele russische, arabische und persische bzw. tadschikische Wörter enthält. Da die Teilnehmer der Sommerschule meist aus der islamwissenschaftlichen bzw. Slawistik-„Ecke“ kommen, gibt es immer jemanden, der Wörter wiedererkennt. Das motiviert schon einmal! Kyrillisch lesen und schreiben hingegen ist noch ein bisschen anstrengend. Zumal es mit der Schrift hier sowieso ein einziges Chaos ist. Ab den 1920ern wurde das moderne Usbekisch erstmalig verschriftlicht und in arabischen Buchstaben geschrieben, ab 1927 in lateinischen Buchstaben und im Zuge der Sowjetisierung ab 1940 schließlich kyrillisch mit einigen Sonderzeichen. 1993 schließlich beschloss das Parlament die Rückkehr zu einem lateinischen Alphabet (aber mit einer anderen Umschrift als die Lateinische ab 1927), die aber seitdem nicht konsequent umgesetzt wird. So existieren kyrillische neben lateinischen Buchstaben nebeneinander, wobei heutige usbekische Schüler z. B. alles in lateinischen Buchstaben lernen. Russisch stellt aber nach wie vor die erste Fremdsprache in der Schule dar und auch als Ausländer wird man auf der Straße immer zuerst auf Russisch angesprochen (ähnlich dem Französischen in Marokko). In Samarkand und Buchara, wo wir übernächstes Wochenende hinfahren, hört man auch sehr oft Tadschikisch, eine dem Farsi verwandte Sprache, da dort sehr viele Tadschiken leben. Und die meisten Leute in Samarkand sind tatsächlich dreisprachig: Usbekisch, Russisch und Tadschikisch. Das war zumindest ein kleiner Eindruck von den ersten Tagen in Usbekistan, das mich jeden Tag mit neuen Details überrascht. Auf den Fotos könnt ihr euch die zudem die geballten Sehenswürdigkeiten Samarkands anschauen: der Registan-Platz eingerahmt von drei Koranschulen (UNESCO-Weltkulturerbe), die Bibi-Khanom-Moschee, das Grab Timurs „Gur Emir“, etc.