Very British – 3. Akt: Gibraltar

Neben Córdoba hatte ich schon immer einmal vorgehabt Gibraltar zu besuchen. Was viele nicht wissen: Gibraltar ist ein britisches Überseegebiet an der Südspitze der iberischen Halbinsel, ist von Spanien allerdings nie vollständig anerkannt worden. Von weitem war der Halbinselzipfel schon durch den berühmten Kalksteinfelsen Upper Rock zu erkennen und die britischen Stereotypen ließen kurz nach Grenzübertritt (zu Fuß) nicht lange auf sich warten: Da rollte schon der erste rote Doppeldeckerbus vorbei, man passierte die erste rote Telefonzelle und im Hauptort der Halbinsel stolpert man haufenweise über „Fish’n’Chips“-Restaurants, konnte sein Post in den roten Briefkasten werfen und sah sich überall Plakaten mit der winkenden Queen bzw. Großbritannien und/oder Gibraltar-Fahnen ausgesetzt. Die Leute sind schon „very proud“ auf ihr Ländle hier! Das witzige ist, dass man auf der Straße sowohl schönstes British English, als auch Spanisch und Darija, marokkanisches Arabisch, hört und genauso bunt wie der Sprachenmix, so bunt sehen auch die hier lebenden Leute aus. „Very British“ war dann auch der Preis für die Übernachtung in der Jugendherberge (20 Pfund) und die Erkenntnis, dass ich mein Handy wegen mangelnden Adapters nicht aufladen konnte (stimmt, die haben ja andere Steckdosen…).

Ich unternahm einen Ausflug bis zum Ende Gibraltars, dem Europa-Point, den ein Leuchtturm, sowie eine offensichtlich Saudi-geponserte Moschee ziert. Dort hinten entdeckte ich auch schon die ersten der berühmten Gibraltaraffen – auf der Müllhalde! Später sollte ich am Endpunkt der Seilbahn noch viele weitere sehen.

Nach einem Tag Gibraltar hatte man fast alles gesehen (obwohl ich gerne noch länger geblieben wäre) und so überquerte ich wieder die Grenze nach Spanien, nahm den Bus nach Tarifa und von dort die Fähre back to Morocco nach Tanger. Eine sehr schöne Überfahrt durch die Meerenge von Gibraltar! Diese soll ja übrigens von Herkules aufgetan worden sein, als er sich gegen die zwei „Säulen“ Gibraltar und Ceúta stemmte und beide auseinanderdrückte (vielleicht erinnert ihr euch an daie Herkulesstatue in meinem Ceúta-Eintrag?).

2. Akt: Córdoba – UNESCO-Weltkulturerbe an jeder Ecke

Nach Sevilla fuhr ich mit dem Zug nach Córdoba, wo mich Ivan, ein bulgarischer Couchsurfer, der dort gerade sein Erasmusjahr verbrachte, am Bahnhof abholte. Es war noch heißer als in Sevilla! Am zweiten Tag sah ich doch tatsächlich ein Thermometer, das 45°C anzeigte!!! Kein Wunder, dass sich tagsüber kein Mensch außer den (doofen) Touristen auf die Straße wagte. Zumal gerade große Sommerferien angesagt waren und die meisten Geschäfte zu hatten bzw. gerade einmal drei Stunden am Tag öffneten. Das hatte ich nun davon, dachte ich mir, vor der „Toten Hose“ des Ramadans flüchten und dann ins sommerurlaubsleere Südspanien fahren… Aber das tat der Stadt keinen Abbruch! Mit Ivan und zwei türkischen Couchsurferinnen stand die erste Sightseeingtour am Nachmittag und Abend auf dem Programm und am nächsten Morgen ging es gleich weiter. Wir konnten morgens kostenlos die Mezquita, die Kathedrale von Córdoba, besichtigen, die auf herrliche Art und Weise christliche und muslimische (maurische) Baukunst vereinigt. Erst war sie nämlich eine Moschee gewese, da Südspanien seit Beginn des 8. Jahrhunderts bis 1236 muslimisch regiert worden war, danach wurde sie seit der Reconquista (Wiedereroberung Spaniens durch die Christen) als Kathedrale genutzt. Im Anschluss war ich mit den beiden Türkinnen noch im Alcazar, dem Palast von Córdoba, und seinem herrlichen anadalusischen Garten. Dorthin kamen wir nachts übrigens ein zweites Mal, da unser Ticket auch die Licht- und Wassershow mit einschloss. Ein etwas langatmiges, aber sehr sehenswertes Spektakel!

Die ganze Zeit in Córdoba meinte ich übrigens marokkanische Elemente, Baustile und Farben zu entdecken. Oder waren es in Marokko einfach nur andalusische Elemente, Baustile und Farben gewesen, die dort Eingang gefunden hatten? Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte, d. h. der gegenseitigen Vermischung und Beeinflussung in der maurischen Kultur und Architektur.

„Flucht“ vor dem Ramadanende nach Andalusien – 1. Akt: Sevilla und Sierra de Grazalema

Die Blogchronologie wird nun zwar etwas unterbrochen, aber ich möchte euch meine Erlebnisse und Fotos aus Andalusien und von Gibraltar nicht vorenthalten, wohin ich Ende August die „Flucht“ vor dem Ramadanende angetreten hatte. Ich hatte die Feierlichkeiten des ‚id al-fitr, des Fastenbrechenfestes, nämlich noch aus Syrien in Erinnerung und ahnte, dass auch in Marokko alles geschlossen und „nüscht los“ sein würde, da alle mit ihren Familien feiern. Also, auf nach Spanien! Den Hinflug von Marrakesch nach Sevilla erwischte ich nur mit Mühe und Not, da der sch*** Zug von Rabat nach Marrakesch zwei Stunden Verspätung hatte. Ich schwitzte Blut und Wasser im Zug und musste mich in Marrakesch ärgerlicherweise vom Taxi abzocken lassen, um noch rechtzeitig am Flughafen zu sein. Als ich in Sevilla ankam, knallte mir eine Hitze von etwa 35 °C entgegen – wärmer als in Marokko! Zum Glück holte mich Couchsurfer Ignacio direkt am Flughafen ab und brachte mich erst einmal in sein kühles Appartment, wo auch gerade eine weitere Couchsurferin, Essi aus Finnland, übernachtete. Wir beide erkundeten am Nachmittag noch Sevilla, übrigens die Hauptstadt Andalusiens, und unternahmen am nächsten Tag einen Ausflug mit Ignacio in die umliegende Sierra de la Grazalema. Dort besichtigten wir kleine, schnuckelige weiße Bergdörfer und Ignacio deckte sich mit frischem Käse ein, der dort in der Region hergestellt wird. Er kannte wirklich jede Ecke in dem Naturpark, da er zum Thema regionaler Lebensmittelproduktion promovierte und selbst einige Monate in einem solchen Bergdorf gelebt und gelernt hatte Käse herzustellen. Abends schließlich Feria in Benaocaz, ein Dorffest und zweifelhaftes Vergnügen, zumindest für die eingebundenen Tiere. Dabei wird nämlich ein Stier an ein Seil gebunden und durch das Dorf gejagt. Es gilt v. a. unter jungen Männern als Mutprobe dem Stier so nah wie möglich zu kommen, ihn immer wieder zu provozieren und ihm dann geschickt auszuweichen. Das endete damit, dass alle Leute an den Fenstergittern der Gassen hingen und der Stier versuchte, sie mit seinen Hörnern zu erreichen. (Es kam übrigens keiner zu Schaden.) Bei einer zweiten Partie wurde dann eine ganze Horde junger Stiere durch das Dorf gejagt und die abenteuerlustigen Leute mittendrin. Nun ja, immerhin kein Stierkampf! Das hätte ich mir echt nicht angeschaut! Immerhin trafen wir echt nette Leute und nach einigen Gläsern des sehr günstigen Biers intus wurde die Stimmung auch immer lebhafter und lauter. „El Torro, el torro“ („Der Stier, der Stier“) sollte noch lange in meinem Kopf nachhallen…

Ceúta/Sebta – Afrika und Europa prallen aufeinander – und „Die weiße Taube“ Tétouan

Unglaublich, aber wahr: Jetzt bin ich schon seit drei Monaten in Marokko! Deswegen hieß es letztes Wochenende auch ausreisen, um das 90-Tage-Visum zu verlängern. Und nichts liegt da in Marokko näher als in einer der beiden spanischen Enklaven, Ceúta und Melilla, auszureisen, die beide den Status autonomer Städte auf dem afrikanischen Kontinent innehaben. Und so nahme ich mit Nathalie, die das Praktikum zur gleichen Zeit wie ich begonnen hatte, den Nachtbus nach Ceúta, da diese von beiden Städten näher an Casa liegt. Wir kamen gegen 6.30 Uhr im Grenzstädtchen Fnideq  und nahmen von dort ein Taxi bis zur Grenze, die wir dann zu Fuß überquerten. Da über Ceúta viele Leute versuchen illegal nach Europa zu gelangen wurde die Grenze in den letzten Jahren immer mehr befestigt und überwacht. Ich kam mir manchmal vor wie im Zoo, denn man lief durch ewig lange Gittergänge bis auf die andere Seite hinüber. Dann hieß es willkommen zurück in Europa: Die Taxifahrt zum Hostel kostete in etwa das sechsfache einer Taxifahrt derselben Strecke in Marokko, die Euros mussten wieder hervorgekramt werden und Nathalie musste mich öfters von der Straße zurückpfeifen, die ich ganz in marokkanischer Manier einfach ohne Rücksicht auf die Autos betreten hatte à la „na, die werden schon stehen bleiben“ 😉 Und: Keiner sprach nun noch irgendeine Fremdsprache (im Gegensatz zur immer wieder beeindruckenden Sprachgewandtheit vieler Marokkaner), so dass ich mir stets auf Spanisch einen abbrechen musste. Naja, ein bisschen Praxis schadet da nicht, auch wenn die Leute schwer zu verstehen waren und einen ähnlich nuscheligen Dialekt wie in Andalusien sprechen.

Unser Hostel zu finden stellte sich zunächst als schwierige Aufgabe da, denn an der von mir notierten Hausnummer und auch an den Türen daneben gab es keinerlei Hinweis darauf. Nachdem wir von drei Personen jedoch den Hinweis erhielten, einfach an der Tür eines großen roten Hauses unten am Berg zu klopfen, fanden wir es schließlich. Keine Ahnung, ob der Betrieb vielleicht nicht so ganz legal war, denn warum sonst bringt man nicht einmal ein Hostelschild außen an der Tür an???

Nathalie und ich machten uns dann gleich auf, um gemütlich Kaffee trinken zu gehen, die Stadt zu erkunden und ein bisschen shoppen zu gehen, denn letzteres ist hier um einiges billiger als in Marokko, da natürlich aufgeschlagene Zollgebühren entfallen. Die Stadt an sich sah meiner Meinung nach typisch spanisch aus (falls es so was gibt), aber die Leute auf der Straße bildeten einen bunten marokkanisch-spanischen Mix. Man sah Djellaba neben „europäischem“ Out; in den Läden allerdings hörte man mehr Arabisch als Spanisch, da offensichtlich viele marokkanische Mütter und ihre Töchter ebenfalls zum Shoppen nach Ceúta gefahren waren. Nachmittags stießen wir auf einen weiteren Grund, für den viele Marokkaner in die Enklave kommen, und der heißt schlicht und ergreifend einfach „LIDL“. Es handelte sich um einen besonders großen LIDL, der sich direkt am Hafen befand und dessen Kassen stets sehr gut klingeln müssen so voll war er mit Leuten. Auch wir ließen es uns natürlich nicht nehmen ein paar Sachen einzukaufen, die man in Marokko nicht bekommt. Auch der ramschige, an KIK erinnernde Klamottenladen nebenan war heillos überfüllt und es sah auch, als wäre eine Elefantenherde durch ihn hindurchgetrampelt: Viele Klamotten lagen auf dem Boden und alles war durcheinandergewühlt. Nach Mittagessen am Strand und einer Siesta im Hotel gingen wir abends in eine schöne Kneipe in den Festungsmauern der Stadt, wobei mich die Festung architektonisch sehr an bretonische Festungen erinnerte.

Den nächsten Tag wanderten wir zur Militärfestung auf dem einen Hügel der Stadt hinauf und hatten einen herrlichen Blick auf die Meerenge von Gibraltar. Das spanische Festland und auch der Fels von Gibraltar waren von hier aus gut zu sehen. Nachmittags machten wir uns erneut zur Grenze auf. Diesmal war es leider nicht ganz so einfach wie auf dem Hinweg und die Suche nach dem richtigen Abfertigungsschalter für den Einreisestempel erinnerte sehr an Asterix‘ und Obelix‘ Suche nach dem Passagierschein A38 :-S  Dann hieß es auch wieder willkommen zurück in Marokko: Die Taxifahrer, die hinter der Grenze warteten, wollten uns mal wiederschön abziehen und zu einem viel zu hohen Preis zum Busbahnhof von Fnideq fahren. Trotz diskutieren wollten sie nicht nachgeben und so mussten wir notgedrungen trotzdem eines der Taxis nehmen. Von Fnideq aus nahmen wir den Bus nach Tétouan, wo uns Couchsurfer Joel erwartete. Wir fuhren die Strecke in einem Bus, der wahrscheinlich aus den 50er-Jahren stammte, bis auf den letzten Platz ausgefüllt und super-eng zum Sitzen war. Aber die mitreisenden Leute waren echt hilfsbereit was unser Gepäck betraf.

Joel, Leiter des American Language Centers in Tétouan, holte uns in einem Café ab, in das wir uns einfach mal dreist mangels Alernativen gesetzt hatten, obwohl es eines von diesen typischen Männercafés in Marokko war, in dem viele Männer den ganze Tag rumhängen und die Straße beobachten. War schon interessant, was man so alles sehen konnte und viele vorbeigehende Männer starrten dann wiederum uns an, wie wir da als europäische Frauen in dem Café saßen. Werden wahrscheinlich „dumme Touristen“ gedacht haben… Aber warum die Tradition nicht mal ein bisschen aufmischen, nech?

Joel nahm uns mit zu seinem Appartment, das sich als perfekter Aussichtspunkt auf die Umgebung erwies – riesige Fenster, die die herrliche Lage Tétouans richtig gut sichtbar machten. Am nächsten Morgen erkundeten wir dann schließlich auch die Stadt und wussten dann, warum sie auch als „weiße Taube“ bezeichnet wird, denn die Straßen der Neustadt säumten viele strahlend weiße spanische Kolonialbauten. Auch die Medina, die übrigens UNESCO-Weltkulturerbe ist, war sehr schön und hatte mit ihrer ebenso hauptsächlich weißen Farbgebung einen ganz eigenen Charakter. Auch der König mag Tétouan: Er hat hier nämlich wegen des milden Klimas (von dem wir leider nichts mitbekamen *brrrr*) einen Königspalast, der mit Säulen umgeben ist, die von einem Schüler des katalanischen Architekten Gaudí stammen. Wieder was gelernt!

Der Ausflug endete für mich dann allerdings doch mit einem bitteren Nachgeschmack, denn mir wurde in der menschenvollen Medina wegen meiner eigenen Unachtsamtkeit mein Portemonnaie gestohlen. Zum Glück war es „nur“ mein Portemonnaie mit dem Bargeld, da ich meine Karten in einem anderen aufbewahre. Aber die umgerechnet etwa 20 €, die somit futsch waren, sind in Marokko schon viel Geld. Naja, ich hoffte einfach, das Geld hat ein ganz armer Schlucker bekommen, der jetzt seine Familie eine Woche ernähren kann…